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Teil 01 - Alexa

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Das Licht blauer Neonröhren erhellt...
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Das Licht blauer Neonröhren erhellt das Bett von schräg unten und löscht den Honigton von Taras Haut vollkommen aus. Macht einen Dämon aus ihr. Einen Sukkubus, unbezwingbar, wild und gnadenlos. Der fette, asthmatische Pater unter ihr greift nach ihrer schmalen Taille, aus seinen trüben Augen spricht die Begierde nach der Versuchung, die Sehnsucht ihr zu erliegen. Er hat hässliche aufgequollene Stummelfinger, doch sie können Tara nicht beflecken, sie scheint sie nicht einmal zu bemerken, degradiert ihn zum bloßen Statisten ihres Tanzes.

Sogar ich nehme es dir ab, kleine Schwester. Rhythmische Wellen, aufgeworfen durch einen Orkan, der deinen Körper von den Haarspitzen bis zu den Zehen duchweht, laufen über deinen flachen Bauch, lassen dein Becken vor- und zurückzucken. Jede Bewegung deines Körpers schleudert die dünne Silberkette in deinem Nabel durch die Luft, ihr metallisches Funkeln zieht die Blicke des Paters genauso wie meine auf sich. Hilflos blickt er auf, dieser röchelnde Prediger der Sünde, über ihm deine Brüste, wippend im gleichen Takt wie sein eigener praller Säuferbauch. Deine Augen, glänzend im Neonlicht, den Blick in die Ferne gerichtet. Dein Gesicht, so unschuldig, nicht verzerrt, sondern entrückt durch die Seligkeit der Ekstase.

Du biederst dich nicht an, du willst nicht gefallen, sie entfesseln den Dämon und dann lassen sie sich von ihm beherrschen, geben sich hin, werden verschlungen. Der Pater hat dich bezahlt, aber du wirst nicht für ihn stöhnen, das ist unter deiner Würde. Er selbst ist es, der stöhnt, keucht und wie ein Seeelefant prustet.

Sein Rücken verbiegt sich zu einem Hohlkreuz, als er sich dem Höhepunkt nähert, und erstaunlicherweise schafft er es, seinen angeschwollenen, von prallen, sich schlängelnden Venen bedeckten Bauch ein Stück anzuheben. Für einen Moment hält er die Luft an, es sieht so aus, als würde er ersticken. Es wäre kein großer Verlust.

Tara hält inne, ihr Blick wandert nach unten, findet den seinen. Sie scheint amüsiert, sieht ihn mit wohlwollender Geringschätzung an. Dann richtet sie sich auf ihre Knie auf, lässt seinen Penis aus ihr herausgleiten. Er schnauft, wie einer, der im Sterben liegt, schnauft er. Seine Hände umschließen noch immer ihre Taille, zerren ungeschickt an ihr, aber sie gibt nicht nach, lässt ihn nicht in sich eindringen, schenkt ihm keinen Höhepunkt.

Kleine Schwester, wie sehr bewundere ich dich dafür, dass du keine Regung zeigst. Dass keine Spur von Abscheu deine schmale Nase kräuselt, dass nichts weiter als das sphärische Lächeln des Sukkubus auf deinen Lippen liegt. Sind nicht alle Dämonen die Spiegelbilder von Engeln? In dir liegt die Unschuld eines Dämons, Tara.

Sie entwindet sich seinem Griff, greift nach meiner Hand und zieht mich an sich heran. Ihre Lippen fahren über meinen Nasenrücken, ich spüre ihren Atem, rieche ihren Lippenstift. Sie ist meine kleine Schwester, aber sie überragt mich um einige Zentimeter, deshalb muss ich aufblicken, als sich unsere Lippen berühren. Sie streicht mit einem Finger über meine linke Brust und mein Erschauern ist nur Hälfte gespielt, dann streckt sie langsam ihre Zunge aus, lässt sie in meinen Mund fahren. Sie macht es so, dass er es sehen kann.

Ich schmecke ihre dunkle, schwere Süße, spüre ihre Wärme, nehme die metallische Härte ihres Piercings auf meinen Zähnen wahr. Meine Hand streicht über Taras flachen Bauch nach unten, sie zuckt zusammen, als würde sie zum ersten Mal auf diese Weise berührt. Während meine Finger über ihren glatten Venushügel fahren und zwischen ihre Beine gleiten, zupfe ich erst eine Weile lang mit meinem Mund an ihrer Oberlippe, ertaste dann mit der Zungenspitze den makellosen Parabelbogen ihrer Zähne. Als meine Finger ihre Labien teilen und über ihre Klitoris hinwegstreichen, presst Tara die glatte, warme Haut ihres Körpers an meinen eigenen und beißt mir leicht auf die Zunge. Der Pater keucht wollüstig, doch er wagt es weder Tara noch seinen eigenen Schwanz zu berühren.

Meine Augen sind geschlossen, doch ich weiß, er beachtet nur Tara, den Sündenengel. Ich bin nur eine Requisite ihrer Sinnlichkeit. Bin es stets gewesen. Ich bräuchte Taras Stolz, um ihre Unschuld zu verkörpern. Ihren Ehrgeiz, um ihre Hingabe zu besitzen. Ihre Gedankenlosigkeit, um ihre Verzückung zu erlangen. Ich nenne sie kleine Schwester, doch es liegt Spott in dieser Bezeichnung, der auf meine Kosten geht. Tara, ich würde dich hassen, wenn ich dich nicht so sehr lieben müsste.

Sie lässt sich auf alle Viere hinab, schaut dem Pater durch seine weißen Beine hindurch ins Gesicht. Beinahe fragend blickt sie unter langen, schwarzen Wimpern hindurch zu ihm auf, so als wüsste sie nichts anzufangen mit dem Penis, der wenige Zentimeter von ihrem Mund entfernt im Takt seines Herzschlags erzittert. In diesem Moment begreife ich, dass der sterbende Prediger seinen eigenen Schwanz nicht sehen kann, so groß ist sein Wasserbauch. Er bräuchte einen Arzt, keine Huren. Glaubt er, sein Gott wird ihm eine neue Leber schenken? Geformt aus der untersten Rippe irgendeines armen Sünders? Ist egal. Soll er doch sterben.

Tara greift seine Eichel mit den Zähnen, ohne ihre Lippen darum zu schließen. Einige wenige Male streicht sie mit der Zungenspitze darüber, berührt die rosige, feucht glänzende Haut vorsichtig mit der silbernen Kugel ihres Piercings. Die schmächtigen Muskeln des Paters spannen sich an, er stößt einen würgenden Laut aus, dann ist es vorüber. Die kleine Tasche an der Spitze seines Kondoms hat sich gefüllt. Seltsam, wie viel Samen ein so kranker Mann noch hervorbringen kann.

Wie ein Schlafender liegt er auf dem Bett, während wir uns anziehen, jedes Wort vermeiden. Seine Atmung ist unregelmäßig, jedes mal, wenn sich sein Brustkorb senkt, brodeln seine Lungen. Nur ein Sack voll Fett, Fleisch und morscher Knochen. Er sollte tot sein, aber er wird nicht sterben, nicht jetzt, nicht so voller Glückseligkeit. Er ist zu reich und zu mächtig, um auf die einfache Art zu sterben. Gott verachtet alle reichen Menschen, er schenkt ihnen kein längeres Leben, sondern einen längeren Tod.

Der Novize steht schon auf der Galerie und wartet. Seine Kutte ist schwarz und fleckenlos, Benediktiner, wahrscheinlich gerade erst 20, ungefähr so alt wie Tara. Er sieht aus wie ein kleiner Junge, ein kleiner Junge mit einem viel zu langen Mantel.

Vielfarbige Blitzlichter pulsieren im Takt elektronischer Musik, werfen harte Schatten in das Gesicht des Jungen, während seine Kutte dunkel bleibt. Schatten gibt es nur im Zwielicht, die Nacht ist immer schwarz. Von unten steigt der Geruch von Schweiß, verschüttetem Alkohol und Zigarettenrauch, Kunstnebel und Erbrochenem aus der alten Fabrikhalle des Stahlwerks auf. Eine alte schlackeverkrustete Thomasbirne hängt, mit Lichterketten, Glühbirnen und Neonröhren behängt, wie ein Kronleuchter über diesem Daumenkino der Sehnsucht. „Werdet Vorübergehende", sagte der Gute Jünger Thomas. Zum Vorübergehen brachen wir auf, dies ist der Bahnhof, doch hat anscheinend noch niemals jemand einen Zug abfahren sehen. Nur andere Reisende gibt es hier. Vorübergehende.

Ich brauche eine Zigarette, soll der blasse Novize selbst sehen, wie er seinen Pater nach Hause bekommt. Tara bleibt zurück, sieht den fleckenlosen Schwarzmantel, der seine unbeholfenen Blicke auf ihre spärlich bedeckten Brüste zu verbergen sucht, mit dunklen, scheuen Augen an. Den scharfen Klang, den ihre hohen Absätze auf dem Betonboden verursachen, als sie einen Schritt in seine Richtung macht, höre ich trotz der hämmernden Musik. In dieser Nacht ist er ein Niemand, doch sind die Wege des Glaubens und aller seiner Anhänger nicht weniger unergründlich als die Gottes. Kleine Schwester, wie sollen wir aus dir nur eine anständige Vorübergehende machen?

Die Nacht ist schwül und die Luft schmutzig und verbraucht. Aus den engen Straßenschluchten des siebten Distriktes dringt verwaschenes Licht nach oben auf das Dach des Stahlwerkes, während am Himmel vereinzelte Wolkenfetzen im Schein der Straßenlaternen wie giftige Bleimennige leuchten. Stimmen dringen nur undeutlich aus der von Menschen erfüllten Gasse hinauf, es klingt wie eine Raubtiermeute, die einen Kadaver zerreißt.

Im Süden, hinter den Lagerhallen und Hafenkränen des elften Distriktes, liegt das Meer, in dem sich ein dunstgetrübter Mond spiegelt. Ist es Einbildung, oder ist die Luft auf dieser Seite des Daches tatsächlich etwas weniger abgenutzt und fadenscheinig? Ich blase den Rauch der Zigarette in Richtung Meer, sauge probeweise etwas Luft in meine Lugen. Sicherlich schon viele tausend Male geatmet, aber anscheinend hat noch niemand einen bleibenden Eindruck darin hinterlassen können. Sie stinkt, aber man kann sie atmen, sie ernährt einen, obwohl sie wahrscheinlich sogar der fette Pater schon benutzt hat, und den Fäulnisgeruch seiner versagenden Leber darin zurückgelassen hat.

Schritte versetzen den Metallrost, auf dem ich stehe, in leichte Vibration. Man hört nichts, aber man spürt es am Boden, so wie Grillen ein Gefühl dafür haben, dass sich jemand nähert. Ich drehe mich herum, ziehe an der Zigarette. Aus den Schatten schält sich eine Gestalt, deren Konturen schärfer werden, je näher sie mir und dem Laternenlicht hinter mir kommt.

Seine Haut ist dunkelbraun, so braun, dass sie fast schwarz ist. Kurze, nur ein paar Tage alte Haarstoppeln wachsen auf seinem rasierten Schädel, ich hätte ihn für einen Sträfling halten können, wenn ich es nicht besser gewusst hätte. Sein Gesicht wirkt alt, viel zu alt für jemanden seines Alters. Kummer lässt einen vor der Zeit alt wirken, genauso wie die bunt glühenden Lichter von Distrikt 7, in deren ungesundem Schein wir beide stehen.

Er hebt zwei Finger an den nackten Schädel. „Citoyenne", brummt er. Seine Stimme klingt tief und hallend, so als würde man in eine leere Kirche sprechen.

Ich unterdrücke einen Aufschrei, werfe mich nicht an seinen schlecht rasierten Hals, obwohl ich es mir wünsche. „Citoyen", sage ich und führe die Finger an meine eigene, nicht vorhandene, rote Mütze. Dem Impuls mich hastig zu allen Seiten umzudrehen, widerstehe ich, er soll mich nicht für schwach halten.

„Es ist lange her", sage ich und höre meine eigene Stimme beben.

Er nickt bedächtig. „Hast wohl gar nicht mehr geglaubt, dass ich kommen würde."

Eine kleine Pause entsteht, als ich an der Zigarette ziehe. „Ich habe es gewusst. Jede Nacht und jeden Tag habe ich damit gerechnet dich durch die Tür kommen zu sehen."

„Und dann schleiche ich mich wie ein Dieb in der Nacht an dich heran. Je suis desolé, kleine Alexa." Er grinst breit. „Hast du 'ne Kippe, für einen alten Freund?"

Ich schüttle den Kopf. „Ist die letzte, aber ich werde sie mit dir teilen", sage ich und reiche ihm die lippenstiftbeschmierte Zigarette.

Er nimmt einen tiefen Zug, lässt die Glut hell aufleuchten. „Zigaretten sind ein wundervoller Katalysator für jedes ernsthafte Gespräch", sagt er und deutet mit dem Finger in Richtung eines hell strahlen Lichtpunktes vor der Küste. Es ist die Bethesdainsel, der Sitz der Cassini-Päpste. „Weißt du, was das Grund dafür ist, dass wir hier sind und sie dort?"

Ich zucke mit den Achseln. „Gier, Besitz und eine Menge bedrucktes Papier?", frage ich.

Er lacht kurz und dunkel auf. „Du hast Recht, das natürlich auch. Aber ich stelle mir gern vor, das ihre Macht sich darauf gründet, dass sie es sind, die den Tabak verteilen. Nichts erleichtert ein gutes Gespräch so sehr, wie eine Zigarette. Während man seinen Zug nimmt, hat man genug Zeit, um über die Worte des anderen nachzudenken und dann ganz in Ruhe seine eigene Meinung in wohlgeformte Sätze zu bringen. Deshalb haben sie es hinbekommen ihre Grenzen abzustecken und sich ihre Kuschelzonen zu schaffen, während wir uns gegenseitig zerfleischen."

Grinsend reicht er mir die fast vollständig verglühte Zigarette. „Der letzte Zug ist für dich, kleine Alexa."

Ich rauche zu Ende, werfe den Stummel in die Gasse hinab, lege dann einen Arm um ihn und ziehe ihn an mich. Er ist abgemagert, so viel dünner als früher, doch er küsst meine Stirn mit der gleichen Wildheit, die ihm schon immer zu eigen gewesen ist. Ich lege meine Wange, auf sein hartes Schlüsselbein, höre seinen Herzschlag durch das Hemd hindurch und schließe für einen Moment die Augen.

Ein plötzlicher Stich am Hals, so wie der einer Wespe, lässt mich zusammenzucken. Unwillig, fast ein wenig schläfrig durch das gleichförmige Stampfen seines Pulses, fasse ich an die schmerzende Stelle.

Heiße Flüssigkeit sprudelt zwischen meinen Fingern hindurch. Ich will mich aufrichten, kralle mich an seinen Schultern fest, doch noch im gleichen Moment geben meine Knie nach. Ich stürze nach hinten, stürze immer weiter, ohne aufzuschlagen. Dichte Schwärze steht vor meinen Augen, so dunkel wie das Universum selbst.

Wir sind keine Vorübergehenden. Wir sind Fallende und wehe dem, der glaubt, fallen ohne aufzuprallen sei dasselbe wie fliegen.

DIESE GESCHICHTE STEHT UNTER EINER CREATIVE-COMMONS-LIZENZ (CC-BY-NC-SA) UND WURDE ZUM ERSTEN MAL VON „thomasbirne".

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