Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Charlston

Geschichte Info
Mein bester Freund ist schwul?
5.3k Wörter
4.38
106.3k
8

Teil 1 der 15 teiligen Serie

Aktualisiert 09/04/2022
Erstellt 09/18/2008
Teile diese Geschichte

Schriftgröße

Standardschriftgröße

Schriftabstand

Standard-Schriftabstand

Schriftart Gesicht

Standardschriftfläche

Thema lesen

Standardthema (Weiß)
Du brauchst Login oder Anmelden um Ihre Anpassung in Ihrem Literotica-Profil zu speichern.
ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

Schon als ich vor sechs Monaten Charleston begegnete fühlte ich diesen Stich in der Magengegend. Ein beißendes Gefühl, das tief eine Wunde schlägt und blitzartig verschwindet. Damals wie jetzt wusste ich nicht was es bedeutete. Nur, dass ich es seit diesem Tag jedes Mal fühlte.

Charleston ist mein Mitbewohner. Mir gehört diese Wohnung im Herzen New Yorks und mein Name ist Daniel. Ich bin 21 und studiere seit letztem Jahr Kunstgeschichte an der NYU. Ich kann es nicht verheimlichen, den im Grunde ist es der Grund, dass ich Charleston überhaupt kennen lernte. Meine Familie war vor 10 Jahren nach Amerika ausgewandert und durch einige Zufälle hier schnell zu Geld gekommen. Im letzten Jahr entschieden sich meine Eltern wieder für ein geregeltes Leben abseits des L.A.schen Stresses im Schwarzwald. Ich wollte auf alle Fälle in Amerika bleiben, um Kunstgeschichte zu studieren. Ich zog aus dem warmen L.A. ins kalte und unfreundlich New York. Meine Eltern kauften mir ein Apartment, das viel zu viel Platz bot mit einem amazing overwiev über die Stadt.

Da war ich nun, allein im Land der unbegrenzten Möglichkeiten im Herzen einer Stadt, die so voller Menschen und Geschichte, doch trotzdem alleine. Mein Kontakt zu meinen Freunden in L.A. Schlief schon nach wenigen Wochen ein. Von dem Mädchen, das mir ewige treue Geschworen hatte kamen nur noch einzeilige E-Mails und bald gar keine Antwort mehr. So verbrachte ich den warmen und erdrückenden Sommer meines ersten Jahres in NY alleine irgendwo zwischen Zoo und dem alten Mann auf der Parkbank im Central Park. Die Gesellschaft dieses alten Kauzes zog ich jeder anderen in dieser Stadt der Sünde vor. Er war ehrlich und wir sprachen eine Menge über alles mögliche. Eines Tages kam er nicht mehr und tauchte auch nicht wieder auf. Ich weiß nicht, was passiert ist, und wenn ich ehrlich bin möchte ich das auch gar nicht.

Es war mittlerweile Herbst geworden, November. Thanks Giving stand vor der Türe und ging so schnell, wie es gekommen war. Von meinen Eltern bekam ich einen riesigen Check geschenkt. Aus irgend einem Grund, wollte ich das Geld lieber sparen. Weihnachtsgeschenke waren schnell gekauft, hatte ich doch niemandem, dem ich etwas schenken konnte. Als ich aus diesem kleinen Laden in der 5th Avenue kam sah ich an einem Laternenpfahl meine Rettung prangen: Wanted: Room mate!

Das war die Idee, wie ich aus meinem langweiligen und menschenleeren Leben etwas machen konnte. Wie ich nicht das Weihnachtsfest alleine verbringen musste. Bis zu diesem waren es noch drei Wochen, genug Zeit für mich. Ich hing in der Uni einen Haushang aus, auf welchem ich nach einem Mitbewohner suchte. Es meldeten sich fast einhundert Bewerber. Da ich aber von vornherein einen männlichen Mitbewohner haben wollte, fiel mehr als die Hälfte weg. Ich wollte niemanden, der eine Familie in der Nähe hatte und begrenzte so die Auswahl auf ein knappes Duzend.

Ich hatte die erste Hälfte bereits am Tag zuvor abgearbeitet und niemanden als richtig befunden. Entweder hatten wir nichts gemein oder sie waren einfach nicht auf meiner Wellenlänge. Am zweiten Tag der Vorstellungsgespräche traf ich den wohl möglich richtigen Mann für mein freies Zimmer. Wir verstanden uns super und ich hatte ein absolut einwandfreies Gefühl bei der Sache. Da ich aber von Natur aus ein sehr offener Mensch bin, der jedem eine Chance geben will, sagte ich ihm nicht sofort zu. Was im Nachhinein mein Glück war. Der Vorletzte Kandidat traf um 18 Uhr ein. Gleich als ich die Tür öffnete wusste ich es. Ein Mann, blonde Haare, einen Kopf größer als ich und die blausten Augen der Welt, stand mir gegenüber. Wir gingen ins Irish Inn, ein kleiner Wannabe-irish-Club um die Ecke, um ein Bier zu trinken.

Charleston ist 23 Jahre alt, kommt ursprünglich aus London und seine Eltern wohnen in Washington, wo sein Vater eine Kanzlei betreibt und seine Mutter für eine Abgeordnete im Kongress Laufburschin spielt. Sie sind Workaholics und er hatte sie das letzte Mal vor einem Jahr besucht. Zu der Zeit, so deutete er jedoch nur an, gab es wohl einen Streit wegen irgendetwas, das er getan hatte. Jedenfalls wollte sein Vater wohl keinen Kontakt mehr zu ihm. Mir gefiel, wie er sprach und wie er mit seinen Händen redete, um Dinge deutlich zu machen. In Gedanken schaute ich auf die Uhr und musste sogleich noch einmal hinsehen -- es war mittlerweile halb 12. Wir saßen seit 5 ½ Stunden im Irish Inn und ich hatte nicht bemerkt, wie die Zeit verging.

„Charleston, es tut mir Leid. Aber ich muss gehen.", verkündete ich. Ich warf ein paar Dollars auf den Tisch und erhob mich.

„Was ist denn los?", fragte er.

„Ich hatte noch eine Verabredung. Hoffentlich ist er noch da. Ich melde mich bei dir."

Schon hatte ich das Irish verlassen und hetzte zu meiner Wohnung. Leider war niemand da. Auf dem Anrufbeantworter blinkte einer Nachricht. Ich drückte den Knopf: „Hey Daniel, it's Michael. I'm sorry to cancel our meeting this late. But I've already found a new place. Bye!"

Dann hatte ich wenigstens nichts verpasst. Im selben Augenblick hätte ich mir selbst in den Hintern treten können. Charleston saß wahrscheinlich total verwirrt im Irish und ich hatte ihn stehen lassen. Sogleich beschloss ich zurückzugehen, um zu schauen, ob er noch immer dort war. Ich riss die Türe auf und lief direkt in eine Brust hinein. Charleston stand vor meiner Tür und wollte gerade wohl klopfen.

„Was machst du denn hier?", rief ich wohl ein wenig zu überschwänglich, den ich erntete einen erstaunten Blick.

„Bist du immer so aufbrausend? Ich hatte meine Jacke bei dir liegen lassen. Ich hatte gehofft dich noch einzutreffen. Ich hole sie schnell, dann kannst du weiter."

Ich schaute zu Charleston auf und fragte, bevor ich es selbst registrieren konnte: „Wann kannst du einziehen?"

Drei Tage später hatten wir all seine Klamotten verstaut und er war eingezogen. Wir einigten uns darauf, dass wir jeden Monat eine bestimmte Summe in einen Pott legten, den wir dann zusammen für Essen und alle anderen Sachen ausgaben. Den Strom übernahmen eh meine Eltern und Miete gab es nicht. Charleston sagte einmal zu mir, dass er mit mir einen absoluten Glücksgriff gelandet hatte.

Wir verbrachten Weihnachten zusammen und lebten uns gut ein. Mittlerweile ist es Mai und wir sind die besten Freunde geworden. Mit anderen New Yorkern haben wir nicht viel zu Tun. Wenn er nicht gerade für sein Sportstudium im dritten Jahr trainierte gab er älteren Damen Yoga-Unterricht. Er passte Äußerlich absolut in das Bild eines High School Sportstars mit seinen breiten Schultern und den engen Shirts. Er war aber weder eingebildet, noch in irgend einer Art zu mir unfreundlich. Mal abgesehen von Dauerfernsehen und Marathonumschalten war mein Interesse im sportlichen Bereich eher darin gewurzelt anderen bei der Ausübung zuzusehen. Ebenso erging es ihm mit seiner Liebe zur Kunst. Er verstand Bilder nicht und fand sie entweder schön oder nicht. So kamen wir uns nicht in die Quere und keiner fühlte sich vom anderen in seiner Privatsphäre angegriffen.

Jedenfalls hatte ich jetzt wieder diesen Stich. Doch er war fester, langanhaltender. Schnürte meinen Magen fest und zog sich in mein Herz herauf. Charleston saß auf der Wohnzimmercouch einen Haufen Fotos vor und einen Berg Schnipsel neben ihm. Er war wohl früher aus Maine zurück, denn alle zwei Wochen fuhr er aus irgend einem Grund nach Maine. Wenn er zurück kam sah er immer viel fröhlicher aus und wirkte unternehmungslustiger. Doch dieser dort sitzende, in den Couchkissen versunkene, eindeutig traurige Charleston war mir ein Dorn im Auge. Irgendetwas war passiert, das merkte ich sofort. Dafür sprach jedoch auch die laute Musik, welche aus dem Fernseher schallte. Ich ließ die Tür ins Schloss fallen, so leise ich konnte. Er hatte mich eh nicht bemerkt. Ich hörte ihn zwischen den leiser werdenden Endklängen des Songs reden.

„ ... Arschloch. Ich bin doch nicht sein Idiot. Ich kann ja nichts dafür. Es waren meine Gefühle und ich hab doch versucht alles richtig zu machen. ... Scheiße."

Ein weiteres Foto musste daran glauben.

„Da bin ich ehrlich, öffne meine Herz, weil ich weiß, dass es so nicht geht und da ... dieser Arsch!"

Ganz offensichtlich hatte er wohl mit irgendjemandem Streit gehabt. Aber ich war mehr von diesem neuen Anblick eines vor Traurigkeit wütenden und verzweifelten Charleston geschockt, dass ich keinen Ton sagte. Zumal, ich hätte eh nicht gewusst, was ich ihm hätte antworten sollen. Und im Grunde stand mir das auch nicht zu. Er hatte mich ja nie in seine Absichten nach Maine zu fahren eingeweiht. Also war es ganz sicher nicht mein Recht irgendetwas zu sagen. Doch es zerriss mir das Herz, als ich merkte, dass er mich ausschloss. In Teilen seines Lebens war ich absolut außen vor. Ich wusste nicht, warum seine Eltern keinen Kontakt wünschten, warum er nach Maine fuhr. Es tat mir weh, wohl nicht einen so großen Part seines Lebens auszumachen, wie er ihn für mich ausmacht.

Sein Handy klingelte, sofort ging er dran.

„Martha, was rufst du erst jetzt zurück? Ich hab dir etwa eine Millionen Nachrichten hinterlassen ... oh Flughafen ... tut mir Leid, das habe ich ganz vergessen."

Stille, Martha sagte wohl irgendetwas. Wieder eine Sache, die ich nicht von ihm weiß: Wer ist Martha?.

„Was passiert ist? Wir haben uns getroffen, wie immer. Martha, das ist so peinlich. Ich hab's wieder nicht geschafft. Er war so sauer ... Ja, da hab ich ihm die Wahrheit gesagt ... Woher soll ich wissen, dass er so reagiert? ... Warum ich es ihm gesagt habe? Hast du nicht zugehört? Ich hab ihn nicht hoch bekommen! Verstehst du was das heißt? ... Komm, sei ehrlich. Er hatte alles Recht der Welt so zu reagieren. Sein Freund liebt einen anderen?"

Mein Gehirn stand auf taub. Es war wie betäubt. Mein bester Freund steht auf Männer? Er hat gar einen Freund? In Maine? Was bin ich nur für ein blinder Ochse! Wie konnte ich das übersehen? Wenn ich heute daran zurückdenke, sehe ich, dass es keine Anzeichen gab, aber es machte mich wahnsinnig. Ich bildete mir ein, mein Mitbewohner ist mein Freund und wir teilen alles. Doch in Wahrheit wusste er so vieles über mich und ich nichts über ihn.

„Martha, wie kann ich ihm das sagen? Er weiß nicht einmal, dass ich mich nicht für Mädchen interessiere! Ich werde es ihm ganz bestimmt nicht sagen! Er ist mein bester Freund!"

„Was mir nicht sagen?", ich konnte es nicht mehr aushalten. Charleston wirbelte kinoreif herum, ein Blick des Entsetzens auf dem Gesicht.

„Oh mein ... wie lange stehst du da schon?", das Telefongespräch völlig vergessen starrte er mich an.

„Eine Weile.", antwortete ich ruhiger, als ich mich je gefühlt habe. Diese Ruhe muss er wohl falsch aufgenommen haben, als sich seine Überraschung in Zorn verwandelte.

„Kannst du mir nicht einmal den Respektraum geben, den ich dir ständig einräume? Wie kannst du es wagen mich zu belauschen und dann auch noch so unfreundlich und hinterhältig zu schauen?"

„Ich dich belauschen? Die Nachbarn vier Blocks weiter haben die Musikrichtung noch nicht ganz erraten können, aber die Leitungen im seismologischen Institut laufen heiß, weil der Bass ganze Autos zum Wackeln bringt!"

„Ach, jetzt passt dir auch meine Musik nicht mehr? Scheiße Daniel!" Er schaltete sie aus.

Ich ging auf ihn zu. Mit geöffneten Armen, um zu zeigen, dass ich nicht im geringsten sauer war. Sein Handy lag auf der Couch, wer immer Martha auch war, sie konnte alles mithören. Aber das war mir absolut egal. Ich wollte nur, dass das Missverständnis zu einem Ende kommt, dass mein bester Freund mich als solchen ansieht. Dass mein bester Freund keine Geheimnisse mehr vor mir hat, wie ich keine vor ihm habe. Und genau das sagte ich ihm.

„...Wenn du glaubst, ich hätte ein Problem damit, dass du schwul bist, dann tut es mir für dich absolut Leid! Du bist mein bester Freund! Wie kommst du nur auf eine solche Idee?"

Ich stand vor ihm und sah, dass sein gesamter Zorn sich in Reue verwandelt hatte. In seinen Augen glitzerte der Anflug von Tränen. Ich schaute in seine absolut blauen, tiefen Augen.

„Martha wartet." sagte ich nur und wand mich ab. Ich ließ mich auf den Sessel nieder und schaute zu ihm auf. Langsam griff er zu dem Handy.

„Bist du noch dran? ... Ja, es tut mir aufrichtig ... Ich weiß es nicht. Melde dich, wenn du in Frankreich bist." Charleston legte auf.

Er ließ sich wieder auf der Couch nieder.

„Daniel, ich hätte nicht so reagieren dürfen. Du meinst es immer nur gut mit mir und ich bin auch noch sauer auf dich. Es tut mir Leid."

„Warum tut es dir Leid? Irgend so ein Arsch hat dein Herz gebrochen, obwohl du aufrichtig zu ihm warst. Obwohl du wusstest, dass du einen anderen mehr magst als ihn, hast du dich für ihn entschieden. Und anstatt das zu honorieren und dir durch die schwierige Zeit zu helfen, die du sicher nun durchmachst, setzt er dich vor die Tür. Ein solcher Mensch hat dich nicht verdient."

Ich stand auf und setzte mich neben ihn auf die Couch.

„Und wer zum Teufel ist Martha?"

Charleston schaute mich nicht an, sein Blick war auf das Handy in seinen Händen gerichtet.

„Martha war meine Freundin. Sie ist der einzige Halt und die einzige Konstante seit fast 10 Jahren in meinem Leben. Ihr erzähle ich alles."

„Okey", meine Stimme drückte aufrichtige Traurigkeit aus. Es war wohl wirklich so, dass ich ihm alles erzählte und er mir so wenig wie möglich, „Warum habe ich die Gute Seele noch nicht kennen gelernt?"

„Es tut mir Leid, Daniel. Ich bin ein Idiot. Ich mache immer alles kaputt, weil ich .. weil ich versuche zu verbergen wer ich bin. Unterbrich mich jetzt nicht, bitte. Lass mich das einfach erzählen. Martha war meine Freundin. Wir kennen uns seit ich 13 war und mit 16 waren wir dann ein Paar. Meine Eltern waren von ihr absolut begeistert. Mit ihr hatte ich meinen ersten Sex und mit ihr wurde mir klar, dass ich anders bin. Dass ich nichts für sie empfand, als Freundschaft. Sie war einfach verständnisvoll. Vorletztes Weihnachten habe ich meinen Eltern erzählt, dass Martha und ich nicht heiraten würden. Ja, wir hatten uns verlobt mit 20. Weißt du, wir waren schon 5 Jahre zusammen, bis ich erkannte, was ich wirklich fühlte. Ich sagte ihnen auch, dass ich schwul bin und es nicht an Martha lag. Mein Vater setzte mich vor die Türe und strich mir alle Unterstützung. Meine Sportkameraden ekelten mich heraus und alle meine Freunde waren weg. Dann lernte ich Raphael kennen und wir wurden ein Paar. Und dann ... ", ihm stockte der Atem, als müsse er allen Mut zusammennehmen um das kommende zu erklären, „ habe ich jemand anderen kennen gelernt. Wir verstehen uns super gut. Aber ich will ihm nichts erzählen, weil ich angst habe, er könnte mich wegschicken, wie meine Freunde. Ich entschied mich dafür, alles so zu lassen, wie es war. Ich liebe Raphael, ich liebe ihn sehr. Aber ich liebte ihn wohl nicht genug. Immer wenn ich mit ihm zusammen war, dachte ich an den anderen. Irgendwann wurde es so schlimm, dass wir nicht mehr .. dass ich nicht mehr konnte. Verstehst du? Ich hab ihn nicht mehr ... scheiße. Ich kann das nicht sagen."

„Ich weiß was du sagen willst."

„Und heute hab ich ihm alles gebeichtet. Er hat meine Sachen genommen und alles auf die Straße geworfen."

Charleston schwieg. Ich schaute ihn an, noch immer seinen Blick auf die Hände gerichtet, die das Handy umklammerten, wie einen Griff, der das Abrutschen in eine Dunkelheit ohne Wiederkehr verhinderte.

„Du hast .. Charleston es ... ich weiß nicht was ich sagen soll. Aber ich verstehe das. Ich verzeihe dir, dass du nicht ehrlich warst. Ich dachte du besuchst in Maine immer irgendein Mädchen. Da lag ich wohl nicht ganz daneben.", ich lächelte ihn an und nahm ihn in meine Arme. Wir umarmten uns lange und meine Hand strich über seinen Rücken. Ich fühlte, wie er schwer einatmete. Ich fühlte, wie er weinte, wie er stillen Tränen in meine Schulter weinte.

„Ich danke dir. Daniel, ich hab das nicht verdient. Du bist immer so lieb zu mir. Und ich bin so ein Arsch.", flüsterte er mir in mein Ohr.

„Nein, Raphael ist ein Arsch, dass er dich einfach gehen lässt. Einen so guten Fang wie dich."

Ich fühlte seine Hand meinen Rücken herauf wandern und auf meinen Hinterkopf legen. Er löste sich von meiner Schulter und wir sahen uns in die Augen. So dicht an seinem Gesicht war ich noch nie gewesen und als seine Lippen sich zu einem Kuss in meine Richtung beugten, schloss ich die Augen, um das Gefühl seiner Lippen auf den meinigen zu genießen.

Als sie sich das erste Mal berührten brannte ein Feuer in ihnen aus. Es war ein solcher Schock für mich, dass ich Charleston von mir stieß.

„Was machst du?", rief ich aufgebracht, völlig verwirrt. Sofort sprang Charleston auf, rannte zum Fenster.

„Scheiße Daniel. Ich dachte ... Ich kann das nicht. Ich kann nicht hier wohnen bleiben.", er rannte in sein Schlafzimmer und schmiss die Tür ins Schloss.

Ich blieb einfach nur sitzen. Mein Blick ins Leere gerichtet, schwirrten meine Gedanken durch meinen Kopf. Der Kopf, der soeben noch von Charlestons Hand gehalten wurde. Der Kopf, dessen Lippen soeben von seinen berührt wurden.

Ich vermisste seine Nähe und seine Hände an meinem Rücken. Wieso nur ist das passiert? Bin ich etwa die Person? Das kann nicht sein. Ich bin nicht so liebenswürdig. Ich kann es nicht sein, ich kann nicht der Grund sein, dass Charleston seinem Freund gesagt hat, dass er einen anderen liebt. Ich bin nicht die Person.

Warum aber hat er mich dann geküsst? War es nur die Hitze des Augenblicks? Warum hat er dann zuvor seine Hand auf meinen Kopf gelegt? Warum habe ich sie nicht weggestoßen? Warum schloss ich die Augen, als ich den Kuss kommen sah? War ich vielleicht doch die Person? Und war der Stich mehr, als nur ein Stich der Freundschaft? War er das Zeichen, dass ich ihn möchte? Ich muss ihn mögen, ich ließ ihn mich küssen.

Langsam wurde mir all zu deutlich was passiert war. Mein bester und einziger Freund mochte mich. Mochte mich mehr, als Freunde es tun. Er hat mir alles erzählt. Seine Komplimente, was für ein toller Freund ich sei. Und ich habe es genossen. Habe Komplimente erwidert. Ich hatte keine missverständlichen Dinge geäußert. Ich meinte alles so, wie ich es sagte und tat, auch wenn ich es selbst noch nicht wusste. Und noch bevor ich wusste was ich dieses Mal tat stand ich vor seiner Türe und klopfte an.

„Charlston, kann ich reinkommen? Bitte mach die Tür auf.", drinnen hörte ich wie Dinge durch die Gegend geräumt wurden.

„Was willst du noch? Ich ziehe gleich morgen Früh aus. Hau ab. Ich will dich nicht sehen oder sprechen. Daniel, es tut mir Leid. Aber bitte geh weg.", ich hörte, dass er weinte. Ich hörte, wie sein Herz litt und das ließ mein Herz bluten.

„Und wenn ich nicht will, dass du gehst?"

„Wie kannst du das nicht wollen? Ich habe dich belogen, dir nicht die Wahrheit gesagt und dich ausgenutzt, nur um mir selbst etwas zu geben, von dem ich wusste, dass ich es nicht bekommen würde."

„Du hast mich nicht belogen. Du hast mich auch nicht ausgenutzt. Charleston, mach die verdammte Tür auf oder ich trete sie ein! Ich rede nicht durch Wände mit dir. Ich will dich ansehen."

Im nächsten Moment riss die Türe auf und ich sah in ein solch vor Trauer und Scham verletztes Gesicht, dass mein Herz einen Schlag aussetzte. Warum hatte ich ihn nur zurückgestoßen?

„Danke", ich drängte mich ins Zimmer. Wie lang hatte ich da gesessen und nachgedacht? Er hatte Kartons aus irgendeinem Winkel geholt und längst begonnen sein Zeug einzuräumen. Das machte mich wütend.

„Wo willst du denn hin? Wenn mich nicht alles irrt, kennst du hier genauso viele Leute wie ich -- einen. Und das bin ich."

Er begann weiter Dinge einzupacken.

„Ist mir egal. In ein Hotel. Möglichst weit weg von hier. Das muss ja nicht das Ende sein, aber ich brauche Abstand. Ich muss erst einmal wieder einen klaren Gedanken fassen können."

„Ich raube dir den Atmen, ich raube dir deine Unterkunft, ich raube dir deine klaren Gedanken. Ich komme mir vor wie ein Dieb und Betrüger. Wieso sollte das das Ende sein? Ich will nicht, dass es das Ende ist. Es kann ein Anfang sein. Ein neuer, ganz von Vorne.", mit jedem Wort kam ich einen Schritt näher, ich packte seinen Arm und drehte ihn zu mir hin. Seine Augen in meinen Augen, mein Gesicht so dicht an seinem wie zuvor. Er baute sich vor mich auf, größer und stärker als ich. Mein Herz raste, als müsse es den ausgesetzten Schlag um das Tausendfache wiedergutmachen.

12