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Blind Date

Geschichte Info
Eine Geschichte darüber, wie das Leben so spielt.
8.6k Wörter
4.56
51k
23
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Diese Geschichte entstand als Beitrag zu einem Kurzgeschichtenwettbewerb, bei dem aus meiner Sicht einige wirklich Knallergeschichten dabei waren. Umso stolzer bin ich noch immer, das ich den zweiten Platz belegt habe. Und das ich dabei sein durfte.

Ursprünglich wollte ich die Geschichte hier überhaupt nicht veröffentlichen. Zunächst gehörte sie für mich ganz einfach zu diesem anderen Board und eben nicht hierher.

Aber ein paar Gespräche in der Zwischenzeit haben meine Perspektive etwas verändert. Ich denke nun, das es mehr um die Leser geht und ihnen gute Geschichten (ich bin so dreist, meine als solche zu bezeichnen) nicht vorzuenthalten. Egal wie es mit der Konkurrenz zwischen den ganzen Boards aussieht.

Ich weiß außerdem von einigen Leuten, das sie mich hier lesen. Und nur hier, auch wenn in meinem Blog noch mehr zu finden ist oder andere Seiten vielleicht ein angenehmeres Leseformat bieten.

Und zu guter Letzt habe ich eine Weile lang nichts von mir hören lassen und hoffe, diese Geschichte versüßt die Wartezeit auf Fortsetzungen und neue Geschichten ein wenig.

Expect the unexpected and have fun!

;-D

-----

Wenn ich darüber nachdenke, diese Geschichte zu erzählen, überkommt mich das dringende Bedürfnis, alle zwei Minuten einzuwerfen: Ich war zwanzig, jung und dumm.

Weswegen, wird man sicherlich schnell verstehen...

Als ich besagtes Alter hatte, steckte das Internet noch in den Kinderschuhen. Es gab zwar schon Chatrooms und andere Online-Aktivitäten, aber noch lange hatte nicht jeder einen Internetzugang. Und wenn man einen hatte, dann lautete die Frage, wie viele Kilobit das Modem schaffte. Nix mit Mega oder Giga.

Aber für diejenigen, die noch nicht einmal einen Computer hatten, war das ohnehin nicht wichtig. Und für diese Menschen, zu denen auch ich zählte, gab es daher auch keine Möglichkeit, sich online mit irgendwelchen Leuten zu treffen, zu verabreden und zu einem Blind Date zu kommen.

Trotzdem hatte ich in dieser Phase meines Lebens eine ganze Reihe von diesen Verabredungen mit praktisch unbekannten Frauen. Aber wie kam es dazu?

Nun... Es gab seinerzeit eine gewisse Hochkonjunktur bei sogenannten Flirtlines.

Und an dieser Stelle möchte ich erstmals einwerfen: Ich war zwanzig, jung und dumm.

Flirt- oder Datinglines waren Telefonhotlines, bei denen man anrufen konnte. Man traf dort auf andere Leute, die ebenfalls gerade nach einem Gespräch suchten. Die einsam waren. Oder sich amüsieren wollten.

Heute würde jeder höhnisch darauf hinweisen, dass bei den üblen Nummern, die für nur drei bis fünfzehn Euro die Minute schnellen Spaß versprechen und nachts die Werbepausen dominieren, sowieso bestenfalls ein paar Professionelle daran arbeiten, einen so lange wie möglich in der Leitung zu halten.

Aber damals war das anders. Und zumindest das ist die Wahrheit.

Seinerzeit gab es Nummern, die für Frauen kostenlos waren und so einen gewissen Zulauf hatten. Und damit zogen sie auch die männlichen Trottel an, von denen ich einer war.

Ja... Ich war zwanzig, jung und dumm.

Aber trotz horrender Ausgaben hatte ich dort anregende Gespräche und richtiggehende Fernbeziehungen per Telefon. Inklusive Telefonsex, wenn auch eher selten.

Die meisten Mädels waren dort, weil es für sie unterhaltsam war, sich umschwärmen zu lassen. Und sie spielten ihre Spiele. Aber bei aller Abgebrühtheit ist ein Gespräch ein Gespräch. Und in einem Gespräch kann man jemanden für sich gewinnen, einen guten Eindruck machen, eine sachte Verbindung knüpfen und sich gut miteinander verstehen.

So konnten sich tatsächlich Bindungen entwickeln, die irgendwann in den Austausch realer Telefonnummern mündeten. Und in lange, lange, lange Telefonate über Dinge, die bei einem realen Treffen wohl jeden Funken von Interesse getötet hätten, aber fürs Telefon eben genau die Richtigen waren.

So war es auch mit Hannah, deren vorherrschender Charakterzug eine überwältigende Schüchternheit zu sein schien. Dicht gefolgt von einer mitreißenden Einsamkeit.

Der nicht mehr ganz junge Leser denkt sich an dieser Stelle wahrscheinlich: ‚Wird fett gewesen sein, die Kuh.'

Soviel kann ich bereits sagen: Das war sie nicht.

Hannah war... anders. Sie gab nicht viel von ihren Lebensumständen preis, aber sie redete bald mit mir über ihr Seelenleben. Und es war wirklich bewegend für mich.

Sie eröffnete mir einen Einblick in die Welt von jemandem, der allein war. Und auch wenn ich mir meine Zeit mit Telefonhotlines um die Ohren schlug, war ich das nicht wirklich. Ich hatte Freunde und ging auch abends weg. Ich hatte ein Leben.

Hannah war - und dieser Sache war ich mir schnell sicher - in irgendeiner Weise eingeschränkt in ihrer Bewegungsfreiheit. Und deswegen war sie völlig allein mit sich.

Wir hatten Telefonsex und ich muss zugeben, dass er, trotz meiner eigentlichen Abneigung gegen diese Sache, gut war. Ich fand es sogar beinahe glaubwürdig, dass sie es ebenfalls genoss.

Aber schließlich wollte ich natürlich mehr. Und hier biss ich für Wochen bei ihr auf Granit.

„Ich will dich sehen", sagte ich zum bestimmt hundertsten Mal nach einem langen Gespräch tief in der Nacht zu ihr.

„Ich würde dich auch gerne sehen", erwiderte sie, unsicher wie immer, wenn das Thema zu Sprache kam. „Aber es geht nicht."

Ihre Argumente waren an sich schlüssig. Sie wohnte im tiefen Süden und ich im hohen Norden. Sie hatte kein Geld, wohnte noch Zuhause und war nicht mobil. Und sie machte kein Geheimnis daraus, dass sie daran zweifelte, ob ‚die Chemie' zwischen uns nicht daran zerschellen würde, dass wir unseren Erwartungen nicht gerecht werden könnten.

Aber ich war schon damals nicht der Mensch, der seine Faszination und sein Interesse nur auf eine Ebene - körperlich oder intellektuell - beschränken konnte. Und ich hatte schließlich tatsächlich einen Plan.

„Ich will dich berühren und deine Berührungen spüren, wie du sie mir beschrieben hast", erklärte ich an einem Abend noch ganz ohne Hintergedanken.

Hannah hatte wirklich ein bewundernswertes Talent für bildhafte Beschreibungen von Berührungen. Das machte den Telefonsex mit ihr so ungewöhnlich aufregend. Sie war ganz offensichtlich ein Mensch, der gerne und sehr bewusst berührte.

„Ja", hauchte sie, plötzlich wieder einmal ergriffen. „Das würde ich auch sehr gerne erleben."

Wir sprachen noch eine kurze Weile darüber, wie schön es wäre, nebeneinanderzuliegen und nicht durch so viele Kilometer getrennt zu werden, als mir die Idee völlig überraschend kam.

Ich sprach es nicht an, denn sie hätte es mir ausgeredet. Ich vergewisserte mich nur, dass sie am Abend Zeit für mich haben würde. Und dann beendeten wir das Gespräch schließlich, als sie schon dabei war, einzuschlafen.

Als ich nach einer eher kurzen Nacht erwachte, war ich mir absolut sicher, dass ich meinen Plan noch immer umsetzen wollte. Er war kindisch und kurzentschlossen, aber mangelnde Impulsivität konnte ich mir noch nie vorwerfen.

Ich brauchte an diesem Samstagmorgen etwa eine Stunde, um von einem befreundeten Soldaten eine Bahncard auszuleihen und meine finanziellen Reserven zu mobilisieren. Und dann war ich allen Ernstes auf dem Weg.

Hey... Ich war zwanzig, jung und dumm.

Ich wusste, in welcher Stadt Hannah wohnte. Sogar in etwa, in welchem Stadtteil. Und mein Geld reichte für eine Strecke und ein billiges Hotel. Oder für Hin- und Rückfahrt. Also tat ich, womit man damals bei der Bahn noch durchkommen konnte: Ich fuhr schwarz, bis der Schaffner mich ansprach. Erst dann löste ich eine Fahrkarte.

Und ich hatte Glück, denn ich kam immerhin bis ins Ruhrgebiet, bevor ich von dort aus ein Ticket nach Baden-Württemberg lösen musste, weil ich auch nicht mehr umsteigen würde.

Damit entspannte sich meine finanzielle Situation allerdings schon einmal gehörig.

Als ich ankam, war es früher Abend. Spät genug, um Hannah anzurufen.

„Hallo mein Prinz", sagte sie ins Telefon, denn Telefonnummern konnten die Handys auch damals schon übertragen.

„Hallo Prinzessin,", begrüßte ich sie. Es war unser persönlicher ‚Running Gag'.

Nun... Wir waren wohl beide zwanzig, jung und dumm...

„Ich bin hier", platzte ich dann heraus.

„Wo?", fragte sie irritiert.

„In deiner Stadt. Am Bahnhof."

„Was?", keuchte sie erschrocken. „Wieso? Wie?"

Es kostete mich ein paar Minuten, sie zu beruhigen. Und ein paar weitere, ihren letzten Widerstand zu überwinden.

Als sie schließlich zustimmte mich zu treffen, war das vorherrschende Gefühl in ihrer Stimme eine Resignation, die ich nicht verstand. Aber ich war beflügelt, denn immerhin stimmte sie zu.

Wir verabredeten uns auf dem großen Marktplatz vor dem örtlichen Dom. Der war nicht zu verfehlen und ich machte mich gleich dorthin auf den Weg. Vorsorglich nahm ich die Gegend in Augenschein und entschied spontan, zwei Kinokarten für die Abendvorstellung zu kaufen. So hätten wir ein wenig Zeit uns zu beschnuppern. Und sie würde nicht gleich fliehen.

Erst zur vereinbarten Uhrzeit ging mir auf, dass wir nie wirklich über ihr Aussehen gesprochen hatten. Und auch wenn sie meine Beschreibung hatte, war der Platz voller Menschen.

Aber wir hatten schließlich unsere Handys. Also rief ich sie einfach an, als die vereinbarte Zeit um fünf Minuten überschritten war.

Was mich erwartete, hätte ich nicht in meinen verworrensten Träumen vorhergesehen...

Die Turmuhr des Doms hatte die Stunde angeschlagen und die Leute schlenderten über den belebten Platz. Also suchte ich mir eine ruhige Stelle an einer Statue und lehnte mich dagegen.

Einer Frau, die sich an diesen Platz geflüchtet zu haben schien, nickte ich zu. Erst danach bemerkte ich ihren Blindenstock und ihre große Sonnenbrille. Sie trug zwar keine Armbinde, aber sie reagierte nicht auf mich, obwohl sie mich ansah. Ich dachte mir nichts weiter dabei.

Auch nicht, als in ihrer Tasche ein Handy klingelte, als ich just Hannahs Nummer gewählt hatte.

Erst als sie dranging und ich Hannahs Stimme gleichzeitig durch das Telefon und in natura hörte, fügte sich das Puzzle plötzlich zusammen.

„Ha-Hallo?", stammelte sie verunsichert ins Telefon.

Völlig verdattert konnte ich gar nicht reagieren.

„Bastian?", fragte sie leise. „Bist du...?"

Noch immer war ich zu keiner Regung fähig.

Se ließ das Telefon sinken und schien sich beinahe umzusehen.

„Du stehst hier irgendwo, nicht wahr?", fragte sie und ich hörte die Tränen in ihrer Stimme.

Mein Schlucken schien irgendwie laut genug, dass ihr Gesicht in meine Richtung ruckte.

„Jetzt weißt du, weswegen ich dich sehen wollte, aber nicht konnte", flüsterte sie. „Es tut mir leid..."

Noch einmal schluckte ich. Meine Gedanken rasten ziellos.

Alles, was sie mir erzählt hatte, ergab plötzlich einen ganz anderen Sinn. Und das musste ich erst einmal verarbeiten. Dass ich dabei so rein gar nicht auf sie reagierte, verstand sie natürlich ein wenig falsch. Wer sollte es ihr verdenken.

„Ich... Ich gehe besser", brachte sie hervor und wandte sich ab.

Erst da löste sich meine Erstarrung und ich griff nach ihrer Hand. Sie zuckte zusammen, hielt aber inne.

„Es tut mir leid", presste ich heraus. Dann fiel mir noch etwas ein und ich stöhnte. „Ich bin so ein Volltrottel..."

„Ich kann verstehe, dass du nicht in Begeisterungsstürme ausbrichst", sagte sie leise.

„Nein. Nicht deswegen", murmelte ich.

Unsere Hände hatten inzwischen unwillkürlich ihre Haltung verändert und irgendwie zueinandergefunden. Ich hielt sie nicht mehr fest, sondern wir hielten beinahe Händchen. Irgendwie..

„Weswegen dann?"

„Ich habe... Kinokarten besorgt." Ich kam mir wie ein Idiot vor.

„Das...", sie stockte. „Das ist okay. Wenn du es noch willst, meine ich..."

„Ja", antwortete ich sofort und es war die Wahrheit. „Aber du..."

„Ich kann gut hören." Beinahe lächelte sie dabei.

So oder so kam ich mir vor wie der letzte Depp.

Hannah hatte mir mehr als einen Hinweis auf ihr Handicap gegeben und ich hatte einfach nicht gerafft, was sie mir sagen wollte. Aber zu meiner Verteidigung muss ich vorbringen, dass es in meinen Augen auch nicht gerade eine Behinderung war, die ihre Attraktivität in irgendeiner Form beeinflusste. Obwohl sie genau das anzunehmen schien.

Ich kam mir richtiggehend schäbig dabei vor, wie ich sie anstarrte, während wir Hand in Hand zum Kino gingen.

Niemand hätte die junge Frau neben mir als bildhübsch beschrieben. Aber sie war niedlich, soweit man das bei der riesigen Sonnenbrille sagen konnte, die ihr halbes Gesicht verdeckte.

Sie war schlank - was eine der seltensten Überraschungen bei dieser Art von Blind Dates war. Klein, zierlich und feingliedrig. Mit Händen, die ich gemeinsam mit einer von mir umfassen konnte. Filigran und zerbrechlich, wie ihr Wesen.

Als ich einen Mann anrempelte, den ich nicht bemerkt hatte, weil ich mich auf Hannah konzentrierte, schmunzelte sie.

„Man könnte meinen, du wärst von uns beiden der Blinde."

„Entschuldige. Ich..."

Wie sollte ich das jetzt erklären, ohne dass es völlig mies klang?

„Du starrst mich an", erklärte sie. „Ich spüre es an der Art, wie deine Hand leicht verdreht ist."

„Ja", gab ich zu.

„Und?"

„Du bist hübscher, als ich zu hoffen gewagt habe."

Sie geriet aus dem Tritt. Und ich schlug mir beinahe vor die Stirn.

Ja. Ich war zwanzig, jung und dumm, aber das war keine Entschuldigung dafür!

Sie sagte nichts darauf, aber an der Art, wie sie meine Hand fester griff, glaubte ich zu spüren, dass sie es mir nicht übelnahm.

Dann mussten wir uns einen Weg ins Kino zu unseren Plätzen bahnen und hatten für einen Moment andere Sorgen.

Trotz meiner Trotteligkeit merkte ich sehr schnell, wie unangenehm das Gedränge für Hannah war. Ständig wurde sie angerempelt und ich sah ihr an, wie unwohl sie sich fühlte.

Ohne richtig nachzudenken, zog ich sie näher zu mir, brachte meine Arme um sie und schirmte sie ab, während ich sie mit meinem Körper deckte. Und dabei spürte ich, dass sie angespannt war, wie eine Sprungfeder.

Aber das ließ nach, als ich sie im Prinzip im Arm hielt und langsam vor mir herschob. Fast fühlte es sich an, als würde sie nach einem Augenblick der Orientierung die Waffen strecken und sich in meine Obhut begeben. Und das war ein tolles Gefühl!

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, habe ich keine Ahnung, welchen Film ich damals ausgewählt hatte. Ich erinnere mich nur noch, wie ich den kleinen Körper im Arm hielt und er sich an mich schmiegte, bis wir unsere Sitze erreichten.

Wie automatisch glitten wir dort in eine Position, bei der mein Arm um ihre Schulter lag und sie an mir lehnte. Den Kopf auf der Vorderseite meiner Schulter und die Hände auf meinem Oberschenkel.

Nun war ich der Angespannte, denn sie gab sich so unbefangen in meine Umarmung, als wäre es ihr egal, wie nahe sie meinem Schritt dabei kam. Und sie schien das sehr schnell zu spüren.

„Ist es dir unangenehm, mich im Arm zu halten", fragte sie nach einer kleinen Weile.

Dabei hob sie den Kopf soweit, dass ich ihren Atem an meinem Hals spürte. Was meine Situation nicht verbesserte.

Zum Verständnis sollte ich erwähnen, dass meine letzte, intime Beziehung einige Wochen zurücklag und ich als junger Mann sowieso nur an Sex dachte. Und nun hielt ich einen Körper im Arm, der alles andere als unattraktiv für mich war.

„Nein", erwiderte ich wahrheitsgemäß. „Ich bin nur... Ich will nicht... Also ich..."

„Bist du erregt?", fragte sie ungläubig und rettete mich so einerseits vor meinem eigenen Gestammel und brachte andererseits die Sache auf den Punkt, den ich eigentlich hatte vermeiden wollen.

„Tut mir leid...", schnaufte ich und wurde ziemlich rot.

„Nein", sagte sie nach kurzem Zögern. „Mir nicht."

Und dann legte sie wieder den Kopf an meine Brust und ließ ihre Hände sogar weiter hinauf rutschen, bis sie direkt auf der Beule in meiner Hose lagen.

Erst nach einem langen Augenblick besann ich mich wieder auf die Notwendigkeit, zu atmen.

Der Kinobesuch war für mich ein Kontrastprogramm aus Eindrücken, die rein gar nichts mit dem Film zu tun hatten. Welcher auch immer es war.

Im Gegensatz zu Hannah war ich mir meiner Umgebung bewusst. Ich sah, wie die Leute neben uns hinüberschauten und bemerkten, dass zwischen ihr und mir ein wenig mehr Nähe herrschte, als vielleicht angemessen gewesen wäre.

Ich sah einen älteren Mann, der die Hand seiner Partnerin ergriff und sie auf uns aufmerksam machte, woraufhin beide sachte lächelten und sich wieder dem Film zuwandten. Aber nicht ohne ein wenig näher zusammenzurücken.

Aber ich sah auch, wie ein Jugendlicher auf der anderen Seite mich abschätzig musterte und dann den Kopf schüttelte, bevor er seinem Kumpel etwas zuflüsterte. Und dann amüsierten sich beide über etwas, dass ich ziemlich gut erraten konnte.

Ich war kein Adonis. Ich war zu dick. Und ich war es immer gewesen. Mein ganzes Leben lang.

Es war nicht mehr so schlimm, wie in meiner Jugend und mir war durchaus klar, dass ich weder fettleibig noch unerträglich unattraktiv war. Sogar, dass es Frauen gab, die es akzeptabel fanden und behaupteten, sie würden es mögen. Aber wenn man als dicker Junge aufgewachsen ist, hat man gewisse Empfindlichkeiten.

Die beiden Jungs feixten darüber, dass wohl nur eine Blinde - gut genug an ihrem Stock und der Brille erkennbar - sich auf einen wie mich einlassen würde.

Wie sich herausstellte, war ich nicht der Einzige, der es bemerkte. Hannah sah zwar nicht, aber sie hörte tatsächlich gut. Ich spürte, wie ihre Hand sich auf meinen Bauch legte.

Zunächst wäre ich vor Scham am liebsten im Boden versunken, aber dann lenkte mich die Berührung ab. Noch niemals hatte jemand auf diese Weise meinen Bauch - oder überhaupt etwas an meinem Körper - berührt.

Sie... erfühlte mich. Fuhr sachte mit den Fingerspitzen über die Oberfläche und übte doch ein wenig Druck aus. Ihre Hand glitt von einer Seite zur anderen und hinauf bis dorthin, wo die Wölbung zurückging und meine Brust ihren Anfang nahm. Und dann weiter an die Stellen, wo ich gerne behauptet hätte, dass ausgeprägte Brustmuskeln das Einzige waren, was für eine gewisse Substanz verantwortlich war.

Sie hielt nicht inne. Ihre Hand erkundete meine freie Schulter und meinen Oberarm, wo sie sich tatsächlich unter das T-Shirt schob und eine ganze Weile dort verbrachte, wo ich seit Jahren eine kleine Tätowierung hatte. Dann zog sie sich zurück und fand meinen Hals, mein Kinn und schließlich mein Gesicht.

Ich hatte eine grobe Ahnung davon, dass sie durch ihre Berührungen einen Eindruck von meinem Aussehen gewinnen wollte. Und ich ließ sie gewähren. Auch wenn mir heiß und... heißer wurde, weil ihre Fingerspitzen sich alles andere als unangenehm anfühlten.

Ihr Kopf hob sich leicht und wandte sich mir ein wenig mehr zu, wodurch ihr Atem wieder an meinen Hals und mein Ohr schlug. Was die Lage nicht gerade verbesserte.

„Ich sehe dich", hauchte sie. „Und ich mag, was ich sehe."

Ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper. Was zugegebenermaßen auch an den weichen Lippen liegen mochte, die sich gegen meinen Hals drückten.

„Ich will schon so lange fühlen, ob es dich wirklich erregt, wenn wir... reden. Und jetzt kann ich es fühlen", wisperte sie. „Ich bin froh, dass du gekommen bist."

Ich schluckte und konnte ihr nur aus tiefstem Herzen zustimmen. Und wunderbarerweise musste ich ihr das nicht erst mit Worten sagen, denn sie spürte es.

Die knappen anderthalb Stunden des Films kamen mir gleichzeitig wie Tage und wie Minuten vor.

Hannah löste niemals ihre Rechte von meiner langsam schon schmerzhaften Erektion. Aber ihre Linke erkundete den Rest meines Körpers, soweit sie ihn erreichen konnte.

Bei allen Erfahrungen mit Streicheleinheiten, die man als Jugendlicher macht, kann nichts einen darauf vorbereiten, von einem Menschen berührt zu werden, der mit den Händen sieht. Es ist anders...

Hannah berührte mich überall und kehrte immer wieder zu bestimmten Stellen zurück. Der Übergang zwischen Schulter und Oberarm lockte sie ebenso, wie die Linie meines Kiefers. Ihre Erkundungen waren wie ein zweistündiges Vorspiel, auch wenn sie eigentlich einem anderen Zweck folgten.