Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Das Lange Warten

Geschichte Info
"Komm rein."
6.8k Wörter
3.8
58k
2
0
Geschichte hat keine Tags
Teile diese Geschichte

Schriftgröße

Standardschriftgröße

Schriftabstand

Standard-Schriftabstand

Schriftart Gesicht

Standardschriftfläche

Thema lesen

Standardthema (Weiß)
Du brauchst Login oder Anmelden um Ihre Anpassung in Ihrem Literotica-Profil zu speichern.
ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

"Komm rein."

Karsten lächelte mich an und trat einen Schritt zurück, damit ich Platz hatte durch den schmalen Wohnungsflur an ihm vorbei ins Wohnzimmer zu gehen. Er schloß die Türe und kam hinterher. Ich drehte mich um und setzte erstmal wegen meiner Unsicherheit ein charmantes Lächeln auf. Karsten kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Ich hielt ihn einen Augenblick und genoß das Gefühl gedrückt zu werden.

"Gib' mir deine Jacke, ich hänge sie auf."

Ich zog sie aus und gab sie ihm. Er ging mit ihr hinaus und hängte sie hinter der halboffenen Wohnzimmertüre auf einen Bügel an den Kleiderhaken. Ich hatte Zeit mich ein wenig umzusehen und betrachtete seine Wohnung mit einem flüchtigen Blick. Ja, hier wohnte Karsten. So hatte ich es mir vorgestellt. Alte, schwere Möbel mit eleganten Verzierungen standen spärlich, aber gut plaziert an Wänden. Ein altes Sofa und ein dazugehöriger Ohrensessel standen an der Fensterseite zum Balkon, die mit Pflanzen üppig vollgestellt war. Die Bilder an den Wänden waren Gesichter, Kunstdrucke oder vergrößerte Fotografien. Sie waren farblich mit Rahmen und Passepartout abgestimmt und gaben dem Raum eine Atmosphäre von Gemütlichkeit und gleichzeitig auch einen Hauch von Exklusivität.

"Setz' dich doch! Ich habe einen Tee aufgebrüht. Möchtest du auch einen?"

"Ja, danke. Ich setze mich in den Ohrensessel, der sieht ja urgemütlich aus."

Er nickte grinsend: "Ja, das ist er auch."

Dann verschwand er in die Küche und ich hörte ihn hantieren. Ich machte es mir bequem und steckte mir eine Zigarette an. Lässig mit einem Bein übergeschlagen saß ich in dem riesigen Sessel, wie Lehrer Lempel mit seiner Pfeife. Er kam herein und stellte ein hübsches Porzellanservice auf den Tisch, goß Tee ein und setzte sich auf das Sofa.

"Milch? Zucker?"

Ich lehnte dankend ab.

"Tee trinke ich immer pur. Kaffee kann ich nicht ohne Milch und Zucker ertragen."

"Bist du denn eher Teerinker?"

"Nein, ich trinke selten Tee, aber manchmal tut eine Tasse ganz gut. Ich finde ihn gemütlicher, als Kaffee."

Er stimmte mir zu: "Ja, da hast du Recht. Außerdem könnte ich so spät keinen Kaffee mehr trinken, denn dann würde ich nicht schlafen können."

Ich winkte ab: "Och, damit habe ich kaum Probleme. Schlafen kann ich fast immer, egal wieviel Kaffee ich getrunken habe."

Das Gespräch verebbte. Eine peinliche Pause trat ein. Ich nutzte die Zeit um mir meine Teetasse zu nehmen und ein wenig mit dem Löffel darin herumzurühren. Ich blies vorsichtig die aromatischen Nebelschwaden vom Tee und nahm einen kleinen Schluck. Dann stellte ich die Tasse wieder ab und nahm meine Zigarette wieder aus dem Aschenbecher. Ich sah ihn an. Unsere Blicke trafen sich und es war, als erzähle er innerhalb von Sekunden eine Geschichte. Sein Blick fragte mich, warum ich gekommen sei und ich verschloß mein Gesicht, denn wenn ich so gut aus seinen Augen lesen konnte, dann konnte er es bestimmt auch. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel und dann sah er weg.

"Schneit es draußen noch?"

"Nein, es hat aufgehört. Man kann eigentlich jetzt wieder gut fahren. Die Scheedecke ist frisch und fest. Man sollte nur nicht so schnell um die Kurven fahren. Aber du glaubst nicht, wieviele Unfälle ich auf dem Weg zu dir gesehen habe."

"Wirklich? Die Leute fahren einfach nicht vorsichtig genug."

"Ja, die fahren nicht angepaßt."

Das Gespräch drohte wieder zu verebben. Ich schob schnell nach: "Und wie geht es dir so? Wir haben uns nun eine Woche nicht mehr gesehen oder gehört."

"Hmmm, ja, ich habe viel zu tun gehabt. du Weißt doch, das ich ständig unterwegs bin und kaum Zeit habe."

"Ja richtig, so geht es mir ja auch. Warst du denn mal aus seit letzter Woche?"

"Ja, aber nur kurz und das war nicht besonders toll. Ich war mit meiner Freundin in Café Stern und..."

"Mit Doris?"

"Ja, wieso? Kennst du sie?"

Er schlug sich vor den Kopf: "Ach ja, wir sind uns ja letztens begegnet."

"Ja, richtig nett ist sie. Hat sie denn immer noch soviel Streß mit Ihrer Freundin?"

"Hör' bloß auf", grinst er, "was ich mir da wieder anhören durfte. Karin hier, Karin da und immer Streß. Aber immer so Lappalien. Wer trägt den Müll raus, wer kocht, wer wäscht. Die haben anscheinend den ganzen lieben langen Tag nichts besseres zu tun, als ihr Leben in Frage zu stellen. Hoffentlich passiert mir das nicht auch noch."

Ich grinste zurück: "Bestell' ihr mal viele Grüße von mir... Aber vielleicht erinnert sie sich ja auch nicht mehr an mich."

"Doch, wir haben noch letztens über dich gesprochen."

Ich setzte mich auf und nahm die Teetasse wieder in die Hand. Nun brauchte ich etwas, um mich festzuhalten. Aber zuerst drückte ich meine Zigarette aus.

"Was habt ihr denn so über mich gesprochen?"

"Nur Gutes, Karl, nur Gutes!"

"Wer soll dir das glauben?"

Ich lächelte ihn wieder an und diesmal hielt ich seinem Blick stand. Wieder dieses fragende Flackern und ein Gedanke, den ich nicht entschlüsseln konnte. Ich lächelte einfach nur und dann blinzelte ich, wie aus Versehen, mit beide Augen und zog meine Mundwinkel noch höher.

"Karl, wenn du mich so durchdringend ansiehst, dann kann ich nicht lügen."

Er war kurzzeitig richtig verlegen. Ich wurde wieder ernst.

"Du, das ist mir egal, ob ihr über mich gelästert habt oder nicht."

"Wir haben nicht gelästert, sondern nur über deine Situation gesprochen."

"Und?"

"Nichts und! Wir fanden es lediglich sehr toll von dir, daß du so offen bist und so...", er suchte nach Worten, "... so nett, eben."

"Danke! Ich finde Euch ja auch nett, sonst wäre ich bestimmt nicht so aufdringlich."

"Du bist doch nicht aufdringlich!"

Er nahm einen großen Schluck aus seiner Tasse und verlor mich dabei nicht aus den Augen.

"Doch, so komme ich mir manchmal vor. Ich dringe einfach so in dein Leben ein und ...."

"Papperlapapp!"

Er beschwichtigte: "Du bist nicht aufdringlich. Ich finde dich halt nett und so Menschen trifft man selten."

"Ach wirklich?"

Ich fühlte mich geschmeichelt und griff nach meiner Zigarettenpackung.

"Darf ich dir eine anbieten?"

"Nein danke, die sind mir zu stark."

Er stand auf, ging zu einem Sekretär und öffnete eine der zahlreichen, mit Einlegearbeiten verzierten Schubladen. Er nahm eine Packung R 6 raus und hielt sie hoch.

"Das ist das Kraut, was ich bevorzuge, aber am Liebsten rauche ich noch Menthol."

"Igitt! Da kann ich auch Hustenbonbons rauchen."

Er schloß die Schublade wieder und öffnete die neue Packung.

"Och, das hat auch Vorteile. Kaum einer neppt bei mir. Soll ich Musik machen?"

"Ja, warum nicht?"

"Was denn?"

"Ist mir egal. Wenn es nicht gerade Jazz ist..."

Er ging zu seiner Anlage, kramte in der CD Sammlung und hielt mir eine CD hin: Kuschelrock, die Neue. Ich nickte und er legte sie ein. Dann nahm er wieder Platz, stand sofort wieder auf und ging in die Küche. Er kam mit einem Teller voller Gebäck wieder und stellte ihn noch auf den Tisch.

"Die habe ich vergessen."

Er griff zu einem Keks und fing an daran zu knabbern. Das Gespräch verlief wieder im Sande. Nun hatte ich auch keine Lust mehr das Gespräch schon wieder anzukurbeln und so hielt ich mich erstmal bedeckt und sah mich um.

Er beobachtete mich und folgte meinen Blicken.

"Ist schon seltsam..."

Ich wachte aus meinen Träumen auf und schaute ihn an: "Was? Was ist seltsam?"

"Na, daß du nun da bist. Ich weiß ehrlich nicht genau, wie das alles kam. Und...", er schaute mich prüfend an, "...ich kann mir immer noch nicht denken, warum du denn ein Treffen wolltest."

Mein Herz begann zu klopfen. Ich drückte meine Zigarette aus und gewann so Zeit. Mein Kopf war leer und ich dachte einfach gar nichts. Nur Zeit gewinnen.

"Ja, ich habe dich um dieses Treffen gebeten. Unter vier Augen."

"Gut, aber warum denn unter vier Augen?"

"Weil wir uns sonst niemals irgendwann mal alleine gesehen hätten. Ich wollte dir was erzählen und da ist es besser, wenn ich das unter vier Augen mache."

Er setzte sich zurück und schlug auch ein Bein über.

"Jetzt machst du mich aber neugierig. Was ist denn so Wichtiges passiert, daß du mir extra unter vier Augen sagen mußt?"

Er bemerkte, daß ich verlegen wurde. Ich merkte, wie meine Hände zitterten. Nervös spielte ich mit meinem Schnurrbart.

"Es ist gar nicht so einfach, weil das, was ich dir sagen wollte sehr privat ist."

Ich überlegte. Was machte ich hier eigentlich? War ich wahnsinnig? Warum tat ich mir das denn an? Ich hätte doch alles so laufen lassen können und bei dem belassen können, was bis jetzt war. Aber ich hatte die Sache angefangen und so mußte ich sie auch zu Ende führen. Mein Herz klopfte noch stärker und ich räusperte mich. Er lehnte sich nach vorne und sah mir tief in die Augen.

"Du mußt nichts sagen, wenn du nicht kannst. Ich weiß zwar nicht, was du mir erzählen willst, aber wenn es so ein Problem für dich ist, dann beruhige dich doch erstmal."

"Nein, jetzt hast du davon angefangen und ich kann nun nicht mehr zurück. Wenn ich nun gehen würde, dann bliebe das immer im Raume stehen und mit der Zeit würde eine riesige Luftblase daraus. Das will ich nicht. du sollst wissen..."

Ich stockte und er hakte ein: "...Ja?"

"Du sollst wissen..."

Ich stockte wieder, aber diesmal sagte er nichts. Ich holte Luft und begann von vorne: "Ich fange einfach mal von Anfang an. Wir sind uns ja mehr oder wenig per Zufall über den Weg gelaufen. Ich erinnere mich an den Abend in der Kneipe noch, als wäre es erst gestern gewesen."

Er lächelte verträumt: "Ja, du warst echt der lauteste und schrillste Typ in der Kneipe und irgendwie hast du dich immer in unser Gespräch gedrängt."

Ich lachte: "Ja, genau. Dabei wollte ich das nicht. Nur wart ihr am Nebentisch die einzigen Gäste, die sich das gefallen ließen."

"Kein Wunder. Was hätten wir tun sollen? du warst leicht angetrunken und wir hatten Langeweile."

"Naja, ich habe mich ganz nett danebenbenommen, was eigentlich nicht meine Art ist. Und als ich Euch auch noch auf einen Kaffee einlud, da habe ich nicht gedacht, daß ihr kommen würdet."

"Ich habe mir das auch reiflich überlegt. Günter war echt angetan von Dir und ich fand dich auch recht nett. Sowas erwarteten wir einfach nicht, aber darum waren wir ja in der Kneipe: Um nette Leute kennenzulernen."

"Und als dann der Treff bei mir zu Hause am nächsten Tag kam, da war ich ganz froh, daß ihr doch kamt, denn ich hatte nicht im Ernst damit gerechnet. Ich muß dir ziemlich aufdringlich vorgekommen sein in der letzten Zeit. Ich habe ja nicht locker gelassen. Bis du dann in Urlaub warst. Als du dann wieder da warst, da mußte ich mich einfach für die nette Karte bedanken."

"Gerne geschehen."

"Und da habe ich beschlossen, daß ich mit dir reden muß. Weißt du, daß ich Nächte lang wachgelegen habe, bevor ich den Entschluß faßte mit dir zu reden?"

"Du machst mich nun aber wirklich neugierig. Ich kriege ja schon ein wenig Angst vor dem, was jetzt kommen mag."

"Hast du eine Ahnung! Kannst du dir vorstellen, was für eine Angst ich im Moment habe? Aber lassen wir das. Da muß ich nun durch."

"Stop! Bevor du nun weiterredest... Ich wollte dir nochmals sagen, daß alles bei mir gut aufgehoben ist. du brauchst dir keine Sorgen zu machen und..."

"Nein, so etwas will ich dir nun nicht sagen. Verdammt es ist so einfach und doch so unglaublich schwer."

"Was ist denn daran so schwer?"

"Die Folgen, die es haben könnte..."

"Was für Folgen?"

"Na z. B. ...", ich schaute meine Schuhe an, "...daß du mich dann ganz anders siehst, als jetzt und das möchte ich nicht."

Er wirkte verständnislos. Unsere Blicke trafen sich wieder und ich sah den besorgten Ausdruck in seinem Gesicht.

"Meinst du, ich sollte mal raten? Macht es dir das leichter?"

"Nein! Laß bitte diese Spielchen. Wir sind erwachsene Menschen und so will ich dir das ins Gesicht sagen."

"Ist es was Schlimmes?"

"Du fängst ja trotzdem an zu raten. Hör auf, du bringst mich aus dem Konzept... aber schlimm ist es nicht...", ich stockte und fuhr leiser fort, "...oder vielleicht doch...."

Er sprang auf und ging zum Wohnzimmerschrank.

"Jetzt brauche ich einen Cognac. Bekommst du auch einen?"

"Ja, aber einen kleinen, bitte."

Er goß die bräunliche Flüssigkeit in zwei Schwenker und stellte mir einen davon hin. Dann setzte er sich wieder. Ich ergriff das Glas und wärmte es mit meiner Hand. Der Geruch drang mir wohlig warm in die Nase und es lenkte mich in der Tat ein wenig ab.

"Nun los, laß dich nicht hängen. Ich muß dir nochmals sagen, daß Du mir alles sagen kannst. Ich werde es nicht falsch verstehen! Habe doch einfach den Mut dich mir anzuvertrauen."

Ich schwenkte das Glas noch ein wenig und führte es dann zum Mund. Mit einem leichten Nippen nahm ich einen Schluck und fühlte die wärmende Flüssigkeit meine Speiseröhre herunterfließen. Der Alkohol verteilte sich in meinem Magen und hinterließ ein angenehmes Gefühl im Mund.

"OK! Es hat auch mit dir zu tun."

Ich sah ihn nicht dabei an, als ich das sagte. Erst sagte er nichts und dann machte er eine bedächtige Kopfbewegung und sagte langsam: "Aha, mit mir auch..."

"Ja, und genau das ist das Problem. Es ist nicht nur eine Sache, die mich betrifft, sondern auch dich. Und genau deshalb habe ich ja die Angst, daß alles anders wird."

"Und wenn ich dir nun verspreche, daß ich nicht anders sein werde?"

Ich zögerte. Er hatte wirklich keine Ahnung von dem, was ich sagen wollte, denn sonst...

"Das kannst du nicht."

"Wieso? Ist das..."

Ich schnellte aus dem Sessel, weil ich ein paar Schritte gehen mußte. Er unterbrach seinen Satz und schaute mich verwundert an. Mit dem Glas in der Hand wanderte ich auf und ab. Er folgte mir mit seinem Blick.

"Ich habe mich verliebt!"

Nun war es raus. Ich hielt die Luft an und ich bemerkte, daß sein Atem auch stockte. Er schluckte und nippte dann an seinem Glas. Ich schaute ihn nicht an, denn nun ...

"..in mich?"

Es kam so zögerlich, daß mir die Knie weich wurden. Ich hauchte ein "ja" und setzte mich wieder hin.

"Aber wieso...?"

"Wieso ich mich verliebt habe?"

Mein Redefluß war nun nicht mehr zu unterbrechen und er versuchte es gar nicht erst.

"Du bist etwas Besonderes. du bist charmant, lieb, intelligent und du siehst verdammt gut aus. dein Lächeln ist so schön und wenn du mich ansiehst, dann könnte ich heulen vor Glück. Das Glänzen in deinen Haaren, dein Gang, deine Bewegungen, wenn du verlegen bist und dein Geschmack...", ich zeigte auf seine Möbel, "...all das sagt mir was und all das sagt mir, daß ich mich Hals über Kopf, direkt beim ersten Mal, als wir uns sahen, ich mich in dich verliebt habe. Sowas ist mir noch nie passiert und ich habe gar nicht daran geglaubt, daß mir das passieren könnte. Den ganzen Tag muß ich an dich denken. Ich höre deine Stimme am Telefon und bin ganz fasziniert von ihr." Ich stockte. "So ist es einfach und nun weißt du es. Ich hoffe, daß das nichts ändern wird und ich...", ich rang mit meiner Fassung, "...und ich hoffe, daß du mich nun nicht ablehnen wirst, weil ich dir meine Liebe gestanden habe. Ich wollte einfach ehrlich zu dir sein. Ich wollte nicht immer nur dieses Geheimnis, daß immer schwerer wog, alleine mit mir herumtragen."

Ich sah ihn flehend an. "Und bitte... bitte, du mußt nichts darauf sagen. Ich wollte nur, daß du es weißt. Ich will dich nicht in Zugzwang bringen. Weißt du wie oft ich diese Situation schon in Gedanken durchgespielt habe und mit sämtlichen Varianten? Ich bin halb wahnsinnig geworden dabei. Ich fragte mich, was du tun würdest und was du anschließend sagen würdest. Ich war mir sicher, daß ich alles ertragen könnte. Es war einfach egal, was du tun oder sagen würdest. Egal, ob du mich nun vor die Türe setzt oder ob du mich umarmst und mir ebenfalls deine Liebe gestehst. Es ist egal. Und ich möchte auch nicht, daß du nun eine Erklärung abgibst. Nein, das wäre zu unfair von mir. Seit Wochen trage ich mich mit den Gefühlen und habe mich daran gewöhnt. Ich kann Nachts schon nicht mehr schlafen. Ich überlege immer wieder, was du gerade machst und, oh Karsten, ich habe mir auch überlegt, ob du gerade mit anderen Männern zusammen bist und ich habe mir ehrlich überlegt, ob das für mich ertragbar ist. Ja, das ist es. Es geht nur um dich. Was für dich das Beste ist. Und wenn es das ist, daß du mich nun rausschmeißt, dann tue es und gut ist es. Ich bin von der Last befreit und ich ... wünsche mir so, daß du ... Ach, ich weiß gar nicht, was ich mir wünsche. Ich mußte das einfach nur loswerden."

Langsam sank ich in meinem Ohrensessel zusammen und trank den Cognac mit einem Zug leer. Eine schwere Stille lastete auf dem Raum. Nur die leise Musik der CD, ausgerechnet Kuschelrock, war zu hören. Ich wagte es nicht aufzusehen. Mit feuchten Augen stand ich auf und stellte mein Glas ab. Ich sah ihm ins Gesicht. Ich verhärtete innerlich. Sein Gesichtsausdruck war einfach erstaunt. Er hatte tatsächlich nichts gewußt. Ich sah ihn nochmals an und rang um meine freie Stimme. Seine braunen Augen schauten mich erwartungsvoll an; so offen, so verständnisvoll, so unerwartet liebevoll. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen. Ich tat den letzten Schritt: "Bitte sag' jetzt nichts. Ich werde gehen. Ich danke Dir, daß du mir so aufmerksam zugehört hast. Bleibe sitzen, ich finde alleine nach draußen."

Ich drehte mich um, aber nicht ohne einen verständnislosen Blick aufzufangen, der mir in der Seele weh tat. Ich wußte was ich tat. Ich wollte die Wahrheit nicht erfahren. Ich war befreit, das war die Hauptsache. Ich drehte mich noch einmal kurz um. Er hatte sich nicht bewegt. Er saß mit großen Augen und fast wie erstarrt auf der Couch. Sein Haar umspielte sein feingeschnittenes Gesicht und sein Mund war leicht geöffnet. Er sagte aber nichts.

"Lebewohl! Ich danke dir. Es mag zwar sehr dramatisch sein, was ich hier mache, aber wenn du nun darüber nachdenkst, dann wirst du mich vielleicht verstehen. Wenn nicht jetzt, dann vielleicht irgendwann. Ich fahre nach Hause."

Dann ging ich wieder durch den engen Wohnungsflur, nahm meine Jacke und schloß die Wohnungstüre von außen. Ich ging schnellen Schrittes den Flur hinab nach draußen zu meinem Auto. Gelassen und wie betäubt fuhr ich nach Hause. Dort zog ich meine Jacke aus und machte den Fernseher an. Der Anrufbeantworter blinkte. Ich saß wie versteinert da und wußte, daß es begonnen hatte - das lange Warten.

Ich wachte auf als das Telefon klingelte und rappelte mich mühsam vom Sofa auf, um das schnurlose Telefon auf dem Sofatisch zu greifen. Ich war noch ganz benommen, als ich ein "Hallo" in den Hörer murmelte. Ich setzte mich in eine aufrechte Position, ließ aber die Augen geschlossen. Ein zaghaftes "Hi..." kam von der anderen Seite.

"Wer...?"

Ich hatte einen trockenen Mund und das Gefühl betäubt zu sein. Mein Kreislauf spielte verrückt.

"Ich bin es,...Karsten. Was ist mit dir los?"

Ich schüttelte den Kopf, um ihn klar zu bekommen und auch weil ich zu dieser Minute und dieser Stunde wirklich nicht damit gerechnet hatte, daß er sich melden würde. Ich atmete tief durch und versuchte mich zu beherrschen. Ich spürte, wie mir plötzlich bei der Erwähnung des Namens Karsten das Herz bis in den Hals schlug.

"Ach, hallo! Ich bin auf dem Sofa etwas eingeduselt. Sorry, daß ich nicht sofort geschaltet habe. Moment, ich muß einfach mal klar im Kopf werden."

Ich war überzeugt davon, daß man das schnelle Klopfen meines Herzens in meiner Stimme hören konnte.

"Soll ich in ein paar Minuten noch einmal anrufen?"

"Nein, nein..", ich versuchte mich zusammenzureißen, reckte und streckte mich heftig, "..ich werde schon wach."

Ich seufzte und atmete einmal tief durch.

"So, nun ist es besser."

"Rufe ich irgendwie ungünstig an? Ich meine, hast du schon im Bett gelegen?"