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Der Seelentrinker Teil 7 von 7

Geschichte Info
Fantasy Roman um einen Wunschring in 7 Teilen - keine Erotik.
7.2k Wörter
4.69
6.9k
0

Teil 7 der 7 teiligen Serie

Aktualisiert 06/10/2023
Erstellt 06/23/2020
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Verbrannte Seelen

Schatten

Senol hatte Mühe an dem Audi dran zu bleiben und er schaffte es gerade so, nicht in den Auffahrunfall verwickelt zu werden.

„Was machen diese Idioten denn?! Das kann nicht funktionieren. Die Polizei zu rammen und abzuhauen?!

Ömür war völlig aufgebracht.

„Sie sind selbst schuld. Bei dem was alles auf dem Spiel steht, sollte man wesentlich vorsichtiger agieren. Bei dem Fahrstil ... War doch fast klar, dass die über kurz oder lang auffallen werden. Sie sind wie Kinder ... trotzige und zornige Kinder."

„Du hast Recht, Senol."

„Vielleicht ganz gut sie jetzt auszuschalten, bevor sie wirklichen Ärger verursachen können und unsere Pläne durchkreuzen.

Wir brauchen andere Leader. Mehr solche mit Köpfchen. Keine Hamids! Keine Adems!

Die taugen allenfalls als Schläger."

„Aber die mit Köpfchen sind schwerer zu finden... zumindest diejenigen, die sich beeinflussen lassen."

Ömür sprach offen mit Senol.

Senol war kampferfahren, ehemaliger Kommandant zweier Milizgruppen und kannte deswegen beide Seiten: Das „schmutzige Handwerk", wie auch die Herausforderung zu Führen und zu Planen.

Der Audi verließ nicht die Autobahn, um nach Bonames abzubiegen. Er fuhr weiter mit hohem Tempo in Richtung Bad Homburg.

Wahrscheinlich spekulierte Caplan darauf, die Polizei im Berufsverkehr rund um Frankfurt und den unzähligen kurz aufeinanderfolgenden sich kreuzenden Bundesstraßen und Autobahnen abzuschütteln.

„Er macht einen Fehler. Er hätte hier in Bonames rausfahren sollen. Jetzt kommt er gleich in den Rückstau vom Bad Homburger Dreieck."

„Denke ich auch. Aber vielleicht will er ja auch bei Bad Homburg runter und sich irgendwo in den Wäldern rund um den Feldberg verstecken?"

„Wäre auch eine gute Idee."

„Dahinten kommt die Polizei. Ziemlich schnell."

Senol wechselte die Spur, um den Polizeiwagen vorbeizulassen.

„Der hat schon gut aufgeholt. Jetzt kann er direkt Caplan sehen!

Da kommt auch schon der Rückstau!"

Caplan wechselte auf den Standstreifen.

Polizeiwagen folgte ihm direkt.

„Ömür?

Ich bleib jetzt nicht mehr dran. Wir haben den Sender. Wir finden sie."

„Wenn die Polizei sie nicht schon vorher findet ..."

„Wo wohnt diese Verkäuferin?"

„In der gleichen Straße wie Hamids Eltern. Merzig war ihr Nachname."

„Schau mal ob Du eine Adresse im Netz finden kannst. Während die sich gegenseitig jagen, sichern wir uns das Geld."

„Wenn wir sie verlieren. Aber ich möchte ihnen wenn möglich weiter folgen -- unauffällig. Sie wissen zu viel und könnten auspacken."

Ömür wusste, dass der Ring jetzt wichtiger war als das Geld. Das wollte er Senol so aber nicht sagen. Mit dem Ring konnte er jederzeit sehr leicht wieder an Geld kommen ... an wesentlich mehr Geld, als „nur" an drei Millionen.

Das mit dem „Auspacken" war ein guter Schachzug; ein Argument, welches bei Senol in jedem Fall zog. Sie hatten sehr viel Zeit und Mühe investiert, um ihr Netzwerk hier aufzubauen. Das jetzt leichtfertig zu riskieren, wäre wirklich sehr dumm gewesen.

Senol reduzierte kopfschüttelnd das Tempo. Das Stauende war erreicht.

Caplans Audi und der Polizeiwagen kamen außer Sicht.

Plötzlich schoss in einigen hundert Metern Entfernung eine Rauchsäule gen Himmel.

Nur mühsam unterdrückte Senol einen Fluch:

„Wir müssen dahin. So schnell wie möglich!"

„Fahr auf die Standspur. Wenn jemand fragt, vergiss nicht, ich bin nicht nur Ulama, ich bin auch Arzt."

Catch me, if you can

Das eben war mehr als seltsam.

Klar fuhr er schnell und drängelte auch ein bisschen -- eigentlich so wie immer. Aber mit dieser Polizeistreife hatte er nicht gerechnet.

Anzuhalten und die Kontrolle über sich ergehen lassen, war keine wirkliche Option. Nicht nur Caplan rechnete damit, dass man jetzt nach ihnen suchen würde.

Selbst wenn die Bullen nicht genug hätten, um sie einzubuchten, würden Kontrolle und das unausweichliche Verhör das gesamte Zeitmanagement in Frage stellen.

„Ich wünsche mir, dass dieser Polizeiwagen einen Unfall hat."

Kaum hatte Hamid seinen Wunsch ausgesprochen, sackte er auch schon zusammen. Und ohne Caplans Zutun verselbstständigte sich der Audi und rammte die Zivilstreife von der Straße.

Caplan konnte direkt im Rückspiegel sehen, dass sich eine Reihe kleinerer Auffahrunfälle hinter ihnen ereignete.

„Perfekt Caplan!

Du bist ein Tier!

Keiner kann uns jetzt mehr folgen.

Eh. Was ist mit Hamid?"

„Ich glaub ohnmächtig, Tiger. Der Ring! Versuch ihn mal aufzuwecken."

„Mach ich. Wohin jetzt?"

„Erst mal Bullen irgendwo abhängen. Ich fahr zum Feldberg. Da kenn ich mich aus, mit den Waldwegen. Die kriegen uns nicht!

Wir klauen auf den Käffern einen Wagen, fahren zu der Bitch, greifen die Kohle ab, killen sie dann zum Krüppel ins Krankenhaus und wie besprochen zum Schluss die Kleine."

„Klingt super."

Caplan versuchte zunächst im Zick Zack überholend möglichst schnell voranzukommen, doch er wusste irgendwann wäre der Rückstau des einsetzenden Berufsverkehrs erreicht.

Er hoffte, dass der erst hinter Bad Homburg einsetzen würde.

„Eh Hamid! Aufwachen ... Alda?!"

Tiger schüttelte Hamid von hinten an der Schulter. Der quittierte das Ganze mit einem ächzenden Stöhnen. Langsam kam wieder Bewegung in ihn.

„Hamid? Alda?!?"

„Stauende -- Scheiße!

Fuck!

Noch eine Bullenschleuder!

Fuck! Fuck!!

Nicht erschrecken -- ich ziehe auf den Standstreifen rüber. Da bin ich schneller."

Caplan wirkte zunehmend nervöser.

„Hamid!

Tu was!!!

Wünsch Dir was.

So wie eben!"

„Wünsch mir, dass die Bullen einen Unfall haben."

Hamids Stimme war schwach. Direkt sackte er wieder zusammen.

Caplan drehte sich um. Der Polizeiwagen brach nach rechts aus, durchbrach die Leitplanke und fuhr direkt in den Waldrand.

„Jepp!"

„Caplan!

Pass auf.

Vorn!!!"

„Sch...!"

Vor dem Audi tauchte ein liegengebliebenes Pannenfahrzeug auf. Es war zu spät, zu bremsen. Links war keine Lücke.

Caplan riss das Steuer nach rechts.

Mit einem kreischenden Bersten durchbrach der Audi die Leitplanke und raste die abschüssige Böschung in Richtung des Waldes.

Der Wagen überschlug sich mehrfach, knallte mit dem Heck gegen einen Baum und verlor dabei die hintere Beifahrertür. Tiger war nicht angeschnallt, wurde aus dem wirbelnden Wagen herausgerissen und gegen eine alte Tanne geschleudert.

Durchspießt von mehreren Ästen hing er an dem Baum und war sofort tot.

Immer noch schleuderte der Audi kopfüber und kam in einem Wassergraben zum Liegen. Die Fahrerseite lag dabei tiefer.

Wasser drang in den Wagen ein.

Panisch versuchte der kopfüber hängende Caplan sich zu befreien. Doch das Gurtschloss öffnete sich nicht.

„Hamid!

Hilf!"

Caplan wendete seinen Kopf zur Seite.

Ein Ast hatte die Windschutzscheibe durchschlagen und war tief in Hamids Brust eingedrungen.

Der Wasserspiegel stieg unerbittlich höher.

„Hamiiiid"

Caplans Schrei wurde so abrupt, wie brutal durch das gurgelnd eintretende Wasser abgeschnitten.

Vom einen zum anderen Übel

Judith koordinierte draußen die polizeiseitigen Hilfeleistungen. Zum Glück gab es nur wenige Leichtverletzte und durch die direkte Nähe zum berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus, dem BGU Frankfurt, waren auch sofort drei Rettungswagen und ein Notarzt zur Stelle.

Zwei weitere Funkstreifen waren auf der Anfahrt.

Ihr tat der Nacken weh.

Die Autobahn war durch den Unfall blockiert und lahmgelegt, aber es bestand keine weitere Gefährdung. Alles schien noch einmal glimpflich ausgegangen zu sein.

Markus saß im Wagen und koordinierte den Funk. Er hatte einen ruhigen Kopf behalten. Das war gut. Beinahe widerwillig musste sie das einräumen und ihm zugestehen, dass er bis jetzt einen guten Job machte.

Sie haderte mit sich selbst. Wenn sie doch nur gewartet hätte, bis der Nummerncheck durch gewesen wäre.

Der BMW schien hinten nicht allzu viel abgekommen zu haben und erschien noch halbwegs fahrtauglich.

Weiter hinten sah sie die ersten Schirmmützen. Der Hessen 22 -- 10 war wohl gerade eingetroffen. Sie fiel in Trab und winkte den Kollegen, um sie auf sich aufmerksam zu machen.

Doch die winkten zurück und wiesen auf ihren BMW.

„Judith!

Judith!!!"

Markus rief.

Judith blieb stehen und drehte sich zu ihm um.

„Wir müssen weiter! Schwerer Verkehrsunfall und wir sind in Fahrtrichtung momentan das einzige freie Fahrzeug."

Sie rannte zurück zum Fahrzeug, setzte sich hinter das Steuer und ließ den Motor an.

„Sorry. Kai und Ralf sind auch in den Unfall verwickelt. Beide sind verletzt. Den Audi mit unseren drei Spezies hat´s wohl total zerrissen."

„Mist."

Heute war ihr Tag der Flüche. Zu Recht!

Vorsichtig fuhr sie an. Der Wagen reagierte völlig normal. Sie gab etwas mehr Gas und schaltete sie Sondersignalanlage an.

„Wir müssen die Autobahn dicht machen, dass die anderen entgegen der Fahrtrichtung auffahren können. Anders kommt die Feuerwehr nicht ran."

„Gut."

Markus quittierte kurz, dass sie wieder auf der Anfahrt waren.

Judith gab Stoff. Knappe 600 PS heulten auf. Noch war die Autobahn völlig frei.

In Sicherheit

Marius wurde schlagartig wieder wach. Etwas Unruhe war in seinem Abteil entstanden. Er öffnete die Augen und setzte sich auf.

Der Polizist stand diskutierend mit Arzt und Pfleger am Eingang.

„Ah! Gut, dass Sie wieder wach sind Herr Kleinmanns. Frau Merzig ist soeben eingetroffen und wir diskutieren, ob wir sie zu Ihnen lassen sollten."

Der Polizist war pragmatisch.

„Ja sehr gern. Sie ist meine Freundin."

Marius Stimme war immer noch ein wenig dünn.

„Sie sagte Verlobte." Der Pfleger lachte.

„Egal. Sie ist in Gefahr und hier kann ich ein Auge auf beide zusammen werfen! Hier ist sie in Sicherheit."

Der Arzt lenkte ein.

„Gut, dann lass ich sie mal rein."

Einen kurzen Augenblick später kam Sabina wie ein Wirbelwind in das Zimmer gerannt. Sie sah Marius, die bandagierte Hand mit dem fehlenden Finger.

Weinend umarmte sie ihn.

„Wie geht es Dir?"

„Jetzt langsam wieder besser. Ich kam wohl gerade aus dem OP. Dann haben sie mich unter Drogen gesetzt und mir den „Ringfinger" abgeschnitten."

Er wollte, dass sie wusste, dass er nunmehr wieder so „machtlos" war, wie jeder andere normale Mensch auch.

Sie beugte sich herunter und küsste ihn sachte an die Wange.

„Vielleicht besser so", hauchte Sabina für die anderen nicht hörbar.

„Maunzi ist bei einer guten Freundin. Da habe ich leider Deine „Sachen" vergessen. Tonja ist weg. Ich dachte sie wäre kurz einkaufen, aber sie war weder beim Nahkauf noch bei mir.

Sie geht nicht ans Telefon. Das Telefon ist anscheinend abgeschaltet."

„Hamid und seine Gang!

Sie denken, dass wir sie bei der Polizei verpfiffen haben und wollen sich rächen."

Sabina brach in Tränen aus.

Der Polizist mischte sich freundlich, einfühlsam, aber bestimmt mit ein:

„Frau Merzig?

Ich höre Ihre Tochter wird vermisst?

Wie sieht sie aus und wo haben sie sie das letzte Mal gesehen?"

„Heute Morgen, als ich zur Arbeit bin. Sie sollte noch bei Marius Blumen gießen und Katzenfutter holen."

Sabina schluchzte.

Marius hielt ihre Hand. Mehr konnte er gerade nicht tun.

Tränen standen ihm in den Augen.

„Gut. Gehen wir davon aus, dass ihre Tochter nicht „shoppen" oder anderswo unterwegs ist.

Die Gang um diesen Hamid Bilgin ist alles andere als harmlos. Die sind uns bekannt. Wir haben eine Menge Verdachtsmomente, aber kaum wirklich handfestes -- bis jetzt! Wir werden Ihre Tochter suchen. Haben sie zufällig ein Foto von ihr auf Ihrem Handy?

Ein Bild, dass Sie mir vielleicht schicken könnten und das wir für die Fahndung nutzen dürfen?"

„Ja."

„Hier ist meine Karte. Schicken Sie es am besten an meine Mobilnummer."

Sabina nahm ihr Handy raus und machte die passenden Eingaben.

„Gibt es Hoffnung?"

„Immer Frau Merzig. Vertrauen Sie uns. Haben Sie auch die Mobilnummer Ihrer Tochter?"

„Ja."

„Schicken Sie mir die auch. Wir können damit versuchen, sie zu lokalisieren.

Ich muss mal kurz telefonieren."

Der Polizist verließ den Raum.

Sabina sah Marius kurz an. Sie weinte. Er weinte. Sie umarmten sich lange.

Der Irrtum

Hamid hing kopfüber im Audi.

Er konnte sich kaum bewegen.

Ein Ast hatte ihn regelrecht in den Beifahrersitz genagelt. Er hatte wahnsinnige Schmerzen. Er hustete. Blutiger Schaum war um seine Lippen herum.

Er war panisch.

„Ich wünsche mir, dass das alles aufhört. Das ich gesund bin und zu Hause. Ich wünsche mir, dass Caplan und Tiger gerettet werden ..."

Er formulierte schnell die Wünsche in seinem Geist.

Das Wispern war wieder da.

„Du hast gar keine Kraft mehr übrig, Dir etwas zu wünschen. Abgesehen davon brauche ich Dir Deine Wünsche auch gar nicht zu erfüllen.

Der Träger muss mich freiwillig geben und Du hast mich gestohlen -- schon vergessen?"

„Du hast mich betrogen!"

Hamid konnte mit einem Mal wieder glasklar denken. Er war Herr über seinen Verstand.

„Du hast Dich selbst betrogen Hamid.

Und ja, betrogen wurdest Du auch. Nur nicht von mir."

„Du hast mich verraten. Hilf mir jetzt gefälligst und erfülle mir den Wunsch. Ich will leben!"

„Den Wunsch kann ich Dir erfüllen. Du wirst leben -- sehr, sehr lange. Denn gleich wirst Du ein Teil von mir werden. Ich trinke Deine Seele und sie wird mich stärken."

„Du bist ein Werk von Iblis, dem Teufel."

„Nein, tatsächlich bin ich wie Iblis auch in den Feuern ohne Rauch, lange vor den Menschen geschaffen und geboren worden. Ich bin ein Feuergeborener, ein Dschinn. Mein Zweck ist es, die durch Iblis, die Diw Verwirrten oder wie in Deinem Fall die durch Daddschal geblendeten und verleiteten Seelen zu holen.

Eine Seele wie die Deine, die ich mir jetzt holen werde."

„Ich werde in das Paradies eingehen. Die Jungfrauen werden auch mich warten. Ich war immer ein gläubiger und guter Muslim. Ich habe mich immer an den Koran gehalten und die Ungläubigen bluten und büßen lassen."

„Du bist deinem Lehrer ein guter Schüler gewesen."

„Ja! Ömür ist ein heiliger Mensch!"

„Ömür ist in der Tat alles, nur kein heiliger Mensch. Er ist ein Jünger Daddschals, des großen Blender, nur weiß er das nicht.

Ömürs wirkliche Götter heißen Geld, Macht und Einfluss.

Er will wie Gott sein.

Und er hat Dich benutzt.

Du warst sein Werkzeug.

Aber gleich wirst Du ein Teil von mir sein.

Einige letzte Blicke auf Dein Leben gönne ich Dir noch -- Dein gelebtes Leben und auch das, was Du hättest führen können."

Im Augenwinkel sah Hamid, dass Caplan aufgehört hatte zu zucken.

Er hing schlaff in seinem Gurt.

Hamid wusste, dass er tot war.

Sein Atem rasselte. Er hustete immer mehr blutigen Schaum.

Er schloss die Augen und sah die Bilder -- kurze Sequenzen nur, aber genug, um zu verstehen. Er merkte, wie ihn immer mehr die Kraft verließ.

Der Ring war heiß!

Er fraß ihn auf.

Wie aus der Ferne hörte er die Fensterscheibe klirren. Er drehte mühsam seinen Kopf.

Kurzes Erkennen.

Der Retter!

„Ömür. Hilfe!"

Ömür griff nach seinem kraftlos hängenden rechten Arm. Er nahm die Hand und zog an dem Ring. Der Ring war fest mit der Hand verbunden.

Ömür fluchte.

Er versuchte es wieder.

Hamid sah ihn an und verstand alles. Sein letzter Wutschrei verhallte ungehört.

Dann lächelte er. Der Ring -- er wurde zu einem Teil von ihm!

Hamids letzter Gedanke galt Ömür und er wusste, er würde ihn alsbald wiedersehen.

Ömür lächelte glücklich. Mit einem Mal ließ sich der Ring ganz leicht abziehen. Schnell steckte er ihn an seinen Finger.

Zufallsfund

Markus war mit einem anderen Autofahrer, einem Araber, beim Polizeiwagen, um den Kollegen zu helfen. Ein paar Verletzungen, aber nichts wirklich Lebensbedrohliches.

Judith wandte sich dem Fluchtwagen zu, der auch dem Dach lag. Etwas Rauch stieg auf. Ein älterer Mann in der Kleidung eines islamischen Geistlichen, versuchte, die Beifahrertür zu öffnen, um einem der Insassen zu helfen.

Judith beschleunigte ihren Schritt.

„Kann ich Ihnen helfen?"

„Nein, leider nicht. Alle sind tot."

Sie hatte den Mann erreicht. Ein Bild des Grauens. Der Fahrer war wohl ertrunken und der Beifahrer durch einen Ast regelrecht in den Sitz gepfählt worden.

„Ich bin Arzt und Geistlicher. Da drüben hängt noch einer am Baum. Ich wollte gerade nachsehen, ob der noch lebt."

„Sehen wir gemeinsam nach."

Judith rannte zu dem Baum, wo Tiger hing -- grotesk verdreht, aufgespießt von gleich mehreren Ästen und eindeutig tot.

„Auch tot. Ich bin jetzt ein wenig atemlos. Entschuldigung. Wir waren gerade bei einem anderen Unfall."

„Ich verstehe das vollkommen. Dieser Anblick erschüttert mich auch. Die armen jungen Menschen. Ich werde für sie beten."

„Sie sind Arzt?"

„Ja, das bin ich."

„Ich verstehe, dass Sie beten möchten. Aber dürfte ich die Bitte äußern, dass Sie mal kurz nach meinen Kollegen da drüben sehen. Die sind verletzt und wie bereits gesagt, wir kommen gerade von einem anderen Unfall. Der Rettungsdienst wird noch brauchen, bis er hier ist."

„Das mache ich sehr gerne."

„Ich bleibe hier, sehe mich kurz um und muss dann zum Wagen, Hilfe einweisen und sagen, was hier passiert ist."

„Machen Sie das. Wenn Sie irgendwie Hilfe brauchen, finden Sie mich und meinen Fahrer bei ihren Kollegen."

Ömür hob die Hand zum Gruß.

Judith sah ihn sich kurz an. Eine respektvolle Erscheinung, sehr kultiviert und nett. Er hatte einen schönen Ring.

Dann wandte sie sich wieder dem Geschehen zu.

Vor Markus lag sein Mobiltelefon auf dem Boden.

Beinahe automatisch hob Judith es auf. Sie wischte über den Bildschirm und hatte Glück -- keine kodierte Tastensperre.

Das Telefon war aktiv.

Doch das, was sie zu sehen bekam, raubte ihr den Atem.

Da saß irgendwo ein junges Mädchen auf einem Sessel. Gefesselt. Geknebelt. Ohne Bewusstsein. Eine Infusion lief.

Sie wusste sofort: Das war eine reale Situation.

Und da war jemand in Not.

Schnell rannte sie zurück zum Wagen.

Der gleiche Tag, ein anderer Ort

Ein Mittag, wie jeder andere -- dunkel und verregnet. Im Aufenthaltsraum der Station für Wachkomapatienten des St. Vincenz Stift saßen, fixiert in ihren Sitzstühlen, acht Patienten die mit ausdruckslosen Augen scheinbar ziellos in die Unendlichkeit starrten.

Im Hintergrund dudelte Vivaldis „Vier Jahreszeiten" in Endlosschleife.

Adam, der betreuende Pfleger, saß bequem auf seinem Stuhl. Er hatte einen Wecker vor sich aufgebaut, denn mit dem Lagern der Schwerstpflegefälle nahm er es immer penibel genau. Diese acht waren „Stammkunden". Sie waren schon deutlich länger als zwei Jahre hier auf seiner Station; gefangen in einem nie enden wollenden Traum.

Manche hatten Schlaganfälle, wie Georg oder Hans. Bei anderen wie Marie und Kemal waren längst ausgeheilte Infektionen die Ursache und beim Rest Unfälle.

Adam war ein einsamer Eigenbrötler. Er mochte keine Menschen um sich herum. Er liebte seine Ruhe, hasste Aufregung und jegliche Hektik. Der Job hier in der Intensivpflege war genau das Richtige und von seinen „Kunden" war noch nie jemand „aufgewacht", wohl aber friedlich eingeschlafen.

Von denen, die länger als ein Jahr im Wachkoma waren, erwachte im Schnitt nur jeder Vierzehnte. Aber für diese wenigen Patienten lohnte der Aufwand und es gab eine Menge Angehörige, die all ihre Hoffnungen in diese Einrichtung legten - zumindest anfangs.

Denn seiner Meinung nach war eine deutlich zu große Menge der Bewohner dieses Hauses, schon lange bei den eigenen Angehörigen in Vergessenheit geraten.

Er sprach mit seinen „Kunden", aber eher aus reiner Gewohnheit. Er glaubte bei den meisten nicht wirklich daran, dass da etwas bei ihnen hängen blieb, oder sie es gar bemerkten. Dennoch hielt er sie immer über aktuelles Tagesgeschehen und auch über sein trauriges privates Umfeld auf dem Laufenden.

Auch wenn er sie später bettete oder wusch, sprach er mit ihnen. Auszubildende machten sich gern über ihn lustig, doch das war Adam egal. Es war für ihn eine Frage des Respekts den zu Pflegenden gegenüber.