Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Die zweite Chance Teil 02

Geschichte Info
Fortsetzung von Die zweite Chance
6k Wörter
4.71
13.1k
9
Geschichte hat keine Tags

Teil 2 der 8 teiligen Serie

Aktualisiert 12/29/2023
Erstellt 10/06/2023
Teile diese Geschichte

Schriftgröße

Standardschriftgröße

Schriftabstand

Standard-Schriftabstand

Schriftart Gesicht

Standardschriftfläche

Thema lesen

Standardthema (Weiß)
Du brauchst Login oder Anmelden um Ihre Anpassung in Ihrem Literotica-Profil zu speichern.
ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

Vielen Dank für das positive Feedback zum Start der Geschichte. Ich hoffe ich kann die Erwartungen an den weiteren Verlauf ansatzweise erfüllen.

Ein ganz besonderer Dank geht an meine Frau Vanessa, die sich für das Lektorat aufopfert und meine zum Teil sehr anstrengende Schreibweise in ein lesbares Werk verwandelt.

-------

Tobias

Der Aufenthalt im Krankenhaus sollte nicht allzu lange dauern. Am Montag hatte ich meinen Arbeitgeber informiert und Miriam aus der Zentrale, eine wirklich großartige Vorgesetzte, kümmerte sich direkt darum, meine Termine für diese Woche zu verschieben oder in dringenden Fällen anderen Kollegen zuzuweisen.

Das Laptop hatte den Crash nicht überstanden und ohne mein Laptop konnte ich sowieso nicht arbeiten, aber die IT wurde direkt beauftragt ein Ersatzgerät fertig zu machen und dank Cloud-Anbindung waren meine Daten auch nicht weg.

Am Montagnachmittag öffnete sich meine Zimmertür und Schwester Elena kam mit unsicherem Blick in den Raum. Ich hatte kurz Angst, dass eventuell meine Blutwerte nicht in Ordnung sein könnten oder ich aus anderen Gründen doch noch länger bleiben müsste. Aber sie hatte ein anderes Anliegen.

Das Krankenhaus war voll belegt und es kam gerade ein Notfall rein, der aufgenommen werden musste. Sie hatten aber kein freies Zimmer mehr und alle anderen Betten waren belegt. Sie fragte, ob ich ein Problem damit hätte, bis zur voraussichtlichen Entlassung am Mittwoch auf mein Einzelzimmer zu verzichten. Es wären nur zwei Nächte. Alternativ müsse die Person auf dem Flur untergebracht werden.

Und ich müsse auch mit keinem schnarchenden Mann rechnen, denn es wäre eine Frau. Es war Schwester Elena offensichtlich sehr unangenehm, aber ich stimmte zu. Wenn man für eine Versicherung arbeitet und entsprechend verdient, dann macht es auch Sinn sich über die konzerneigene Krankenversicherung zu versichern. Es ging mir nie um einen „besseren Status".

Es wurde ein Paravent als Sichtschutz zwischen den Betten aufgestellt. Ein wenig Privatsphäre, z.B. bei Untersuchungen, wurde damit geschaffen.

Als das Bett mit der Patientin reingeschoben wurde, drehte sie sich von mir weg und ich konnte nur erkennen, dass sie ungefähr in meinem Alter war.

Caroline

Ich erinnerte mich an die Polizistin, die mich ansprach, aber ich konnte mich nicht klar artikulieren. Adam war da, ein weiterer Polizist ebenfalls. Ich hörte ihn davon reden, dass ich tollpatschig sei und an Kreislaufschwäche leide. Was natürlich nicht stimmte. Normalerweise reichte diese Aussage von ihm, damit die Polizei wieder wegfuhr und mich meinem Schicksal überließ. Zu häufig hatte ich genau diese Situation schon erlebt.

Vor der offenen Wohnungstür standen mehrere Nachbarn und normalerweise wollte ich jeden Kontakt vermeiden. Ich durfte ja mit niemanden reden und ich hätte auch nie die Wahrheit sagen dürfen. Jetzt war ich froh, dass sie da waren und vermutlich musste jemand von ihnen die Polizei gerufen haben. Adam wurde gegenüber den Polizisten immer aggressiver und ein zweiter Streifenwagen musste dazu gestoßen sein, denn plötzlich standen noch mehr Polizisten in unserem Flur.

Ich bekam eine Halskrause um und wurde von zwei Rettungssanitätern auf einer Trage in den Krankenwagen gebracht. Dort untersuchte man mich und die Polizistin kam dazu. Sie bat die beiden Rettungssanitäter uns kurz alleine zu lassen. Sie fragte nicht was passiert war, das war für sie zu offensichtlich. Sie fragte mich nur, ob ich noch weiterleben wolle. Ich zögerte für eine Sekunde, denn so war das Leben nichts wert. Aber in ihren Augen sah ich, dass sie mir Mut machen wollte. Es schien ein besseres Leben als das zu geben, was ich aktuell führte und ich vertraute ihr. Ich brauchte keine Anzeige zu erstatten, denn das würde die Polizistin von Amts wegen erledigen.

Sie sprach mit eindringlicher Stimme auf mich ein und riet mir, mich ins Krankenhaus fahren zu lassen. Ich sollte mich gründlich durchchecken lassen, denn innere Verletzungen konnten nicht ausgeschlossen werden. Sie fragte mich noch, wo meine Papiere in der Wohnung lagen und ich gab ihr die Information.

Kurze Zeit später fuhr mich der Rettungswagen zur Untersuchung ins Krankenhaus und ich wurde zur Beobachtung stationär aufgenommen.

Da alle Betten belegt waren, brachte man mich bei einem männlichen Patienten unter und aus seinem Einzelzimmer wurde ein gemischtes Doppelzimmer.

Mir war alles unglaublich unangenehm und ich drehte mich von ihm weg, als ich mit dem Bett in das Zimmer geschoben wurde. Er sollte mich nicht sehen und ich wollte mich am liebsten in Luft auflösen. Ach hätte ich das nur mal schon vor langer Zeit getan.

Tobias

An dem Abend hatten die mir unbekannte Patientin und ich keinen Kontakt.

Ich wollte mich auch nicht aufdrängen.

Mitten in der Nacht war ich durch Schluchzen und Weinen aufgewacht. Es ließ mir keine Ruhe und ich war wach. Sie schien es bemerkt zu haben und entschuldigte sich sehr leise von hinter dem Paravent.

Ich log sie an und sagte, dass ich wegen meiner Schmerzen aufgewacht war.

Sie sollte kein schlechtes Gewissen wegen mir haben. Ich nahm meinen Mut zusammen und fragte sie, ob der Grund für die Tränen nur der körperliche Schmerz war.

Und da brach es aus ihr heraus. Offensichtlich öffnete sich ein Ventil und vielleicht lag es auch an der Uhrzeit, aber es musste offensichtlich raus. Sie befand sich in einer toxischen Beziehung. Aus der anfänglichen Liebe wurde mit der Zeit immer mehr Angst vor dem Partner. Freundschaften zu Männern endeten, kurze Zeit später verlor sie sogar die Freundschaften zu Frauen. Er akzeptierte keine anderen Personen in ihrem Leben, nur er sollte noch eine Rolle spielen.

Nach der Arbeit musste sie sofort nach Hause, den Wocheneinkauf führte er mit ihr zusammen durch, alleine einkaufen durfte sie nicht mehr. Wurde etwas vergessen oder brauchte sie etwas kurzfristig, musste sie es ihm als Nachricht aufs Handy schicken und er holte es. Alleine im Supermarkt und dort vielleicht andere Männer kennen lernen? Undenkbar für ihn.

Dabei hatte sie nie die Intention sich einen neuen Partner zu suchen. Erst nicht, weil sie glaubte ihn wirklich zu lieben und später nicht, weil sie viel zu viel Angst vor ihm und seiner Reaktion hatte.

Zu Anfang waren es nur verletzende Worte. Sie sei nichts wert, sie mache nichts richtig, sie könne nichts. Später wurde er auch handgreiflich und seit kurzem war die körperliche Gewalt im Alltag angekommen. Dabei hatte ihr die seelische Gewalt, der sie ausgesetzt war schon gereicht.

Hatte sie die Wohnung nicht so sauber gehalten wie er es erwartete, packte er ihr in den Nacken und drückte sie direkt an die Stelle. So wie man es bei einem Hund früher gemacht hatte. um ihm klar zu machen was er Falsches getan hatte. Das „Alphatier" war hier offensichtlich Adam und die noch namenlose Frau im Nachbarbett sein Objekt, welches erniedrigt werden sollte. Was für ein abscheulicher Umgang in einer Partnerschaft.

Diese Vorgehensweise wurde bei Tieren in der heutigen Zeit zu Recht verachtet, umso erschreckender war es, zu hören dass ein Mann mit seiner Partnerin ähnlich umging.

Ich stellte keine großen Fragen, sie sollte sich alles von der Seele reden können. Ich nahm die Rolle des aktiven Zuhörers ein.

Sie erzählte, wie verunsichert sie durch seine extremen Stimmungsschwankungen wurde. Kam er gut gelaunt von der Arbeit nach Hause, konnte eine Kleinigkeit dafür sorgen, dass er sofort ausrastete. Dann flogen Gegenstände durch die Wohnung, er schrie sie an und Schläge gehörten zum Alltag. Sie wurde von ihm so isoliert, dass sie auch den Kontakt zu ihrer Familie verlor. Je mehr sie isoliert wurde, desto größer wurde ihr Abhängigkeitsgefühl.

Er machte sie für alles verantwortlich, sparte nie an Kritik und hatte seine Macht übermäßig ausgebaut. Mittlerweile arbeitete sie nur noch in Teilzeit, um ihren Aufgaben zuhause besser nachkommen zu können und natürlich damit er sie noch besser kontrollieren konnte.

Dazu richtete er Überwachungskameras in der Wohnung ein und konnte jeden Schritt über sein Handy verfolgen, selbst wenn er nicht vor Ort war. Hatte sie eine Aufgabe erledigt und sich kurz ausgeruht, kam sofort per Sprachtaste aus den integrierten Lautsprechern die nächste Ansage von ihm. Ihre „Faulheit" würde er nicht durchgehen lassen und wenn er nach Hause käme, dann würde sie merken was Sache ist.

Ich hatte einige Fragen, die sich aus ihrer Schilderung ergaben, aber es war nicht der richtige Zeitpunkt um diese zu stellen. Sie sollte frei reden können und ich wollte keine Grenzen mit meinen Nachfragen überschreiten.

Sieben Jahre lang ging sie mittlerweile durch diese Hölle und sie hatte inzwischen auch ein Messer unter dem Sofakissen versteckt, um sich im schlimmsten Fall wehren zu können. Sie machte sich selbst Vorwürfe, weil sie immer wieder Kollegen und Freunde angelogen hatte. Sie konnte nicht die Wahrheit über die blauen Flecke sagen oder ihre Situation der Polizei offen schildern, wenn diese mal wieder vor der Tür stand. Es war seine Wohnung, sie konnte nirgends hin. Und wer würde ihr glauben so lange bei einem solchen Partner geblieben zu sein?

Was würde es auch ändern? Die Schuldgefühle, die er ihr einredete, sorgten dafür, dass sie sich auch selbst als „Schuldige" sah. Ihm würde es ja auch keinen Spaß machen, meinte er, aber er hätte durch ihr Verhalten keine andere Wahl.

Aber dieses Mal konnte sie die blauen Flecken nicht mehr verstecken. Grund für den letzten Gewaltausbruch war ein heruntergefallener Pokal. Eine vollkommene Nichtigkeit, aber der Vulkan explodierte. Mal wieder. Er sah es und rastete sofort aus. Mit seinen 190 cm Körpergröße und einem kräftigen Körperbau als Handwerker hatte sie nie eine Chance gegen ihn. Sie wirkte schlank und war vermutlich etwa 165 cm groß, schwer zu schätzen als sie im Bett an mir vorbei geschoben wurde.

Sie erzählte von schweren Schlägen, die sie trafen. Von ihrem Zusammenbruch. Nachbarn hatten - mal wieder - die Polizei gerufen und diese rief den Rettungsdienst. Seine „Ausrede" von Kreislaufschwäche aufgrund eines Infektes half nichts. Eine nette Polizistin ließ sich nicht beirren und gab ihr die Kraft, dem Transport ins Krankenhaus zuzustimmen.

Jetzt stand sie vor der Entscheidung wie es weiter ging. Bisher war es immer so, dass sie ihn anzeigen musste bzw. anzeigen hätte müssen. Die Angst vor ihm verhinderte es immer wieder.

Aber die Polizistin und ihr Kollege hatten genug gesehen und die Schwere der Verletzungen rechtfertigte eine Anzeige wegen Körperverletzung durch die Polizei.

Aber jetzt stand sie da... ohne Wohnung, ohne Freunde... die Polizistin hatte ihn der gemeinsamen Wohnung verwiesen und ein Rückkehrverbot für 10 Tage ausgesprochen. Aber die Angst, dass er in „seine" Wohnung zurückkommen könnte, war riesig.

Als Ansprechpartner wurden die Opferschutzorganisation Der Weiße Ring und ein örtliches Frauenhaus genannt, aber erst musste sie wieder zu Kräften kommen.

In diesem Moment ging die Tür auf und Elena betrat den Raum. Das Frühstück war da. Wie bitte? Wie viele Stunden waren denn vergangen?

Wir hatten die ganze Nacht geredet, oder besser gesagt sie hatte gesprochen und ich hatte zugehört. Natürlich hatte ich viele Fragen. Wie hieß sie? War diese toxische Beziehung vielleicht sogar eine Ehe? Wie ging die Geschichte weiter?

Aber ohne es in dem Moment zu wissen, war ich in Kürze derjenige, dessen Blutdruck aus medizinischer Sicht besorgniserregend hoch sein würde.

Caroline

Was hatte ich gemacht? Meine Gefühle schwankten zwischen dem positiven Empfinden „es fühlt sich gut an, alles zu erzählen" und dem negativen Eindruck „wie kannst du nur so dämlich sein und einem Fremden alles erzählen?". Wenn Adam erfuhr, dass ich einem Fremden alles über unsere Beziehung erzählt hatte, dann würder er mich vermutlich totschlagen.

Aber es fühlte sich in dem Moment so richtig an. Vielleicht lag es auch an der Kombination aus Ruhe, Schmerzmitteln und der angstfreien Umgebung. Ich hatte nie jemanden kennengelernt, der so zugehört hat wie mein Bettnachbar. Adam konnte gar nicht zuhören. Was ich erzählte war ihm egal und schon am Anfang unserer Beziehung unterbrach er mich oft mitten im Satz und ich stellte fest, dass er mit den Gedanken nie bei dem was ich ihm offenbarte. Er hatte offensichtlich nur über das nachgedacht was ihn bewegte. Irgendwann gewöhnte ich mich daran und erzählte nichts mehr. Was sollte ich auch erzählen? Redete ich von der Arbeit in der Physiotherapie-Praxis, brauchte ich nur ansatzweise einen Mann erwähnen und seine Eifersucht sorgte für einen Wutanfall. Und dass eine Unterrichtseinheit bei der Wassergymnastik gut geklappt hatte, spielte für ihn keine Rolle.

Vielleicht würde mein Zimmernachbar ja kurzfristig entlassen werden und ich musste ihm nie in die Augen sehen. Dann wusste er auch nicht, wie ich aussah und ich würde schnell zu einer verblassten Erinnerung werden. Dann brauchte ich es auch Adam nicht zu beichten und die Gefahr, dass mich mein Zimmergenosse mich im Alltag wiedererkennen könnte, war gebannt.

Tobias

Natürlich wurde ich neugieriger und meine eigenen Schmerzen gerieten immer mehr in den Hintergrund. Ich wollte wissen welche Frau sich hinter dem Sichtschutz befand.

In meiner Erinnerung tauchte die Sendung „Herzblatt" auf, bei der drei Kandidaten bzw. Kandidatinnen das Herz von einer Person gewinnen mussten, die sich auf der anderen Seite einer Schiebetür befindet. Weit zurückliegende Kindheitserinnerungen an u.a. Reinhard Fendrich, der die Sendung von Rudi Carrell übernommen hatte. Meine Oma liebte diese Sendung.

Ich fragte mich aber immer, wie viele Sendungen damals gedreht wurden und wie viele langanhaltende Beziehungen dann daraus wirklich entstanden waren. Vermutlich ein vergleichbarer Prozentsatz wie bei der aktuellen RTL-Sendung „First Dates". Ein Arbeitskollege hatte mir mal dazu geraten mich dort zu bewerben, aber ich mochte es nicht, so in der Öffentlichkeit zu stehen. Und viele RTL-Formate dienten ja nur dazu, sich für andere Formate neue Kandidaten ran zu züchten.

Nicht, dass man bei First Dates scheitert, dann zum Bachelor wurde und später dann im Dschungelcamp endete. Genau das Gegenteil von meiner Traumvorstellung.

Gegen eine Beziehung hatte ich nichts, aber seit dem Ende meiner „großen Liebe" im verflixten siebten Jahr, was mittlerweile auch zwei Jahre her war, ergab sich nichts Passendes. Vielleicht war das einer der Gründe, weswegen ich aus meiner alten Heimat weggezogen war und einen Neuanfang wollte.

Ich brauchte eine komplette Veränderung in meinem Leben und die Chance, über die interne Bewerbung dann entsprechend Karriere zu machen, war groß. Früher bearbeitete ich kleinere Schadenfälle vom Schreibtisch aus. Schadenmeldungen wie Zigarettenglut auf dem Sofa, heruntergefallenes Handy oder ein zerstörtes Glaskeramikkochfeld waren mein Alltag. Es gab aber auch Fälle, die erst nicht so umfangreich klangen, sich dann aber deutlich komplexer darstellten. Aber irgendwann las man immer wieder dieselben Schadenschilderungen und oftmals waren diese auch noch gelogen. Ich glaubte irgendwann den Versicherungsnehmern nicht mehr und verlor den Spaß an der Arbeit. Es war Zeit für mich, mich zu verändern und die interne Stellenausschreibung für die Position als Großschadensachbearbeiter klang reizvoll. Die umfangreicheren Schäden lagen mir und anstatt jeden Tag massenhaft Schäden abzuarbeiten, ging es hier eher darum, sich mit den komplexen Themen zu beschäftigen.

Höheres Gehalt und mein während der Pandemie lieb gewonnenes Home-Office war keine Ausweichmöglichkeit, sondern der Standard. Der Umzug in eine für mich komplett unbekannte Region in Deutschland war kein Haken, sondern ein gewünschter nächster Schritt in meinem Leben.

Also bewarb ich mich auf die Stelle und setzte mich im internen Bewerbungsverfahren gegen meine Mitbewerber durch. Danach musste ich mich entscheiden, von wo ich arbeiten bzw. leben wollte. Möglichst zentral im zu bearbeitenden Gebiet und möglichst nah an der Autobahn, damit eine gute Verkehrsanbindung gegeben war. Ich hätte auch einen Dartpfeil auf eine Deutschlandkarte werfen können, nur die grobe Richtung sollte stimmen.

Ich schaute mir an einem Wochenende drei Optionen näher an. Eine Stadt wirkte auf mich wie in den 1980er Jahren stehen geblieben. Die Fassaden an den Hauptstraßen wirkten trist und die Verkehrsführung war grausam. Zusätzlich kaum Grünflächen in der Stadt, auch wenn sie an einem Fluss lag.

Die zweite Auswahlmöglichkeit war eher Dorf als Stadt. Eine Stadt ohne wirklichen Stadtkern, dafür bestehend aus lauter Dörfern. Viel Grün, aber auch zu abgelegen für meine Bedürfnisse. Bis zur Autobahn brauchte ich fast 40 Minuten, das war definitiv zu lang.

Als letztes stand mein heutiger Wohnort auf der Liste. Eine Stadt mit ca. 50.000 Einwohner, viel Natur und mit guter Anbindung an die Autobahn. In die Zentrale musste ich vielleicht 2x im Monat und den Großteil konnte ich von zuhause erledigen, trotzdem war ich ja regelmäßig zu Kunden unterwegs und damit auf eine gute Verkehrsanbindung angewiesen.

Wenn man die letzten Jahre im Speckgürtel einer Großstadt gelebt hatte, kamen einem die Immobilienpreise „auf dem Land" recht günstig vor. Ich hatte erst etwas zur Miete gesucht, aber als ich die Immobilienportale durchstöberte und die Kaufpreise sah, reifte in mir der Gedanke vielleicht doch zu kaufen. Das, was man hier für Häuser ausgibt, bezahlte man in meiner alten Heimat für 1-Zimmer-Wohnungen.

Ein großer Garten war mir nicht wichtig, daher tendierte ich zu einer Eigentumswohnung. Die Zinsen waren günstig, aber während der Pandemie war das Angebot an Immobilien eingeschränkt. Ein Makler zeigte mir eine Erdgeschoss-Wohnung in einem Neubau, aber der Schnitt der Wohnung gefiel mir nicht. Zusätzlich hatte ich das Gefühl, jeder Spaziergänger könne in die Wohnung reinschauen. Meine ablehnende Haltung bemerkte er und fragte, ob für mich auch ein Penthouse in Frage kommen würde. Grundsätzlich war ich nicht abgeneigt. Es kam halt auf den Preis an.

Das Haus wirke noch sehr neu und bot alles was man sich vorstellen konnte. Eine private Tiefgarage unter dem Gebäude ersparte die nervige Parkplatzsuche, der Fahrstuhl verband alle Etagen miteinander und im Keller war genug Platz für Waschmaschine, Fahrrad und jeweils einen abschließbaren Abstellraum für jede Wohnung. Zusätzlich hatte die Wohnung die richtige Größe. Das Büro sollte nicht zu klein sein, ich wollte für etwaigen Besuch auch ein Gästezimmer vorhalten und auch im Schlafzimmer war genügend Platz. Sogar ein Wandschrank war bereits ins Schlafzimmer integriert.

Es bot sich zwar keine Möglichkeit mehr mit dem Makler, der zeitgleich auch das Gebäude gebaut hatte, über den Preis zu verhandeln, aber der Preis war für mich in Ordnung. Ich investierte meine Ersparnisse, welche vor allem aus dem Erbe meiner Eltern bestanden, und bekam für die Restsumme einen günstigen Kredit. Im Endeffekt zahlte ich pro Monat weniger an die Bank als ich für eine deutlich kleiner Wohnung an Miete bezahlen würde.

Mein Kater Filou und ich fanden also ein neues Zuhause und im Notfall war auch noch Platz für eine weitere Person.

Zur Lösung meines Problems mit der Neugierde half mir Schwester Elena. Vielleicht hatte sie gespürt, dass wir uns gut verstehen würden. Auf jeden Fall war es ihr Vorschlag dann doch den Paravent zur Seite zur schieben. Natürlich mit dem Hinweis darauf, dass es doch sonst auch langweilig werden würde, wenn man sich nicht sieht und man sich gar nicht unterhalten könne.

Wenn die liebe Elena von dem langen Gespräch gewusst hätte...

Den Nachnamen - Sommer - hatte ich schon erfahren, der fiel bereits während der Visite. Jetzt lüftete sich für mich das Geheimnis meiner Zimmernachbarin. Und mit einem Mal wurde mir schwindelig.

Sie drehte sich zu mir um und man merkte ihr an, dass ihr das blaue Auge und die am Arm sichtbaren Hämatome unangenehm waren. Sie stellte sich dann mit Caroline Sommer vor und das war die letzte Bestätigung die ich brauchte.

12