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To Bi or not to Bi

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Eine lange verschollene Sehnsucht erwacht.
5.1k Wörter
4.38
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Langsam nervt's! Ein Jahr und drei Monate bin ich nun wieder Single. Und es nervt!

Weniger die fehlende Zweisamkeit, oder schlimmer noch, die von diversen Onlinepartnerbörsen zu viel beschworene "traute" Zweisamkeit. Nun wirklich nicht. Davon bin ich auf absehbare Zeit kuriert. Dafür hat sie gesorgt. Mit beeindruckender Gründlichkeit, wie alles, wofür sie sich zuständig fühlte.

Nein, eine bessere Hälfte fehlt mir nicht. Ich brauche kein Yin zum Yang, um ausgeglichen zu sein, ganz im Gegenteil. Ich genieße die Freiheit, niemanden fragen zu müssen, keine Kompromisse auszuhandeln und dahin zu gehen, wohin mich der freie Abend trägt. Und genau da beginnt das Problem. Er trägt mich immer wieder in die gleichen Ecken, mit den gleichen Leuten und am Ende jedesmal zu der nüchternen Erkenntnis, dass ich mir das Singledasein doch völlig anders vorgestellt hatte. Absurd: ist man gebunden, besteht das Leben aus gefühlten verpassten Chancen, Gelegenheiten, die einem neue Horizonte und erregende, noch nie vorher erklommene Gipfel beschert hätten. Und wenn man wieder freie Bahn hat, stellt man fest, dass es all das garnicht gibt. Das nennt sich wohl "Ironie des Lebens".

Kurzum: mir fehlt die sexuelle Abwechslung, die Erfahrung fremder Haut, die erregende Reise einer Neuentdeckung, der Duft und der Geschmack von Lust, mir fehlt der Sex! Seit der Trennung (und schon eine Weile davor) hatte ich nur noch Sex mit meiner mir eigenen besseren Hälfte, meiner quasi angetrauten, rechten Hand.

Hatte ich es schon erwähnt? Es nervt!

Nun sitze ich wieder zuhause, nachdem ich mir eingestehen musste, dass ich die selben bekannten Gesichter nicht mehr sehen, und deren ewig gleiche, abgedroschenen Phrasen und Pseudodiskussionen nicht mehr hören konnte. Klar, das hätte ich mir denken können, bevor ich auf die Bahn bin. Aber wie jedes Wochenende habe ich mir eingebildet, dass sich vielleicht eine gute Gelegenheit ergeben wird, etwas weibliches aufzureißen. "Ja, klar!", verhöhne ich mich selbst. "Ich bin ja auch so ein prächtiger, vom Erfolg verwöhnter Aufreißer!"

Tatsächlich ist mein Misserfolg bei Frauen sozusagen legendär, und in der Clique wird man nicht müde mir vorzuhalten, ich würde es noch nicht mal schaffen, eine Frau abzuschleppen, wenn sie mir mit laszivem Blick, leicht gespreizten Beinen und einem feuchten Fleck im Schritt gegenüber säße. "Na, danke, ihr Minuskumpel!", ist meine immer gleiche Antwort auf solcherlei Zoten. Das Problem ist nur: sie haben recht. Und dieser Umstand macht es annähernd unmöglich, an der Asexualität meines Privatlebens etwas zu ändern. Erschwerend kommt hinzu, dass ich mir geschworen habe, nie zu einer Prostituierten zu gehen. Ich bin kein Moralapostel. Wenn Gewerbliche nicht für das Vergnügen von Männern in meiner Situation da sind, dann weiß ich auch nicht. Aber ich habe schlicht keinen Bock drauf. Ich habe die vielleicht naive, aber festgefahrene Meinung, dass ich richtig guten Sex nur mit einer Frau genießen kann, die geil auf mich, oder zumindest auf ein bestimmtes Teil von mir ist, und nicht nur auf meinen Geldbeutel. "Unausgelastete, nymphomane Hausfrau sucht Abwechslung" Ja, natürlich!

Bevor ich mir von einer Frau einen blasen lasse, die ihre routinierten Bewegungen aus einem berstenden Erfahrungsschatz entsafteter Männlichkeit abruft, und der Dollarzeichen in den Augen blitzen, während mein Schwanz zwischen einem ihrer Lippenpaare steckt, besorge ich es mir lieber weiter selbst. Das ist billiger und führt zum gleichen Ergebnis.

Und so sitze ich da und sinniere über Auswege aus der Misere.

Aus einer dunklen, verstaubten Kammer eines lange brach liegenden Teils meines geistigen Archives vernehme ich ein leises Klopfen. Ich ignoriere es geflissentlich.

Meine Gedanken kreisen um die immer gleichen Optionen, die sich allesamt bereits als Sackgassen erwiesen haben.

Das Klopfen wird lauter. Nein, danke. Kein Interesse.

Mir schwant, welcher längst vergessene, oder besser gesagt, verdrängte Abschnitt meines sexuellen Lebenslaufs um Beachtung buhlt. Aber es passt einfach nicht mehr, ein Kapitel aus den gesammelten Werken der Jugendsünden, ein Fehltritt. Na gut, mehrere Fehltritte.

Lauter, fordernder. KLOPF KLOPF KLOPF!

Leicht genervt und angesäuert reiße ich die virtuelle Tür in meinem Oberstübchen auf und sehe mich den Erinnerungen gegenüber, die ich Jahre, nun bald Jahrzehnte weggesperrt und versiegelt hatte. Und nun, da das Siegel gebrochen ist, hagelt es auf mich nieder. Flashbacks und Bilder, die es in dieser Lebendigkeit und Intensität nach all den Jahren eigentlich nicht mehr geben dürfte. Bilder, Nacktbilder von mir und anderen Männern. Ich schließe die Augen, will das nicht. Sie sind mir unangenehm, widersprechen dem, was ich sein will, was ich bin, dem, was ich in prächtiger homophober Stammtischmanier in den letzten Jahren von mir gegeben habe. Ich hatte das Thema abgeheftet, zugeklappt und in dem Raum, der für die sprichwörtlichen Leichen im Keller vorgesehen war, in der letzten Ecke verstaut.

Irgendwas in mir scheint nicht meiner Meinung zu sein und projeziert immer neue Sequenzen gegen die schwarze Leinwand meiner geschlossenen Lider. In blitzsauberem 3D, Dolby Surround und, als besonderen Gimmick, mit all den Emotionen und Eindrücken, die mir meine Sinnesorgane damals wie heute zur Verfügung stellen können.

Ich reiße die Augen auf, will dem Flimmern dieser speziellen Spätvorstellung meines Kopfkinos ein Ende bereiten. Mein Herz pocht. Ich schaue mich verlegen um, wie ein Betrunkener, der sich an der Bar ein halbes Glas Bier über das Hemd gekippt hat, und der prüfen will, ob jemand Zeuge dieses peinlichen Momentes wurde. So ein Blödsinn! Ich bin alleine und zuhause, wer sollte mich beobachtet haben. Von der eigenen Dämlichkeit noch peinlicher berührt, lasse ich mich in das Rückenpolster meines Sofas fallen. Ich spüre meinen Puls. Zu meiner Überraschung nicht nur in der Brust, sondern auch in meinem stramm stehenden Schwengel, der im Staccato gegen meinen Hosenstall hämmert. "Das kann doch nicht sein!" rechtfertige ich mich gegenüber mir selbst. Ein angenehmes Ziehen in der Lendengegend gesellt sich zu dem schieren Druck in meinem Kellergeschoss. Wie von selbst fallen mir die Augen wieder zu und im Projektorraum wird die nächste Filmrolle aufgelegt.

Ich sehe Körperkonturen, spüre fordernde Hände, fühle Haut, warme Haut unter meinen Fingern, rieche das Aroma männlicher Lust. In der Realität wandert meine Hand in meinen Schritt, drückt und massiert, um die virtuellen Empfindungen zu verstärken. Ich erinnere mich an den Druck eines harten Schwanzes, der sich an mir reibt, an das Verlangen, danach zu greifen, ihn in meiner Hand zu spüren, in meinem Mund, in meinem...

STOPP!!!

Ich ziehe die Reißleine, setze mich auf, starre, von der eigenen Begierde entsetzt, auf die gegenüberliegende, weiße Wand.

Ich zwinge mich aufzustehen, gehe zum Kühlschrank und kippe mir ein kaltes Bier in wenigen Zügen in den Hals. Ich schüttele mich. Teils wegen des kühlen Nass, mehr, um den Kopf wieder frei zu bekommen. Es kann nicht sein, was nicht sein darf!

Ich gehe ins Bad und hole mir in Rekordzeit einen runter. Zwinge mich, dabei an die dralle brünette Bedienung aus der Pizzeria von nebenan zu denken. Danach falle ich zuerst ins Bett und dann in einen traumlosen Schlaf.

Diese Schlacht wäre vorerst gewonnen. Aber der Keim ist gesetzt. Und er gedeiht.

Tag um Tag vergeht. Genau so, wie die letzten Monate auch. Naja, fast genau so. Etwas arbeitet in mir. Nagt an mir und meinen eingeschliffenenVorstellungen von einem richtigen Fick. Die Büchse der Pandora ist geöffnet und nach einigen, immer heftiger werdenden Gedankengefechten mit mir selbst, setzt sich die Erkenntnis durch, dass sie sich nicht wieder ohne weiteres schließen lässt.

Verdrängung zwecklos. Was bleibt ist die Konfrontation. Die Auseinandersetzung mit den Dämonen, vor denen man vergeblich versucht hat, davon zu laufen. Teufel nochmal, die Biester sind immer einen Schritt schneller, als man selbst.

"Also nun mal ganz nüchtern betrachtet: bin ich schon so notgeil, dass ich daran denke, es mit einem Kerl zu treiben?", analysiere ich. "Oder steckt mehr dahinter, ein echtes Verlangen, eine verdrängte Sehnsucht, die die unfreiwillige Abstinenz nutzt, um sich Bahn zu brechen?"

Die Penetranz, mit der sich meine wieder entdeckte Lust auf Männersex (ja, soweit habe ich es bereits akzeptiert) an meine Versen heftet, stimmt mich nachdenklich.

Einige weitere, zunächst unbefriedigte, später handbefriedigte Abende gebe ich mich geschlagen und beschließe, der Sache auf den Grund zu gehen. Im Selbstversuch quasi, so ich denn, im doppelten Sinn, die Eier dafür habe.

Wie in allen Lebenslagen, erweist sich Herr Google als zuverlässiger Freund und Ratgeber. Einige explizite Schlagworte, ein sanfter Druck auf die Entertaste und schon hagelt es bildschirmweise Links zu meist einschlägigen Partnerbörsen und anderen Plattformen zum Austausch von Phantasien, Korpulationswünschen, oder schlicht Körperflüssigkeiten. Einige der Seiten sind kostenlos. Also angemeldet, ein Profil erstellt, von dem ich voller Stolz behaupten kann, das mindestens die Hälfte stimmt, und schon begebe ich mich auf die Pirsch.

Die ersten Kilometer auf diesem Abschnitt der Datenautobahn verbringe ich mit runter geklapptem Kiefer und einem stetigen Wechsel von Belustigung, Verwirrung, Würgereiz und tiefem Mitleid. Mit der Redensart "Es gibt nichts, was es nicht gibt!" müssen Datingplattformen gemeint gewesen sein. Den Autoren von gut der Hälfte der online gestellten Gesuche, würde ich am liebsten empfehlen, doch lieber auf einer Veterinärplattform zu posten, oder bei derart vielen Löchern, die gestopft werden müssen, doch mal bei der Haushaltshilfe ums Eck anzuklopfen.

Mein Gott, das ist nicht die Welt, in die ich eintauchen wollte!

Aber vereinzelt, eingekeilt zwischen Stuten, Hengsten und diversen Auflistungen von gefälligst zu begattenden Körperöffnungen, finden sich auch andere, harmlosere, teils verlockende Angebotstexte. Und nicht wenige Männer scheinen in einer ähnlichen Situation wie ich zu sein. Also beschließe ich, die Flinte nicht gleich ins Korn zu werfen und surfe weiter durch die Höhen und Tiefen der männlichen Triebe.

Dabei kommt es erstens, wie es kommen muss und zweitens, sehr wörtlich gemeint. Einige Texte machen mich derart an, dass ich anfange mich selbst zu massieren, mir dann die Hose zu öffnen und mir amtlich einen von der Palme zu wedeln. Lust befriedigt, Verlangen vergangen, Browser zu, Laptop aus.

So geht das ein paar Tage, aber immer wieder zieht es mich auf die gleichen Seiten. Hin und wieder verirren sich ein paar Nachrichten in meinen Posteingang, die aber allesamt so abtörnend sind, dass die zugehörigen Verfasser sogleich auf meiner Ignoreliste landen.

Ich erkläre mir den eingehenden Mitteilungsmüll so, dass sich bei den meisten Usern das dringend zum erfolgreichen Denken gebrauchte Blut gerade in südlicheren Gefilden befindet und die Groß- und Kleinschreibung schwer umzusetzen ist, wenn sich eine Hand in Vollzeit am eigenen Gemächt zu schaffen macht. Denn andernfalls müsste ich unterstellen, dass an diesen Gentlemen die letzten dreieinhalb Milliarden Jahre schlicht spurlos vorbei gegangen sind. Quasi komplett schwanzgesteuerte Vollpfosten. Dann lieber in dubio pro reo. Das hilft, damit ich mich nicht zu viel fremdschäme und meinen Geschlechtsgenossen nicht unisono den Versagerstempel aufdrücken muss.

Doch dann verirrt sich eine Nachricht an meine Adresse, die sich deutlich von den anderen unterscheidet.

Endlich einer, der den Unterschied zwischen Niveau und Nivea zu kennen scheint. Seine Mail liest sich sehr wohltuend. Er schreibt unaufdringlich, aber nicht distanziert, er weiß, was er sucht und noch mehr, was er nicht sucht. Im Gegensatz zu mir ist er kein Single, zumindest kein echter. Er beschreibt sich als locker liiert, aber nicht gebunden. Nun ja, interessante Formulierung unter der man sich viel vorstellen kann. Noch interessanter wäre es zu erfahren, ob die zugehörige "sie" genauso denkt. Egal, das soll nicht mein Problem sein.

Mein Problem ist ein ganz anderes: Alles, was er schreibt und das Bild, das ich mir von ihm mache passt. Er ist die Gelegenheit, die ich gesucht habe. Quasi mein personifiziertes Beuteschema, und ich habe keine Ausrede, warum ich jetzt nicht endlich Nägel mit Köpfen machen sollte. Seine fetischbefreiten Vorlieben sind mit meinen fast deckungsgleich. Kein Master, der einen Slave sucht, kein Verklemmter und auch kein Notgeiler, sondern ein Mann, der jemanden sucht, "um die Lust zu steigern, anstatt nur den Druck abzubauen". Gut formuliert! Er fügt sich so gut in meine Rasterfahndung, dass ich kaum Argumente finde, warum ich es mit ihm nicht versuchen sollte. Das ist mein Problem. Ich muss mich meinem Selbst stellen.

Wieder spüre ich meinen Puls an zwei Stellen meines aufgewühlten Körpers. Das durchleben von Phantasien mit dem eigenen Schwanz in der Hand, zuhause auf dem Sofa, ist eins. Etwas völlig anderes ist es, all diese eingebildeten geilen Momente aus der Virtual Reality heraus zu holen und auf das kommende Wochenende zu legen. Ganz real, nur 20 Fahrminuten entfernt und mit dem Makel der Ungewissheit behaftet, dass man unter Umständen feststellen muss, dass man den Geistern, die man rief nicht gewachsen ist. Dass man die Flucht antritt, bevor die Schlacht richtig begonnen hat. Dass man kneift, im wahrsten Sinne des Wortes den Schwanz einzieht. Was für eine Blamage wäre das?

Oder schlimmer noch: man steht sich gegenüber und stellt fest, dass man sich kennt. Oh Gott! Das Szenario hatte ich noch garnicht auf dem Schirm. Horrorvorstellung!

Fast bin ich erleichtert, nun doch noch ein handfestes Argument gegen die Durchführung meines Praxisversuches gefunden zu haben. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit wohl ziemlich gering sein dürfte, tatsächlich einem Bekannten, oder noch beschämender, einem Kollegen gegenüber zu stehen, reicht es doch allemal, der Angst vor meiner eigenen Courage nachzugeben.

Also schreibe ich ihm, in Anerkennung seiner sympathischen Kontaktaufnahme, ehrlich aber dankend ablehnend, dass er leider in mir einen Kandidaten gefunden hätte, der sich erst noch über seine eigenen Wünsche klar werden müsse, und dass ich dazu noch aufgrund der Panik einer bekannten Person gegenüber zu stehen, doch lieber in einem weiteren Umkreis suchen wolle.

In der Sachlage beruhigt und mit mir selbst zufrieden fahre ich den Rechner runter und schließe die mittlerweile fast rituelle Selbstbefriedigung an. Denn aufgewühlt haben mich seine Angebote und formulierten Vorstellungen und Neigungen schon. Aber nachdem sich mein Samen auf meinem Bauch verteilt hat, fühle ich mich in der Richtigkeit meiner Entscheidung bestärkt.

Gefahr abgewendet, Entscheidung vertagt.

Aber diese Rechnung habe ich ohne den Wirt gemacht.

Die Antwort kommt am folgenden Tag.

Einfühlsam und voller Respekt vor meinen Zweifeln und Ängsten beschreibt er, wie er sich selbst darin erkenne, wie es ihm vor Jahren ähnlich ergangen sei, und dass er volles Verständnis dafür habe. Aber anscheinend habe ich seinen Ehrgeiz geweckt. Denn nun kommt er mit einem Vorschlag um die Ecke, der dem vielbeschworenen Angebot, das man nicht ablehnen kann, sehr nahe kommt.

Er würde eine Möglichkeit sehen, voll auf meine Bedenken einzugehen und gleichzeitig eine seiner lang ersehnten Phantasien auszuleben. Der Typ ist ein Fuchs von beeindruckender Kreativität. Und so lautet sein Plan:

"Wenn Du zu mir kommst, ist meine Eingangstür nur angelehnt. Du betrittst meine Wohnung und findest mein Schlafzimmer hinter der zweiten Tür rechts. Dort werde ich bei gedämpftem Licht auf dem Bett liegen und auf Dich warten. Außer einer Augenbinde werde ich nichts tragen. Du kannst mich in aller Ruhe betrachten und entscheiden, ob Dir gefällt, was Du siehst. Wenn Du nicht möchtest, brauchen wir kein Wort zu sprechen. Wenn Du gleich wieder gehen willst, geh. Wenn Du bleiben möchtest, ziehst Du Dich aus und ich werde Dir die geilsten Momente Deines Lebens bescheren. Bediene Dich und ich werde Dich bedienen. Ich blase leidenschaftlich gerne und würde mich freuen, wenn Du mich im Gegenzug intensiv nimmst. Aber hey: Alles kann, nichts muss! Und wenn Du gehst, werde ich Dich nicht gesehen haben und nur den Duft Deiner Lust und die Erinnerung als Souvenir behalten."

Teufel nochmal, der Kerl hat es drauf, mich zu ködern. Seine Adresse samt Terminvorschlag hat er gleich beigefügt. Minutenlang starre ich auf den Bildschirm und lese den Text immer wieder. Er hat mich schachmatt gesetzt, einfach so. Fast könnte ich sauer auf ihn werden. Eine Stunde vergeht. In dieser Zeit setzt mein Gehirn immer neue Phantasien zusammen, wie es ablaufen könnte, schreibt immer wieder neue Drehbücher bis jeder Widerstand zwecklos ist.

Ich antworte mit drei kurzen Worten: Ich bin dabei!

In 2 Tagen und 21 Stunden werde ich mich meinen Dämonen stellen.

Die Zeit bis zum Wochenende nimmt die Konsistenz von Kaugummi an und wird begleitet von erregter Ungeduld und Verunsicherung. Manchmal denke ich daran, das Treffen abzusagen. Bevorzugt, nachdem ich mir vom eigenen Kopfkino übermannt mal wieder den Saft aus den Eiern massiert habe und in der sexuellen Schaltzentrale befriedigte Ernüchterung eingekehrt ist. Aber diese Blöße werde ich mir nicht geben. Dafür bin ich zu sehr Kerl, als dass ich vor einer Herausforderung zurück schrecke, bei der es kein Risiko gibt. Ein Mann, ein Wort.

Auf die Minute pünktlich stehe ich zur vereinbarten Zeit vor der Haustür eines nicht sonderlich einladend wirkenden Wohnblocks. Mein Finger ruht einen Zentimeter über dem Klingelknopf. Ich zittere, als stünde ich vor einer Bombe und es ginge darum, zu entscheiden, ob mich der grüne oder der rote Draht wohl ins Jenseits befördern wird. Ich spüre, wie mir Schweißtropfen auf die Stirn treten. Da meine Hand jegliche Signale und Aufforderungen meines Gehirns zu ignorieren scheint, lehne ich mich im gesamten ein wenig nach vorn und drücke den Taster bis zum Anschlag durch. Wenige Sekunden später ertönt ein elektrisches Summen und ich betrete das Treppenhaus. Einen Augenblick verweile ich, dann nehme ich die Stufen zum zweiten Stock in Angriff.

Die Wohnungstür ist, wie angekündigt, nur angelehnt. Mit gestreckten Fingern drücke ich sacht dagegen und sie öffnet sich geräuschlos. Ich atme tief durch und trete über die Schwelle. Leise drücke ich die Tür hinter mir ins Schloss und Dunkelheit umschließt mich, so dass ich eine Weile brauche, bis meine Augen mit dem vorhandenen Restlicht soweit auskommen, dass ich mich wieder orientieren kann. Zweite Tür rechts. Das Ziel ist geortet und ins Visier genommen. Vorsichtig gehe ich darauf zu. Auch sie ist nicht verschlossen und als ich sie aufdrücke werde ich von gedämpften Licht beschienen. Ich betrete die Höhle des Löwen. Die Situation erscheint mir so skurril, wie ein Traum. Komplett bekleidet stehe ich im Schlafzimmer eines wildfremden Mannes, den ich, wie zuvor beschrieben, nun nackt und mit verbundenen Augen auf dem Bett erblicke. Obwohl er sich nicht wirklich bewegt, lassen sein tiefes Einatmen und eine marginale Erhöhung seiner Körperspannung erkennen, dass er mein Eintreten wahrgenommen hat. Ihn umgibt eine Aura der gespannten Erwartung. Für einen Moment lasse ich die Szene auf mich wirken. Mir wird bewusst, dass er mir ein Stück weit ausgeliefert ist, nackt und blind, schutzlos meinen Blicken preisgegeben, während ich den Überblick und die Entscheidung habe. Ich dominiere das Set, führe Regie. Das gibt mir die nötige Selbstsicherheit zurück und ich trete näher an das Bett.

Ich betrachte ihn eingehender und entdecke nichts vordergründig Schönes, ein nackter Mann eben. Und doch erregt mich sein Anblick. Die sexuelle Spannung der letzten Tage und der offen dargebotene Wille zur Hingabe entfalten ihren Reiz, machen ihn für mich attraktiv, machen mich an, ziehen mich zu ihm hin.

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