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Dunkel ist nur die Nacht 04

Geschichte Info
Geständnisse.
3.9k Wörter
4.17
23.5k
0

Teil 4 der 6 teiligen Serie

Aktualisiert 03/19/2021
Erstellt 06/21/2009
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-9- Heilig Abend, Donnerstag

Matt stand in der Küche und schnupperte. Ein Duft nach Nüssen, Zucker und Eiern lag in der Luft. Der Backofen war an und er hörte die Umluftschaltung im Ofen. Sam stand am Waschbecken, denn er hörte, wie er Wasser in eben dieses laufen ließ. Seine Nase sog noch einmal die mit Weihnachtsdüften geschwängerte Luft ein, dann gab er beim Ausatmen einen Laut von sich und machte so auf sich aufmerksam.

„Vorsicht. Auf dem Tisch liegen heiße Bleche.“, warnte Sam ihn. Matt ging vier Schritte bis zum Tisch und setze sich auf einen der Stühle, ohne den Tisch zu berühren.

„Sag mir noch mal warum du nicht zu deiner Familie fährst?“, fragte Matt zum gefühlt tausendsten Mal. Sam hatte gesagt, er würde über Weihnachten nicht nach Hause fahren, da gäbe es nichts, was auf ihn warten würde. Doch Matt hatte ihm nicht geglaubt und damit hatte er recht. Weihnachten war eines von Sams liebsten Festen im Jahr und eine der wenigen Möglichkeiten seine Familie zu sehen.

Doch in diesem Jahr wollte er Matt nicht alleine lassen oder zumindest bei einem anderen Pfleger. Er wollte die Feiertage mit dem Mann verbringen, der ihm Nachts den Schlaf raubte, da er wusste, dass er nur eine Türe weiter schlief. Anfangs hatte er noch immer einen Schrecken bekommen, wenn er Matt im Dunkel der Nacht aufstehen hörte und seinen Fluch, als er sich, wie eh und je, am Bettpfosten den Zeh stieß. Er war aufgesprungen und hatte panisch gefragt, was passiert sei. Nach dem sechsten Mal hatte Matt ihm erklärt, dass er das mit Absicht mache und das absolut nicht damit zusammen hinge, dass er den Pfosten nicht sehe. Er wäre ein Tollpatsch und stoße sich den Fuß schon immer daran.

Sam war nach der Erklärung nicht mehr Nachts aufgestanden, um zu fragen, wurde aber jedes Mal aus seinen Träumen gerissen, um den wahren Matt zu hören. Nicht nur den in seinen Gedanken, der immer und immer wieder seinen Namen sagte. Sam konnte im Dunkel seines Zimmers an nichts anderes denken. Auch heute Morgen, als er in aller Frühe aufstand, um noch ein paar Plätzchen zu backen, war sein erster Gedanke gewesen, wie schön es werden würde mit Matt Weihnachten zu feiern.

„Willst du probieren?“, fragte er ihn. Matt drehte den Kopf in Sams Richtung, verneinte aber dann.

„Nein, ich warte auf das Abendessen.“

Sam hatte ihm das beste Essen der Welt versprochen und Matt konnte es seinerseits kaum erwarten das zu essen, was sein -- ja, was war Sam eigentlich für Matt? Er wusste es selbst nicht. Er beschrieb ihn anderen am Telefon gegenüber immer als Freund und Pfleger, in seinen Gedanken war er der Traum seiner feuchten Nächte. Und von denen gab es in letzter Zeit wahrlich viele. Er sah keine Befriedigung darin sich im Internet einen Porno anzuhören, das war einfach nicht das selbe. Ihm war unlängst klar geworden wir dumm sie doch waren, wenn man die Bilder dabei nicht sehen konnte. So beschränkte er sich eben auf seine eigene Phantasie, die jeden Tag durch eine neue Szene ergänzt wurde. 'Heute Abend ist er mit Sicherheit nackt, bis auf eine Schürze.', dachte er sich und fühlte, wie das Blut in seine Wangen schoss. Er drehte sich schnell weg.

„Wie spät ist es?“, fragte er, doch bevor Sam ihm antworten konnte, klingelte es an der Tür, „Ich gehe. Spüle du mal weiter.“, Matt erhob sich, zählte '4 Schritte bis zur Küchentür, dann nach links an die Wand fassen und sechs Schritte zur Haustüre.', er drückte den Knopf an der Wand und machte die Türe auf. Er hörte die Haustüre klirren, als sie wieder ins Schloss fiel.

„Hey Sally, halte doch mal bitte die Türe offen!“, hörte er eine Stimme sagen. Sie war tief, eindeutig männlich, irgendwie bekannt und doch fremd.

„Ja, ja -- wehe du erwischt mich damit im Gesicht.“, etwas raschelte, nachdem sie die Haustüre wieder geöffnet hatte.

„Wer ist denn da?“, fragte Matt, dem die Stimmen zwar bekannt vor kamen, aber es war ihm nicht möglich sie zuzuordnen.

„Hallo! Wir sind's Tom und Sally. Ist Sam nicht da?“

Matt fühlte eine Hand auf seiner Schulter, Sam: „Was macht ihr denn hier?“, fragte er an die beiden, die noch immer im Hausflur standen, „Das sind meine Geschwister.“, flüsterte er Matt ins Ohr. Matt fühlte einen Schauder seinen Rücken hinaufkriechen, als er Sams flüstern hörte und den warmen Hauch seines Atems am Ohr fühlte. Er fasste sich schnell. „Jetzt bloß nicht die Beherrschung verlieren. Atme ein -- und aus. Beruhige dich, Matty.'

„Kommt doch erst einmal hoch.“, schlug Matt vor und ging wieder zurück in die Küche. Er war sich sichtlich unsicher, wie er den Umstand finden sollte, sich nun gegenüber von zwei von Sams Geschwistern zu sehen. Er wusste zwar, dass Sam einen Haufen Schwestern und einen Bruder hatte, aber er hatte beim besten Willen nicht gedacht, dass sie auftauchen würden.

Man stellte sich in der nächsten halben Stunde noch einmal vor, während Sam die restlichen Plätzchen aus dem Ofen holte und zum Abkühlen auf die Anrichte stellte. Nun duftete es im ganzen Haus auch noch nach Zimt und nach Tanne. Auf die Frage, was der Baum solle, antwortete Tom, dass Sam sagte, sie hätten keinen. Und da hätten sie einfach einen mitgebracht.

Jetzt saß man am Küchentisch, die Backbleche waren zur Seite geräumt und kühlten ab. Matt hatte Gläser geholt, während Sam allen etwas ein schüttete. Sie tranken etwas, dann platze Sam mit der Frage heraus, die ihn seit der Ankunft seiner Geschwister auf der Zunge brannte: „Was zum Teufel macht ihr hier?“

„Wenn du nicht zu uns kommst, dann kommen wir zu dir.“, eröffnete Sally ihre Absichten.

„Kommen die anderen auch?“, fragte Sam, er versuchte die leise Panik in seiner Stimme zu verstecken, schaute aus dem Augenwinkel Matt an, besann sich eines besseren und ließ seinen Blick wieder in das Gesicht seines Bruders wandern, den er vor dieser Eskapade angesehen hatte. Doch Tom hatte den Blick bemerkt, er sagte nichts.

„Nein, nur wir zwei.“, sagte er leise und sah seiner anderen Hälfte in die Augen. Noch nie hatte Tom seinen Bruder so verlegen erlebt. Nicht einmal, als er ihm erzählt hatte, dass er schwul war. Damals war er rot angelaufen, flehte Tom an, den Eltern nichts zu sagen. Doch jetzt war es eine andere Verlegenheit, eine andere Peinlichkeit. Sam war nicht rot geworden, er war blass und in seinen Augen schimmerte weit hinten versteckt ein wenig Angst. Aber Tom kam nicht dahinter, was mit ihm los war, bis zu dem Moment, wo er dem blinden Jungen einen Seitenblick zuwarf. Irgendwie hatte er das Gefühl den Grund für Sams Fehlen beim Weihnachtsessen gefunden zu haben. Er notierte sich, dass er Sam darauf unbedingt ansprechen musste.

„Also bleibt ihr zum Abendessen?“, fragte Matt, es klang wie eine Einladung.

„Wenn du willst gerne.“, schmunzelte Sally.

„Wir haben nicht genug zu Essen da für doppelt so viele Leute.“, gab Sam leise zu.

„Dann gehen wir noch einkaufen.“, schlug Sally vor, „Was brauchst du?“

Eine knappe viertel Stunde später war eine Liste aufgesetzt und Sally sagte, sie wolle einkaufen gehen.

„Willst du nicht mitkommen, Matt?“, fragte sie ihn, als sie sich die Jacke zuknöpfte.

„Ich weiß nicht.“, sagte er verlegen. Er brannte darauf mit einem der beiden Geschwister mehr Zeit zu verbringen und es wäre endlich eine Gelegenheit ein Geschenk für Sam zu kaufen. Er hatte einen Gutschein geschrieben, aber das war einfach nicht das selbe.

„Warum nicht? Sammy und ich schmücken den Baum und ihr macht, dass wir was zu beißen bekommen!“, sagte Tom aufgeregt, es hatte sich schneller als gedacht eine Möglichkeit mit Sam alleine zu sein ergeben, als er zu hoffen gewagt hätte.

-10-

Kaum war die Türe ins Schloss gefallen und Sam saß wieder in der Küche, schüttete Tom ihm noch etwas mehr ein. Sam nahm einen großen Schluck des viel zu heißen Tees und verbrannte sich den Gaumen. Er schaute seinem Zwilling nicht ins Gesicht, er konnte es nicht, aber er fühlte dessen Blick auf ihm ruhen. Er fühlte sich sehr unwohl.

„Sam“, er sprach den Namen so langsam aus, dass die Stimme seines Bruders Zeit hatte nicht nur seinen Rücken hinunter zu laufen, sondern auch wieder hinauf.

„Sam, was machst du nur?“, fragte Tom noch einer Weile des Schweigen, noch immer konnte Sam ihn nicht ansehen.

„Sam, du kannst dich nicht in diesen Kerl verlieben!“, sagte Tom nun lauter.

„Warum?“, wisperte Sam so leise, dass Tom es kaum hörte, „Warum kann ich das nicht, Tom? Es ist ja nicht so, dass ich es unbedingt wollte.“

Tom nahm die Hand seines Bruders über den Tisch hinweg in seine eigene und drückte sie etwas: „Das wird dich auffressen, Bruderherz. Ganz ehrlich, das kannst du nicht.“

„Ich weiß.“; Tränen begannen sich in Sams Augenwinkel zu sammeln, er drehte den Kopf weiter weg.

„Mag er dich denn auch?“, wollte Tom wissen.

„Ich habe keine Ahnung. Ich ... Er weiß nicht einmal, dass ich schwul bin. Und ich werde es ihm sicher nicht sagen. Sein Freund hat ihn verlassen, erst vor ein paar Tagen.“

Jetzt verstand Tom endlich. Er begriff nun, dass Sam innerlich zerrissen war, wie er ihn noch nie hat zerrissen gesehen. Er wusste, dass es nicht verboten war, sich in einen Patienten zu verlieben, aber er wusste auch, dass Sam so etwas nie tun würde. Er wusste, dass sein Bruder niemanden ausnutzen würde, schon gar nicht diesen Matt. Dafür mochte er ihn zu sehr. Jetzt lag das Problem nicht nur darin, dass sein Bruder so verdammt anständig war, sondern auch darin, dass er selbst wusste, dass Matt schwul war. Dass dieser seinerseits aber nicht wusste, dass Sam es auch war.

„Aber du musst etwas machen. Sam, schau mich an.“, er hob langsam den Kopf in die Richtung seines Bruders. Tränen hatten seine Wangen genässt.

„Aber was?“, schluchzte er, zwischen Versuchen wieder ruhig zu atmen, „Ich weiß einfach nicht weiter. Jede verfluchte Nacht liege ich wach und tagsüber versuche ich meine beschissenen Gedanken zu ordnen, dass ich ihn nicht aus Versehen berühre. Das einzig Gute ist, dass er meinen Steifen nicht sieht, wenn ich Matt bei seinen Übungen helfe, ihn halte. Verdammt, ich bin so einsam, Tom, so einsam.“

Tom atmete tief ein, nahm seinen Bruder in die Arme. Sam schluchzte in seine Schulter, ließ seine aufgestaute Verzweiflung raus.

„Ich glaube, du musst es ihm sagen.“

„Das kann ich nicht.“

„Du musst.“

„Ich weiß.“

„Komm, der Baum wartet.“, damit machten sie sich auf den Weihnachtsbaum auf zu bauen und zu schmücken.

-11-

„Main Gott, Sam, das ist der beste Pudding, den ich je gegessen habe!“, schmatze Matt, als er sich einen weiteren Löffel des noch warmen Nachtisch in den Mund schob. Eine Explosion der Geschmäcker machte sich breit, besser und vielfältiger, als die letzte. Es war ein ordinärer Schokopudding, den Matt mit ein paar einfachen Zutaten verbessert hatte. Ein paar Mini-Marshmallows, ein paar Zuckerstreusel und einer geheimen Zutat, die Matts Zunge als Mischung aus Kokosraspeln und Bananenmatsch erkannte. Er genoss den zweiten Löffel noch intensiver, als den ersten und grinste breit in Sams Richtung.

Sally und Tom lachten auf, als sie sein zufriedenes Gesicht sahen und Tom schmunzelte ein wenig mehr, als er merkte, dass Matts Ohren ganz rot anliefen. Ihm war das alles ein wenig peinlich. Den ganzen Abend hatte Matt sich darüber überschlagen, wie gut das Essen war. Und Sam hatte seit dem ersten Kompliment gegrinst, wie ein Vollidiot.

„Ach was.“, wehrte er bescheiden ab, aber sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter und auch Matt konnte das hören. Er wusste, dass er vielleicht ein wenig übertrieb mit seinem Geschmeichel, aber es schmeckte ihm tatsächlich und außerdem hatte der Eierpunsch, den Sally vor dem Essen großzügig verteilt hatte, seine Wirkung getan.

„Wenn du fertig bist meinen Bruder als Gott zu betiteln“, Sams Ohren wurden noch einen Tick roter, „dann kann ich endlich dieses verflucht große Paket da unter dem Baum nehmen und es aufreißen.“, sagte Tom und schielte zum Weihnachtsbaum hinüber. Sam hatte Sallys, Toms und natürlich Matts Geschenke darunter gelegt. Dazu hatten sich ein paar weitere von den anderen Gesellt, die meisten waren von Sams Familie für ihn und hatten den gesamten Kofferraum des großen Audis ausgefüllt, doch ein kleines war vom Matt, er hatte es heute erst gekauft und das billige Papier des Ladens war noch darum gewickelt. Sie hatten nicht einmal anständiges Papier gehabt, nur so braune Verpackung, aber das hatte Sally ihm nicht gesagt. Sie hatte eine Schleife darum gebunden und nun lag es ganz unten, dass Sam es zuletzt auspacken würde. Es war nichts besonderes, aber trotzdem wäre Matt nie alleine darauf gekommen. Sally meinte, dass es ihm auf jeden Fall gefallen wird.

„Okey, okey.“, Matt schlang den letzten Rest aus der Schale herunter und stand auf, musste sich gleich wieder setzen. „Hui .. alles dreht sich etwas.“

„Oh Mei -- Puddingflash“, riefen die drei Geschwister und alle lachten. Sam half Matt zum Sofa, wo er sich setzte. Es wurde still.

„Was ist los?“, fragte Matt.

„Wir warten, dass der Hausherr das Startzeichen gibt!“, sagte Sam.

„Hausherr? Ich gib dir gleich Hausherr. Haut rein. Aber gebt mir meine bitte!“

Wieder lachen. Der Eierpunsch war selbst nach dem reichlichen Abendessen noch immer all zu gegenwärtig in der Blutbahn jedes einzelnen. Sam schluckte und wusste, dass er verdammt vorsichtig sein musste, was er jetzt tat.

„Okey. Here it comes“, er reichte Matt ein Päckchen, das dieser sofort auf riss. Es vielen ein paar CDs auf seinen Schoß und Sam flüsterte ihn sein Ohr: „Hörbücher.“

„Danke. Welche?“

„Verrate ich nicht. Aber ich helfe dir sie einzulegen, wenn du willst.“

„Nur nicht jetzt.“

Alle waren nun damit beschäftigt die mehr oder minder großen Geschenke auszupacken. Sam wühlte sich seinerseits durch den großen Haufen, als ein Telefon klingelte. Tom ging heran.

„Hey Mama! Danke für die Stereoanlage!“

„Mach mal Lautsprecher an!, forderte Sally und Tom legte das Handy auf den Tisch. Zum ersten Mal hörte Matt die Stimme von Sams Mutter. Sie war warm, klang herzlich und ihr Lachen fraß sich tief in sein Herz.

Er hatte die letzte viertel Stunde damit verbracht auf dem Sofa zu sitzen und den anderen zuzuhören. Ihm wurde immer mehr bewusst, wie einsam er war. Ein kleiner Teil seines Herzens hatte gehofft, dass sich Jo melden würde, doch es kam den ganzen Tag kein Anruf. Auf eine Nachricht von seiner Familie hatte er erst gar nicht gehofft. Nun sah er sich in seinem eigenen Wohnzimmer als Außenseiter, er fühlte sich ausgeschlossen und bestraft. Wofür, war ihm selbst nicht klar, doch es schellte sich, dass es nur an ihm liegen konnte.

Nun hörte er die Stimmen der Restlichen Familie und hörte, wie glücklich alle waren. Je glücklicher sie schienen, umso unglücklicher wurde er. Matt sank in sich zusammen, seine gesammte Fassade bröckelte und er hielt sich zurück. Sagte kein Wort, schwieg tausend mal lieber, als diese Idylle zu zerstören. Ein Märchen, von dem er so lange träumte, und nun war er Teil davon. Er fühlte sich nicht als Teil und doch war er es. Es kam ihm vor, als sei er ein Eindringling, der dieses Märchen zerstören könnte, falls er etwas sage.

Er raffte sich auf, begrüßte kurz die Hörer am anderen ende vom Telefon und entschuldigte sich. Matt hatte beschlossen das Märchen zurück zu lassen und in sein Bett zu gehen. Oder zumindest auf sein Zimmer. Er nahm die Geschenke und lief mit sicherem Schritt in sein Schlafzimmer.

Sam hatte die Traurigkeit in Matts Gesicht gesehen und als er sich nun auch noch verabschiedete, vorgab müde zu sein, wollte er Sally und Tom so schnell wie nur möglich loswerden.

Tom legte auf und man saß sich gegenüber.

„Wo schlaft ihr?“, fragte Matt.

„Hotel.“, antwortete Sally knapp und beschäftigte sich weiter mit ihrem neuen Nachschlagewerk über Kanada.

„Wie lange wollt ihr noch bleiben?“

„Willst du uns loswerden?“, fragte Sally, ohne von dem Buch aufzusehen.

Sam sah Tom in die Augen und wusste sofort, dass Sam jetzt zu Matt gehen wollte. Er nickte nur knapp und drückte seinem Bruder die Hand. Sam atmete tief ein und drückte zurück.

„Komm, Sally. Wir gehen. Wir holen die Sachen morgen ab, ja?“, Tom zog seine Schwester vom Sessel und schubste sie unter leisem Protest von ihr zur Tür. Innerhalb von fünf Minuten hatten sie die Wohnung verlassen und Sam lehnte mit dem Rücken zur Haustüre an eben dieser. Er sprach sich Mut zu.

'Geh schon, Sam. Du musst. Jetzt.'

Er atmete ein letztes Mal tief ein, schob sich mit einem Ruck von der Tür und ging schnellen Schrittes auf Matts Zimmer zu. Ohne zu klopfen, drückte er die Klinke herunter, schob den Kopf durch den Türspalt und sah hinein. Wie immer hatte Matt kein Licht an. 'Wozu auch?', schoss es Sam durch den Kopf.

„Bist du noch auf?“, fragte er leise.

„Scheiße, Sam! Raus!“, Sam hörte, wie Matt erschrocken aufschreckte und sah im Schein des wenigen Lichts, dass durch den Türspalt kam, dass er panisch nach seiner Decke griff.

„Tut mir leid.“, Sam schloss schnell die Tür und ging auf sein eigenes Zimmer. Hatte er Matt soeben wirklich bei der Selbstbefriedigung erwischt? Man, war das peinlich. Er setzte sich auf sein Bett und dachte eine kurze Sekunde nach. Dann stach es ihn, wie der Hafer und ging zurück zu Matts Zimmer.

„Matt? Kann ich bitte reinkommen? Es tut mir leid.“

„Ich weiß nicht.“, kam die erstickte Antwort.

„Bitte.“, flehte Sam.

Die Türe ging auf und Matt ließ ihn hinein. Sam sah, dass er sich eine Unterhose drüber gezogen hatte, er griff nach dem Lichtschalter, schaltete das Licht ein und stolperte, nicht ohne sich den zeh am Bettpfosten zu stoßen, zurück in sein Bett. Matt zog die Decke über sich und saß da, den Kopf gesenkt.

„Ich hatte abschließen sollen.“, entschuldigte er sich.

„Nein, ich hätte klopfen müssen. Es tut mir leid.“

Sie schwiegen eine weile, Sam stand vor den Bett und sah Matt an. Er war noch immer von einer Traurigkeit gezeichnet und wenn er seine Augen öffnen würde, was er niemals tat, würde Sam die Traurigkeit darin noch deutlicher sehen, die Verzweiflung, die Sehnsucht.

„Ich ...“, begann Sam. Matt schwieg, hielt den Kopf weiter gesenkt.

„Kann ich mich zu dich setzten?“, fragte Sam leise.

„Ja. Schon in Ordnung, ich wollte dich nicht beschimpfen. Komm her.“, Matt rutschte ein wenig auf und machte Sam Platz. Er setzte sich ans äußerste Ende der Matratze.

„Warum warst du vorhin so schnell weg?“, fragte Sam.

„Ich ... ich war müde.“, stammelte Matt.

„Das ist nicht wahr. Bitte Matt, lüge mich nicht an.“

Matt atmete tief ein. Was sollte er Sam denn sagen? Hallo, ich war eifersüchtig. Ich fühlte mich fehl am Platz. Ich bin einsam.

„Aber Matt, warum?“

'Oh mein ... ' „Habe ich ... laut gesagt?“, stammelte Matt weiter, nun erschrocken.

„Dass du einsam bist? Ja.“, antwortete Sam leise. „Aber warum?“

Matt zog die Bettdecke noch fester an sich heran, als wolle er sich darin festhalten.

'Was mache ich denn jetzt? Ich kann ihn nicht anlügen. Er merkt das sofort. Und wenn ... nein. Aus der Geschichte komme ich nicht mehr heraus.'

„Ich habe niemanden, Sam. Niemanden. Mein bester Freund hat mich sitzenlassen. Ich sage ja nicht, dass ich vielleicht nicht auch daran Schuld bin. Aber warum ist er weg? Was habe ich getan? Ich könnte den ganzen Tag heulen.“, brach es aus Matt ehrvor.

„Dein bester Freund?“, fragte Sam ungläubig.

„Ja, Jo. Weißt du? Er war immer für mich da und jetzt ist er weg.“

„Dein bester Freund.“, murmelte Sam und schüttelte den Kopf.

„Ich will nicht mehr, Sam. Ich habe keine Lust immer nur alleine zu sein.“

„Was ist denn mit deiner Familie?“, fragte Sam nach einer Weile. Er wusste nicht, was er sonst hätte sagen sollen. Am liebsten hätte er seine Arme um Matt gelegt und ihn an sich gezogen. Nur mit starker Willenskraft konnte er sich davon abhalten. Er glaubte, er würde ihm zu nah treten damit.

„Die haben mich mit sechzehn raus geschmissen, als sie ... als mein Vater ... als ich mit Jo ... Jo und ich waren mal zusammen, weißt du. Und da kam mein Vater, der Bastard, früher nach Hause ... und hat uns erwischt. Ich wusste, dass ich damit nie zu meinen Eltern kommen konnte. Ich wusste, dass es früher oder später so weit sein würde.“

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