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Der Palast der S?nde

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Miriam findet endlich, was sie schon immer gesucht hat....
9.9k Wörter
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Miriam sah den Hafen von Marrakesch schon früh vor allen anderen und als die goldenen Türme in der Ferne aufblitzen, wie die Verheißung auf eine neue, bessere Welt, nahm sie voller Aufregung Maries Hand und atmete tief ein.

Marie hatte die Türme zwar noch nicht gesehen, suchte aber auf Miriams Hinweis angestrengt mit den Augen den Horizont ab. Schließlich sah auch sie das goldene Leuchten in der Ferne und blieb voller Staunen wie gebannt stehen. Und als sie beide so eine Weile träumerisch das goldene Licht beobachtet hatten, drückten sie ihre Hände fest aufeinander, wie um sich zu vergewissern, dass sie auch in dieser neuen Welt aufeinander zählen konnten.

Die beiden jungen Frauen sahen sich liebevoll an und in ihrem Blick lag ein Verständnis füreinander, das nur die engsten Freundinnen gegenseitig füreinander aufbringen können.

Drei Tage waren sie nun auf See gewesen und am letzten Tag der Reise war das Meer so unruhig gewesen, dass sie beide seekrank geworden waren. Der Privatarzt des Sultans hatte ihnen jedoch am Morgen sofort ein Mittel gegen die Krankheit verabreicht, das sie schlagartig von aller Übelkeit und allem Schwindelgefühl kuriert hatte.

„Na, meine beiden geliebten Prinzessinnen, gefällt euch denn, was ihr da am Horizont seht?".

Der Sultan hatte sich leise von hinten genähert und lächelte die beiden fröhlich an. Man konnte ihm ansehen, dass er glücklich war, endlich wieder in seine Heimat zurückzukehren.

Marie drehte sich sofort um und warf sich in seine Arme.

„Oh Sultan, dass ist das Schönste, was ich jemals habe erblicken dürfen".

Sie machte eine kurze Pause, runzelte die Stirn und korrigierte sich dann.

„Nun ja, es ist beinahe das Schönste, was ich je sah, denn hinter eurem Sohn Yasir verblasst selbst diese goldene Stadt!".

Der alte Mann strahlte über das ganze Gesicht und lächelte glücklich.

„Ich könnte mir keine bessere Frau und Begleiterin für meinen Sohn wünschen. Er liebt dich über alles und wie es mir scheint, erwiderst auch du seine Gefühle!".

Die zutrauliche Marie hatte das Herz des Sultans wie im Sturm erobert und der alte Mann versuchte bereits jetzt schon, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen und behandelte sie schon seit ihrer Abreise wie seine eigene Tochter.

Marie und Yasir waren etwas Besonderes und oft hatte man das Gefühl, dass sich da Zwei gesucht und gefunden hatten. Miriam war verblüfft gewesen, wie schnell die zwei Verliebten sich aneinander gewöhnt hatten. Beide schienen sich geradezu ungesund intensiv zu lieben und doch hatte Yasir bisher nicht bei seiner Frau liegen dürfen, da die Religion seines Heimatlandes den Liebesakt zwischen Mann und Frau erst nach der Hochzeit erlaubte.

Erst als der Sohn des Sultans schließlich das Deck betrat, löste sich Marie aus der Umarmung des Sultans und stürmte auf ihren zukünftigen Ehemann zu.

„Wir können die Stadt schon von hier erahnen Liebling, sie ist schöner, als alles, was ich bisher gesehen habe!".

Yasir fing sie lachend auf und nickte stolz mit dem Kopf.

„Ja, unser Land befindet sich in einem goldenen Zeitalter. Mein Vater hat den Jahrtausende lang in Kriegen verwickelten Provinzen endlich den lang ersehnten Frieden gebracht und das Reich ist aufgeblüht wie noch nie zuvor".

Der Sultan sah seinen Sohn voller Zuneigung und Stolz an und es war offensichtlich, dass hier ein alter Mann im größten Glück lebte, da er sah, dass seine Söhne sein Werk fortführen und vollenden würden.

„Und meine beiden wundervollen Söhne werden mein Lebenswerk erhalten und zur Blüte bringen, da sie nun beide von Allah mit zwei wundervollen Frauen gesegnet wurden".

Und bei diesen Worten nickte er Miriam und Marie liebevoll zu.

Und als sie zusammen an der Reling standen und das näherkommende Marrakesch betrachteten, hatte Miriam ein seltsames aufgeregtes Gefühl in ihrem Bauch. Es schien so leicht wie eine Feder und zugleich doch so stark wie ein Sturm zu sein. Miriam ahnte dunkel, woher diese nervöse Aufregung kommen könnte.

Sie konnte es nämlich kaum mehr erwarten, endlich ihren Ehemann zu treffen, ihn zu berühren, zu küssen und zu fühlen. Und als sie langsam in den Hafen einliefen, zogen zahllose Traumbilder ihrer goldenen Zukunft vor ihrem inneren Auge vorbei.

Die Ankunft und die große Willkommensfeier zu ihren Ehren überstiegen alles, was Miriam jemals erlebt oder sich auch nur in ihren verwegensten Träumen jemals vorgestellt hatte. Die Stadt war anscheinend per Brieftaube über ihr Kommen informiert worden und als sie alle gemeinsam das Schiff verließen, empfing sie eine gigantisch große Menschenmenge, die in frenetischen Jubelstürmen die Neuankömmlinge ehrte.

Hundertausende säumten die Straße, auf der sie mit ihrem Wagen in Richtung des Palastes fuhren und winkten und sangen der Rückkehr ihres Herrschers zu. Tausende Rosen, die extra dafür aus den entferntesten Winkeln der Erde angeliefert worden waren, pflasterten den Weg der Kutsche und die Menge jubilierte und feierte sie wie bei einem Triumphzug.

Miriam dachte bei sich, dass in diesem Land wahrlich Wohlstand und Friede herrschen musste, wenn das Volk seinen Sultan so exaltiert willkommen hieß. Bald darauf bemerkte sie jedoch, dass die Rufe der Menge keinesfalls ausschließlich dem Sultan galten. Offensichtlich hatten die Brieftauben neben der Nachricht über die Ankunft des Herrschers auch die Namen der zukünftigen Frau an der Seite des neuen Sultans übermittelt, denn sie hörte deutlich, wie ihr Name wieder und wieder laut durch die Straßen schallte. Die Menschen Marrakeschs sprachen ihn zwar mit einem fremdländischen Akzent aus, aber es war für die geborene Bauerntochter ein unglaubliches Gefühl, ihren eigenen Namen laut und begeistert in den Straßen ihrer neuen Heimat zu hören.

Aber dies sollte nicht die einzige Überraschung bei ihrer Ankunft bleiben. Als der Wagen schließlich vor dem Palast anhielt und Miriam aussteigen wollte, eilten von außen vier Diener heran und knieten sich vor dem Ausstieg der Kutsche auf die Straße, sodass Miriam auf ihren Rücken herabsteigen konnte und nicht den Boden berühren musste. Sie empfand diese Sitten zwar als höchst unpassend und geradezu komisch, wollte aber auf keinen Fall die Menschen ihrer neuen Heimat in ihren Gebräuchen und Gefühlen verletzen. Auch Marie wurde auf diese Art und Weise aus der Kutsche hinaus eskortiert und als sie dann vor derselben standen und fasziniert um sich sahen, hielten sie beide unbewusst den Atem an. Denn sie standen vor dem prächtigsten Bau den man sich wohl vorstellen konnte, einem zu Stein und Marmor gewordenen Traum aus Tausendundeiner Nacht.

Ein prächtiger, riesiger Garten zog sich direkt vor dem Schloss weit in die Ferne, bis er an die Anfänge einer gigantischen Marmortreppe stieß, die mindestens tausend Stufen steil nach oben führte und in einem prächtig verzierten Vorbau mündete, der von schweren Säulen gestützt wurde. Hinter dem Vorbau erhob sich dann ein Palast von unglaublicher Größe, er war so gigantisch, dass sich seine hinteren Gebäude im Dunst des Tages verloren. Gekrönt wurde der Palast von langen Türmen, auf dessen Spitzen Männer standen, die in regelmäßigen Abständen gebetsmäßige Rufe ausstießen, die in der Ferne wiederhallten.

Miriam und Marie bestanden darauf, durch den Garten flanieren zu dürfen und die ganze Zeit über war ihre Aufmerksamkeit von der Schönheit der Blumen, dem betäubend süßen Duft der Pflanzen und den kostbaren Statuen gefangen, die den Weg zum Schloss säumten. Und in Miriams Augen hatten sie die Erhabene, säulengestütze Vorhalle viel zu früh erreicht.

Kaum waren sie angekommen, eilten mehrere Diener aus dem Gebäude, reichten ihnen exotische Früchte, wuschen ihre Hände und fächelte ihnen Luft zu. Miriam dachte leise bei sich, dass sie sich an diese Art von Bedienung durchaus gewöhnen könnte und grinste Marie verstohlen zu, die gerade in eine seltsam bläuliche Frucht biss und ihr Gesicht in ein seliges Lächeln verzog.

Und als sie so in dem beeindruckenden, riesigen Vorbau standen und verträumt auf den Garten hinaussahen, trat der Sultan neben Miriam und legte ihr verschwörerisch seine Hand auf die Schulter.

„Amil wartet schon auf dich, er ist im Rosengarten, den wir auch den Ort der Liebe nennen. Wenn du willst, kann ich dich dort hinbegleiten und dir den Weg zeigen?".

Miriam dankte ihm ergeben, verabschiedete sich dann von Marie und Yasir und machte sich mit den vier Dienerinnen, die nie von ihrer Seite zu weichen schienen, auf den Weg zum Rosengarten.

Sie hatte dem Sultan gesagt, dass sie ihren zukünftigen Ehemann bei ihrer allerersten Begegnung lieber alleine treffen wollte. Der Sultan hatte dies sofort verstanden und ihr seinen Segen mit auf den Weg gegeben.

Die vier Diener führten sie über verschlungene, beinahe labyrinthische Pfade und bald konnten sie einen verführerischen Rosenduft riechen. Kurz darauf standen sie vor einem rosenbewachsenen Tor, das offensichtlich den Eingang zum Rosengarten verbarg.

Die Diener blieben vor dem Tor stehen und machten keinerlei Anstalten, ihr weiter zu folgen. Anscheinend hatten sie die Anweisung, das erste Treffen des Sternes von Marrakesch mit dem ältesten Sohn des Sultans ungestört zu lassen.

Miriam beugte sich noch einmal schnell über einen Teich und betrachtete aufgeregt ihr Spiegelbild. Als sie ihre Reflexion erblickte, seufzte sie zufrieden auf, denn sie war schöner als jemals zuvor und ihr glitzerndes Kleid hob ihre sowieso schon vollen, weiblichen Rundungen nur noch deutlicher hervor.

Dann drehte sie sich zu einer der Dienerinnen um und sah diese fragend an. Das Mädchen wagte es allerdings nicht, ihren Kopf auch nur ein kleines Stück anzuheben und ihre Herrin anzusehen.

So ging Miriam halb erzürnt, halb amüsiert auf das junge Ding zu, fasste ihr liebevoll unter das Kinn und schob ihren Kopf nach oben, sodass die Dienerin sie endlich ansah. Dann drehte sie sich vor ihr im Kreis und sah sie erneut fragend an.

Die Dienerin schien eine solche freundschaftliche Behandlung nicht gewöhnt zu sein, verstand aber gut, dass ihre neue Herrin sie zu fragen schien, wie sie denn ihr Aussehen bewertete. Das arme Mädchen hätte in ihrer Position natürlich selbst dem Glöckner von Notre Dame bestätigt, dass er eine blendende Figur abgab, aber im Falle ihrer neuen Herrin, die sie jetzt schon in ihr Herz geschlossen hatte, musste sie nicht lügen.

In ihrem gesamten Leben hatte sie noch nie eine so schöne Frau gesehen und sie wusste genau, dass der älteste Sohn des Sultans, in den sie wie alle Mädchen am Hofe hilflos verschossen war, sich sofort unsterblich in diese Göttin verlieben würde. So nickte sie Miriam schüchtern und ängstlich zu und diese lächelte etwas verschämt, aber glücklich und kam wieder auf sie zu.

„Du musst keine Angst vor mir haben, ich war bis vor vier Tagen selber noch eine normale Dienstmagd ohne jegliche Rechte, die von irgendwelchen dahergelaufenen Knechten in aller Öffentlichkeit gevögelt wurde. Deswegen werde ich dich nicht nur wie meine Freundin und Vertraute behandeln, sondern auch vor den männlichen Angestellten im Palast schützen!".

Das junge arabische Mädchen verstand natürlich kein Wort, aber sie fühlte in Miriams sanfter und liebevoller Stimme sofort, was sie wohl ungefähr gesagt haben musste und lächelte sie unsicher an.

Miriam strahlte zurück und nahm das junge Mädchen liebevoll in die Arme. Diese wusste gar nicht, wie ihr geschah und sah die anderen Diener einerseits verblüfft, aber andererseits auch voller Stolz an.

Dann drehte sich Miriam zu dem Tor um, lief langsam darauf zu, warf noch einen letzten Blick zurück auf ihre vier Diener, die genau dort standen, wo sie sie zurück gelassen hatte und ihr alle anspornend zunickten. Miriam holte noch ein letztes Mal tief Luft und dann durchschritt sie das von Rosen verzierte Tor.

Was sie dahinter erwartete, nahm ihr mit einem Schlag den Atem. Überall blühten die schönsten und buntesten Rosen, die man sich nur denken konnte. Sie waren aus aller Welt in das Reich des Sultans geliefert worden und standen jetzt in ihrer vollsten Blüte. Sie schloss die Augen und sog die herrlichen Düfte tief in ihre Lunge ein.

„Ein wunderschöner Ort", dachte sie fasziniert.

Dann sah sie sich langsam um. Doch der Sohn des Sultans und ihr zukünftiger Ehemann war nirgends zu sehen.

Wahrscheinlich hatte er sich nur ein wenig verspätet! Und so ging Miriam langsam durch den Garten und betrachtete jede einzelne Rose, roch daran und versuchte zu schätzen, wo sie wohl hergekommen sein konnte. Aber nach einer Weile sank ihr Herz immer tiefer. Wo war ihr zukünftiger Ehemann, wollte er sie nicht mehr?

Hatte er sie gar schon im Vorbau gesehen und beschlossen, dass sie nicht schön genug für ihn war? Ihre Augen füllten sich langsam mit Tränen und sie wollte gerade voller Enttäuschung den Garten verlassen, zum Sultan gehen und ihm sagen, dass sein Sohn sie nicht als Frau wollte, als sie sich umdrehte und erstarrte.

Vor ihr stand der schönste Mann, den sie jemals gesehen hatte und den sich eine Frau nur erträumen konnte. Er war groß, kräftig gebaut, mit starken, breiten Schultern und vollem, dichten schwarzem Haar. Aber sein muskulöser Körper war nichts im Vergleich zu seinem überirdisch schönen Gesicht. Seine sanft geschwungenen Züge waren der Inbegriff der Männlichkeit, stark, kantig und klar in ihrer Form. Miriam sah sofort, dass dies Amil sein musste. Denn die königlichen, edlen Gesichtszüge ließen daran keinen Zweifel.

Aber was Miriam wirklich den Atem nahm, waren seine Augen. Seine großen, tiefschwarzen Augen, in denen ein leises Funkeln zu sehen war, das auf der Stelle ihre Knie zu Butter werden lies. Den Ausdruck dieser Augen sollte Miriam noch auf dem Sterbebett während ihrem letzten Atemzug vor sich sehen und sehnsüchtig den Namen des Mannes flüstern, an den sie auf ewig ihr Herz verloren hatte.

Es lag eine tiefe Melancholie in diesen Augen, eine unglaubliche Wehmut, als ob sie einen Schatz verloren hätten und diesen schon seit ewigen Zeiten suchen würden und erst wieder erleuchten könnten, wenn sie ihn endlich wiedergefunden hätten.

Aber es lag auch noch etwas anderes darin.

Eine Ausdruck großer Stärke, ein Ausdruck der Kraft, der Selbstsicherheit und ein humorvolles Glitzern, das nicht nur auf einen scharfen, sondern auch auf einen liebevoll neckenden Charakter schließen ließ.

Und als Miriam so unvorbereitet zum ersten Mal in diese Augen sah, fühlte sie, wie sich der Boden unter ihr auftat und sie in einen endlosen Abgrund fiel. Ihr Magen schien sich aufgelöst zu haben und durch Tausende von Schmetterlingen ersetzt worden zu sein. Sie fühlte sich plötzlich so schwach, so schwindlig und zittrig wie noch nie zuvor in ihrem Leben und seltsamerweise im selben Augenblick doch so unendlich geborgen und behütet. Und ohne das Gefühl davor jemals wirklich erfahren zu haben, wusste sie instinktiv, in der niemals fehlenden Intuition der Frauen, dass sie sich gerade in diesen wenigen Sekunden, während ihre Augen in seinen gelegen hatten, hoffnungslos in ihn verliebt hatte. Und als ihr diese Gewissheit in die Klarheit des Verstandes stieg, wurde es plötzlich schwarz vor ihren Augen.

Doch bevor sie nach Hinten fallen konnte, war der Mann, ihr baldiger Ehemann schon neben ihr und hatte sie aufgefangen. Seine starken Hände umfassten zärtlich ihre schlanke Taille und sie lag unendlich geborgen in seinen beschützenden Armen.

Amil wiederum hatte schon lange vor Miriams Ankunft im Garten gewartet, so wie sein Vater es ihm vorgeschlagen hatte. Allerdings hatte er den Glauben seines Vaters nicht geteilt, jemals eine Frau finden zu können, die er endlich wahrlich und bedingungslos lieben konnte. Er wusste, dass er ein Bild eines Mannes war, aber er war trotzdem nie wirklich glücklich gewesen. Denn seit seiner Kindheit hatte ein Fluch auf ihm gelegen.

Es war der Fluch, dass er keine Liebe fand, der Fluch, dass sein Herz sich nicht öffnen konnte, sich nicht her schenken konnte, nicht in die zarten Hände einer Frau begeben und dort schutzlos an ihrem warmen Busen liegen konnte.

Alle Mädchen und Frauen des Reiches wollten ihn zwar ehelichen und jede seiner Haremsdamen hatte unerschöpflich um seine Liebe oder wenigstens Zuneigung gekämpft, doch keine hatte jemals sein Herz gewinnen können. Nie hatte er die Aufregung einer ersten, unsicheren aber so unendlich erhabenen Liebe erleben dürfen. Nie war er nachts stundenlang wachgelegen und hatte sich nach einem Mädchen gesehnt, nach ihr geschmachtet und verzehrt. Nie hatte er das schönste aller Gefühle, zu dem der Mensch allein sich erschwingen kann, nie hatte er es jemals empfinden dürfen.

Und als sein Vater ihm gesagt hatte, dass er mit seinem jüngeren Bruder Yasir in ferne Länder reisen würde, um dort die schönste Frau der Welt für ihn zu finden, hatte er für diesen Vorschlag nur Skepsis und Missachtung übrig gehabt.

„Wie sollte", so hatte er sich gefragt, „sein Vater diejenige finden, der er verfallen könnte, die er lieben und ewig auf Händen tragen könnte"?

Und als dann die Brieftaube angekommen war, die von einer gewissen Miriam sprach, die sein Vater in einem fernen Land vom Schicksal über den Weg gesandt wurde und die er bereits den Stern von Marrakesch nannte, war aus seiner Skepsis lodernder Zorn geworden.

„Wie konnte sein Vater zu glauben wissen, welche Frau für ihn die Eine, die Richtige war, wo er doch selbst nicht einmal im Entferntesten wusste, was Liebe denn tatsächlich war, geschweige denn, wie sie sich anfühlte!".

Hatte er nicht zahllose Bücher darüber verschlungen, mit den weisesten Männern diskutiert und immer nur dieselbe, unbefriedigende Antwort erhalten?

Sie hatten ihn angelächelt, wie ein Großvater seinen ungestümen Enkel anlächelt und leise von einer Macht gesprochen, die stärker war als der Tod. Eine Macht so stark und unbegreiflich, dass Könige Kriege, Ritter ihr Leben und selbst die einfachsten Menschen Alles füreinander zu geben bereit waren um ihre Liebe zu beweisen oder zu schützen.

Eine Macht, die unbegreiflicher und erhabener als der Tod selbst war. Tief und weit wie die Grenzen und Abgründe des Lebens und dabei schöner und fröhlicher als das unschuldige Lachen eines Kindes.

Die weisen Gelehrten hatten ihm nur einen einzigen Rat mit auf den Weg gegeben:

„Die wahre, tiefe Liebe ist unbeschreiblich und ungreifbar, die wahre und tiefe Treue und lebenslange Hingabe unbezahlbar und unersetzlich, aber selbst die größten Dichter, die mit den Göttern selbst um Worte rangen, konnten dieses Gefühl nicht endgültig in Worten verewigen. Niemand kann es, aber du wirst diese Macht sofort spüren, wenn du sie siehst. Du wirst es wissen, wenn sie direkt vor dir steht und dann, mein Sohn, dann wird es zu spät sein. Denn dann, mein Son, wird dein Herz auf ewig in Flammen stehen".

Und mit diesen Worten hatten die Weisen ihn entlassen und er fühlte sich so leer und unbefriedigt wie zuvor. Sein Vater hatte in den Briefen geschrieben, er solle in den Garten gehen, in den Rosengarten und dort auf Miriam, den Stern von Marrakesch warten. Und so war er am Morgen widerwillig und zornig in den Garten gegangen und hatte gewartet, ungeduldig gewartet.

Er hatte dies nur aus Liebe zu seinem Vater getan und aus einer unerklärlichen, nervösen Aufregung heraus, die er sich aber nicht eingestehen wollte. Denn in dem Brief seines Vaters waren nur ein paar wenige Sätze geschrieben gewesen und wenn er einem Menschen vertraute und auf ihn hörte, so war es sein Vater, der weise Sultan von Marrakesch:

„Mein geliebter Sohn, fühle dein Herz heute ein letztes Mal in deiner Brust schlagen, mein geliebter Sohn, lausche jedem Schlag und bewahre sie in deiner Erinnerung. Denn wenn du, mein glücklicher und gesegneter Sohn, den Stern einmal, ein einziges Mal erblickt haben wirst, wird dein Herz nie mehr dir gehören sondern bis in alle Ewigkeit verloren sein. Dein Herz wird dich verlassen und ewig in ihren behütenden Händen liegen und niemals wirst du wieder glücklich sein können, wenn du nicht bei deinem Herz, bei deinem Stern sein können wirst. Glaube mir das, mein geliebter Sohn, wenn ich von allen Dingen wählen dürfte, die ich dir jemals gelehrt habe, so würde ich diesen Rat als den weisesten und wichtigsten auswählen! Ich habe in meinem Leben viele Kriege gefochten und ein Imperium gebaut, Völker unterworfen und Frieden gesät und doch ist von all diesen Dingen nichts mächtiger als die Kraft, die du heute erfahren darfst. Du wirst von heute an nie wieder derselbe sein, denn wenn du sie einmal gesehen hast, wirst du auf ewig ihr gehören".