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Anita und wir Episode 06.3

Geschichte Info
Lisa trifft die Familie.
3.7k Wörter
4.66
30.8k
3
Geschichte hat keine Tags

Teil 15 der 23 teiligen Serie

Aktualisiert 06/08/2023
Erstellt 12/12/2016
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Teil 4: Die Familie

Lisa

Natürlich hatten Frank und Laura mich vorgewarnt, dennoch war ich von dem Haus überwältigt, in dem sie — angeblich nur vorübergehend — wohnten. Musterhaus hin oder her, ich fühlte mich wie in einer anderen Welt.

Alles leuchtete, spiegelte, glitzerte. Mitten im Wohnzimmer drehte ich mich immer wieder um meine Achse, bis Frank mich irgendwann mit seinen starken Armen um meine Hüfte stoppte.

Und dann waren da auch noch seine Eltern. Ich wusste, dass er ihnen von mir erzählt hatte. Viel mehr als ich für angemessen gehalten hätte, und dennoch musterten sie mich zwar, dass ich mich wie ein Insekt unter dem Mikroskop fühlte, aber danach kamen sie, umarmten mich und küssten mich.

"Willkommen, Lisa", sagte Vanessa nach einem atemberaubenden Kuss auf den Mund. "Du bist ja noch hübscher als mein Sohn sagte."

"Danke schön", sagte ich und versuchte einen Knicks.

Sie runzelte die Stirn. "Da brauchst du noch Übung, Kleine. Wir sollten uns mal eine Stunde Zeit dafür gönnen, an deinen Bewegungen zu arbeiten."

Noch jemand, der mir Wahrheiten offen ins Gesicht sagte.

"Danke, Frau Schuppach." Sie musterte mich strafend. "Vanessa", korrigierte ich mich.

"Geht doch!", lachte sie. Dann drehte sie sich zu Frank. "Doktor Hellmund hat angerufen. Er würde sich heute Nachmittag eine Stunde Zeit nehmen."

"Kann er sich tatsächlich von seinem Golfspiel losreißen? Wie wäre es, wenn du mit Lisa hinfährst? Ich bin sicher, du willst sie sowieso in ein paar Klamottenläden zerren."

Sie blickte nachdenklich auf mein schlecht sitzendes Kleid, und ich fing unwillkürlich an, den Saum herunterzuziehen. "Wer ist Doktor Hellmund?"

"Ein plastischer Chirurg", sagte Frank. "Einer meiner Kunden. Ich hatte ihn gebeten sich mal deine ... äh ..."

"Euter?", fragte ich ihn. "Möpse? Titten? Melonen?"

"... wie-auch-immer anzusehen. Nur als erste Einschätzung."

Ich biss mir auf die Unterlippe. "Wenn du meinst ..."

"Und danach gehen wir einkaufen", sagte Vanessa.

Diesmal biss ich mir auf die Zunge. Ich wollte das nicht, ich wollte nicht von diesen Menschen so abhängig werden, wie ich das von meinen falschen Freunden gewesen war.

Aber nachdem mir Laura davon erzählt hatte — die ganze Fahrt zurück hatte sie auf mich eingeredet — wie sie sich selbst vor gerade mal etwas mehr als einer Woche gefühlt hatte, hatte ich mir geschworen, erst einmal nicht zu widersprechen, sondern alles über mich ergehen zu lassen. Die schöne Zeit würde — trotz allem, was Frank und Laura mir ständig versicherten — irgendwann vorbei sein.

* * *

Prof. Dr. Dr. Joh. F. Hellmund — laut seinem Praxisschild "Facharzt für Plastische und Wiederherstellungschirurgie" — war ein netter älterer Mann mit einem grauen Spitzbart und durchdringenden Augen.

"Guten Tag, Fräulein Freitag", sagte er. Er blickte mir zwar kurz in die Augen, doch dann sah ich, wie sein Blick über mein Gesicht huschte, über meinen Körper, die Hand, die er in seiner hielt, und über meine Beine. "Hmmm, hmmm", war alles, was er sagte, bevor er Vanessa die Hand schüttelte. "Frau Schuppach, schön sie mal kennenzulernen. Frank hat definitiv seine Wangenknochen von ihnen."

Ich sah wie sein Blick tiefer fiel. "Sie sollten, wenn mir die Bemerkung gestattet ist, lieber einen Büstenhalter tragen. Bindegewebe hat nur eine begrenzte Widerstandskraft und es wäre eine Schande, ihre schönen Brüste hängen zu sehen."

Noch jemand, der einem Wahrheiten ungefragt ins Gesicht sagte.

"Danke, Herr Doktor", meinte Vanessa etwas schnippisch. "Ich werde es mir überlegen."

"Kommen Sie mit."

Wir liefen hinter ihm her in einen großen Raum, der von einem riesigen alten Schreibtisch dominiert wurde. Ganz in Gedanken ließ ich meine Finger über das seidenglatte Holz wandern, während ich mich setzte. "Oh!", entschlüpfte mir.

"Ja, ja, Fräulein Freitag, der ist mein ganzer Stolz. Fast fünfhundert Jahre alt. Er hat einmal dem Herzog von Sachsen gehört. Und Frank hat ihn perfekt restauriert." Seine Finger imitierten mein Streicheln. Dann wandte er sich wieder an Vanessa. "Sagen sie es ja nicht ihrem Sohn, aber gute Schreiner sind heutzutage schwerer zu finden als gute Ärzte. Ich weiß, was ich ihm schulde."

Dann wandte er sich wieder an mich. Derselbe sezierende Blick. "Er hat mir am Telefon gesagt, was er denkt, dass Ihre Probleme sind. Sollen wir Frau Schuppach hinausschicken, während ich Sie untersuche?"

"Nein, nein, Vanessa kann ruhig dableiben." Ich blickte um Hilfe heischend zu ihr hinüber. "Mir die Hand halten, vielleicht."

"Aber klar doch, Kleine."

Ich konnte es in den Augen sehen. Schon wieder jemand, der mich wie eine jüngere Schwester, oder in Vanessas Augen, als die Tochter ansah, die sie nie gehabt hatte. Doch mit jedem Menschen, der mich so ansah, wurde es ein kleines bisschen leichter, es zu akzeptieren.

"Wenn Sie sich dann bitte hier hinsetzen und ihren Oberkörper freimachen würden?"

Er wies auf einen chromblitzenden Untersuchungsstuhl. Ich folgte seinen Anweisungen, öffnete die Knöpfe an meinem Kleid und legte den BH in Vanessas ausgestreckte Hand.

Von Vanessa kam ein leiser Laut der Überraschung.

Doktor Hellmund machte nur "Hmmm, hmmm", und begann, meine Brüste hin und her zu schieben. "Krakau?", fragte er unvermittelt.

"Ja", antwortete ich überrascht.

"Ich erkenne die Handschrift. Billig, schnell, und, entschuldigen Sie die Ausdrucksweise, echt Scheiße."

Ich lachte auf, und Vanessa auch. So ein Wort aus so einem distinguierten Mund.

"Sie können sich wieder anziehen", sagte er schon kurz darauf und wandte sich ab.

Vanessa hielt mir den BH so hin, dass ich hineinschlüpfen konnte. Ich war ziemlich sicher, dass ihre Finger auf meiner nackten Haut kein Zufall waren. Sie streichelte über meine Schultern, und dann sogar über meine Brüste, während sie mich lächelnd ansah. Nun ja, auch hier hatte mich Laura vorgewarnt, also kam es nicht überraschend.

Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, meinem Dank für ihre Hilfe durch einen Kuss auf ihren Mund Ausdruck zu verleihen.

Vanessa

Ich sah sie schon ihr Mündchen spitzen, doch dann überlegte sie es sich anders. Allerdings offensichtlich nur, weil noch jemand im Raum war. Ihr dankbares Lächeln sprach Bände.

Ich kannte sie erst seit ein paar Minuten, aber sie hatte schon mein Herz gewonnen. Nicht wie ein Welpe, den man hilflos auf der Straße findet. Obwohl dieses Lächeln alle Tasten meiner mütterlichen Instinkte drückte.

Nein, der Kuss, den sie mir zur Begrüßung gegeben hatte, war zwar verhalten, aber atemberaubend gewesen. Der Zwiespalt, in dem sie steckte, Mann und Frau in einem Körper, war für mich bisexuelle Schlampe ein pures Aphrodisiakum.

Und das Lächeln, mit dem sie mich musterte, ließ mich erzittern. Laura hatte sie garantiert haarklein über mich gebrieft. Es war nur fair, da Frank uns ja auch alles über Lisa erzählt hatte.

"Diese ... Brüste —" da war fast Ekel in seiner Stimme "— sind eine Schande für die ganze Gemeinschaft der Ärzte. Es tut mir wirklich leid, dass sie so lange damit leben mussten."

"Entschuldigung angenommen", sagte sie etwas spitz.

Ich drückte ihre Hand. Sie blickte mich an und zuckte die Schultern.

"Ich hatte in meiner Laufbahn natürlich schon einige Fälle wie Sie", fuhr er fort. Er lehnte sich in seinen Bürostuhl zurück und tippte mit seinen Zeigefingern gegen die Unterlippe. "Ihre Haut ist sehr gut, junges Fräulein, deswegen sehe ich kein Problem, die Dinger herauszunehmen und durch etwas Richtiges zu ersetzen."

Lisa verkrampfte sich.

"Sehen Sie, zu mir kommen keine Models, die sich die Nase korrigieren oder die Lippen aufblasen lassen wollen oder die für das nächste Shooting eine Körbchengröße mehr oder weniger brauchen. Zu mir kommen Männer und Frauen, die verzweifelt sind, für die ich manchmal — das mag jetzt arrogant klingen — die letzte Rettung bin. Deswegen bin ich auch direkter als solche Modeärzte." Er holte Luft. "Haben Sie schon versucht, sich umzubringen?"

Lisa gab ein leises Wimmern von sich, Tränen liefen ihr die Wange herunter.

Ich fand Blickkontakt mit ihm und hob zwei Finger.

"Das dachte ich mir. Sie sollten sich einen guten Psychotherapeuten suchen. Noch besser, eine Therapeutin. Hier." Er warf eine Visitenkarte auf den Tisch. "Sagen sie ihr, dass Johann Friedrich sie geschickt hätte und es ein Notfall wäre. Sie soll ihnen gleich nächste Woche einen Termin geben."

Er beugte sich nach vorne. "Reden Sie mit ihr, Fräulein Freitag. Sie kann Ihnen helfen. Und dann kommen Sie wieder zu mir, und ich gebe Ihnen ein Paar Brüste, auf das Sie stolz sein können."

"Kleinere?", sagte Lisa kleinlaut. "Bitte?"

"Natürlich!", gab er zurück. "Die hier sind zu groß für Ihren Brustkasten. Wir müssen allerdings vorsichtig sein, damit Ihre Haut mitspielt. Ich denke zwei Körbchengrößen kleiner sollte machbar sein. Und noch etwas: Sie hatten bisher noch keine Hormonbehandlung?"

Lisa schüttelte den Kopf.

"Stehen Sie doch bitte auf. Würde es Ihnen etwas ausmachen, das Kleid ganz abzulegen? Nur das Kleid. Danke. Ja, das dachte ich mir schon. Sie haben einen deutlich androgynen Körper. Männliche und weibliche Merkmale. Auch Ihre Hände sind sehr weiblich. Ich schicke Sie zu einem Ganzkörper-MRT, die sollen mal in Sie hineinschauen."

"Sie meinen", fragte ich, "Lisa ist tatsächlich ..."

"Ein Zwitter?", fragte Lisa ganz aufgeregt. Sie hatte sich halb in ihrem Stuhl aufgerichtet. "Ich bin schon eine Frau?"

Er hob die Augenbrauen. "Solche Fälle sind sehr selten. Es würde es Ihnen allerdings sehr viel leichter machen, wenn Sie irgendwann eine Geschlechtsumwandlung machen lassen wollen."

Sie ließ sich wieder zurückfallen. "Aber das ist doch viel zu teuer."

"Deswegen sollen Sie ja zuerst mit der Psychologin sprechen. Mit Ihrer Vorgeschichte kriegen Sie die Brustoperation sicher größtenteils von der Kasse bezahlt." Er grinste spitzbübisch. "Und um mir meinen Schreiner warmzuhalten, mache ich Ihnen für den Rest einen Freundschaftspreis."

Wir lachten, selbst Lisa schien glücklicher zu sein als noch ein paar Minuten zuvor.

Katharina

Vom ersten Moment an hasste ich die Transe, die sich zwischen mich und meine Eltern gedrängt hatte. Oma mochte noch so sehr auf mich einreden. Das. War. Nicht. Fair. Fäuste ballen, Fuß aufstampfen, Schmollmund, zumindest innerlich.

In der ersten Nacht, nachdem sie mir das erzählt hatte, lag ich in meinem viel zu großen Bett in meinem viel zu großen Zimmer und hätte mich lieber an Mama und Papa gekuschelt, statt einen eigenen Fünfzig-Zoll-Fernseher und einen eigenen Computer zu haben.

Ich bin nicht undankbar. Nein, wirklich nicht. Oma und Opa waren alles, was ich mir nur wünschen konnte, nachdem ich dreizehn Jahre ohne sie hatte auskommen müssen.

Bernd hatte sehr sachlich mit mir darüber diskutiert, welche Art von Computer ich brauchte. Er war strikt dagegen, unnötig Geld für "Spielereien" auszugeben. "Du brauchst keinen großen Bildschirm für Spiele und Filme. Das lassen wir über den Fernseher laufen. Achte lieber darauf, ob die Tastatur die richtige Größe für deine Hände hat."

So lief das die ganze Zeit. Er war ein Ebenbild von Papa. Derselbe strafende Blick, wenn ich mich mal wieder zu weit aus dem Fenster lehnte.

Doch er war nicht Papa, und er war strikt dagegen, dass ich die Nacht bei ihm und Vanessa im Bett verbrachte.

Also: Einsam in der Luxusvilla.

War ich ein undankbarer Teenager? Sicher. Aber die Ereignisse hatten mich echt überrollt. Ich hatte Oma fast mit Gewalt davon abbringen müssen, mir Markenjeans zu kaufen. Das hätte mein "Trash"-Image in der Klasse voll ruiniert.

Aber dann kam sie plötzlich damit an, Papa und Mama hätten im Urlaub ein Mädchen kennengelernt, nein eine junge Frau, die eigentlich ... und so weiter und so weiter. Und sie würden sie/ihn mit nach Hause bringen. In mein Reich! In meine Familie!

"Nein!", schrie ich. "Nein!" Ich rannte auf mein Zimmer, ohne weiter zuzuhören, warf mich auf mein Bett und schrie meinen ganzen Frust in mein Kopfkissen.

Dann kam Oma, setzte sich auf mein Bett, ignorierte meine Motzerei und erzählte ganz sachlich, was sie wusste. Erwachsenengespräch. Vanessa, nicht Oma.

Fünf Minuten später heulten wir gemeinsam. Doch dann lag ich wieder einsam in meinem Bett.

Okay. Ich hatte zu Vanessa gesagt, ich wollte versuchen, mich zu benehmen. Aber mit jedem Tag, der verging und jeder Nacht, die ich allein im Zimmer lag, malte ich mir immer mehr Methoden aus, wie ich der Transe ihren Schwanz abschneiden und an sie selbst verfüttern würde.

Die drei hatten sich für Samstagnachmittag angesagt. Ich weiß nicht wie katastrophal das gelaufen wäre, hätte ich mich nicht in Richtung Elfie ausgeklinkt. Sie war meine beste Freundin, lebte im selben Haus, bis zu jenem denkwürdigen Tag, da ich Arschloch seine Abreibung verpasst hatte, und wir ausgezogen waren. Erst in Franks kleine Bude und dann in das hier.

Also ließ ich mich von Bernd am Samstag kurz nach dem Mittagessen zu ihr fahren, und hatte vor, einen echten Mädchenabend mit ihr zu verbringen. Musik hören, über Jungs quatschen, doofe DVDs kucken, das volle Programm.

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie mich ausquetschte. Über Papa, über Arschloch — der so laut herumgeschrien hatte, dass inzwischen die ganze Nachbarschaft Mamas Vergangenheit diskutierte. Ich druckste herum, doch Elfie quengelte solange, bis alles anfing aus mir herauszusprudeln. Alles.

Erst als ich heulend an ihrer Schulter hing, wurde mir klar, was ich gerade getan hatte. Sie rückte von mir ab und blickte mich an, als käme ich von einem anderen Stern.

"Du darfst niemandem etwas davon erzählen", versuchte ich das Kind aus dem Brunnen zu holen. "Das hätte ich alles nicht erzählen sollen."

Sie runzelte die Stirn. "Das ist interessant", sagte sie. "Du hast jetzt wirklich einen eigenen Fernseher? Einen richtig großen? Dann müssen wir uns nächstes Mal bei dir treffen."

War ich ein Freak? War der neue Fernseher wichtiger als die sexuellen Eskapaden meiner neuen Verwandtschaft?

Es schien so zu sein. Viel später habe ich mal mit Anita darüber diskutiert. Kinder in meinem Alter — ja, trotz der sprießenden Brüste waren wir eigentlich immer noch Kinder — blenden das Thema Sex manchmal scheinbar ganz aus. Schon allein, weil Eltern darum auch einen weiten Bogen machen. Die meisten zumindest. Wahrscheinlich hat Elfie damals überhaupt nicht verstanden, wie brisant das alles war, was ich ihr erzählt hatte.

Wenigstens hoffte ich das, und wir konzentrierten uns für den Rest des Abends auf Popcorn und Chickflicks.

Später lag ich im Schlafsack auf der Luftmatratze neben ihrem Bett, grummelte meinen ganzen Frust in mich hinein, und beschloss, erwachsen zu werden.

Hört sich gut an, gelle? Auch wieder aus der Klugheit des fortschreitenden Alters beschrieben. Ich beschloss aber, der Neuen eine Chance zu geben und scheißfreundlich zu ihr zu sein. Der Zorn von Mama und Papa wäre wohl andernfalls nicht zu ertragen. Und, wer weiß, vielleicht war sie ja nicht sooo schrecklich.

Am nächsten Morgen holte Bernd mich ab, setzte mich vor dem Haus ab und fuhr das Auto in die Garage. Ich hätte erwartet, entweder Mama, Papa und die Neue vorzufinden, oder keinen von ihnen. Stattdessen sah ich eine einzelne Gestalt in einem Kleid auf dem Sofa liegen, die einen Reader — Mamas, der Farbe nach zu urteilen — in der Hand hielt.

Ich schlich mich näher und warf einen Blick auf sie. Wenn man wusste, dass "sie" eigentlich ein Kerl war, dann konnte man es schon sehen. Sie war ziemlich knochig gebaut, fast dünner als ich. Andererseits hatte sie Haare auf dem Kopf, die einfach traumhaft waren.

Ich lugte über ihre Schulter, und dann stöhnte ich auf, als ich erkannte, was sie am Lesen war.

Sie schoss hoch, hätte mich beinahe umgerannt. Sie blickte mich panikerfüllt an wie eine Gazelle im Naturfernsehen, wenn sie den Löwen sieht.

"Hallo", sagte ich, und versuchte so viel Wärme wie nur ging, in das Wort hineinzulegen. "Ich bin Kathi. Du musst Lisa sein."

"Ich ... äh ..." Immer noch Gazelle. Jetzt suchte sie panisch nach einem Fluchtweg.

Ich warf mich auf das Sofa. "Sag bitte nicht, dass du auch 'Das Burgfräulein' für den Gipfel deutscher Literatur hältst wie Mama."

"Ich ... äh ..." Etwas entspannter, nun, da ich keine direkte Bedrohung mehr darstellte. "Nicht wirklich. Es ist ... äh ..."

"Erregend? Aufheizend? Erektierend? Ich kann das ja nicht wissen, ich bin ja noch ein kleines Kind." Schmollmund von mir, erleichtertes Auflachen von ihr.

Sie streckte die Hand aus. Ich griff danach und schüttelte sie.

"Ja", sagte sie, und setzte sich auch auf das Sofa, die Beine geschlossen, das Kleid vorsichtig glattgestrichen. "Ich bin Lisa, die 'Neue', die 'Transe', die dir 'deine Eltern wegnehmen' will."

"Oh shit! Habe ich das wirklich alles gesagt?"

"Laut Vanessa nicht nur einmal."

"Okay", sagte ich, "ich entschuldige mich offiziell. Im Notfall auch nochmal in Anwesenheit des versammelten Elterngerichts."

Sie lächelte sehr seltsam. "Nicht ganz so hastig. Laura hat gemeint, man könne mit dir —" sie malte Gänsefüßchen in die Luft "— 'fast wie mit einem Erwachsenen' reden."

Ich schoss hoch, holte Luft ... und ließ mich wieder aufs Sofa fallen. "Q. E. D.", murmelte ich.

"Was?"

"Was zu beweisen war." Sie hatte immer noch dieses Lächeln drauf. "Wusstest du etwa, dass ich so reagieren würde?"

Sie holte doch glatt einen Zettel aus einer Tasche ihres Kleides und las vor. "Sie wird aufspringen und tief Luft holen. Wenn sie sich dann wieder setzt, ohne dich anzuschreien, hast du schon fast gewonnen."

Die letzte Hälfte des Satzes war fast unverständlich, weil sie nur noch gluckste. Ich versuchte mich zu beherrschen, doch dann begann ich zu kichern. Mama kannte mich wirklich viel zu gut.

Ich atmete Bauch. Ein. Aus. Such deine Mitte. "Okay. Ich höre zu."

"Also wie unter Erwachsenen üblich, möchte ich dir sagen, wie deine ... äh ..."

"Beleidigungen", soufflierte ich ihr.

"... Aussagen bei mir angekommen sind.

Also A: Die Neue. Ja, bin ich. Das war Frank vor drei Wochen, und er hat Laura vor einer Woche geheiratet. Wer weiß, wer in einem Monat der, die oder das Neue ist?

B: Transe. Ja, bin ich auch. Es ist ein Schimpfwort, aber eins, das ich mir in meinem Leben tausendmal habe anhören müssen. Das macht es nicht besser, auch wenn es die Wahrheit ist."

In dem Moment sah sie aus, als wollte sie anfangen zu heulen. Ich wusste erst nicht, was ich machen sollte. Doch dann griff ich in meine Hosentasche und zog eine Packung Taschentücher heraus. "Willst du?"

"Ja, danke", schniefte sie. Dann putzte sie lautstark die Nase.

"C: Dass ich dir deine Eltern wegnehmen wollte", fuhr sie fort. "Das hat mich getroffen. Ich ... äh ..."

O Gott, jetzt heulte sie wirklich. Sollte ich? Nein. Doch. Ich konnte einfach nicht anders. Ich streckte meine Arme aus und umarmte sie.

"Danke", schniefte sie. "Ich könnte nie ... ich habe doch nie ..."

Sie hatte ihre Eltern nie gekannt; ich hatte Mama immer gehabt und ich hatte mit dem Arschloch abgerechnet, das sie geschwängert hatte. "Das war unfair von mir", sagte ich, auch schon fast am Heulen. "Mama und ich ... und Papa ..."

Ich schnappte mir eines von den Taschentüchern und trompetete auch hinein.

Sie lächelte ein kleines bisschen. "Wenn hier einer eifersüchtig sein sollte", sagte sie leise, "dann bin ich das."

Sie richtete sich auf. "Sollte ich bei dir jemals den Eindruck erwecken, ich wollte mich zwischen euch drängen, dann darfst du mir einen deiner Takoschis-irgendwas verpassen."

Ich setzte mich wieder zurück. "'Kuchiki-taoshi'", korrigierte ich sie. "'Den morschen Baum fällen.'"

Sie kicherte. "Hast du das mit ... äh ... dem Kerl gemacht?"

Ich nickte. "Wenn du willst, trainieren wir ein bisschen zusammen. Wir passen größenmäßig gut."

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