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Das Drachenweib Teil 01

Geschichte Info
Der Anfang.
5.4k Wörter
4.46
79.6k
15
Geschichte hat keine Tags

Teil 1 der 7 teiligen Serie

Aktualisiert 06/19/2021
Erstellt 04/05/2008
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Gegen den Rat der Ältesten zogen Elderin und Selona -- meine Eltern -- in den Norden, dort wo das Land fruchtbarer und freier war. Niemand erhob Anspruch auf die grünen Täler um den Berg Nimboril -- niemand wollte dort wohnen.

Schon seit Hunderten von Jahren wurde dieses Gebiet gemieden, keiner wusste warum, aber alle hielten sich an das eherne Gesetz.

Alle, bis auf meine Eltern.

Sie hatten nichts zu verlieren, waren jung und verliebt. Elderin -- mein Vater -- strotzte vor Kraft und war geschickt in der Holzbearbeitung.

In wenigen Wochen, hatte er eine Hütte am Fuße des Nimboril gebaut. Selona -- meine Mutter -- sammelte Beeren, Früchte und Kräuter, von denen sie herrliche Speisen bereitete.

Sie hatten das Paradies auf Erden und lachten über die Angst der Ältesten. Im nächsten Jahr wollten sie einen Acker anlegen und einen kleinen Stall für ein paar Ziegen.

Gerade als der Herbst aus seinem kalten Versteck kroch, spürte meine Mutter, dass sie ein Kind unter ihrem Herzen trug. Voller Hoffnung freute sich das junge Paar auf den nächsten Frühling.

Sie würden an diesem herrlichen Ort eine Familie gründen und es würde ihnen an nichts mangeln.

Doch der Winter kam rasch und griff mit seinen kalten Fingern nach den Herzen des jungen Glücks.

Selona wurde krank.

Fiebrig und zitternd lag sie auf dem Nachtlager. Tagelang wachte mein Vater an ihrem Bett und beobachtete besorgt, wie es ihr jeden Tag schlechter ging.

Er heizte die kleine Hütte sorgfältig und achtete darauf, dass es immer wohlig warm war. Wie ein Berserker hackte er Holz in dem nahe gelegenen Wäldchen.

Er würde es sich nie verzeihen, wenn seine Frau sterben würde, weil sie es nicht warm genug hatte.

Wieder stand er an dem sanften Hang und schlug seine Axt in den Stamm einer Buche. Selona hatte an diesem Morgen mit geschlossenen Augen auf dem Nachtlager gelegen. Sie sprach seltsame Dinge und reagierte nicht mehr auf seine Worte. Auch aß sie nichts mehr. Er wusste, dass alles Holz der Erde nicht mehr helfen konnte -- sie würde sterben, wenn nicht bald ein Wunder geschehen würde.

Verzweifelt trieb er die Axt mit all seiner Kraft in das harte, kalte Holz.

Er schrie seine Verzweiflung und Wut bei jedem Hieb heraus, als wäre genau dieser Baum für das Unglück verantwortlich.

Es war früher Mittag, die Wintersonne stand flach über dem Land und die endlos weiße Landschaft lag vor ihm wie ein totes Meer.

Eben war es noch hell und klar -- das einzig Positive in diesem Unglück. Umso überraschter war Elderin, als die Sonne verschwand. Er stand in einem dunklen Schatten und spürte die Kälte in sich aufsteigen, als die wärmenden Sonnenstrahlen ausblieben.

"Was fällst du meine Bäume und warum schreist du so herum, Mensch?"

Elderin hörte die Worte in seinem Kopf dröhnen, die Stimme schien von überall zugleich zu kommen. Erschrocken drehte er sich um und fiel vor Schreck auf den Rücken. Verkrampft hielt er seine Axt fest, war jedoch unfähig, sie einzusetzen. Es wäre auch sinnlos gewesen gegen dieses gewaltige Wesen.- das wusste er.

Direkt hinter ihm hatte sich ein riesiger Drache niedergelassen. Er ruhte auf seinem Hinterteil, die Vorderbeine weit von sich gestreckt und die mächtigen Flügel auf dem Rücken zusammengelegt. Der gewaltige Kopf überragte selbst den höchsten Baum des Waldes.

Aus stechenden, klaren Augen blickte der Drache auf Elderin herab.

Die Schuppen des Drachen glänzten silbrig im Sonnenlicht, auf dem Rücken bildeten einige Reihen ein Farbenmuster, wie es Elderin schon bei Regenbogen gesehen hatte.

Ganz ruhig, aber wachsam, saß der Drache da und ergötzte sich an dem vor Angst gelähmten kleinen Menschen.

Doch Eldarins Verzweiflung schwand. Ruhig lag er da, spürte den Stiel seiner Axt neben sich und wartete geduldig auf den Tod.

Als der Drache sein riesiges Maul öffnete und Luft holte, schloss er die Augen und hoffte, es würde nicht allzu schmerzhaft sein.

Stattdessen hörte er wieder diese alles durchdringende Stimme:

„Ich habe dich etwas gefragt und erwarte eine Antwort."

Eldarin starrte den Drachen mit weit aufgerissenen Augen an. Er wusste nicht viel über Drachen, aber das wenige, was er wusste, berichtete nicht gerade von redseligen Wesen.

Vielmehr waren es alles vernichtende Monster, die ganze Landstriche mit Feuer und Gift überzogen. Ihm wäre es lieber gewesen zu sterben, als ein Wort über seine Lippen zu pressen. Die Furcht lähmte ihn wieder, der erlösende Tod entfernte sich noch einmal.

Er musste etwas sagen, es war ihm befohlen worden. Was hatte der Drache ihn gefragt? Eldarin hatte das Gefühl, bereits seit Tagen auf dem kalten Boden zu liegen. So undenkbar lange her erschien es ihm, als der Drache ihn überrascht hatte.

Kaum hörbar sprach Eldarin:

„Was soll ich euch sagen?"

Die Augen des Drachen funkelten, als würden jeden Moment Blitze herausschießen. Mit unglaublicher Geschwindigkeit sprang er auf alle Viere und senkte seinen Kopf zu Eldarin herab.

Die Stimme war diesmal ohrenbetäubend, jedes Wort dröhnte in Eldarin wie ein dumpfer Glockenschlag:

„Ich will wissen, warum du meine Wälder rodest und den Frieden meines Landes störst. Ist das zu viel verlangt? Mensch!"

Das Echo der Worte hallte mehrfach durch die Täler und an einem Hang des Berges Nimboril ging eine Lawine ab.

Eldarin hatte sich nie beklagt über sein Leben, er hatte sich allen Bedrohungen gestellt und versucht das Beste aus den Gegebenheiten zu machen. Aber dieser Herausforderung war er nicht gewachsen. Wimmernd kniete er vor dem beeindruckenden Wesen und bat um Gnade:

"Bitte Herr Drache, nehmt mein Leben, wenn es euch gereicht, aber verschont meine Frau und unser ungeborenes Kind. Ich sterbe gerne, wenn ich nur wüsste, dass sie dadurch weiterleben."

Er traute sich nicht, das Haupt zu heben, demütig drückte er sein Gesicht in den kalten Schnee.

Stille.

Der Drache setzte sich wieder, sprach aber nicht.

Im vollen Bewusstsein, dass es kein Entrinnen geben würde, sprach Eldarin einfach weiter:

„Meine Frau ist schwer krank. Ich kann sie nicht heilen, ich kann nur Holz hacken, um die Hütte zu wärmen. Aber alles Holz dieser Erde würde ich tauschen gegen Medizin, die meine Frau heilt."

Stille.

Eldarins Gesicht war mittlerweile taub vor Kälte. Er hörte sein Herz schlagen, das dieser Aufregung sicher nicht mehr lange standhalten würde.

Im fast sicheren Angesicht des Todes riss Eldarin seinen Oberkörper hoch und schrie den Drachen an: „Genug der Qual, ein Mensch hält das nicht auf Dauer aus. Töte mich endlich und ziehe weiter, es ist dein Land."

Der Drache war weg!

Eldarin kniete vor der Tür seiner Hütte und blickte sich verwundert um. Die unheimliche Stille der Winterlandschaft wurde durch Schritte in der Hütte gestört. Die Tür öffnete sich und Selona blickte neugierig lächelnd auf den verängstigten Eldarin.

Selona war gesund, der fiebrige Glanz war aus ihren Augen gewichen, sie strahlte fröhlich, ihr Lächeln ließ Eldarins Herz vor Glück tanzen.

Er sprang auf und fiel seiner Frau um den Hals, er glaubte seinen Augen nicht. Erst als er fühlte, dass sie nicht mehr glühte vor Fieber wusste er, dass es wieder Hoffnung gab.

Selona drückte ihren Mann sanft von sich weg:

„Drücke mich nicht zu fest, unser Kind könnte Schaden nehmen."

Eldarin war so glücklich wie noch nie zuvor.

Hatte er selbst vielleicht Fieber gehabt und sich alles nur eingebildet? Vorsichtig hielt er seinen größten Schatz in den Armen und wollte sie nie wieder loslassen.

Da hörten beide eine Stimme über das weite Land hallen:

„Wenn eure Tochter volljährig ist, bringt ihr sie mir als Opfer. Ihr seid jung und werdet noch viele weitere Kinder zeugen. Ihr bleibt in meinem Land und haltet andere Menschen fern von diesem Ort. Befolgt ihr diese Regeln, werdet ihr ein glückliches und langes Leben vor euch haben."

***

Im dritten Monat des nächsten Jahres gebar Selona eine gesunde Tochter. Das war ich, Schalina, die Erstgeborene.

Mein Vater legte Felder an und sie waren fruchtbarer als alle Felder, die er kannte.

Wie es der Drache prophezeit hatte, gebar meine Mutter noch sieben weitere Kinder.

Nach mir kamen die Zwillingsbuben Kiran und Kiras auf die Welt, darauf folgten Atascha und ein Jahr später Selma, meine ersten Schwestern.

In den nächsten zwei Jahren gebar meine Mutter keine Kinder, dann kamen Themron und Themberon, wieder Zwillingsbuben. Als letzte wurde Lemas geboren.

Sie war in der Entwicklung etwas zurückgeblieben, konnte sich aber über jeden Schmetterling freuen.

Wir alle liebten sie besonders.

Keiner von uns wurde je ernsthaft krank. Nie mangelte es uns an Essen oder Lebensfreude.

Nur manchmal legte sich ein Schatten auf die Herzen meiner Eltern. Sie hatten uns zwar erzählt, dass wir auf dem Land eines Drachen leben und er uns das Recht zu bleiben geschenkt hat, aber sie erwähnten nichts von dem Handel um mich.

Als ich 10 Jahre alt war, kümmerte ich mich um meine jüngeren Geschwister, als wären es meine Kinder.

Lemas konnte mit zwei Jahren immer noch nicht richtig laufen, obwohl ich jede freie Minute mit ihr übte. Immer und immer wieder nahm ich sie an der Hand und führte sie über die Wiese vor unserem Haus.

Manchmal stand meine Mutter neben der Hütte und beobachtete uns, dann liefen ihr immer ein paar Tränen über die Wangen. Ich versuchte sie zu trösten und beteuerte, dass Lemas es schon noch lernen würde. Ich konnte ja nicht ahnen, dass sie um mich weinte.

Mit zwölf Jahren begann sich mein Körper zu verändern. Und je mehr sich mein Körper dem weiblichen Vorbild meiner Mutter anglich, desto schweigsamer wurden meine Eltern. Meine jungen Geschwister machten sich lustig über mich, weil sie nicht verstanden, dass aus Kindern auch einmal Erwachsene werden -- ich verstand es ja auch nicht ganz.

Als ich 14 Jahre alt war, kamen auch Kiran und Kiras in die Reifezeit, sie lachten nun nicht mehr über mich und suchten ebenfalls ihre Freiräume.

***

Meine Eltern diskutierten immer öfter, nie hatte ich sie so streiten gesehen. Mit siebzehn belauschte ich sie mehr aus Zufall, als ich von einem Spaziergag zurückkam.

Sie saßen auf der Wiese und beobachteten, wie Lemas durch das hohe Gras stapfte.

"Schalina ist nun eine Frau, wir müssen den Handel durchführen", sagte mein Vater.

Die Stimme meiner Mutter bebte:

„Nein, sie ist noch ein Kind. Sie mag aussehen wie eine Frau, aber sie spielt noch Verstecken mit ihren Geschwistern und kuschelt sich noch an mich, wenn sie nicht schlafen kann."

Mein Vater pflichtete ihr schuldbewusst bei:

„Ich weiß das, aber ich möchte nicht den Zorn des Drachen heraufbeschwören. Wenn wir zu lange warten, verspielen wir die Gnade, die er uns gewährte."

„Woher willst du wissen, ob der Drache überhaupt noch da ist. Seit 17 Jahren hast du ihn nicht mehr gesehen. Vielleicht ist er längst in einem anderen Land. Wenn er Schalina will, soll er sie doch holen, aber dann muss er erst an mir vorbei."

Weinend fiel sie in die Arme meines Vaters, der sie zu trösten versuchte:

„Der Drache hat mein Leben verschont und dich vor dem sicheren Tod bewahrt. Er lässt uns hier leben und nie hat es uns an etwas gemangelt. Denk doch an unsere anderen Kinder, die er uns lässt. Vielleicht wird es Schalina nicht schlecht gehen, wenn sie bei ihm ist."

Sie lagen sich traurig in den Armen und waren sich sicher, dass der Drache mich nur wollte, um mich zu fressen. Was sollte ein Drache sonst mit einer Menschenfrau anstellen?

Lemas sah, dass die Eltern traurig waren und lief unbeholfen zu ihnen, um sie zu trösten. Mit ihren kleinen Ärmchen umfasste sie die verzweifelten Eltern.

Ich verstand nicht genau, um was es ging, aber ich wusste jetzt, dass ich dem Drachen versprochen war. Sie hatten den Drachen als großzügig beschrieben. Jedoch hatten sie auch die alten Geschichten erzählt, in denen Drachen wie Racheengel ganze Städte auslöschen, nur weil sie schlechte Laune hatten.

Ich war nun 17 Jahre alt, glich meiner Mutter mehr als meinen jüngeren Schwestern.

Wenn sie mich opferten, würde es den anderen gut gehen, aber was war mit mir? Würden sie ihre älteste Tochter hergeben, nur um die anderen zu schützen. Warum fragte keiner, was ich möchte? War es nicht mein Leben? Ich lag nachts oft wach und verdammte meine Eltern dafür, dass sie es mir nicht einfach sagten.

Oft überlegte ich, fortzulaufen, aber wenn die Geschichte stimmte, würde ich damit meine Familie dem Tode weihen.

Als ich 18 Jahre alt wurde, feierten wir ein Fest, es gab besondere Speisen und wir tanzten und sangen den ganzen Tag.

Keiner musste arbeiten und ich hatte das Gefühl, dass sich meine Eltern besondere Mühe gaben, mir einen schönen Tag zu bereiten.

Am späten Abend, als die Jüngeren schon schliefen, saß ich mit meinen Eltern noch vor dem Haus. Wir hatten ein Feuer entfacht, das die Kälte der Nacht fern hielt.

Kiras und Kiran stritten sich mit Atascha lauthals unten am Bach. Atascha war bereits 16 und wusste sich gut gegen ihre älteren Brüder durchzusetzen. Sie war ein richtiger Dickkopf und hätte es sicher geschafft, einen der beiden im Ringkampf zu besiegen. Aber da Kiras und Kiran immer zu zweit auftauchten, konnte sie die beiden nur mit ihrer kräftigen Stimme auf Distanz halten.

Meine Mutter begann mit ernster Stimme zu sprechen:

„Schalina, wir müssen dir etwas erzählen. Du hast die Geschichte des Drachen schon oft gehört, aber einen Teil haben wir noch nie berichtet. Wir möchten ihn dir nun erzählen."

Endlich weihten sie mich ein. Wütend polterte ich:

„Ich weiß, dass ihr mich dem Drachen zum Fraß vorwerfen wollt. Ich habe euch belauscht und gehört, dass ihr lieber mich opfert, als gegen das Vieh zu kämpfen."

"Du kannst nicht gegen einen Drachen kämpfen, nicht mal eine ganze Armee von Rittern würde solch ein Wesen besiegen können", verteidigte sich mein Vater.

„Ha! Das wäre ja gelacht, ihr seid nicht mehr alleine, Kiran und Kiras strotzen vor Kraft und Atascha ist sogar noch stärker. Wenn wir alle mit der Axt und Knüppeln auf ihn einschlagen, wird er schon aufgeben!"

Ich wollte einfach nicht wahrhaben, dass sich mein Vater vor einer Herausforderung drückte. Er war tapfer und treu, wie konnte er seine Tochter nur im Stich lassen?

Lange diskutierten wir, ich wusste, dass sie zu der Tat gezwungen wurden, ich wusste aber auch, dass ich dadurch meine Familie retten würde, es war ein Pakt mit dem Teufel. Ihn zu brechen, war einem Menschen nicht möglich.

Immer und immer wieder beteuerten meine Eltern, dass sie mich genau so liebten wie all ihre anderen Kinder. Wir weinten vor Trauer und Verzweiflung. Beharrlich versuchte ich, meinen Eltern das unentrinnbare Schicksal auszureden.

Aus Verzweiflung versprach mein Vater mir in den frühen Morgenstunden, dass der Drache mich nicht töten würde. Er wusste es nicht, aber er versprach es mir, damit ich Ruhe gab. Sonst hätte ich ihm das Herz gebrochen.

Als die Sonne aufging, saßen wir immer noch um die wärmende Glut. Meine Eltern standen auf und reichten mir die Hand.

Es fiel kein Wort mehr, ich ging zwischen meinen Eltern und wir liefen genau auf den Berg Nimboril zu.

***

Ein steiniger, kaum passierbarer Pfad führte steil durch die Felshänge. Überraschend schnell hatte sich die Sonne hoch an den Himmel gestellt, als wolle sie neugierig beobachten, was die drei Menschen auf dem Drachenfelsen zu suchen hatten.

Nach einem langen und wortlosen Aufstieg ohne Rast und ohne einen Blick zurückzuwerfen, erreichten wir am Nachmittag ein riesiges Plateau. Ein imposanter Höhleneingang führte in das Innere des Berges.

Meine Mutter schluchzte und auch ich kämpfte mit den Tränen. Sollte ich an diesem trostlosen Ort mein junges Leben aushauchen?

Wir gingen tiefer in die Höhle. Nach einem Knick des Stollens konnten die Sonnenstrahlen uns nicht mehr folgen. Wir stolperten durch die unheimliche Dunkelheit, bis es zu gefährlich wurde, noch einen Schritt weiter zu gehen.

Wir alle hatten Tränen in den Augen, der menschliche Verstand vermag die grausamen Befehle eines Drachen nicht zu verstehen. Oder konnte der Drache nicht verstehen, welch ein Opfer er forderte?

Jeder von uns hatte ähnliche Gedanken. Wir froren und warteten. Ratlosigkeit machte sich breit. Hoffnung keimte in mir, was wäre, wenn der Drache doch fortgezogen war und wir einfach wieder zurückgehen konnten. Zurück zu meinen Geschwistern und einfach so weiterleben wie bisher.

Mit jedem Augenblick freute ich mich mehr.

Hach, der Drache ist weg! Ich bin frei. Lachend fiel ich meiner Mutter um den Hals.

Die Sonne war bereits untergegangen und in der Höhle umhüllte uns Dunkelheit. Euphorisch lagen wir uns in den Armen und stolperten aus dem Höllenschlund.

War da ein Lufthauch?

Kühle, feuchte Luft wehte um unsere Köpfe. Dann sahen wir zwei leuchtende Augen, wie blaue Sterne näherte sich das Augenpaar aus der unendlichen Schwärze. Das Monster bewegte sich lautlos wie eine Maus durch die zerklüfteten Gänge.

Kurz vor uns bremste er mit einem weit ausholenden Flügelschlag ab. Der Windhauch riss uns fast um.

Mit einer ruckartigen Bewegung schleuderte er eine leuchtende Kugel aus seiner rechten Vorderklaue. Sie schwebte ruhig an die Höhlendecke und tauchte ihr ganzes Umfeld in ein warmes Licht.

Der Drache ging einige kleine Schritte vor und senkte seinen gewaltigen Kopf zu mir herunter. Seine Nüstern zuckten, als er an mir schnüffelte. Dann wandte er sich meinen Eltern zu:

„Ihr habt gut daran getan, meinem Rat zu folgen. Ich bin zufrieden mit euch und eurer Tochter."

Seine große Klaue umschloss mich wie ein Käfig. Behände drehte er seinen mächtigen Körper in der Höhle und begann mit den Flügeln zu schlagen.

Meine Mutter schrie aus lauter Verzweiflung um mich. Auch ich wollte schreien, war aber starr vor Angst, mein Leben war vorüber.

Die Schreie wurden rasch leiser, wieder umgab uns völlige Dunkelheit. Dem Drachen machte das fehlende Licht scheinbar gar nichts aus.

Ich spürte, wie er wendige Flugmanöver durchführte, um dem Höhlenverlauf zu folgen. Die kalte, feuchte Luft blies an mir vorbei, die Fluggeschwindigkeit musste größer sein, als ein Mensch je rennen konnte.

Minutenlang konnte ich nur hören und fühlen, nichts mehr sehen, als sich plötzlich unter mir ein gewaltiger Schacht auftat. Es musste einige hundert Meter nach unten gehen. Überall schwebten leuchtende Kugeln, die einen riesigen Höhlenraum erhellten.

Schnell sanken wir dem Grund des Schachtes entgegen.

Jetzt wo ich wieder sehen konnte, wäre es mir lieber gewesen, nicht zu wissen, was mit mir geschah.

Erst kurz vor dem Boden bremste der Drache den freien Fall ab und setzte sanft zur Landung an.

Direkt vor uns war ein Sims an der Felswand.

Der Drache setzte mich darauf ab und machte es sich vor dem Vorsprung gemütlich. Der Felsvorsprung war mit Stroh ausgelegt. An einer Ecke stand ein großes Becken mit Wasser, daneben lagen verschiedene Früchte -- manche davon hatte ich noch nie gesehen.

Ängstlich kauerte ich mich in eine kleine Nische auf dem Sims, zitternd vor Angst und Kälte.

Neugierig saß der Drache vor dem Sims und betrachtete mich. Wie ein Fisch in einem Eimer Wasser war ich gefangen.

Durch die erhöhte Position hatte ich einen guten Überblick über den beeindruckenden Grundriss des Schachtes. In einer Ecke lagen Berge von Goldmünzen, in einer anderen türmten sich prunkvolle Rüstungen auf und in der Mitte stapelten sich meterhohe Türme von Büchern. Überhaupt glich die Felsenhalle einem gigantischen Lager an Schätzen. Unmöglich, alles auf einmal zu überblicken.

Regungslos verharrte er Stunde um Stunde und blickte mich aus seinen riesigen blauen Augen an. Er konnte abwechselnd mit einem Auge blinzeln, sodass immer ein Auge offen war.

Aus meiner Todesangst war eine Furcht vor dem Ungewissen geworden, immer weiter kroch die Kälte in mir hoch.

Am Rande der Erschöpfung schüttelte sich mein ganzer Körper vor Kälte. Bleierne Müdigkeit lastete schon seit Stunden auf meinen Lidern, dennoch konnte ich nicht schlafen.

_Faith_
_Faith_
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