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Schönheit

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891 Wörter
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Peter78
Peter78
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Ich reise durch makelloses Blau.
Der Himmel ist so strahlend, hell und klar, als wolle er sich für die Dunkelheit und Kälte der ersten frostigen Nacht entschuldigen.
In der Ferne zieht eine einzelne bauchige Wolke entlang, ein weißes Schiff auf seiner Fahrt. Mein Wagen kennt die Strecke gut und so gestatte ich dem gemächlich dahin gleitenden Himmelssegler, mich auf seine Reise ein kleines Stück mitzunehmen. In seinem milchigen Kielwasser ziehen meine Gedanken träumerisch über das Land…

Oh diese Farben!
Ich gestehe ich bin nicht objektiv, der Herbst ist von jeher meine liebste Jahreszeit.
Wenn sich das letzte satte Grün mischt mit hellem Gelb, mit leuchtendem Orange, mit königlichem Rot, mit erdigem Braun und mit einer Legion warmer Zwischentöne; wenn das Gold der von Sonnenstrahlen zum glühen gebrachten Bäume im direkten Kontrast steht zu den anderen, die wie dunkle, schwarzblaue Schattenrisse vor dem blendenden Himmel stehen, dann ist es mir, als wolle die Natur in voller Absicht, alles von Menschenhand Erschaffene durch ihre gnadenlose Perfektion beschämen.

Sähen wir so eine Landschaft auf einem Bild, wie würden wir es schelten! Zu verträumt, zu kitschig, zu viel Klischee! Buchstäblich zu schön um wahr zu sein. Und doch bin ich gerade mitten darin. Ich fahre durch einen Traum, schwelge regelrecht darin und frage mich ob ich wirklich aufwachen muß…

Manchmal, so wünschte ich wie in diesem Augenblick, ich wäre selbst ein Künstler. Ein Zeichner oder Maler vielleicht, der, anders als ein Fotograf, nicht nur mit der Linse, sondern mit dem Herzen die Schönheit zu beschreiben vermag, die ihn umgibt.

Wie gern würde ich Anderen zeigen, wie schön die Welt manchmal selbst durch meinen Augen sein kann! Doch Stift und Pinsel sind keine Freunde von mir - noch nie gewesen. Und so nehme ich mir noch auf der Fahrt den Versuch vor, am Ende meiner Reise mit Sätzen zu zeichnen und Worten zu malen, was mein Herz auf diesem Ausflug an Schönheit sah.

Wie ein streunender Kater, der in Erwartung einer Mahlzeit nach Hause zurückkehrt, so kommen auch meine umherschweifenden Gedanken langsam zurück zu mir.
Schnell, bevor der Traum vollends verblasst, noch einen letzten Gruß gen Himmel: Gute Fahrt, mein Freund, Du stolzer Segler! Nun sind wir zwei wieder allein auf unseren Wegen. Ich wünsche Dir, der Horizont, dem Du so stetig entgegen strebst, hält das für Dich bereit, das Du ersehnst!

Ich öffne das Fenster einen Spalt und atme tief ein. Es erfrischt meinen Geist wie ein Schluck klares Wasser und berauscht doch zugleich wie süßer Wein.
Die Luft ist kühl und von einer angenehmen Schärfe erfüllt, als ob das Land gerade wie ein frisches Brot aus dem Ofen des Sommers geholt wurde und nun seinen unwiderstehliches Aroma im ganzen Haus verbreitet.

Ich bin nicht der Einzige, dem dieser Duft die Sinne betört: Es ist die Zeit der Spaziergänge. Jeder, der irgendwie die Zeit dazu findet, scheint sich vom Sommer noch schnell persönlich verabschieden zu wollen: Eben die Jacke übergeworfen, die Freundin an die Hand genommen…

Ja die Frauen sind, wie immer, so auch dieses Jahr, am schönsten im Herbst: Das Haar elegant zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden oder, wenn der Wind es zuläßt, locker über die Schultern fallend. Die Mäntel an der Taille figurbetont gegürtet, die Rockschöße knapp bis zum Knie, darunter betörend eng anliegende dunkle Hosen und Stiefel aus feinstem Leder.
Das alles in weichen Erd- und Pastelltönen, nur manchmal durchbrochen von einzelnen Farbtupfen - es ist als stünden sie in direktem Wettstreit mit der Natur selbst, wer über die Winterpause hin den Titel „Die Schönste” mit nach Hause nehmen darf.

Ich schließe das Fenster wieder. Die Sonne wärmt immer noch ganz gut mit ihren Strahlen, wenn auch nur durch die Glasscheibe, die mich vor dem frischen Fahrtwind schützt.
Der Weg, dem ich folge, führt mich abwechselnd immer wieder von hell nach dunkel. Hell, dunkel, hell, dunkel.
Fast schmerzt der stroboskopartige Wechsel auf den gleichmäßig bepflanzten Alleen. Doch schlängelt er sich durch ein kleines Wäldchen, kommt es mir so vor als fahre ich durch einen Tunnel, dessen eigentlich grüne Wände mir wie das tiefste Schwarz der Nacht erscheinen, bevor mich am Ende ein neuer, strahlender Tag begrüßt.

Ich bin beinahe schon erschrocken darüber, wie emotional dies alles auf mich wirkt, wie betroffen mich die Schönheit macht.
Was, so frage ich mich, hat dieses ganz besondere Licht nur an sich, daß es mich jedes Jahr aufs neue in diese eigenartige süß-melancholische Stimmung versetzt?

Quasi gewaltsam versuche ich mich, Baron Münchhausen gleich, am eigenen Schopfe aus dem Morast meiner Tagträumerei zu zerren, indem ich mich fest auf die Lippen beiße und stur auf die Straße konzentriere.
Nur noch ein kurzes Stück Autobahn, dann ist es geschafft.
Da ist schon meine Ausfahrt.
Meine Heimatstadt.
Dort drüben steht mein Elternhaus.
Das Ziel ist erreicht.
Fast muß ich lachen als sich mir eine Zeile aus dem Erlkönig aufdrängt: „Erreicht den Hof mit Müh und Not…“
Johann Wolfgang von Goethe.

Ende?
Nein.

Auch nachdem der Wagen steht und der Motor verstummt ist sitze ich noch eine ganze Weile einfach so da, unfähig mich von den vielen verschiedenen, teils widersprüchlichen Eindrücken zu lösen.

Mit Hand und Herz greife ich ein letztes Mal hinaus und träume... ach könnte ich diese wunderschönen Augenblicke doch nur mit Jemandem teilen!
Doch der Sitz neben mir ist kalt und leer und so bleiben Hand und Herz es eben auch.

So ist das im Herbst.

Peter78
Peter78
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