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Die Agentur 01

Geschichte Info
Das Bewerbungsgespräch.
3k Wörter
4.55
18.1k
9

Teil 1 der 5 teiligen Serie

Aktualisiert 06/13/2023
Erstellt 01/16/2023
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"Schön, dass Sie zu uns gefunden haben, Marie. Bevor wir in die Details unseres Gespräches einsteigen und ich Ihnen die Natur unserer Zusammenarbeit näher bringe, unterschreiben Sie bitte diese Geheimhaltungsvereinbarung. Sie schützt die Interessen unserer Klientel und natürlich auch Ihre eigenen."

Die vielleicht 1,75 große blonde Frau beugte sich vor und las aufmerksam die beiden Seiten durch, die ihr über den Schreibtisch hinüber geschoben wurden. Sie befand sich in einem geräumigen Büro weit über den Dächern Berlins. Ihr Gegenüber war ebenfalls eine Frau, die einen langen, schwarzen Rock trug, der ihre noch längeren Beine eng umschlang, sowie eine hochgeschlossene weiße Bluse mit einem ebenfalls schwarzen Blazer darüber. Schwarze Pumps und in einen Dutt gebundene schwarze Haare komplettierten das Erscheinungsbild. Die Frau lächelte freundlich, als Marie ihre Unterschrift unter das Dokument setzte.

"Hervorragend. Nun können wir völlig offen miteinander sprechen. Sie haben uns kontaktiert, weil Sie Interesse daran haben, in unseren Etablissements zu arbeiten. Ich möchte betonen, dass wir nur die besten Kandidatinnen und Kandidaten in unsere Dienste aufnehmen, im Gegenzug aber natürlich auch die beste Bezahlung, die für diese Art Dienst zu erhalten ist, bieten." Die Dame schob einen kleinen, schwarzen Kasten über den Tisch. "Das hier, Marie, ist ein Diktiergerät. Wir nehmen Bewerbungsgespräche auf. Ihr Inhalt wird sich später als außerordentlich wichtig erweisen. Warum das so ist, erkläre ich Ihnen gerne später."

Sie betätigte einen Knopf und eine grüne Diode begann zu leuchten.

"Sind Sie mit der Aufnahme einverstanden, Marie?"

Marie nickte hastig. Sie mühte sich, ihre Nervosität zu verbergen, aber sie hatte das Gefühl, dass das Fräulein Schmidt, wie sich ihr Gegenüber nannte, geradewegs durch ihre selbstbewusste Fassade hindurch sah.

"Sie müssen das schon laut sagen, Marie", sagte Fräulein Schmidt freundlich. "Das Gerät sieht Ihr Nicken nicht."

"Oh - ja, ich bin einverstanden mit der Aufnahme."

"Gut. Das Bewerbungsgespräch beginnt also. Darf ich zunächst fragen, was Sie zu der Entscheidung getrieben hat, sich bei uns zu bewerben? Bitte seien Sie völlig offen. Etwas zu verschweigen oder gar zu lügen wird nicht förderlich sein."

Marie zögerte eine lange Sekunde. Dabei hatte sie sich diese Frage auch schon gestellt. Ursprünglich hatte sie nach ihrer gescheiterten Ehe einfach vorgehabt, sich ein wenig auszutoben. Der Sex mit ihrem Ehemann war in Ordnung gewesen, aber mehr eben auch nicht, und je länger ihre Ehe dauerte, desto seltener war sie überhaupt auf ihre Kosten gekommen. Seine Affäre mit seiner beschissenen Sekretärin hatte das nicht besser gemacht. Ihr Leben war angenehm gewesen - nach ihrer frühen Ehe hatte sie nicht mehr arbeiten müssen, sondern hatte ein Leben als Hausfrau geführt, darüber hinaus ihren Mann bei seinen Geschäftsessen und Wohltätigkeitsveranstaltungen begleitet. Die Kinder, auf die sie beide sich vorbereitet hatten, waren nie gekommen. Das hatte ihre Leben ausgehöhlt und belastet. Und dann ...

"Ich ... war verheiratet. Als ... als mein Mann von Scheidung sprach, war mir nicht klar, was das bedeuten würde. Ich hatte mein Leben an ihm und seiner Arbeit ausgerichtet und mein Studium nicht fortgeführt, als wir heirateten. Ich zog ihm hinterher, von Hamburg nach New York. Nach Kapstadt. Dann wieder nach New York. Er ... hat mich betrogen, mit seiner Sekretärin. Nach über 15 Jahren Ehe. Sie wurde schwanger und ich ... ich war obsolet. Als er die Scheidung einreichte, lernte ich auf die harte Tour, was das Wort 'Ehevertrag' bedeutet."

Auf Fräulein Schmidts Gesichtszügen zeigte sich ein mitfühlender Ausdruck. Sie schien nicht überrascht darüber, welche Leidensgeschichte sich hier gerade offenbarte.

"Ich nehme an, Sie gingen leer aus, Marie?"

"Ja, das ist richtig. Ich hatte von einem auf den anderen Tag nichts mehr. Beide Häuser, die wir besaßen, waren auf seinen Namen eingetragen. Ich hatte keine Ansprüche auf irgendetwas, wegen des Ehevertrags. Ich ... war wohl jung und dumm."

"Sie waren verliebt, Marie. Das passiert den besten von uns. Aber ich muss meine Frage wiederholen: Warum sind Sie dann bei uns vorstellig geworden? Sie verkehrten in Upperclass-Kreisen und unser Metier ist dann doch etwas sehr ... verrucht. Das passt nicht."

"Nach der Scheidung konnte ich mit dem, was ich hatte, so gerade eine kleine Mietwohnung beziehen. Es war an allen Stellen knapp. Aufgrund gewisser Neigungen, die ich Ihnen ja schon übermittelt habe, bin ich im Internet auf Ihre Anzeige gestoßen."

Marie gewann wieder etwas Sicherheit hinzu. Sie erinnerte sich an die Scham, die sie erfüllt hatte, als sie das Online-Bewerbungsformular ausgefüllt hatte. Sexuelle Vorlieben, Abneigungen, Tabus ... so war das also, wenn man sich als Escort irgendwo bewarb. Mittlerweile fiel es ihr leicht, davon zu sprechen.

"Die Kombination daraus, es meinem Ex heimzuzahlen, indem ich meine Vorzüge möglichst vielen anderen zugänglich mache, und dafür auch noch hervorragend bezahlt zu werden, während ich zugleich in einem sicheren Umfeld bin, hat mir die Entscheidung sehr leicht gemacht."

Fräulein Schmidt nickte bestätigend.

"Ja, die Summen, mit welchen wir werben, locken in der Tat recht viele Personen an. Allerdings schaffen es die wenigsten, soweit zu kommen wie Sie, Marie. Das liegt daran, dass die Lebensumstände unserer Bewerber oft nicht d'accord mit unseren Anforderungen sind. Wir haben Ihre Angaben, soweit wir konnten, natürlich geprüft. Dabei haben wir festgestellt, dass Sie uns nicht belogen haben und uns nichts verschwiegen haben - zumindest, soweit wir das prüfen konnten. Ich fasse einmal zusammen und bitte Sie um Bestätigung meiner Worte und natürlich um Ergänzung, wo etwas fehlt."

Fräulein Schmidt räusperte sich, dann las sie von einem weiteren Blatt vor:

"Sie sind ungebunden, haben keine Kinder. Ihre Eltern sind bereits verstorben. Nennenswerter, regelmäßiger Kontakt zu weiteren Familienmitgliedern besteht nicht. Ihr Einkommen besteht aus einer Mischung aus Sozialleistungen und Minijobs. Allerdings haben Sie keinerlei Schulden oder anderweitige Außenstände."

Ein auffordernder Blick in Maries Gesicht.

"Ja ... das stimmt", kam es etwas traurig zurück.

"Damit erfüllen Sie unser erstes Aufnahmekriterium. Es gibt nichts in Ihrem Leben, was Sie daran hindert, sich voll und ganz Ihren neuen Aufgaben zu widmen.

Keine Sorge, das ist etwas Gutes", fügte Fräulein Schmidt an, als sie der Traurigkeit gewahr wurde.

"Auf gewisse Art und Weise befinden Sie sich an der Schwelle zu einem neuen, einem zweiten Leben, Marie. Aber fahren wir fort: Sie sind eine devot veranlagte Frau, die Erfüllung darin findet, anderen zu dienen. Sie empfinden Ihre eigene Unterordnung als etwas Sinnstiftendes und freuen sich ehrlich darüber, anderen etwas Gutes angedeihen zu lassen."

Ein wenig Schamesröte kroch nun doch in das Gesicht der blonden Frau. Sie lächelte etwas peinlich berührt, aber sprach das aus, was von ihr erwartet wurde:

"Ja, das ist wohl so."

"Erfahrungen sexueller Natur in diesem Bereich haben Sie allerdings noch nicht gemacht. Die Intimitäten mit Ihrem Ehemann waren liebevoll und manchmal erfüllend, aber Sie hatten keine Berührungspunkte mit Unterwerfung und Dominanz?"

"Das ... das ist richtig, ja."

"Man könnte sagen, Sie sind ein unbeschriebenes Blatt Papier, was sich nützlich machen möchte?"

"Ja."

"Großartig, Marie. Das ist unser zweites Kriterium. Nun möchte ich Sie bitten, einmal in Ihren eigenen Worten zu beschreiben, wie Sie eine Zusammenarbeit mit uns verstehen."

Marie dachte kurz über die Frage nach. Sie war etwas irritiert, schließlich saß sie doch schon hier und führte dieses Gespräch. Natürlich wusste sie, für welche Arbeit sie sich bewarb: Arbeit in der Horizontalen. Was war also der Zweck hinter dieser Frage? Aber ihre misstrauische Neugierde verschwand rasch:

Fräulein Schmidt würde ihre Gründe haben und es würde gewiss einen angemessenen Zeitpunkt in diesem Gespräch geben, wo Marie ihre eigenen Fragen stellen konnte. Sie legte also die Stirn in Falten und rekapitulierte noch einmal ihre Erwartungen. Im Grunde war's ja einfach, dachte sie, und innerlich mit den Schultern zuckend sprach sie es aus:

"Ich prostituiere mich."

Das Fräulein Schmidt schnaubte belustigt.

"Das ist aber sehr simpel, Marie. Vielleicht möchten Sie mir mehr Details verraten?"

"Sie vermitteln mich an Freier. Sie prüfen die Kunden auf gesundheitliche Aspekte und sorgen für meine Sicherheit, nicht zuletzt deshalb fand ich Ihre Anzeige seriös und erwägenswert. Ich erhalte dafür ein hohes Grundgehalt, das ich mit dem Anbieten ... besonderer Services steigern kann."

Aus der Belustigung wurde ein breites und zufriedenes Lächeln.

"Ja, in der Tat. Ich denke, Sie haben verstanden, worum es geht. Daher ist es nun an der Zeit, dass ich Ihnen die verschiedenen Modelle, die wir anbieten, erkläre. Sie wundern sich gewiss darüber, weshalb wir unseren Damen eine solche Summe anbieten."

Das fragte sich Marie in der Tat. Die Summe, die in der Anzeige geboten wurde, war im niedrigen fünfstelligen Bereich - pro Monat. Mit ein Grund, weshalb sie sich überhaupt keine Chancen ausgerechnet hatte. Solche Summen verdienten gewiss nur blutjunge Edelnutten in ihrem ersten Jahr, aber keineswegs eine Marie. Marie war fast 40. Ihr Erscheinungsbild war attraktiv, gepflegt, und auch, wenn sie für ihren Geschmack fünf Pfund zuviel auf den Hüften hatte, verstand sie, dass andere diese Kurven wirklich zu schätzen wussten. Dennoch blieb dieses subtile Gefühl, ein kritisches Detail noch nicht erfasst zu haben. Gespannt wartete sie darauf, dass Fräulein Schmidt weiter redete.

"Wir bezahlen einem bestimmten Grund sehr gut, Marie: Sie werden nicht die Möglichkeit haben, eine 'Szene', wie wir die von Ihnen erbrachte Dienstleistung nennen, abzubrechen. Natürlich können Sie eine Szene im Vorfeld ablehnen - Sie erhalten eine grobe Beschreibung der Szene, lange genug bevor Sie beginnt. Aber haben Sie sich erst dazu entschieden, an einer Szene teilzunehmen, wird diese Szene zu Ende gebracht - ganz gleich, was in der Szene geschieht. Eine solche Szene kann sehr liebevoll und intim gestaltet sein. Sie kann aber auch sehr hart, schmerzhaft und körperlich wie geistig fordernd sein. Das ist gänzlich abhängig von der Natur der Szene, welche der Kunde in Absprache mit uns vorgibt. Um es ganz deutlich zu sagen: Die Szenen reichen von Escort-Dates und erotischer Abendbegleitung bis hin zu BDSM-Spielen, die in ihrem Extrem sehr, sehr weit gehen können."

Fräulein Schmidt ließ Marie Zeit, diese Aussage zu verstehen, und ließ geschickt Platz für eine kurze Nachfrage. Die kam auch recht bald:

"Also ... wenn ein Kunde etwas tut, was ich nicht will, muss ich das dennoch über mich ergehen lassen?"

"Richtig."

"Was, wenn ich mich wehre? Weglaufe?"

"Die Reaktion auf Ersteres ist dem Kunden überlassen. Er kann Ihnen Zeit lassen, von seinem Vorhaben ablassen. Er kann Sie überreden, Ihnen gut zureden. Aber er kann Sie ebenso überwältigen und Ihnen Schmerzen zufügen, Sie zu dem, was abgesprochen ist, zwingen. Außerdem kann der Kunde die Szene abbrechen und sein Geld zurückfordern, welches wir dann von Ihrem Gehalt abziehen. Wenn Sie beispielsweise als Sexsklavin gebucht sind und eine Praktik an Ihnen ausgeübt wird, die Ihnen nicht gefällt, müssen Sie diese Praktik dennoch ertragen. Ganz gleich, wie hart das ist. Was das Weglaufen angeht, ist es etwas komplizierter."

"Komplizierter?"

"Ja. Wir werden Sie natürlich nicht Ihrer Freiheit berauben. Allerdings stellen wir natürlich sicher, dass die Interessen unserer Agentur wie auch unserer Kunden gewahrt bleiben. Sollten Sie, platt gesagt, davon laufen, müssen Sie Kontakt zu uns aufnehmen, um an Ihr Geld zu kommen. Es wird treuhänderisch von uns verwaltet, bis Sie oder wir uns dazu entscheiden, unsere Arbeitsbeziehung zu beenden. In diesem Fall erhalten Sie die volle Summe, die Sie bis dahin verdient haben, sowie eine an Ihren bisherigen Dienstleistungen bemessene Abfindung. Wenn Sie also wirklich fortlaufen, kehren Sie einfach in Ihr Leben zurück - aber eben ohne Geld."

"Aber wie bezahl ich denn dann die Miete?"

Die plumpe Zwischenfrage verschaffte Marie etwas Zeit, über das Gehörte nachzudenken. Sie spürte, wie in ihr verschiedene Gefühle miteinander stritten. Gefühle, die sie bisher nicht wirklich empfunden hatte. Ein flaues Gefühl im Magen, aufsteigende Nervosität und Unsicherheit - und war das sogar ein Hauch von Erregung, den sie da verspürte? Sie ließ ihre Fantasie probeweise losfliegen, horchte in sich hinein, versuchte, ihre Empfindungen zu erkunden. So nahm sie nur nebenbei die Antwort auf ihre Frage zur Kenntnis:

"Solange unser Vertragsverhältnis andauert, wird die Agentur für Ihre Unterkunft sorgen. Wir haben hervorragende Räumlichkeiten, um für Ihre körperliche und geistige Erholung zwischen einzelnen Szenen zu sorgen und um Ihre Fähigkeiten kontinuierlich zu fördern. Fitnessräume, Wellnesscenter, erstklassige medizinische Versorgung, und natürlich unberührte Natur. Aufgrund der exklusiven Natur unserer Services liegen unsere Niederlassungen eher abgelegen."

Diese und auch die letzten Antworten ließen Marie in einem seltsamen Zustand zurück. Das war weit mehr als nur eine Highclass-Escort-Agentur. Das war verbindlicher, besser bezahlt - und ungleich härter. Echter. Unwillkürlich lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück, schob die Sitzgelegenheit sogar einige Zentimeter zurück und erhöhte so den Abstand zwischen sich und Fräulein Schmidt. Sie empfand Unbehagen und einen Hauch von Angst. Ihrem Gegenüber blieb das nicht verborgen.

"Bitte haben Sie keine Sorge, Marie. Sie können jetzt und hier aufstehen und gehen, es wird nicht zu Ihrem Nachteil sein. Melden Sie sich bitte beim Empfang, damit Ihre Auslagen für die Anreise erstattet werden. Außerdem erhalten Sie eine gewisse Summe Geld, um Sie für die bisherige Offenheit und Ehrlichkeit zu entlohnen und als Erinnerung an die Diskretion, um welche wir Sie einerseits bitten und zu welcher Sie sich andererseits vorhin verpflichtet haben. Sollten Sie allerdings hier bleiben, erläutere ich Ihnen gerne die exakten Konditionen einer möglichen Zusammenarbeit."

Sie machten ihr das wirklich leicht, erkannte Marie. Einfach gehen - und sogar dafür bezahlt werden. Warum taten sie das? Ihr vorsichtiger Kopf mahnte sie, diese Gelegenheit zu ergreifen. Wer wusste schon, was für perverse Gelüste diese Freier an ihr ausleben würden? Männer waren schlimme Geschöpfe. Rücksichtslos und berechnend. Femizid, häusliche Gewalt, Ehrenmorde - immer waren es Männer, die diese schrecklichen Taten begingen. Und nun sollte sie dafür bezahlt werden, sich ohne jede Begrenzung auszuliefern und alles hinzunehmen, was man ihr antat? Man würde sie vergewaltigen können. Brutal zusammenschlagen können. Um Himmels Willen, näher an eine tatsächliche Sklaverei kam man gewiss nicht, ohne Gesetze zu brechen. Kam all das überhaupt jemals für sie in Frage, selbst für alles Geld der Welt? Und konnte sie überhaupt darauf vertrauen, dass sie ihr Geld erhalten würde? Ja, die Anzeige und alles, was ihr bisher begegnet war, wirkte seriös, aber das musste nichts heißen.

Aber da war auch diese kleine, gemeine Stimme in ihrem Kopf, die ihr vermeintlich unschuldig zuflüsterte: "Aber was, wenn doch?" Sie konnte das ja erst einmal ausprobieren. Vielleicht würde ihr das gefallen. Das Ausliefern. Das Unterordnen. Wenn das hier wirklich ein Bewerbungsgespräch war, dann gab es doch bestimmt auch eine Probezeit. Das ähnelte ihren Fantasien, wenn es auch viel extremer war als alles, was ihr bisher eingefallen war.

Hin- und hergerissen wand sie sich auf ihrem Stuhl, unentschlossen ob sie nun gehen oder doch bleiben sollte. Das Fräulein Schmidt nahm ihr die Entscheidung ab.

"Da Sie noch sitzen, Marie, erlaube ich mir, fortzufahren. Die genauen Konditionen lauten wie folgt. Pro Monat nehmen Sie an bis zu vier Szenen Teil. Zwischen jeder Szene liegen mindestens fünf Tage, die Sie zur Erholung, Entspannung, Sport, Kultur, Bildung oder was immer Ihnen einfällt nutzen können, allerdings in Räumlichkeiten der Agentur. Wir haben sogar Videospiele und so ziemlich jeden Streaming-Anbieter, den es auf dem Markt gibt."

Ein Zwinkern begleitete diese Erklärung.

"Je nach Intensität der Szene können Sie auch längere Pausen einlegen. Es wird allerdings erwartet, dass Sie mindestens eine Szene innerhalb von drei Monaten begleiten. Tun Sie das nicht, endet unser Arbeitsverhältnis. Wie hoch Ihr tatsächliches Gehalt ist, hängt von der Länge der Szenen ab. Die erste Stufe, niedrig fünfstellig, geht von einer Szenendauer von zwei bis vier Stunden aus. Die zweite Stufe, im mittleren fünfstelligen Bereich, beinhaltet Szenen, die bis zu drei Tage lang andauern können. Die dritte Stufe ist sechsstellig dotiert. Deutlich sechsstellig. Allerdings ..."

Eine Kunstpause.

"... Ist dieses Modell etwas anders gestaltet. In diesem Modell haben Sie zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit, Ihre Einwilligung zu widerrufen. Sie leben quasi in einer einzigen großen Szene, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Sie erhalten in jedem Jahr exakt einmal die Möglichkeit, dieses Dienstverhältnis zu verlassen. Das ... ist die extremste Dienstleistung, die wir anbieten, wie auch die teuerste. Es ist nicht möglich, diese Variante zu vereinbaren, bevor Sie nicht eine gewisse Zeit mit uns verbracht haben, aus recht offensichtlichen Gründen.

In jedem Fall wird unser Vertragsverhältnis mit einer dreimonatigen Probezeit beginnen. Während dieser werden wir Ihnen unsere Räumlichkeiten näherbringen und gemeinsam mit Ihnen herausfinden, für welche Szenen Sie besonders gut oder besonders schlecht geeignet sind. Ihre Probezeit endet mit der ersten Szene, welche Sie professionell begleiten. Nach dieser Szene sind Sie entweder fest angestellt - oder unser gemeinsamer Weg endet. In beiden Fällen erhalten Sie eine Prämie."

Nun lagen offensichtlich alle Karten auf dem Tisch. Marie verstand nun, warum alles, was zu diesem Gespräch geführt hatte, so distanziert und förmlich gewesen war. Sie verstand den offiziellen Charakter und die vorhergegangene Geheimhaltungsvereinbarung. Ihr Exmann hatte, wenn er Geschäfte gemacht hatte, dieselbe Professionalität an den Tag gelegt. Immer dann, wenn es um viel Geld gegangen war, waren solche Vereinbarungen wichtig geworden. Sie erinnerte sich an das ein oder andere Geschäftsessen, wo sie im manchmal gewagten, öfters aufreizenden, aber immer stilvollen Abendkleid an der Seite ihres Mannes in edlen Restaurants gesessen hatte und parliert hatte. Sie hatte über Kunst gesprochen, über Nichtigkeiten, manchmal sogar über Fußball, wenn der Geschäftspartner ihres Mannes sich dafür interessierte. Sie hatte eine Kunst daraus gemacht, unverbindliche, charmante Gespräche zu führen. Das war der Wert gewesen, den sie für ihren Ehemann gehabt hatte:

Die ablenkende Schönheit sein, die dafür sorgte, dass ein Glas Wein mehr getrunken wurde, als für ein Geschäftsessen gut war. Sie hatte diese Rolle durchaus genossen. Ihre Attraktivität hatte ihr Macht über die Situation verschafft, sie hatte sich gebraucht gefühlt. Je älter sie wurde, desto stilvoller kleidete sie sich bei diesen und ähnlichen Gelegenheiten. Sie wurde unnahbarer und damit begehrenswerter. Sie vermisste den bewunderten, fast hilflosen Blick der Männer, für die sie unerreichbar gewesen war, und auch den selbstzufriedenen Gesichtsausdruck, den ihr Mann so häufig hatte, wenn er sein Geschäft abgeschlossen hatte. Sie war für ihn eine Waffe gewesen, scharf im doppelten Wortsinne. Dass er sie nun nicht mehr brauchte, versetzte ihr einen scharfen Stich.

Die Stille im Raum wurde immer länger, sie dehnte sich wie ein Kaugummi, und wie eine Kaugummiblase platzte die Stille abrupt auf, als Marie sagte:

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