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Die Farben des Lebens

Geschichte Info
Die Insel.
12.1k Wörter
4.2
43.4k
2
Geschichte hat keine Tags

Teil 1 der 2 teiligen Serie

Aktualisiert 03/17/2021
Erstellt 08/24/2009
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Andy43
Andy43
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Hallo Freunde. Die Geschichte, die ich Euch präsentieren will, ist ein bereits fertig gestellter Roman, den ich vor etwa sechs Jahren geschrieben habe. Mein "Erstlingswerk" sozusagen.

Er ist recht Umfangreich. Habe ihn in meinem Fundus (Dateien) "wiederentdeckt". Er spielt u. a. auf Teneriffa; Hamburger Kietz. Wenn Ihr Interesse an weiteren Folgen haben solltet, lasst es mich wissen.

Es ist eine spannende Geschichte ( denke ich )zweier ungleicher Brüder. Der eine eher sensibel zurückhaltend und der andere ein Mann vom Kietz, aus dem Milieu. Eine Geschichte auf unterschiedlichen "Ebenen". Viel Spaß. Andy

*

Die Insel

Die kühle Bergluft durchströmte seine Lungen bis in die feinsten Verästelungen.

Er genoss den Moment des Sonnenaufganges über den Wipfeln der schlanken, riesenhaften Tannen am Berghang. Sie warfen lange, fingergleiche Schatten auf die Wiesen und den feinen Schnee vor der Hütte. Die Sonne malte allmorgendlich ihre goldroten Farben auf die nackten Felswände des nahen, gegenüberliegenden Gebirgszuges.

Ron zog an der schweren, massiven Tür, die sich knarrend in das alte Schloss warf, als wäre es das letzte Mal. Die Feuchtigkeit der Nacht lag in der Luft und verflüchtigte sich allmählich in Form von leise aufsteigenden Dunstschleiern. Die Sonne schuf sich ihren Tag.

Es war einer jener winterlichen Tage im Vorgebirge, die zum Wandern einluden. Ron kannte die Gegend aus seiner Jugend. Großvater lebte einst hier und bewirtschaftete einen kleinen Hof mit Milchvieh. Die Hütte war alles, was geblieben war und die Erinnerung an manche, schönen Tage im Gebirge. Hier übernachteten sie oft, nachdem die Tiere auf die höher gelegenen Wiesen getrieben waren, um dort den Sommer über zu weiden. Nach Großvaters Tod verkaufte Mutter den Hof und die Stallungen mit samt Inventar und Vieh an die Genossenschaft im Dorf. Das einzige was Ron blieb, war diese Hütte auf der Hochalm und die Erinnerung. Es gab dieses Jahr nicht viel Schnee und er meinte sich zu erinnern, dass das früher noch anders gewesen war.

Alles hier schien ihm vertraut und doch so fremdartig. Vielleicht lag es an den gegensätzlichen Umständen in denen sein Leben in der letzten Zeit pendelte.

Der Weg schlängelte sich leicht über die sanften Hügelketten und führte

durch die tannenbesäumten Schluchten hinauf zu den mächtigen Felsgraten und

kleineren Bergwiesen, auf denen vereinzelt noch die verharschten Schneefelder zu sehen waren, die der aufgehenden Sonne bislang erfolgreich getrotzt hatten. Auch sie würden bald verschwunden sein. Der Weg wurde beschwerlicher. Abgehende Felsbrüche hatten im Tauwetter den Aufstieg durch die Schlucht unwegsam gemacht. Der Wildbach kämpfte sich seinen Weg durch die neuen Geröllmassen, die sich in seinem Bett breit gemacht hatten. Dabei hatte er sich einen Teil des Weges zu eigen gemacht, welcher an ihm entlang führte. Großvater hatte erzählt, dass dieser Weg schon im späten Mittelalter von Händlern zum Transport von Waren, insbesondere von Salz genutzt wurde. Ron stieg auf die größeren Felsbrocken und Baumstämme, um keine nassen Füße zu bekommen. Das kalte Schmelzwasser gurgelte zwischen den Steinen und Ästen der entwurzelten Bäume umher und stürzte weiter in Richtung Tal.

Je weiter er in die Schlucht hineinging, desto enger und kühler wurde es.

Die Sonnenstrahlen erreichten den felsigen, glitschigen Grund des Steiges nicht mehr, sondern legten sich wie eine Krone aus rotem Gold auf die zerklüfteten Felskanten zu beiden Seiten. Wasser trat als kleine Rinnsale aus den Felswänden und tropfte aus den mit Moos bewachsenen Felsüberhängen und machte den Weg schlüpfrig. Der Weg durch den Berg wurde steiler. Die Tritte wurden mühsamer.

Terrassenförmig führte der Weg weiter hinauf, wie auf einer Treppe, die für Riesen gebaut war. Für die Mühsal der letzten schweißtreibenden Höhenmeter wurde der Wanderer immerhin königlich entlohnt. Mit einem brillanten Ausblick über das Tal und die umliegenden Bergketten und Tannenwälder. Diese Hochebene lag auf halbem Wege zum eigentlichen Ziel seiner Wanderung, den Steinriesen am Gipfelkreuz. Ron setzte sich auf das frische Gras und lehnte sich gegen einen umgestürzten, dürren Baumstumpf, den die Witterung von seiner Rinde befreit hatte und wie einen versteinerten Saurierknochen aussehen ließ.

Sein Blick schweifte über die Landschaft. Der stahlblaue Himmel erhob sich über das satte Grün der umliegenden Wälder und Hügel, die stellenweise vom seidigen Glanz des Schnees umschmiegt wurden. Der klare, kühle Wind des Vormittags trieb den milden Duft der Tannen durch die Luft.

Das Wetter konnte sich schnell ändern in den Bergen. Aber die Natur hatte ein Einsehen und legte ihre schönsten Farben auf. In der Ferne erkannte er die zackigen Enden der Steinriesen, welche sich wie steinzeitliche Speerspitzen

in den Himmel bohrten. Ein Felsgrad mit bizarrem Aussehen. Ein geschmiedetes

Gipfelkreuz krönte diesen hohen Punkt am Ende des Aufstieges. Ein Kreuz, ähnlich wie das auf Großvaters Grab im Tal an der Kapelle St. Katharina.

*

Ratternd donnerte der Dreißigtonner den provisorischen Weg zur Baustelle hinauf. Der feine, aufgewirbelte Staub trübte den Blick zum Meer, das einem öligen Stahlblech gleich, im Glanz der Mittagssonne schimmerte. Die leichte Meeresbrise kräuselte die Staubkörner zu kleinen Tornados, die um die vertrockneten Grashalme streunten. Der Rohbau der Ferienanlage war bis zum dritten Stockwerk fortgeschritten. Stahlmatten und Bewehrungseisen lagen bereit für den letzten Deckenguss. Ein paar Bauarbeiter bewegten sich mühsam auf den schmalen Graten der Betonstürze. Die Sonnenstrahlen prasselten unerbittlich auf das Rohbaugerippe. Das gigantische Baustellenschild verkündete in spanischer und deutscher Sprache das in Küstennähe entstehende Bauvorhaben. „Garten der Palmen", so illusionierte der Titel der Werbeprospekte und Werbetafeln den zukünftigen Zustand der Anlage.

Ein Paradies für sonnenhungrige Saisonurlauber, ein Domizil für jung gebliebene Rentner, welche den nasskalten Wintern ihrer Heimat entfliehen wollen, ein Investitionsobjekt bester Qualität, mit hoher Rendite.

Ron ordnete seine Unterlagen in der Reihenfolge seiner standardisierten

Argumentations- und Vorgehensweise, so wie vor jedem Verkaufsgespräch.

Die zukünftigen Besitzer, ein älteres Ehepaar aus Deutschland, sollten auf

ihr neues Zuhause positiv eingestimmt und zu weiteren Abschlagszahlungen animiert werden. Die erste Zahlung von fünfzigtausend Euro war bereits bei Unterzeichnung des Vorvertrages fällig geworden und schon verbaut. Die nächste Zahlung sollte nunmehr den Baufortschritt und dem angeschlagenen Bauträger einen weiteren Monat das Überleben sichern, was den zukünftigen Eigentümern natürlich sorgfältig verborgen gehalten wurde.

Längst waren nicht alle Wohnungen und Apartments verkauft worden.

Die Hälfte des Objektes stand noch zum Verkauf. Gearbeitet wurde meist nur in den Wintermonaten. In dieser Zeit reisten auch die meisten älteren und kurz entschlossenen Urlauber auf die Insel. Diese Zeit war auch Rons beste Gelegenheit neue, potenzielle Kunden zu gewinnen. Diejenigen, welche bereits gekauft und angezahlt hatten wurden gezielt eingeladen, um den Baufortschritt zu begutachten. In den übrigen Zeiten des Jahres wurde nur sporadisch oder gar nicht gearbeitet. So wie Geld zur Verfügung stand. Ron hatte sich damals breit schlagen lassen, nach seinem abgebrochenen Wirtschaftsstudium für diese Firma auf Provisionsbasis zu arbeiten. Fünfhundert Euro für jede Vertragsunterschrift waren ein gutes Argument gegen seine ständigen Geldsorgen.

Nun war er schon den zweiten Winter dabei. Der Verkauf lief. Das der deutsche

Bauträger, der ein kleines Büro in der Inselhauptstadt betrieb, ohne eine örtliche Baugenehmigung abzuwarten mit dem Bau der Anlage begonnen hatte, machte ihm keine Kopfschmerzen. Hier dauerten die Genehmigungsverfahren teilweise mehrere Jahre und schließlich wurden die verantwortlichen Beamten und der zuständige Bürgermeister durch freundschaftliche Zuwendungen in Form von Einladungen auf das Landgut des Bauträgers bei Laune gehalten.

Und schließlich brachte der Zuzug von solventen Rentnern und die Investitionen

der Spekulanten, die jene Ferienwohnungen vermieten würden, eine Menge Steuergelder in die Stadtkasse und unterentwickelte Region.

Ron ging mit breitem Lächeln und ausgestreckter Hand auf das Ehepaar aus Norddeutschland zu. Kennen gelernt hatte er sie damals in einem Hotelrestau-rant auf der Nachbarinsel. Als sie den Aushang im Hoteleingang studierten, in dem ein Werbeplakat der Anlage hing, hatte er sie angesprochen.

„Wie sie sehen geht es mit unserem Objekt zügig voran". „Es sind fast alle Apartments verkauft. In dieser Woche denken wir die restlichen acht Wohnein-heiten zu verkaufen. „Prima, das geht ja wie geschmiert" erwiderte der Norddeutsche mit einem Lächeln. „Zweifelsohne", erwiderte Ron. Das Gespräch entwickelte sich im Verlauf der Besichtigung wie gewohnt erfolgreich. Er schüttelte beiden zum Abschied die Hand. „Sie werden sehen, sie haben sich für ihre Zukunft hier im Garten der Palmen richtig entschieden. Ihre Wünsche in Bezug auf Sanitäranlage und Fußbodenbeläge werden wir wie besprochen berücksichtigen. Damit wir die Materialien ordern können, wird die vereinbarte Abschlagssumme von ihrem Konto nächsten Monat abgerufen. Über den weiteren Baufortschritt werden wir sie auf dem laufenden halten. Eine Einladung zum Richtfest und zur Eröffnungsfeier im nächsten Winter erhalten sie dann rechtzeitig mit der Post." Das war sein Standardsatz am Ende der Besichtigung. Das be-reits die ersten Käufer vom vorletzten Jahr, aufs nächste Jahr vertröstet werden mussten, trübte sein Gewissen nicht im geringsten. „Fünfhundert Euro, sind fünfhundert Euro," dachte er.

Mit einem leichten Lächeln im Gesicht fuhr Ron die Staubige Schotterstraße zurück in Richtung Stadt, wo er für ein paar Monate ein kleines Apartment von einem Freund gemietet hatte, der hier im Immobiliengeschäft tätig war. Von ihm war auch der Tipp, für ihn Apartments an Urlauber zu verkaufen.

Die Straße schlängelte sich durch die sanft zum Meer abfallenden, öden, mit braunschwarzem Lavagestein bedeckten Hänge. Dies war kein Ort, um für immer zu bleiben. Die Brandung schlug mit lautem Getöse gegen die schroffen Felsen, die sich trotzig gegen sie auflehnten. Die Gischt peitschte bei jedem anrollen der Wellen über die seit Jahrtausende erkaltete Lava, die sich wie ein Panzer über die Küste gelegt hatte. Das Erreichen der Stadt war wie der Einzug in den Garten Eden. Die Stadt war wie immer mit Autos und Bussen voll gestopft. Zwischen den bunten Hemden und Kleidern der Touristen stachen die schwarz gekleideten Marktfrauen, wie Zahnlücken hervor. In ihrer traditionellen Bekleidung hinterließen sie den Eindruck, als gehörten sie nicht zur Ausstattung. Am Rande der Straße boten Sie den Touristen einheimische, handgefertigte Produkte an. Von Tonkrügen, über Knüpfteppiche bis hin zu feinen Lederwaren und importierter Billigbekleidung, war alles zu bekommen.

Ron bog in eine kleine Seitenstraße. Das Getümmel ebbte ab.

Kinder spielten ihre Hüpfspiele, die sie mit Kreide auf den Gehweg gemalt hatten. Ein paar Häuserecken weiter, und Ron parkte seinen Wagen vor einer mit weißer Farbe getünchten steinernen Umfriedung. Dahinter lag ein kleines Haus im Bungalowstil, welches mit dem zum Leben notwendigsten ausgestattet war.

Am plätschernden Geräusch des Wassers aus der Nasszelle vernahm er, dass Maren bereits aufgestanden war. Sie arbeitete bei einem Reiseveranstalter als

Animateurin bis in die Abendstunden in einer Klubanlage nahe der Stadt. Anschließend kellnerte sie in einem kleinen Restaurant im Zentrum.

Sie hatten sich vor Kurzem auf einer Semesterabschlussparty in Hamburg ken-nen gelernt. Sie studierte Kunst. In den Semesterpausen jobbte sie, um nicht finanziell von ihren vermögenden Eltern abhängig zu sein, auf der Insel. Der Job hier war ein Glücksfall.

Ron bereitete derweil ein schnelles, spätes Frühstück vor. Kaffee, Orangensaft, einige frisch geröstete Toast, Honig und Eier.

Maren kam in die angrenzende Wohnküche und rubbelte sich die Haare trocken.

Sie hatte sich ein langes buntes Badetuch über die Brust verknotet und begrüßte Ron mit einem Lächeln. „Na, wie war´s, fragte sie. Hattest du Erfolg?"

„Es lief wie geschmiert," antwortete Ron mit zufriedenem Lächeln.

„Nun lass uns erst einmal etwas essen. Du musst um halb eins im Klub sein. Ich habe noch etwas Zeit und kann dich anschließend dorthin fahren," sagte Ron. „Super, erwiderte Maren kurz und verschwand im Nebenraum. Ich ziehe mich nur schnell an." Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie Maren ihr

Sweatshirt mit dem aufgedruckten roten Klublogo über ihren Kopf zog.

Das gleißende Licht der Mittagssonne durchströmte die kleinen Schlitze in den Blendladen der Fenster und umschmiegten alles mit einem hellen Schleier.

Die kleinsten Löcher wurden zu hellen Spots und machten alles zu einer Bühne.

Seit acht Tagen wohnten sie nun zusammen. Kaum, dass sie sich ein paar Wochen kannten, fassten sie den Entschluss gemeinsam auf die Insel zu ziehen.

Sie mochten sich, aber dass es so richtig gefunkt hatte, konnte keiner von beiden behaupten. Es war eher eine freundschaftliche Beziehung entstanden. Jeder lag in seinem Schlafsack, aß von seinem Teller, trank aus seinem Glas, ging mehr oder weniger unbeobachtet seiner Tätigkeit nach, eine Zweckgemeinschaft. So dachten beide.

Nicht, dass sie gegenseitig unattraktiv aufeinander gewirkt hätte. Aber es war eben nur Freundschaft.

Maren war eher die kühle Blonde aus dem Norden, obwohl sie das von sich nie behauptet hätte. Sie hielt sich eher für einen Vernunftmenschen, der, bevor er eine Entscheidung trifft, jede nur erdenkliche Situation auslotet, mögliche Konsequenzen vorhersieht und so zu einer Entscheidung gelangt. Das hatte sie bisher immer so gehalten und damit ihr Leben gut im Griff. Über ihr Aussehen machte sie sich keine Gedanken. Ich bin wie ich bin, sagte sie sich.

Kein Model, aber auch kein Trampel. Jeder der mich kennen lernen will, muss mich annehmen, wie ich nun mal bin. Schließlich male ich, was ich sehe, und ich sehe, wie es ist. Das sollen die anderen gefälligst auch so halten, jedenfalls was sie anginge. Sie machte sich einfach keine Gedanken über ihr Aussehen. Jedenfalls nicht so, wie einige Mädels auf der Uni. Die hatten teilweise nichts anderes zu tun als sich über ihre Nasen und Oberweiten zu unterhalten.

Die eine Bekannte war klein, hatte eine riesige Oberweite und wünschte sich eine Verkleinerung und die andere war platt wie ein Brett.

„Na und, hatte sie beiden Mädels einmal entgegnet, nehmt es so, wie es ist. Die Männer müssen´ s auch."

„Na du hast gut reden, erwiderte die Plattbrüstige. Du brauchst dir um deine Zukunft ja wohl keine Gedanken zu machen. Ich muss schon sehen wo ich bleibe."

„Du meinst, weil meine Eltern Kohle haben, sind meine zukünftigen Wege bereits geplant und mein Märchenprinz würde schon warten, sagte Maren mit nachdenklicher Mine mehr zu sich selbst, als zu den anderen beiden. Such´ dir doch hier auf der Uni einen angehenden Schönheitschirurgen, der zuhause Papas gut gehende Praxis übernimmt, dann schlägst du gleich drei Fliegen mit einer Klappe", entgegnete Maren der Plattbrüstigen.

„Hahaha, gab die Plattbrüstige eine wenig säuerlich zurück, und wieso eigentlich drei Fliegen?"

„Na, zwei dicke Titten und den Kerl," prustete Maren aus sich heraus.

Maren bürstete sich die strohblonden Haare glatt, schlüpfte in die Turnschuhe und setzte sich an den Tisch. Ron hatte bereits den Kaffee eingegossen und die

Toastscheiben auf die Teller verteilt. „Danke, sagte Maren mit einem lächeln, wie bei Muttern zu hause."

„Nun weist du, was du an mir hast," meinte Ron.

„Hast du heute noch einen Verkaufstermin," fragte Maren.

„Nein, ich fahre gleich in die Stadt zur Bank und schaue nach, ob schon Geld überwiesen worden ist. Es wird langsam Zeit. Das Honorar der letzten zwei Verkäufe ist überfällig. Wenn noch kein Geld da ist, werde ich mit Markus sprechen, wie es weiter gehen soll. Schließlich bin ich auf das Geld angewiesen."

„Nur gut, dass wir hier keine Miete zahlen müssen, meinte Maren, das ist ja schon mal etwas. Im letzten Jahr habe ich noch im Klubhotel ein Zimmer mit einer Kollegin teilen müssen. Zwar kostenlos, aber das war nicht so das Ideale. Die hatte einen Putzfimmel. Nichts gegen Sauberkeit, aber die ist mir gewaltig auf den Nerv gegangen. Und das hier ist ja wie im Paradies."

„Und der Adam gefällt dir zufällig auch", warf Ron mit einem fragenden Unterton ein.

„Nun bilde dir mal nichts auf deine Latinobräune ein", verriet Maren. „Aha, da haben wir´s mal wieder, das erste was dir an mir auffällt ist der bestechend gute Zustand meiner Haut. Ich habe immer gedacht, bei dir zählen die inneren Werte eines Menschen," konterte Ron mit ironischem Unterton.

„Na, die hast du mir bis jetzt noch vorenthalten", meinte Maren.

„Was nicht ist, kann ja noch werden", sagte Ron und zwinkerte Maren zu. Beide lachten.

„Komm, es wird Zeit, deine dickbäuchigen Pauschaltouristen warten darauf sich von dir animieren zu lassen," meinte Ron, während sie in den Wagen stiegen.

„Du, lass mal, da sind einige dabei, die haben einen gut trainierten Körper und was viel wichtiger ist, die sind alle gut drauf."

Hast dir wohl schon einen ausgeguckt," sagte Ron. „Nee, auf eine Urlaubsbekanntschaft habe ich nun wirklich keine Lust," entgegnete Maren mit Nachdruck. Im übrigen ist uns das verboten."

Ron hielt den Wagen vor dem Eingang zum Klubhotel an. „

Wenn ich es schaffe, bin ich gegen neun Uhr im Restaurant. Ich hole dich auf jeden Fall dort ab."

„Ist gut, sagte Maren, dann bis heute Abend". Sie schlug die Tür des Wagens zu.

*

Stundenlang hätte er hier sitzen bleiben können. Aber sein Ziel war es, noch in den frühen Nachmittagsstunden den Gipfel zu erreichen. Er setzte sich auf und blickte in Richtung des sich durch die Wiesen windenden Pfades. Nur gelegentlich säumten noch ein paar Bäume den Weg. Er vernahm das Rauschen des Windes, der sich in den Tannen verfing. Die Sonnenstrahlen blinzelten durch die Äste und Nadeln an den Zweigen, und manchmal hatte er den Eindruck, als würde er am Strand sitzen und durch Marens sonnendurchflutete Haarsträhnen blicken. Seit der Zeit auf der Insel waren nunmehr zwei Tage vergangen. Sein Blick schweifte über den stark ansteigenden Weg zum Hang hinauf, unter die Felsbrocken hinweg, die sich aller Erdanziehung zum Trotz, in den Berg gekrallt hatten. Sie hingen teilweise wie reife Trauben über dem Weg und schienen nur darauf zu warten, endlich einem einsamen Wanderer einen Schrecken einjagen zu können. Nach einer Weile und ungefähr fünfzig Höhenmetern erreichte er den Felsrücken. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick über die umstehenden Hügel und Felsgrate in der Umgebung

Es war ein Tag wie gemalt. In der Ferne konnte man den Nebel in den Tälern und an den Felswänden aufsteigen sehen. Weit entfernt hörte er den Wasserfall des Gebirgsbaches in das Tal herabstürzen, welches er wenige Stunden zuvor durchschritten hatte. Nun waren es noch etwa dreißig Minuten Fußmarsch den Bergrücken entlang bis zum Gipfelkreuz. Die schönste Strecke der ganzen Wanderung. Immer mit dem Blick rechts und links in die Weite der Landschaft. Ron dachte an Großvater und an den ersten gemeinsamen Aufstieg. Er erinnerte sich an das Gesicht, das Großvater damals machte, als er über die Landschaft sah. Mit leicht zusammengekniffenen Augen ließ er seinen Blick über die Hügelketten schweifen. Mit einem Ausdruck von unendlicher Ehrfurcht vor der Natur und ihren Geschenken, wie er zu sagen pflegte. Die Geschenke, das waren für ihn die Pflanzen und Tiere. Der Steinadler am Himmel genauso wie die Kuh in seinem Stall. Das Gras für das Vieh, wie die Blume an seinem Hut. Wenn Ron seinen Großvater mit einem Wort hätte beschreiben sollen, so hätte er gesagt, er sei ein Erdmensch. Wie immer man das Wort auch hätte verstehen können, für Ron war es das Richtige. Ein Mensch, dem es gefiel in der Erde zu graben, sie in den Händen zu halten, an ihr zu riechen und dem es gefiel bei strömenden Regen die Kühe von der Wiese zu treiben und sich die pralle Sonne beim Heumachen auf den Hut scheinen zu lassen. Ich glaube, Mutter hatte das einmal zu mir gesagt, Großvater sei ein Erdmensch, grübelte er.

Andy43
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