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Die Skaterin Teil 04

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Nachdem sie sich befreit hatte, war es an der Zeit, sich um Olivia zu kümmern. Mit Igors Schlüsselbund bewaffnet, eilte Kim hinaus um das Mädchen zu retten. Sie wollte gar nicht daran denken, was dem Mädchen hier vielleicht schon alles angetan wurde. Sie hoffte, dass Igors Geschlecht durch ihre Attacke bleibende Schäden davon trug. Kastration war für ein solches Schwein noch eine geringe Strafe.

"Komm, wir müssen los", meinte Kim, als sie Olivias Zelle öffnete und das am Boden kauernde Mädchen entdeckte. Sie merkte dabei überhaupt nicht, wie sehr ihre eigene Stimme zitterte. Das Mädchen starrte Kim erst einmal einen Moment lang an. An ihren Mundwinkeln hatte sie immer noch Igors Blut, welches ihrem Anblick weiter entstellte. "Jetzt komm, wir müssen hier abhauen."

Nur zögerlich erhob sich die Kleine und ließ sich von Kim mitschleifen. Mehrmals verliefen sich die Beiden bei ihrer Flucht durch das unterirdische Verlies. Sie stießen auf Folterkammern und Spielwiesen, die ihnen Angst und Antrieb zugleich waren. Hier drinnen zu enden war keine Option. Sie mussten fliehen, koste es was es wollte. Der alte Nazibunker offenbarte sich als wahres Labyrinth. Symbole des 3. Reichs zeugten von der braunen Vergangenheit jenes Gewölbes, welches nichts von seinem Schrecken verloren hatte.

"Wie kommen wir hier heraus?", fragte Olivia ängstlich, als sie sich erneut vor einer verschlossenen Panzertür befanden, die ihnen den Weg abschnitt. "Die werden uns doch sicher suchen?"

Kim dachte an Igor, den sie in dem Büro zurückgelassen hatte. Er würde sicher bald zu sich kommen. Sie bereute es irgendwie, dass sie nicht den Mut gehabt hatte, ihn zu töten. Die Handschellen würden ihn bestimmt nicht lange festhalten. "Wir schaffen das schon. Außerdem, wenn wir uns hier verlaufen, dann werden die Männer uns hier drinnen auch nicht finden."

Olivia lächelte zaghaft, als sie zu Kim aufblickte. Ein Moment der Hoffnung spiegelte sich in ihren Augen wieder. Doch plötzlich jagte ein neues Geräusch Angst in die Augen des Mädchens und auch Kim erstarrte. Das laute Bellen eines Hundes hallte durch den Bunker.

***

Das Hundegebell jagte bedrohlich durch die Gänge, während Olivia und Kim einfach nur liefen. Sie hasteten vorbei an alten Naziinsignien, die auch nach fast einem Jahrhundert ihre Schrecken nicht verloren hatten. Sie wussten nicht, wohin sie das in Beton gegossene Labyrinth führte. Sie wussten nicht, wieviele sie verfolgten. Sie spürten nur die Angst, die nun plötzlich von ihnen Besitz ergriffen hatte. Ihre Herzen pulsierten. Schweiß schoss aus ihren Drüsen. Beide wussten, dass es um alles ging. Ihr Leben, ihre Freiheit, einfach alles. Ihre Muskeln schmerzten, ihre Lungen brannten, doch sie ignorierten es.

Kim hielt die Hand des Mädchens fest umschlossen. Sie wollte sie nicht verlieren, sie nicht in den Händen jener perversen Männer zurücklassen. Sie selbst trug auf ihrer entblößten Haut die deutlichen Spuren ihrer Misshandlung, die der Zuhälter Ace und seine Männer ihr zugefügt hatten. Das Blut eines der Männer klebte an ihren Mundwinkeln und verlieh der jungen Frau die Fratze einer Furie. Ihre Angst galt nicht ihrem Körper, nicht dem ungeborenen Leben in ihr. Ihre Angst galt alleine Olivia. Sie wollte das Mädchen retten, auch wenn sie es kaum kannte. Aber in Wirklichkeit war es nicht Olivia, die sie retten wollte. Nein, das Mädchen um dessen Schicksal sie kämpfte, war schon lange Tod. Ein Geist der Vergangenheit, der Kim verfolgte und antrieb.

Sie kamen in einen Gang, aus dem es nur einen einzigen Ausgang zu geben schien. Kim griff nach dem Riegel und mit vereinten Kräften öffneten sie das große Tor, welches zu einem Saal führte, der durch mehrere Lampen in ein surreales Licht getaucht wurde. Das Gekeife des Hundes wurde immer lauter. Bevor sie sich noch in dem, von roten Hakenkreuzen geschmückten, Raum umsehen konnten, versuchten die Mädchen hastig das Tor hinter ihnen wieder zu schließen. Doch zu spät.

Die Bestie sprang durch einen Spalt hindurch, der gerade noch groß genug war für den drahtigen Körper des Deutschen Schäferhunds. Er schnappte nach Olivia, doch verfehlte er das Mädchen im Flug und landete auf dem mit Marmor ausgekleideten Boden. Vor Angst erstarrt drückte sich das Mädchen gegen das halb offene Tor, während der von dem Zuhälter scharf gemachte Hund die Zähne fletschte. Dieses Tier hatte nichts mehr von dem edlen Charakter eines Hundes. Mit Gewalt war dieses Wesen zu einer Waffe geformt worden, die nun bereit war, im Auftrag seines Herrn auf alles und jedes loszugehen.

"Komm, du dumme Töle!" Erst wollte sich die Beste auf Olivia stürzen, doch Kim hatte die Situation begriffen und lief fluchend davon, was die Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Der Hund wechselte das Ziel und hastete ihr über den roten Teppich nach. Kim eilte die Stufen hinauf zu einer Art Schrein, über dem die mannsgroße Abbildung eines Reichsadlers zu sehen war, der von mehreren SS-Standarten und großen Hakenkreuzflaggen flankiert wurde. Sie hatte keine Zeit sich über die morbide Symbolik Gedanken zu machen und griff einfach nach einer der Standarten.

Kim riss die, wie einen Speer geformte, Standarte aus der Halterung. Gerade noch rechzeitig richtete sie die versilberte Spitze auf den heranstürmenden Hund, der sie mit seinem furchterregendem Gebiss anstarrte, als wolle er sie bei lebendigem Leib verschlingen. Anstatt sie zu beißen und seine scharfen Zähne in ihr Fleisch zu jagen, schnappte der Schäferhund nun nach der Lanze. Er erwischte die kleine Hakenkreuzflagge und zerfetze sie augenblicklich.

Olivia schrie laut auf, doch Kims Aufmerksamkeit war nur auf die Bestie gerichtet. In einen Kampfrausch verfallen kannte diese nur ein Ziel. Sie wollte sich auf die junge Frau stürzen, so wie man es ihr antrainiert hatte. Die scharfen Zähne gierten nach ihrem Arm und packten zu, während Kim eine Drehung vollführte. Durch diese kratzen seine dolchartigen Zähne jedoch nur über ihre Haut und konnten sich nicht in das darunterliegende Gewebe verbeißen.

Kim keuchte mit schmerzverzerrter Miene auf, während der Hund laut aufheulte, als er gegen die Wand krachte. Sie ignorierte den Schmerz an ihrem Unterarm so gut es ging und richtete die Lanze erneut auf den Schäferhund aus, der sich zu einem neuen Sprung bereit machte. Einen kurzen Moment belauerten sie sich. Blut füllte die Kratzer und tropfte auf den Marmorboden, dann entschied der Bruchteil einer Sekunde. Kim machte einen Ausfallschritt und trieb dem Kampfhund die Metallspitze in die Brust.

"Nein!", schrie eine laute Männerstimme, während die kampftrunkene Bestie winselnd zusammenbrach. "Dafür wirst du bezahlen, Schlampe!" Im selben Moment fiel ein Schuss, und Kim stürzte getroffen zu Boden. Die als Speer missbrauchte Standarte entglitt ihrer Hand.

"Nein!", kreischte Olivia.

Benommen blickte Kim zum Tor, während sie sich die blutige Wunde am Oberschenkel hielt. Das Mädchen eilte zu ihr und kniete sich schützend neben sie. Hinter ihr stand Ace und hielt eine Pistole in der Hand. Fassungslos blickte Kim zu dem Zuhälter. Das Blut quoll zwischen ihren Fingern hindurch. Es war viel Blut, aber seltsamerweise empfand sie in diesem Moment keinen Schmerz. Ihr Körper fühlte sich auf einmal so unnatürlich kraftlos an. Olivia hatte einen Arm um sie gelegt und drückte ihren zarten Mädchenkörper an sie. Sie realisierte es kaum, sie hörte das Winseln des Hundes nicht, der auf dem Boden lag, die Spitze noch immer in seiner Brust.

Mit großen leeren Augen blickte sie hinauf zu dem Mann, der langsam auf sie zu kam. Schritt für Schritt, kam er näher. Sie hörte das Pochen ihres Herzens. Er richtete die Pistole genau zwischen ihre grünen Augen. Sie weigerte sich die Augen zu schließen, weigerte sich den Tod zu akzeptieren, und doch fühlte sie seine Nähe. Es war ein kurzes, schnelles Leben für die Skaterin. "Live fast, die young", war ein geflügelter Spruch. Für sie wurde er nun zur grausamen Realität.

***

"Soll leicht kommst du mir nicht davon, Fotze!", fauchte Igor, der hinter Ace in den alten Nazischrein humpelte. Seine Hose war blutgetränkt und er musste sich auf einen Baseballschläger stützen. "Lass sie uns schön langsam töten, Boss!", forderte der von Kim entstellte Handlanger. "Bitte, Boss. Lass mich mit ihr meinen Spaß haben, nach dem sie mir fast den Schwanz abgebissen hat!"

Ace blickte zu seinem schwer verwundeten Hund und nickte. Der Hund war noch jung, doch er bedeutete ihm viel. Sein Blut floss und tränkte den roten Teppich, mit dem der Zuhälter diesen alten Empfangssaal des Nazibunkers ausgestattet hatte. Ace war zwar kein Nazi, aber er kannte viele wohlhabende Männer, die diese Kulisse für ihre perversen Spielchen liebten und dafür eine Menge Geld zahlten. Nun hatte eine der Requisiten das Schicksal seines geliebten Hundes besiegelt.

"Mach mit ihr, was du willst", meinte er knapp. Das niedergeschossene Mädchen sollte dafür büßen. Er fluchte leise, dass er nicht früher abgedrückt hatte und sich lieber das Schauspiel ansehen wollte, wenn sein Hund das dumme Ding zerfleischt. Nun, Igor würde sie bestimmt büßen lassen. Er griff Olivia fest ins Haar und riss sie von Kim los. Für das kleine Mädchen hatte er noch Verwendung, während die andere nur noch Abfall war, der in seinen Augen entsorgt werden sollte.

"Nein, nein!", brüllte Olivia und wehrte sich überraschend heftig, auch wenn sie natürlich keine Chance gegen den brutalen Griff des Zuhälters hatte. Trotzdem hatte er Mühe, sie zu bändigen. Sein Handlanger indes trat an ihm vorbei und hob seinen Baseballschläger, sodass Kim ihn sehen musste.

"Siehst du diesen Kolben?", meinte Igor, in dessen Augen inzwischen der blanke Wahnsinn lauerte. "Siehst du ihn? Ich werde ihn dir gleich in die Fotze rammen, bis er dir zum Hals raus kommt. Ich werde dich pfählen und ausweiden, während du darum bettelst, dass ich dich töte."

Kim hätte vermutlich Angst zeigen sollen, doch sie war inzwischen zu schwach dafür. Ihr erschöpfter Körper hatte viel Blut verloren, trotzdem kämpfte sie gegen die drohende Ohnmacht an. Sie wollte dem Tod so lange es ging ins Auge sehen. Sie glaubte nicht an ein Leben danach. Sie glaubte nicht an Gott. Sie hoffte nur noch, dass Olivia irgendwie überleben würde. Da erschien das Bild des Kindes, welches in ihr zu leben begonnen hatte und zauberte doch noch eine Träne auf ihr ansonsten bleiches Gesicht.

Igor lächelte mit blutdürstigem Blick. Er wollte sich an ihr rächen und die Träne befeuerte seine Befriedigung. Das Kokain, welches er sich gerade erst reingeschnupft hatte, um den Schmerz zu vergessen, entfaltete seine Wirkung und ließ ihn unter der Hakenkreuzflagge einen Moment der Allmacht erleben. Er beugte sich hinunter zu seinem Opfer und streichelte mit seinen großen, groben Fingern über ihren blutverschmierten Körper. Nur am Rande nahm er den einzelnen Schuss hinter sich war, der Olivias Schrei verstummen ließ.

Nur noch leises Wimmern war zu hören. Kim war kurz zusammengezuckt, als sie den Schuss gehört hatte. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf. Nun war alles vorbei. Das Ende.

"Wir beide werden nun noch viel Spaß haben", flüsterte er und streichelte Kim durch ihr blondes Haar und fuhr ihr über die Wange. "

Eine Hand legte sich auf seine Schulter und eine Stimme sagte. "Das glaube ich nicht."

***

Blaulicht erhellte den Nachthimmel und fing sich in den hohen Bäumen, die die Villa umgaben. Krankenwagen und Polizeiautos standen in einer chaotischen Anordnung auf dem Parkplatz. In dem Chaos von Scheinwerfern und der Einsatzkräfte fiel Kommissar Wilhelms nicht weiter auf, als er in einem Bus die Aussage einer Nutte aufnahm. Sie war fast noch ein Kind und zitterte am ganzen Körper. Er vermutete, dass ihr Stoff langsam nachließ, denn die Einstiche an ihren Armbeugen sprach eine eindeutige Sprache.

Sandy war in eine Decke gehüllt, die ihr jedoch nur unzureichend Wärme schenkte. Unter der Decke trug sie nur ein paar Stofffetzen, die man wohl als Arbeitskleidung verstehen konnte. Wilhelms nahm an, dass sie noch nicht lange bei Ace gearbeitet hatte, denn ihr Körper war von dem Drogenmissbrauch kaum entstellt. Sie war noch ein halbes Kind, auch wenn ihr Ausweis sie als fast neunzehn auswies.

Dieses kranke Schwein ließ kannte wirklich keine Skrupel. Der Kommissar hörte sich das zusammenhanglose Gebrabbel des drogensüchtigen Mädchens an, ohne sich wie gewöhnlich Notizen zu machen, sodass nur das Tonband ihre Aussage festhielt. In Gedanken war er noch im Keller jenes düsteren Ortes, denn das Gesehene erschütterte selbst diesen erfahrenen Beamten. Kurz nach dem Eingang des Notrufs war er mit dem SEK losgefahren. Was sie vorgefunden hatten, war kein Tatort sondern ein Schlachtfeld.

Der alte Nazibunker war mit Blut getränkt. Zwei Tote, zwei Schwerverletzte und eine davon noch dazu ein vierzehn Jahre altes Mädchen. Die beiden Toten sahen so aus, als hätte man sie mit großer Lust getötet. Von dem Täter jedoch fehlte jede Spur, auch wenn sie im Büro des Zuhälters einen Computer fanden, der Hinweise auf ein weiteres totes Mädchen gab. Vermutlich hatte es derselbe Mann geschrieben, kurz, nachdem er aus dem Büro den Notruf gewählt hatte. Vielleicht konnte die Spurensicherung auf der Computertastatur Hinweise finden, die zu dem Autor jenes ominösen Schreibens führte, worin die Lage eines vermissten Mädchens beschrieben wurde.

Wilhelms wusste jedoch nicht, ob er ihn wirklich finden wollte. Wer auch immer Ace und seinen Handlanger hingerichtet hatte, hatte dabei der Welt einen Gefallen getan. Dieser Abschaum verdiente in den Augen des Polizeibeamten nichts besseres, auch wenn er diese Meinung nie nach außen hin vertreten durfte. Zwangsprostitution von Kindern war in seinen Augen das schlimmste aller Verbrechen. Er wusste nicht, ob er einen Mörder oder einen Helden suchte. Vermutlich beides.

Er brach die Befragung der Nutte ab und verließ den Bus, als die Sanitäter eine Trage aus dem Haus herausbrachten. Es war eines der Mädchen, die sie im Keller blutüberströmt und unter Schock vorgefunden hatten. Die andere war bereits mit dem Hubschrauber in die Klinik geflogen worden, während die Sanitäter und Ärzte die Kleine Vorort versorgt hatten. Das Blut, welches sie bedeckt hatte, war offenbar nicht ihr eigenes und so waren es mehr die seelischen Wunden, die es zu behandeln gab. Er wusste nicht, wann man sie befragen konnte, auch wenn sie eine wichtige Zeugin war. Der Mensch siegte über den Ermittler und so stellte er ihr keine Fragen, sondern eskortierte sie zusammen mit den anderen zu einem Rettungswagen, der danach unter Polizeischutz losfuhr.

**

Abgeschottet von der Polizei lag Kim mehrere Tage alleine in einem Zimmer im Krankenhaus. Die Ärzte hatten ihre Wunden versorgt und so wie es aussah, würde sie auch das Kind behalten. Nur am Rande bekam sie den Tumult mit, der sich der ganzen Affäre entwickelt hatte.

Olivias Rettung war das große Thema in den Medien und auch das Massaker in der alten Nazivilla wurde thematisiert. Die Presse fand heraus, dass dieses Anwesen, welches einst einem NSDAP Bonzen gehört hatte und von der Gestapo genutzt worden war, in den späten 40er und 50er Jahren auch der CIA als Sitz diente. Rasch wurden Namen wie das Höllenloch bekannt. Immer neue Details wurden gefunden und erfunden, bis es irgendwann einmal niemanden mehr interessierte.

Von Silvia Prinker wurde nur am Rande berichtet. Auch sie war ein Opfer jenes Hauses, doch niemand schien sich wirklich für das Straßenmädchen zu interessieren, die Tage später in einem Wald verscharrt aufgefunden wurde. Kim jedoch fühlte den Schmerz tief in ihrer Brust. Der pulsierende Schmerz in ihrem Bein war plötzlich allgegenwärtig, während sie hilflos mit einem Gefühl des Versagens konfrontiert wurde. Sie dachte an Shivas Großmutter und all die Mühen, die sie auf sich genommen hatte, um das Mädchen zu retten, das zu dem Zeitpunkt bereits ermordet worden war. Warum hatte sie das Mädchen nicht viel früher unter ihre Fittiche genommen? Es hatte etwas von Schuld an sich, auch wenn sie selbst Shiva niemals etwas angetan hatte.

Ansonsten ging es Kim im Krankenhaus nicht schlecht. Mehrfach hatte sie Besuch von Prominenten, die sie nicht kannte. Blumen schmückten ihr Zimmer und sogar der Innenminister und sein Staatssekretär kamen zu Besuch. Sie wurde gelöchert und sollte Fragen nach ihrer Verschleppung und ihren Kidnappern beantworten. Die Polizei interessierte sich besonders für den ominösen Täter, der Ace und Igor erschossen hatte. Offenbar hatte dieser Kerl, von dem es keine anderen Indizien gab ein ganzes Magazin in die Körper seiner kriminellen Opfer gefeuert, bevor er ihnen den Gnadenschuss gab.

Da Olivia offenbar das Bewusstsein verloren hatte, als Ace sein Blut über ihren Körper verspritzt hatte, war Kim die einzige verbliebene Zeugin. Kommissar Wilhelms befragte sie oft, wobei er recht freundlich war. Kim war für viele schließlich eine Heldin. Es war ein gutes Gefühl, auch wenn Polizei und Reporter nun begannen, in ihrer Vergangenheit zu stöbern. Man wollte wissen, wer sie war. Man wollte wissen, wieso sie nach Shiva gesucht hatte und wie sie in die Hände des Zuhälters gefallen war. Die Skaterszene in der Stadt wurde befragt und Freunde interviewt. Da sie sich weigerte einen Nachnamen zu nennen, blieb die Frage nach ihrer Herkunft jedoch offen. Genau wie die Frage nach dem Täter oder nach ihrer Beziehung zu Shiva.

Während sie sich anfangs noch mit tatsächlicher und vorgetäuschter Erschöpfung aus der Affäre ziehen konnte, wurden die Fragen bald immer eindringlicher. Beamte von anderen Dienststellen waren weit weniger sensibel als Wilhelms, der wohl mehr Interesse an den Hintermännern und Kunden von Holger Krauwall, wie Ace mit bürgerlichem Namen hieß, hatte, als an seinem Mörder. Ganz im Gegenteil zum Innenministerium, welches die Ermittlungen vor allem in diese Richtungen forciert sehen wollte. Gerüchte kamen auf, dass Ace in Wirklichkeit nur ein Bauernopfer war und auch Kims Rolle wurde mehr und mehr infrage gestellt.

So war sie froh, als Olivia zusammen mit ihren Eltern zu Besuch kam. Für die beiden Schicksalsgefährtinnen war es ein Moment des Glücks. Keine Fragen, nur das Gefühl überlebt zu haben. Für Olivias Eltern war Kim eine Heldin und dank ihnen war dies auch das Bild in der Presse, während die Polizei in ihr eine Verdächtige sah. Sie erfuhr nun auch mehr über Olivia. Man hatte das Mädchen nach der Schule entführt und über eine gefälschte Facebook Nachricht die Polizei und ihre Eltern glauben gemacht, dass sie von Zuhause fortgelaufen sei.

Olivia verbrachte fast einen ganzen Tag bei Kim im Krankenhaus. Sie hatte sich ausreichend von ihrer Schusswunde erholt, um mit ihrer neuen Freundin durch das Krankenhaus gehen zu können. Gemeinsam tranken sie eine Cola und schwatzten über belangloses Zeug. Über das Geschehende unterhielten sie sich jedoch nicht. Es war wie ein stiller Pakt des Schweigens, der unausgesprochen zwischen ihnen lag. Ein Pakt, der kein Siegel und keinen Schwur brauchte. Sie wussten einfach, dass sie darüber nicht weiter sprechen mussten. Sie wussten, dass das Geschehene für immer ihre Leben verändern würde.

Als die Krankenschwester ein paar Tage später in Kims Zimmer kam, war diese verschwunden. Sofort wurde eine Suche nach dem blonden Mädchen eingeleitet. Eine Spur führte nach Polen und in die Ukraine. Kim hatte dort angeblich Verwandte. Noch einmal kochten die Medien Kims Verschwinden auf. Noch einmal zeigten sich alle besorgt und verstört. Dann nahm das Interesse jedoch rasch ab und die Skaterin wurde vergessen.

***

Wilhelms schloss die dicke Akte mit einem Seufzen. Es fühlte sich nicht richtig an, aber mit seiner Beförderung und Versetzung würde er sich nicht mehr weiter um den Fall kümmern können. Beförderungen hatten etwas Seltsames an sich. Man hofft auf sie, doch wenn sie kommen, scheinen sie einem auch nicht willkommen.

Er legte die Akte weg. Es war nicht mehr sein Fall. Gestern hatte er persönlich eine Belobigung durch den Innenminister erhalten, auch wenn er eigentlich nicht viel aufklären konnte. Von dem unbekannten Täter, von Kim aber auch von Aces weiterem Handlanger Victor fehlte jede Spur. Es war fast so, als hätte der Himmel sie verschluckt. Keiner der durch die Spuren ermittelten Gäste der Schreckensvilla war zur Verantwortung gezogen worden, da man ihnen den einzelnen Missbrauch nicht nachweisen konnte. Viele der Spuren waren immer noch unbekannt, da Vergleichsproben fehlten.

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