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Alisha - Schatten/Narben

Geschichte Info
Ein weiterer Abstieg in Alishas Abgründe.
3.2k Wörter
4.31
8.3k
1
0

Teil 3 der 21 teiligen Serie

Aktualisiert 01/25/2024
Erstellt 10/01/2019
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Alisha: Schatten /Narben (Vorgeschichte Teil 3)

(c) Astrum Argenteum 2021

Vorbemerkung: Die Geschichte spielt im Oktober 2020. Es handelt sich nach der neuen Zählung um Teil 3 der Vorgeschichte. Im Text gibt es Andeutungen von Misshandlungen und sexualisierter Gewalt. Wer damit ein Problem hat, sollte nicht weiterlesen.

+++

„Du hast mir nie wirklich viel von deinen Eltern erzählt."

Als die Worte meine Lippen verließen, bereute ich bereits, das Thema angesprochen zu haben. Auch wenn wir uns gegenseitig versichert hatten, dass keine Fragen Tabu sein würden. Fragen über unsere Vergangenheit. Seit es die coronabedingten Einschränkungen des Alltags gab, verbrachten wir viel Zeit mit uns und unseren Dämonen. Sie hatte mich gelöchert, Abend für Abend, heute war ich am Zug.

Alisha schaute grimmig über die Stadt, die Arme auf das Balkongeländer gestützt, während sie ihre Zigarette zwischen den Fingerkuppen drehte. Dann blies sie den Rauch in die Abendluft und lachte laut. Doch es war kein freudvolles Lachen.

„Das ist auch besser so."

Ihr Blick verlor sich über dem Fluss, während sie wieder an ihrer Zigarette zog.

Wir saßen auf dem Balkon meiner Wohnung am Mainufer und genossen den Spätsommerabend, während der erste kalte Hauch des Herbstes bereits in der Luft lag. Ich trank einen Schluck Rotwein und räusperte mich: „Du musst nicht von ihnen erzählen, wenn du nicht magst. Wenn es zu persönlich ist."

Alisha seufzte. Dann drückte sie ihre Zigarette in den Aschenbecher und nahm ebenfalls einen Schluck aus ihrem Glas. Sie drehte sich leicht zur Seite und musterte mich für einen längeren Moment. Als ob sie abschätzte, ob das Ausmaß an Vertrauen zwischen uns bereits ausreichend war. Ob sie mir die Wahrheit zumuten könne.

Ich hatte meine Vermutungen, seit sie mir damals von ihrer Kindheit erzählt hatte [„Vorgeschichte 1"]. Auch wenn sie dabei vage geblieben war und mir klar war, dass es mehr Abgründe in ihrem Leben gab, als sie mir offenbart hatte.

Sie stellte das Glas ab und drehte sich sofort eine neue Zigarette, woran ich sah, wie nervös sie war. Ich betrachtete sie still und wartete, bis sie sprechen würde. Mein Blick ruhte auf ihr, ihrem tiefgründigen Gesicht, ihrem Körper, der so viele Geheimnisse barg. Sie trug einen norwegischen Wollpullover, der mir gehörte und an ihr so groß war, dass sie ihn wie ein Kleid tragen konnte, darunter hatte sie eine schwarze Strumpfhose und über diesen ein paar Wollsocken an. Es war wirklich bereits ziemlich kühl geworden.

Sie nahm erneut einen großen Schluck, stellte das Glas ab, knibbelte versonnen an ihren Fingernägeln. Wieder seufzte sie und lächelte mich kurz an, wirkte gequält. Dann zündete sie sich ihre Zigarette an. Und begann zu erzählen.

+++

„Mein Vater war ein grausamer Mensch. Er hat uns gequält. Wenn er gesoffen hatte, wurde er aggressiv und hat meine Mutter verprügelt. Mit seinen Fäusten, Gürteln, Fahrradschlössern, Stromkabeln, was er gerade zur Hand hatte. Und wenn er sie richtig zerschlagen hatte, vergewaltigte er sie. Immer wieder. Über Jahre. Am schlimmsten war es, wenn er Koks gezogen hatte. Dann wurde er besonders sadistisch. Erniedrigte sie, zwang sie, unglaubliche Dinge zu tun. So bin ich aufgewachsen. Das war meine Kindheit."

Alisha machte eine Pause, rauchte. Ich bekam ein flaues Gefühl im Magen. Ich traute mich nicht, die Frage zu stellen, die mir auf den Lippen brannte. Sie sprach weiter.

„Er war nicht immer so gewesen. Zumindest sagt meine Mutter das. Er kam auch aus einem gewalttätigen Elternhaus, aus dem er aber sehr früh ausgebrochen ist. Schon mit 16 ist er ausgezogen, hat sich mit kleinen Jobs durchgeschlagen, hat anscheinend auch mit Haschisch gedealt. Es war wohl eine harte Zeit für ihn, aber er hat es geschafft, seinen großen Traum zu erfüllen, für den er selbst immer wieder von seinem Säufer-Vater durchgeprügelt wurde: Künstler zu werden. Er schaffte es, an einer Kunstakademie angenommen zu werden, sogar einer sehr renommierten. Vermutlich kam er gut an damals, Ende der 70er, kleinkriminell, proletarischer Hintergrund, voller Wut und Tatendrang."

Sie lachte, rauchte, überlegte.

„Auf Fotos von damals sieht er glücklich aus. Ein bisschen wie jemand von der RAF, aber glücklich. Ich habe seine Kunst gesehen, er hat eindrucksvolle Sachen gemacht, vor allem als Bildhauer. Es gab Ausstellungen, Aufträge, er hat angefangen Geld damit zu verdienen. Tja, aber dann kamen die Rückschläge. Er hatte nie seine Wut im Griff. Das Geld, und noch mehr der Umgang, den es mit sich brachte, überforderte ihn. Er trank zu viel, nahm Drogen, Koks vor allem. Mitte der Achtziger wurde er zum ersten Mal wegen Körperverletzung angezeigt, weil er einen Journalisten angriff, der etwas Kritisches über seine Kunst geschrieben hatte. Damit kam er nie zurecht, sein Ego war immer so empfindlich. Es gab eine Bewährungsstrafe."

Wieder lachte Alisha, es klang zynisch.

„Und damit ging alles den Bach runter. Er konnte sich nicht unter Kontrolle halten, immer wieder Exzesse, Alkohol, Drogen, Gewalt, und so landete er dann auch richtig im Knast. Mehrfach. Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger. Das war die Zeit seines Absturzes. 1994 wurde er freigelassen unter der Bedingung, dass er an einer Massnahme teilnimmt, um von Alkohol und Drogen loszukommen. So lernte er dann meine Mutter kennen."

Als Alisha ihre Mutter erwähnte, änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Wo sie bei der Erzählung über ihren Vater grimmig wirkte, schien nun ein Anflug von Traurigkeit über sie zu kommen.

„Sie arbeitete als Sozialpädagogin bei einer Institution der katholischen Kirche, die Exhäftlingen bei der Resozialisierung half. Ich weiß nicht, was sie in ihm gesehen hat, aber anscheinend hat sie sich sehr schnell in ihn verliebt. Vielleicht war es sein rebellisches Auftreten, unter dem immer eine große Verletzlichkeit lag. Er konnte auch charmant sein, auf seine Art. Na ja. Er ist schon bald zu ihr gezogen, sie haben sich ein Leben aufgebaut, er hat die Finger von Alkohol und Drogen gelassen und sogar wieder angefangen, Kunst zu machen. Es war sein zweites Leben, der Neustart. Zwei Jahre später haben sie geheiratet. Auf den Fotos sehen sie sehr glücklich aus. Aber natürlich musste er es ruinieren."

Sie trank wieder einen Schluck Rotwein.

„Ein Jahr später war meine Mutter schwanger mit mir, ungewollt natürlich. Es war die Katastrophe. Sie schafften es so schon nur gerade so, finanziell auszukommen. Mein Vater hatte sich durch seine Eskapaden alle seine Kontakte zerstört, er musste von Null anfangen, verdiente kaum Geld mit seiner Kunst. Als ich da war, musste er sich einen Job suchen, um meine Mutter zu unterstützen. Er, der schöpferische Kraftmensch, der männliche Heros, das verkannte Künstler-Genie, musste am Fließband stehen um seinem scheiss Balg Windeln kaufen zu können. Das hat sein Ego nie verkraftet.

Anstatt sich zusammenzureißen und das zu tun, was getan werden muss, hat er rumgeheult. Das Kind ruiniert seine Karriere, seine Kunst, seine Kreativität. Ich war schuld, meine Mutter war schuld. Dass er sie ficken musste, ohne zu verhüten, egal. Mit Verantwortung kam er nie zurecht. Na ja. Und dann ging es ganz schnell. Zurück zum Alkohol, zurück zu den Drogen, zurück zum Hass. Meine Mutter hat mir erzählt, wie er sie das erste Mal schlug. Er war mit Arbeitskollegen losgezogen und kam mitten in der Nacht betrunken nachhause. Sie war wütend und enttäuscht, dass er sich so gehen ließ. Konfrontierte ihn. Mich als Baby im Arm. Er schlug ihr direkt frontal ins Gesicht."

Ein Ausdruck von Hass verzerrte Alishas Mund, sie ballte die Fäuste. Mir wurde zunehmend unwohl.

„Weißt du, ich kann verstehen wenn jemandem mal die Hand ausrutscht, wenn man sich so hilflos fühlt, ohne dass ich es verteidigen möchte. Aber in seinem Fall, wie kaputt muss man sein, der eigenen Frau mit dem Baby auf dem Arm mit der Faust ins Gesicht zu schlagen? Sie meinte, dass ihr eine Woche lang das Auge zugeschwollen war."

Ich schüttelte den Kopf, war fassungslos: „Warum hat sie ihn nicht verlassen?"

Alisha antwortete nicht sofort, sondern schaute mich eine Zeitlang an, mit leicht fragendem Blick.

„Weißt du wie oft ich mir diese Frage gestellt habe? Ich meine, ein Teil von mir versteht es, glaube ich, ein anderer nicht. Er hat sich danach entschuldigt, gesäuselt, Lügen erzählt, alles wird gut, er reißt sich jetzt zusammen, nie wieder, und so. Nur um dann doch wieder abzustürzen. Und es wurde immer schlimmer. Er versank immer mehr in seinem Selbsthass, den er an ihr ausagierte. Er prügelte sie windelweich, vergewaltigte sie, weil er sie so sehr verachtete, dass er nicht mehr normal mit ihr schlafen konnte, prügelte und prügelte. Sie verlor sogar ein zweites Kind deswegen. Warum hat sie ihn nicht verlassen?"

Alisha lachte und schaute mir direkt in die Augen:

„Ich glaube, weil sie sich gegenseitig brauchten. Er war ihr Projekt, an dem sie ihr Helfersyndrom, ihre christlichen Minderwertigkeitskomplexe ausleben konnte. Wenn er sie misshandelte, war das nie seine Schuld, immer war es die Gesellschaft, die Haft, die Verhältnisse, das Geld, seine Kollegen, der Alkohol, die Drogen und so weiter. Oder eben ihre Schuld. Warum war sie schwanger geworden und hatte seinen Lebenstraum ruiniert? Warum hatte sie nicht besser aufgepasst?

Und er wusste natürlich ganz genau, dass er ohne sie keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen konnte. Er war komplett unfähig, ein selbstständiges Leben zu führen. Er war abhängig von seiner Frau, was schon schlimm genug war, aber dann hatte sie ihm noch einen Balg angehängt. Kastrationsangst, ganz klassisch. Und so blieben sie zusammen, wie ein lebender Alptraum.

Als ich älter wurde und verstand, was um mich herum passierte, was er meiner Mutter antat, war das für mich das Schlimmste, dass sie es akzeptierte. Dass sie es ertrug und erduldete. Dafür begann ich sie zu verachten. Meinen Vater hasste ich, seit frühester Kindheit, aber sie verachtete ich. Und das war viel schlimmer. Denn natürlich war sie ein Opfer extremer Gewalt, das verstehe ich heute. Aber damals war es für mich indiskutabel. Ich wollte kein Opfer sein, niemals. Und so verhielt ich mich halt auch. Die Geschichten kennst du ja. Gewalt hatte ich zuhause gelernt, vom Besten sozusagen. Und ich ließ es die Welt wissen, was ich von ihr hielt."

Ich starrte betreten auf den Boden, was sie erzählte, schockierte mich. Ich hatte selbst auch keine besonders glückliche Kindheit, aus anderen Gründen, aber niemals war mir Gewalt begegnet. Wie behütet mein Leben verlaufen war! Und wie schrecklich ihres. Die Frage drängte aus mir heraus, ätzend, wie Magensäure die nach oben steigt.

„Hat er dich auch misshandelt? Vergewaltigt?"

Meine Stimme war brüchig, belegt, die Worte kamen mir albern vor, unangemessen. Aber die Frage war nun draußen, stand im Raum.

Alisha ließ ein lautes, zynisches Lachen erklingen und spuckte vom Balkon hinunter auf die Straße.

„Nein. Er hat mich nicht vergewaltigt. Ganz so degeneriert war er nicht. Er hatte ja seine Frau, um sich abzureagieren. Ich war nur lästig, Ballast, Dreck. Und so hat er mich auch behandelt. Meine Mutter sagt, dass es Momente gab, in denen er lieb zu mir sein konnte, als ich sehr klein war. Aber erinnern daran kann ich mich nicht. Vielleicht hat sie sich das auch eingeredet. Solange ich mich erinnern kann, hat mein Vater mir gezeigt, wie sehr er mich verachtet, wie sehr er mir für sein erbärmliches Leben die Schuld gibt."

„Und hat er dich auch geschlagen?"

„Als ich klein war, nicht. Es ging erst los, als ich ein Teenager wurde, so mit 12 etwa. Ich war sehr früh sehr widerspenstig. Wahrscheinlich hatte ich das von ihm. Würde passen. Aber das hat natürlich genau seine Ängste verstärkt. Noch eine Frau, die ihm Widerworte gibt, die ihn einschränkt, die ihm sein Leben zur Hölle machen möchte. Er hat mich ein paar Mal geschlagen und geprügelt, bis meine Mutter eingeschritten ist. Im Rückblick war es harmlos, verglichen mit dem, was sie abbekam. Sie drohte ihm dann mit der Polizei, wenn er mir weiter Gewalt antut. Das hat er verstanden."

Alisha lachte spöttisch und griff erneut nach ihrem Tabak. Ihr Blick folgte dem Polizeiboot, das just in diesem Moment langsam auf dem Main entlang fuhr. Während sie eine Zigarette drehte, redete sie weiter, ohne mich anzusehen.

„Er hat mich nie wieder geschlagen. Keine Polizei für ihn. Dafür hat er seine ganze Energie, seinen ganzen Hass auf meine Mutter abgelassen. Sie hat es doppelt und dreifach bezogen. Für sich hat sie nie die Polizei gerufen. Damals habe ich sie so sehr dafür verachtet. Heute weiß ich, so krank es auch ist, dass sie mich dadurch schützen wollte, indem sie alles einsteckt, es erträgt. Mein Vater hat mich ab dann einfach nur noch ignoriert, als ob ich tot sei. Hat nicht mehr mit mir geredet, sich nicht für mich interessiert. Wenn er mich ansprechen musste, hat er mich beleidigt, so richtig schön von Herzen. Hat mich als Dreck, Abfall, Schmutz bezeichnet. Als seinen größten Fehler. Ein Stück Scheisse aus seinem Arsch sei ihm mehr wert, als ich. Das hat er mir an meinem 14. Geburtstag gesagt, als ich unter Tränen darum bettelte, eine Katze haben zu dürfen."

Sie atmetet laut und tief ein, und seufzte dann.

„Weißt du, es klingt krank, aber manchmal wünschte ich mir, er hätte mich auch dann noch geschlagen, damit er wenigstens ein bisschen Interesse an mir zeigt."

Ich begann zu zittern, mir wurde richtig übel, glühender Hass durchströmte mich. Wie wenig hatte ich über Alisha gewusst, welchen Alptraum hatte sie durchleben müssen! Visionen ihres Vaters, dem ich mit einer Axt den Kopf spaltete, blitzten in mir auf. Würde ich in diesem Moment vor ihm stehen, ich wüsste nicht, wie ich reagieren würde.

Alisha sprach weiter.

„Natürlich bin ich als Kind nicht damit zurechtgekommen. Mit 12 hatte ich meinen ersten Vollrausch, mit Notaufnahme. Da war die Hölle los zuhause, das kannst du mir glauben. Mit 14 habe ich zum ersten Mal gekifft, mich geritzt, mit 15 Speed gezogen. Hab am Bahnhof abgehangen, Typen für Drogen einen runtergeholt. Ladendiebstähle, Prügeleien auf der Straße, in der Schule, immer wieder Polizei. Einmal wollte ein Dealer mich vergewaltigen, aber ich bin schon seit der 8. Klasse nie ohne Messer aus dem Haus. Er hat es sich schnell anders überlegt. Ein andermal wurde ich bei einer Razzia im Stadtpark verhaftet, mit 15, wegen Drogen. Einer der Polizisten hat mir angeboten, wenn ich ihm einen blase, lässt er mich gehen..."

Sie ließ den Satz unbeendet und rauchte stattdessen, während mein Kopf explodierte.

„Meine Eltern haben kapituliert. Jedesmal, wenn die Polizei mich nachhause brachte, wenn ein Brief von der Schule kam, oder die Scheisseltern von irgendwelchen verzogenen Gören vor der Tür standen, um rumzuheulen, was für ein schlechter Einfluss ich für alle bin, jedesmal bezog es meine Mutter für mich. Und um ehrlich zu sein, damals war es mir scheissegal, wie sehr sie wegen mir leiden musste. Als dann die Sache mit den Drogen und der Polizei eskaliert ist und ich kurz vor einer Jugendstrafe stand, haben sie mich weggeschafft. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Mein Vater hat sich seitdem nie wieder bei mir gemeldet, kein Anruf, kein Brief, keine verfickte emotionslose SMS zu meinem Geburtstag. Nichts. Meine Mutter hat mich noch ein paar Mal im Heim besucht, aber dann auch bald schon nicht mehr, weil ich ihr sehr deutlich gezeigt habe, was ich davon halte, wie sie mich behandeln. Ich verstehe heute, dass sie es auch tat, um sich selbst zu schützen, aber, na ja, was soll ich dazu sagen. Sie befreite sich von einer Last, von mir, und ließ mich alleine. Das habe ich verstanden. Seitdem habe ich jeden Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen, alles Offizielle ging über das Amt. Für mich sind sie tot. Geschichte."

Sie drückte ihre Zigarette aus und leerte ihr Glas. Ich schenkte ihr nach, sie trank es sofort wieder zur Hälfte aus.

„Und weißt du, die Ironie, dass sie mich ausgerechnet in ein katholisches Internat gesteckt haben, weil gerade das meiner Mutter so wichtig war, obwohl sie sich einen Scheiss für mich interessierte, aber mein Seelenheil musste ja gewahrt werden, das war wirklich noch eine doppelte Strafe. Die Geschichten von dort kennst du ja auch. Ok, immerhin gab es keine physische Gewalt mehr, dafür Disziplinierung, Erniedrigung und Bestrafung. Die christlichen Werte eben. Auch das habe ich meinen Eltern nicht vergeben. Es waren vier Jahre Hölle für mich. Aus denen du mich befreit hast. Das werde ich dir nie vergessen."

+++

Unsere Blicke trafen sich und zum ersten Mal hatte ich wirklich das Gefühl, Alisha verstanden zu haben. Ihre Vergangenheit, ihr Verhältnis zum Leben, zu Leiden und Schmerzen. Die hasserfüllten Gedanken an ihren Vater verflüchtigten sich, während ein überwältigendes Gefühl von Liebe und Respekt für sie mich erfüllte.

„Wirklich, du hast mich befreit, so fühlt es sich für mich an, und ich habe manchmal das Gefühl, dass du selbst gar nicht weißt, wie bedeutend das für mich ist. Und vor allem begegnest du mir mit Respekt, trotz all meiner Schäden und Macken. Das ist etwas, was ich noch nie in meinem Leben erfahren habe. Dafür kann ich dir gar nicht genug danken. Wirklich!"

Alisha schaute mich an, während mir die Röte ins Gesicht schoss. In der Tat kam es mir oft abstrakt vor, wie unsere Wege sich gekreuzt hatten und welche Rolle ich in Alishas Leben spielte. Ich war in allen Dingen sehr pragmatisch und so auch bei ihr, sie tat mir gut, auch wenn ich mich oft über sie wunderte. Aber der Gedanke, sie für die Dinge die sie tat zu verurteilen, lag mir fern. Dafür hatte ich sie zu sehr in mein Herz geschlossen.

Sie schaute mich immer noch an, und ich kannte den Blick. Er war eine Mischung aus Erschrecken und Gier, wie ein Reh das in den Scheinwerfer eines Autos starrt, aber nicht stehen bleiben kann. Oh Alisha, wie messed up konnte man sein... doch dann wiederum...

Ihre rechte Hand rutschte unter den Pullover und zwischen ihre Schenkel, ihr Atem wurde schwer. Ihr Blick ruhte weiterhin auf meinen Augen, während ihr Gesicht den Ausdruck ihrer Erregung annahm. Sie begann zu keuchen, während sie sich rieb, vor der Balustrade auf meinem Balkon im vierten Stock an der Uferpromenade. Mit brüchiger, vor Geilheit zitternder Stimme hauchte sie mir ein „Fick mich, bitte mich fick mich jetzt!" entgegen.

Und was soll ich sagen. Ich weiß nicht, ob es falsch, krank, destruktiv, pathologisch war, oder wie auch immer, aber ich stand auf, drehte Alisha um, drückte sie gegen das Geländer und zog ihr die Strumpfhose und ihr Höschen nach unten. Dann befreite ich meine schmerzende Erektion aus meiner Hose und drang in Alisha ein. Sie stöhnte vor Erregung und Lust und presste ihren Hintern fest gegen mein Becken. Mit der rechten Hand griff ich sie an ihren Haaren, zog sie fest zu mir, mit der anderen griff ich sie an der Hüfte und schob den Pullover nach oben.

Und so fickten wir, gierig und leidenschaftlich, gegen den Schmerz, gegen die Erinnerung, gegen die Dämonen der Vergangenheit.

Alisha hatte die Fäuste geballt, sie stöhnte und weinte gleichzeitig, Tränen liefen über ihr Gesicht. Immer heftiger wurden ihre Stöße gegen meinen Unterleib, immer fordernder. Sie begann zu wimmern und schließlich zu schreien:

„Ich hasse ihn! Ich hasse ihn!!"

Sie schrie den Hass auf ihren Vater in die nächtliche Stadt hinaus, in der sexuellen Katharsis mit der sie ihre eigene Vergebung suchte. Ich versuchte nicht darüber nachzudenken, was meine Rolle dabei war. Im Moment hatte ich nur eine Funktion, ihr das Gefühl zu vermitteln, zu leben, frei zu sein, geliebt zu werden.

Als Alisha ihren Orgasmus hatte, brach sie vor dem Geländer weinend zusammen, ihr Gesicht in den Händen vergraben. Sofort zog ich mir die Hose wieder hoch, setzte mich neben sie auf den Boden und nahm sie in den Arm.

Sie schluchzte und zitterte, Tränen und Rotz flossen in Strömen. Dann schaute sie mich an, mit verquollenen Augen und flüsterte: „Ich hasse ihn so sehr!"

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