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Cora Teil 02

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„Also", begann er mit resigniertem Unterton in der Stimme, als er sich neben ihr niederließ, „morgen, sehr früh - so gegen vier muss ich aufstehen - muss ich für einen Tag nach Hannover. Dort habe ich ein Seminar zu leiten und ich werde erst sehr spät am Abend wieder hier sein."

„Oh nein, kannst du das nicht verschieben? Ich kann im Moment nicht für mich allein bleiben. Bitte, bitte, versuche doch einen anderen Termin für dein saublödes Seminar zu nehmen." Sie blickte ihn aus ihren großen Augen bettelnd an.

Ihre Naivität verleitete Josh zu einem Grinsen. „Cora! Du weißt genau, dass das nicht geht. Ich möchte dich aber, auch unter den Umständen, dass du im Moment nicht gut drauf bist, hier nicht allein lassen. Hast du keine Freundin, bei der du heute Nacht bleiben kannst? Ich fahre dich dorthin und hole dich morgen Abend wieder ab."

Sie schien kurz zu überlegen, stand dann auf -- immer noch allein mit dem Handtuch bekleidet --, um zu telefonieren. Unterdessen zog er sich mit frischer Wäsche, ein paar Jeans und einem Pullover, an. Als er ins Wohnzimmer zurückkam, telefonierte sie immer noch.

„Erika, es ist doch nur für heute Nacht. Ich weiß sonst nicht, wohin. Bei Josh kann ich nicht bleiben, er ist morgen lange unterwegs. Ich kann im Augenblick auch nicht gut allein sein." Nach einer Weile hörte er noch: „Danke, du bist ein Schatz. Bis gleich. Ja, ja, ich weiß, wo das ist."

Sie legte auf und drehte sich um und wollte an ihm vorbei ins Schlafzimmer gehen und sich anziehen. Josh sah ihr an, dass sie ziemlich aufgeregt war -- die Erregung stand ihr ins Gesicht geschrieben - und hielt sie im Vorbeigehen fest, umfing sie mit beiden Armen und drückte sie fest an seine Brust.

Sie roch natürlich und unverfälscht nach Frau. Das Haar duftete frisch und knisterte, als es mit seinem Pullover in Kontakt kam.

„Nimm es mir nicht Übel, aber ich hätte morgen den ganzen Tag keine ruhige Minute, wenn ich wüsste, dass du hier den ganzen Tag allein herumhängst und vor dich hin grübelst. Du bist aus verständlichen Gründen im Moment ziemlich von der Rolle. Außerdem habe ich wohl berechtigte Sorge, anzunehmen, dass du, wenn du hier allein bist, weiter- und weitertrinkst."

Er drückte sie von sich weg, um ihr in die Augen zu sehen. „Glaube mir, es ist besser so. Bei deiner Freundin bist du im Augenblick besser aufgehoben, und ich kann beruhigt das Seminar abhalten. Ich werde dich so schnell ich kann, morgen Abend wieder abholen. Bist du damit einverstanden?"

Wortlos schaute sie ihn aus ihren unergründlichen Augen eine Weile an -- oder durch ihn hindurch, das wusste er nicht genau zu sagen, löste sich aus seinen Armen und ging, ihm eine Antwort schuldig bleibend, ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen.

„Wo lebt eigentlich deine Freundin?" rief er durch den Flur. „Du weißt, dass ich mich hier auf dem Lande nicht besonders gut auskenne. Außerdem komme ich hier nur wenig herum; Habe ja auch keine Zeit dazu."

„In Haarde, ungefähr zehn Kilometer von hier. Ich bin schon lange nicht mehr da gewesen aber den Weg werde ich schon wieder finden", schallte es aus dem Schlafzimmer zurück.

Sie kehrte zu ihm zurück, auf dem Weg ihre Hosenbeine glatt streichend, indem sie mit den Hüften wackelnd, den Stoff mit den Fingerspitzen abwärts zog.

„Hast du eine Bürste für mich?" Cora nahm die große Klammer aus ihrem Haar, schüttelte es mit zurückgeworfenem Kopf und beugte sich nach vorne, ja, klappte fast zusammen wie ein Taschenmesser, um ihre Haarpracht nach vorn fallen zu lassen. Mit einer plötzlichen Bewegung richtete sie sich wieder auf und warf das Haar hinter sich. Josh bewunderte ihre Gelenkigkeit und Anmut.

„Hast du nun, oder nicht." Sie sah ihn herausfordernd und mit blitzenden Augen an. „Natürlich, einen Moment, ich hole sie dir" und ging ins Bad, um die Rundbürste, die er selbst benutzte, zu holen.

Sie bürstete ihr Haar mit vorgebeugtem Oberkörper und seitlich gewandtem Kopf so kräftig, dass er glaubte, sie risse sich ganze Haarbüschel aus oder Teile der Kopfhaut ab.

„Guck nicht so entgeistert", meinte sie, ihn mit seitlichem Blick anlächelnd, „das mache ich immer so. Und eine Glatze habe ich ja wohl nicht, wie du siehst."

„Ist schon okay." Mit einer beschwichtigenden Geste machte er sich auf den Weg in den Flur, um die Schuhe anzuziehen.

Als er ins Zimmer zurückkam, sah er Cora wieder trinken.

„Meinst du nicht, dass du für heute genug hast?" Langsam wurde er sauer. „Hör mit der Trinkerei auf. Was soll denn deine Freundin von dir denken, wenn du betrunken dort auftauchst?"

„Lass mal gut sein, Erika und ich kennen uns seit mehr als zwanzig Jahren. Sie weiß, wie ich bin", und trank, ohne sich das Geringste um seine zum Ausdruck gebrachte Besorgnis zu kümmern, die Bierdose leer und stellte sie entschlossen auf dem Tisch ab. „Bist du nun soweit? Können wir fahren?"

Resigniert hob Josh die Schultern; Cora etwas vorzuschreiben, schien absolut aussichtslos. Ihre Dickköpfigkeit in Dingen, die ihre eigenen Entscheidungen betraf, sollte er noch zur Genüge erfahren. Sie schulterte ihren Rucksack und sie verließen das Haus.

-2-

Während der Fahrt nach Haarde plapperte Cora unaufhörlich von ihren Kindern -- Josh erfuhr, dass der Sohn Roland und die Tochter Andrea hießen und sie 14 beziehungsweise 12 Jahre alt waren -, ihrem Leben mit der Familie, den Problemen, die sie als von ihrem Mann pro Forma eingesetzte Geschäftsführerin in dem von IHM aber geleiteten Dekorationsgeschäft hatte, den Schulden, auf denen sie nach dem Konkurs der Firma sitzen geblieben war, immerhin fast 200.000,-€, und für die sie persönlich haftete und zum Offenbarungseid getrieben hatte und über Gott und die Welt.

Unterbrochen wurde der Redeschwall nur dann, wenn sie sich orientieren musste, um Josh die richtige Richtung zu zeigen oder sie, aufgewühlt von dem Erzählten, schluchzte oder seufzte und sich zwischendurch die Nase putzen und die Tränen abwischen musste. Manchmal schien sie sich gar nicht so sicher zu sein, den richtigen Weg zu erkennen und er hatte mehr als einmal das Gefühl, dass er Umwege fuhr. Josh begann, sich langsam Sorgen darüber zu machen, dass er den Weg zurück nach Hause allein nicht mehr finden würde. Im Moment konnte er sich aber nicht darum kümmern.

Seine Empfindungen gegenüber Cora waren noch zwiespältig. Es gelang ihm nicht, ein klar strukturiertes Bild von ihr zu gewinnen. Einerseits machte sie den Eindruck von totaler Hilflosigkeit, gepaart mit einer gewissen Naivität; andererseits demonstrierte sie Stärke und Entschlossenheit, zumindest ihm gegenüber. Sie werde es allen schon zeigen, meinte sie mehr als einmal, während sie unterwegs waren.

„Ich habe bisher immer alles geschafft, was ich schaffen wollte und mir vorgenommen habe", sagte sie, wobei er aber glaubte, eine gewisse Resignation in ihrer Stimme bemerken zu können. „Da vorne ist es", und wies auf die hell erleuchtete Fassade einer Gaststätte. „ZUM JAN" stand in Leuchtbuchstaben über der Tür.

Josh fand einen Parkplatz ganz in der Nähe der Kneipe; zum Glück, denn es hatte urplötzlich begonnen, heftig zu regnen.

Cora rannte zielstrebig auf den erhellten Eingang zu und er holte sie, bevor sie die schwere Holztür öffnen konnte, ein, hielt sie am Handgelenk fest und riss sie fast zu sich herum.

„Hör mal", sagte er, leicht angesäuert. „Du willst doch wohl hier nicht rein, oder? Hast du für heute nicht schon genug getrunken? Wenn du dich hier also weiter volllaufen lassen willst, kannst du es allein machen. Ich geh da jedenfalls nicht mit dir rein; im Gegenteil, ich werde umkehren und nach Hause fahren und du kannst sehen, wo du bleibst."

„Hey. Mach mal halblang. Erika ist mit ihrem Lebensgefährten da drin. Sie wohnt gleich um die Ecke und sie ist oft hier; ihre Stammkneipe, sozusagen." Damit entwand sie sich seinem Griff und giftete ihn an: „Wenn du ein Problem damit hast, verschwinde besser. Ich komm schon alleine klar."

„Also gut. Versprich mir bitte, dass du da drinnen nicht weitertrinkst, oder nur einen Kaffee oder eine Cola. Ich möchte mich nicht schämen müssen mit dir."

„Pah", stieß sie hervor, ihn mit einem nachdenklichen Blick musternd, wandte sich von ihm ab, öffnete entschlossen die Tür und er folgte ihr, der Dinge harrend, die nachfolgen würden.

Josh war schon lange nicht mehr in einer Kneipe gewesen, es war nie sein Ding, sich an den Tresen zu stellen, sich ein paar Biere oder Schnäpse einzuwerfen und dem Gelabere der Mittrinker zuzuhören.

Um so überraschter war er, dass sofort eine gewisse Gemütlichkeit spürbar wurde, als sie den Schankraum betraten. Alles Mobiliar um sie herum schien alt, wirklich alt zu sein. Im Zusammenspiel mit dem Holzboden und der niedrigen, verräucherten Decke, die von unbehauenen Holzbalken getragen wurde, entstand eine gedämpfte Atmosphäre und die Stimmen der Gäste klangen, als wären sie durch Watte geleitet. Hierher verirrten sich bestimmt keine Touristen, sondern nur Einheimische und Stammgäste.

Cora ging, nachdem sie sich kurz an das fahle Licht gewöhnt hatte, zielstrebig auf den Stammtisch zu, an dem ein Pärchen saß.

Die Frau, etwas untersetzt, mittelblond, mit freundlichem Gesicht, in dem Lachfältchen die blitzenden Augen umgaben, saß vor einer großen Tasse Kaffee, die rechte Hand neben sich herunterhängend, einen struppigen Mischlingshund streichelnd, der neben ihr auf dem Boden lag und schlief.

Der Mann, stämmig -- man sah ihm sofort an, dass er harte Arbeit nicht scheute -, mit kurzen, dunklen Haaren und einem goldenen Ring im linken Ohrläppchen hatte vor sich einen großen, dampfenden Teller eines Gerichtes stehen. Es sah sehr deftig aus, was Josh darauf entdeckte. Zwei große, dicke Scheiben Schweinefleisch, umgeben von Rotkohl und Kartoffeln lachten ihn an. Eine dicke Soße deckte Fleisch und Beilage fast zu.

Indem ihm der herzhafte Duft in die Nase stieg, wurde er daran erinnert, dass er seit dem Morgen nicht mehr gegessen hatte. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, als das Hungergefühl in sich hochsteigen fühlte.

„Hallo, Cora, lange nicht mehr gesehen. Du meldest dich auch immer nur bei mir, wenn du Probleme hast, was?" Damit stand sie auf, lachte und umarmte Cora und strich ihr tröstend über den Rücken. „Du hättest das Schwein (gemeint war Coras Mann) schon viel früher verlassen müssen, schon 95, Kinder hin oder her. Aber du bist ja, im Gegensatz zu mir, eine Übermutter."

Die beiden Frauen lösten sich voneinander und Erika stellte Cora den Mann vor, indem sie mit einer ausladenden Handbewegung auf ihn wies: „Das ist Paul. Wir leben seit fast einem Jahr zusammen. Er ist der ruhende Pol in meinem Leben. Na ja, cholerisch, wie ich manchmal bin, wundert es mich hin und wieder, dass er es überhaupt so lange mit mir aushält."

Paul erhob sich, wischte sich die Hände an der Hose, nicht ohne Erika einen spöttisch- missbilligenden Blick zuzuwerfen und gab Cora die Hand. „Erika hat schon erzählt, was mit dir los ist", sagte er, sie freundlich anlächelnd. „Komm, setz dich. Was möchtest du trinken?"

Erst jetzt schien man Josh bemerkt zu haben. Erika musterte ihn von oben bis unten, keine Mine verziehend.

„Du musst Josh sein. Nach dem, was Cora mir von dir alles erzählt hat, sollte man meinen, ihr würdet euch schon lange kennen", und reichte ihm die Hand. „Ich bin die Erika, setz dich zu uns."

Paul und Josh begrüßten sich mit einem Kopfnicken. Sie waren sich auf den ersten Blick sympathisch.

„Du siehst aus, als hättest du Hunger", sagte er, und, ohne eine Reaktion seinerseits abzuwarten, drehte er sich zum Tresen um, hinter dem eine ältliche, runde Frau stand und Gläser spülte. „Henriette, der junge Mann hier möchte deine Kochkünste auch einmal genießen."

Besagte Henriette wackelte auf sie zu, putzte sich die Hände an der Schürze ab und fragte mit einer nicht zu ihrem Körper zu passen scheinenden, tiefen und dunklen Stimme: „Na, mein Junge, was soll's denn sein. Große Auswahl habe ich nicht, aber alles ist selbst gekocht."

„Na, wenn ich die Hälfte vom dem Gleichen, was Paul hat, bekommen würde, wäre ich glücklich und zufrieden."

„Prima, davon habe ich noch gerade, was da", grinste und verschwand hinter dem Tresen in die Küche.

Unterdessen waren Cora und Erika in einem Zwiegespräch versunken, sodass Josh, bis das Essen kam, nichts anderes übrig blieb, als sich mit Paul zu unterhalten. Er war jedoch ein aufmerksamer Gesprächspartner, ohne sich aber beim Essen im Geringsten stören zu lassen. Wie Josh erfuhr, war er Küchenchef in einem Restaurant und hatte im Schnitt 140 Menüs pro Abend mit seiner Mannschaft auf die Beine zu stellen.

„Und, warum isst du dann hier?" fragte Josh spöttisch.

„Wirst du schon sehen. Bei Henriette schmeckt es wie bei Muttern. Glaub mir, so gut und preiswert wie hier hast du lange nicht mehr gegessen. Alles mit Liebe gemacht", sagte er zu ihm hochblickend, zwinkerte Josh zu und stopfte sich genüsslich ein großes Stück Braten in den Mund.

Als Josh's Essen kam, langte er mit großem Appetit zu -- er hatte wirklich Hunger -- und stellte augenblicklich fest, dass Paul nicht zu viel versprochen hatte. Er fühlte mich in die Zeit zurückversetzt, als seine Oma noch lebte und er als Kind gerne an ihrem Tisch saß. Mit einem befriedigten Seufzer schob er sich schließlich die letzte Gabel Kartoffel mit Soße in den Mund, lehnte sich zurück und wischte mit der Serviette das Fett und Essensreste von den Lippen.

„Klasse, das hat ausgezeichnet geschmeckt", grunzte Josh zufrieden. „Jetzt könnte ich glatt ein Bier vertragen."

„Dann bestell mir bitte auch eines", vernahm ich Cora, „nur ein Einziges, ja?" Während sie dies sagte, legte sie eine Hand auf seinen Arm und schaute ihn bittend an.

Josh befand sich nach dem guten Mahl in einer gewissen Hochstimmung und rief Henriette, die inzwischen wieder hinter der Theke ihrer Arbeit nachging, die Bestellung zu. Das Bier kam denn auch prompt.

„Na, mein Junge," eine komische Anrede für jemanden wie ihn, wie er fand, gerade Anfang fünfzig, „hat's geschmeckt?" Und auf den leeren Teller hinabblickend fügte sie hinzu: „Den werde ich ja gar nicht spülen brauchen, so blank hast du ihn geputzt", lächelte ihn an, so, als würde sie sagen wollen: „Na, siehst du. Bei mir hat es noch jedem geschmeckt", und verschwand mit dem leeren Teller.

Bevor er Cora jedoch zuprosten konnte, hatte sie das Glas schon in einem Zuge geleert und setzte es, verbunden mit einem zufriedenen Seufzer, auf dem Tisch ab.

Sein Glas in halber Höhe vor den Mund haltend schaute Josh Cora entgeistert an, schüttelte den Kopf und sagte:

„Ich glaube, es war keine gute Idee, dir noch ein Bier zu bestellen. Du hast heute schon genug getrunken."

„Das glaube ich auch", vernahm ich Erikas energische Stimme. „Komm, ist genug jetzt. Wir fahren jetzt nach Hause", und stand auf, um sich eine dicke Jacke, die über der Stuhllehne hing, über die Schultern zu werfen. „Henriette, schreibst du es an? Wir kommen die Tage, um zu bezahlen."

„Ist schon gut, Mädchen. Kommt gut Heim."

Paul und Josh tranken ihr Bier rasch aus. Josh ging zur Theke um seine Rechnung zu bezahlen, während Erika, Cora und Paul schon nach draußen gingen, an die frische Luft. Als Josh schließlich aus der Tür heraustrat und sich den Jackenkragen hochschlug, hörte er eine erregte Diskussion zwischen Erika und Cora. Verstehen konnte er zwar so gut wie nichts, da er noch zu weit von den Dreien entfernt war, bemerkte aber sofort, dass Erika Cora wohl ins Gebet nahm.

Als Josh zu ihnen aufgeschlossen hatte, verstummten beide. Alle setzten sich wortlos in ihre Autos -- Erikas Wagen stand einige Parkbuchten vor Josh -- und fuhren nur knapp einhundert Meter weit und einmal um die Ecke vor das Haus der beiden.

Sie hielten vor einem großen Bau, Backsteingotik nannte man das wohl - glaube Josh zu erkennen -- und das dreigeschossige Haus neigte sich ihnen scheinbar entgegen. Erika schloss, nachdem sie ein paar Treppenstufen hochsteigen musste, die große und mit einer Bleiverglasung versehene, antike Haustür auf und sie traten in den Flur ein.

Ein Geruch von Moder schlug ihnen entgegen. Wahrscheinlich war der Keller mal über längere Zeit feucht gewesen - so schien es Josh fast. Wenn sich dann der Geruch einmal im Haus eingenistet hat, ist er nur sehr schwer wieder herauszubekommen.

In dem Flur herrschte ein bestimmtes, aber geordnetes Chaos. Unter der Treppe zur ersten Etage standen einige Fahrräder und Kartons. Indem sie die Treppen hochstiegen, die unter ihren Schritten vernehmlich knarrten -- Erika und Paul wohnten wohl irgendwo oben -, fand Josh auf allen Zwischenpodesten irgendwelche ausrangierten Kommoden oder Unterschränke von Küchen vor. Alles war alt, aber sauber. Der Flur hätte aber dringend einer Renovierung bedurft. Auf der dritten Etage angekommen, öffnete ihnen ein etwa sechzehn Jahre alter junger Mann die Tür, Erikas Sohn Thomas, wie Josh später erfuhr. Er war gekleidet wie viele Jugendliche heutzutage: Einer Jeans mit tiefhängendem Schritt, einem Sweatshirt mit der selbstleuchtenden Aufschrift „FUCK YOU", Turnschuhen und einer Baseball-Kappe, die verkehrt herum auf seinem Kopf saß. Als die Vier die Wohnung betraten, verschwand er gleich daraufhin durch eine Tür -- wohl in sein Zimmer. Josh bekam ihn jedenfalls nicht mehr zu Gesicht.

Erika führte sie in das Wohnzimmer und bat, nachdem sie ein paar Kleidungsstücke, die wahllos auf den Sesseln und der Couch herumlagen, aufgeklaubt hatte, Platz zu nehmen. Cora ließ sich in einen Sessel neben einem Beistelltisch fallen, sie schien erschöpft zu sein, hatte Josh das Gefühl. Er nahm ihr gegenüber, auf der Couch Platz.

„Möchtest du etwas trinken, Josh?" fragte Erika, neben ihm stehend und zu ihm herunter schauend.

„Danke nein. Ich muss morgen extrem früh aufstehen und bin von dem guten Essen und dem Bier entsprechend müde. Außerdem werde ich gleich fahren, um noch einiges für morgen vorzubereiten. Darüber hinaus habe ich kein Interesse, in eine Polizeikontrolle zu kommen und mir gegebenenfalls den Führerschein abnehmen zu lassen. Wenn ich Auto fahren muss, trinke ich normalerweise gar nicht. Trotzdem, danke für das Angebot." Und zu Cora gewandt ergänzte Josh: „Du hast ja auch genug für heute, oder?"

„Ja, ja. Mach' dich ruhig lustig über mich. Hau jetzt besser ab. Deine Arbeit ist dir ja anscheinend wichtiger als ich." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und senkte mit vorgeschobener, schmollend hervorgeschobener Unterlippe den Kopf.

Mit einem Seufzer erhob Josh sich und ging zu ihr hinüber, um ihr einen flüchtigen Abschiedskuss aufzudrücken. Als er sich zu ihr herunterbeugte, drehte sie den Kopf aber zur Seite und verschränkte die Arme noch fester vor sich, ganz so wie ein störrisches Kind. Er gab ihr den Kuss auf die Stirn. „Bis morgen Abend -- und bitte --, versuche ein bisschen zur Ruhe zu kommen. Ich werde so schnell wie möglich wieder hier sein."

Erika begleitete Josh zur Wohnungstür hinaus. Er drehte mich zu ihr und sagte leise: „Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll, dass du ein Auge auf Cora wirfst. Im Moment scheint sie mir an einem absoluten Tiefpunkt angekommen zu sein. Wenn sie bei mir allein zu Hause geblieben wäre, hätte ich große Sorge gehabt, dass sie irgendeinen Blödsinn verzapft. Danke noch mal." Josh umarmte sie, wie eine lang bekannte Freundin.

„Ich muss dir jetzt mal was sagen", drehte sich um und zog die Wohnungstür bis auf einen kleinen Spalt zu. „Fakt ist: Cora hat Probleme mit Alkohol. Wenn sie ihre Tour kriegt, ist sie nicht mehr zu stoppen. Ich weiß nicht, ob dir das bewusst ist. Im Moment ist sie wieder in einer solchen Phase und ich kann nur hoffen, dass heute Nacht und morgen alles gut geht. Ich muss morgen - wenn auch nur einen halben Tag --, wie jeden anderen Tag auch, arbeiten, dann ist sie mit den zwei Katzen und dem Hund allein im Haus. Wir werden sehen, wie es wird. Mach dir keine unnötigen Gedanken, wir tun unser Bestes. An deiner Stelle würde ich mir aber keine allzu großen Hoffnungen machen, dass Cora bei dir bleibt. Ich glaube, sie wird über kurz oder lang zu ihrer Familie zurückkehren, was sollte sie auch anderes machen. Aber fahr du jetzt erst mal nach Hause, wir sprechen dann morgen weiter."