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Die zweite Mutter

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In ungewollter Umgebung.
7k Wörter
4.34
58.2k
4
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Liebe Lesefreunde,

zu der nachfolgende Geschichte muss ich noch anführen, dass es sich de facto um einen Mehrteiler innerhalb der ´Story of Rory` handelt, der allerdings von zwei anderen Geschichten unterbrochen wird.

Für Neuleser dieser Geschichte, es kann schon mal vorkommen, dass ´Nichts` passiert. Vorspiel ist eben alles!

Beste Grüße

Ich, der Autor

++++++++++++++++++++++++++++++

Die zweite Mutter

(The story of Rory - Teil 19)

Wir wechseln nicht viele Worte, als mich mein Vater von zu Hause abholt. Ich habe sofort meine Tasche geschnappt, die meine Mutter mir gepackt hat und bin runter, als es klingelte. Jetzt sitze ich neben ihm im Auto. Ein tolles Auto. Ein 5er BMW. Ich wünschte, wir, Mama und ich, hätten so ein Auto und nicht den popligen weißen Polo. Mein Vater versucht Konversation zu betreiben, aber ich bin nicht besonders gesprächig. Erstmal habe ich keine Lust und dann fühle ich mich auch nicht wohl in seiner Gegenwart. Dafür ist er mir einfach irgendwie zu fremd. Außerdem schüchtert er mich ein, obwohl er das wahrscheinlich gar nicht beabsichtigt. Seine ganze Statur ist zu beeindruckend, oder vielleicht erdrückend, für mich. Er ist vier Jahre älter als Mama und richtig groß, ich glaube mindestens 1,85m oder so. Seine Haare sind superkurz, oben etwas länger als an den Seiten, und eine deutlich sichtbare Narbe verläuft unterhalb seines rechten Auges. Fehlt nur noch die Augenklappe! Mein Vater wirkt auch ziemlich sportlich, schlank mit sehr breiten Schultern. Ich würde mich nicht mit ihm kloppen wollen. Der BMW rast durch die Straßen der Stadt. Weil ich so ein Tempo mitten im Stadtverkehr nicht gewohnt bin, halte ich mich sicherheitshalber am Griff in der Beifahrertür fest.

„... und Schule?"

„Gut."

Er nickt und schaut mich dann während der Fahrt an. „Concha kennst du aber noch!"

Himmel, guck nach Vorne!

„Weher?"

„Meine Alte!"

„Mama?" Kann doch nicht sein, dass er die meint!

Er bestätigt: „Nicht die verlogene Kuh. Concha, meine Frau. Hast du doch kennengelernt, oder etwa nicht!?"

„Ne."

„Was? Kann doch gar nicht sein", stellt er sich ungläubig, als wenn ich spinnen würde.

Da kann man mal sehen, wie lange er sich schon nicht mehr für seinen Sohn interessiert!

„Ist Spanierin", fügt er noch an.

„Hmhm." Das wundert mich nicht. Mein Vater ist selbst halber Spanier, obwohl er einen deutschen Vornamen hat, Christoph. Der Nachname wiederum ist spanisch, Martín - con acento en la I. Die Betonung liegt auf dem I. So viel ich weiß, hieß ich auch mal so, aber seit der Scheidung meiner Eltern bin ich ein Brian. Da war ich noch ganz klein.

„Schaff dir nie eine Spanierin an", rät er. „Zu große Schnauze."

Meint er das jetzt ernst?

„Aber sonst gibt es nichts Besseres", widerspricht er sich dann. „Kocht gut und mault nicht bei der Hausarbeit."

Aha!

„Aber zwei linke Hände. Wie alle Spanier. Faul wie nix, wenn sie richtig anpacken sollen. Wann warst du das letzte Mal in Spanien?"

„Gar nicht", rutscht es aus mir raus. Irgendwie habe ich Galizien jetzt nicht dazu gezählt.

„Erzähl nix!"

„Ähm, weiß nicht", verbessere ich mich. „War ich noch ganz klein."

„Sach an! Schau dir dort die Straßen an, wie in Deutschland vor hundert Jahren. Wenn die eine Straße bauen sollen, stehen die den ganzen Tag auf der Schaufel gestützt am Straßenrand und glotzen Löcher in die Luft. Wenn sie nicht gerade Siesta halten. Ein unfähiges Pack."

Galizien. Dort lebt meine andere Großmutter. Seit ich kaum oder eigentlich keinen Kontakt mehr mit meinem Vater habe, habe ich auch von ihr nichts mehr gehört. „Lebt Oma noch?"

„Der geht´s gut. Je mehr angebliche Krankheiten sie hat und darüber jaulen und klagen kann, umso besser geht´s ihr. Die würde sich freuen, dich mal wieder zu sehen." Mein Vater schaut mich an. „Wenn deine Haare kürzer wären."

Ich schweige. Vielleicht sollte ich wirklich endlich mal zum Friseur ... wenn das mein Vater so will.

„Du siehst aus wie ein Mädchen. Mach´s wie ich, Maschine, drüber" - er macht eine Bewegung mit der Hand an seinem kurz geschorenem Kopf -- „und fertig. Schnell und kostenlos."

Ich weiß ja nicht!

-

Die Wohnung ist überraschend klein. Kleiner als unsere. Das Mobiliar wirkt bereits im Flur altbacken. Kauft sich mein Vater keine neuen Möbel? Der totale Gegensatz zum schicken Auto. Auch wenn es die Wohnung meines Vaters ist, sie wirkt unsagbar fremd auf mich.

Das wird sicher eine grauenhafte Woche! Was soll ich nur die ganze Zeit tun?

„HEY, CONCHA, BESUCH", schreit mein Vater, als wir eintreten. Er trägt meine Tasche. Nett.

Eine dünne schwarzhaarige Frau kommt um die Ecke. Sie hält eine brennende Zigarette in ihrer rechten Hand und lächelt mich mit etwas zu großen Zähnen an, was aber auch an ihrem leicht ausgemergelten Gesicht liegen könnte. Blass blickt es mich neugierig an. „Ah, Rorri, du biest, Sí?"

Selber Biest!

Sie hält mir ihre linke Hand zur Begrüßung hin und drückt mir einen Schmatzer auf die Wange. „Encantado." Zigarettengeruch strömt aus ihrem Mund.

Würg!

Während sie mich jetzt genauer in Augenschein nimmt, legt sie den Kopf in den Nacken und zieht mit gespitzten Lippen genüsslich an ihrem Glimmstängel. „Haast du Huunger?", haucht sie mir fragend den Rauch ins Gesicht.

„Nein." *Öchö*

„Ah, dooch, ein bieschen. Juungs haben immer Huunger. Komm."

Grübelnd folge ich der Frau, die eigentlich so was wie meine Stiefmutter - nennt man das so? - sein muss. Was findet mein Vater nur an der? Mama sieht viel besser aus!

Concha steht mit Kippe in der Hand am Herd und wirft ein paar Schraubennudeln lieblos in einen Topf mit Wasser. „Nudeln magst du, sí?" Danach nimmt sie die Zigarette in den Mund und öffnet eine sehr flache Dose. Gulasch. Wenig später steht das Essen auf dem Tisch. Sie hat das lauwarme Gulasch über die Schrauben gekippt. Es riecht gut und ich bekomme Appetit.

„Iss, du biest so düün", fordert sie und drückt meinen Oberarm.

Selber dünn!

Zügig lege ich los, als mich die Frau wiederum betrachtet und an ihrer Fluppe zieht. „Schmeekt?"

Glücklicherweise sind die Nudeln heiß, so dass Gulasch vermischt mit Nudeln eine annehmbare Esstemperatur ergeben. „Joah", antworte ich, als ich ein Stück Fleisch in den Mund stecke und sofort den ekelerregenden Glibber von Fett erschmecke. Ein ganzer Plocken wabbelt in meinem Mund.

Igitt! Was mache ich jetzt mal? Schlucken oder auf den Teller spucken?

Am liebsten würde ich ausspucken, aber gerade jetzt kommt mein Vater in die Küche und setzt sich mit an den Tisch. Ich wage es nicht und würge das Fett runter. Ist das ekelhaft! Danach bin ich wesentlich vorsichtiger beim Essen, kontrolliere jedes Bröckchen Fleisch und schiebe gefundenes Fett an den Tellerrand. Essen auf den Teller liegen zu lassen traue ich mich. Das ist nicht so schlimm, wie Zerkautes auszuspucken. Was würde da mein Vater sagen? Am Ende bleibt eine ganze Menge Fett übrig.

„Was ist damit?" Mein Vater deutet auf die Glibberplocken.

„Das ist Fett."

„Isst du das nicht?"

„Hä? Neee." Dämliche Frage! Natürlich nicht! So etwas isst doch niemand!

„Hör zu, Rory, du bist hier natürlich willkommen, aber deine Mutter hat mal wieder nicht nachgedacht. Ich werde kaum Zeit für dich haben. Diese Woche bin ich lange unterwegs. Wenn du etwas möchtest, fragst du Concha."

„Sí", stimmt die Erwähnte hinzu. „Du muust es nur cagen. Ockay?"

Ich schweige.

„Was hat eigentlich die Alte so erzählt?" will mein Vater wissen und meint mit Sicherheit Mama.

„Nichts", antworte ich schmollend, da mir die Art, wie er über meine Mutter spricht, noch weniger schmeckt als das Fett. Der soll nicht so über sie reden! Die war im Gegensatz zu ihm immer für mich da!

Wahrscheinlich merkt er, dass er mich verärgert, wenn er so über meine Mutter spricht und winkt ab. „Lassen wir das. Verlogen ..."

„Lass den Juungen mit diesen Diengen", schimpft Concha.

„Wenn´s stimmt", wehrt sich mein Vater. „Ich habe dir doch alles über die erzählt."

„Wann gehst du iens Bett?" wendet sich Concha an mich und lenkt demonstrativ von diesem Thema ab.

Schulterzucken. „Verschieden."

„Ich ceige dir, wo du schläfst", erklärt sie und geht voran in ein Zimmer ohne Bett. In einem Sessel ist Bettzeug angehäuft.

Hä? Wo soll ich denn schlafen?

Concha verrät es, in dem sie an einer Schlaufe an der Schrankwand zieht und ein Klappbett zum Vorschein kommt. „Ich becieh es dir. Cieh du dich schon mal uum", schlägt sie vor und zeigt auf meine Tasche, die neben der Heizung steht. Dann hantiert sie an einer Kommode herum.

Hoppla! Geh erst mal raus!

Zögernd öffne ich meine Tasche. Meine Mutter hat an einen frischen Schlafanzug gedacht. Ich krame ihn raus und schaue mich zu der Frau um.

Bleibt einfach im Zimmer!

Concha beachtet mich mit keinem Blick und holt ein großes weißes Laken aus einer Schublade.

Wenn nicht jetzt, dann nie!

Ratzfatz trete ich meine Schuhe von den Füßen, gucke und ziehe zügig die Jeans aus. Augenblicklich entschließe ich mich, die Unterhose anzubehalten und ziehe die Schlafanzughose einfach drüber. Mit nacktem Oberkörper drehe ich mich um. Das traue ich mich nun doch. Da gibt es ja auch nichts zu sehen. Concha lässt das Laken schwungvoll über die Matratze schweben. Sanft senkt es sich. Neben dem Bett stehend schaue ich mit hinter dem Rücken verschränkten Armen zu, wie sie eine Seite des Lakens unter die Matratze stopft. Dabei wirft sie mir einen merkwürdigen Blick zu. Bettbeziehend umkreist sie die Liegefläche, drängelt mich dabei aus dem Weg und glättet zum Schluss noch mal das Laken mit ihren Händen. Mit einem Schlag aufs Kopfkissen beendet sie ihre Arbeit, obwohl die Bettdecke noch fehlt.

„Co, leg dich hien!"

So ein Klappbett ist wirklich eine witzige Sache. Kenne ich noch nicht. Steckt einfach im Schrank! Ich freue mich regelrecht, es zu benutzen. Trotzdem fühle ich mich nackt, als ich ohne Bettdecke langgestreckt in meinem Hochwasserschlafanzug so auf der Matratze liege. Dann erst wirft Concha die Zudecke im hohen Bogen über mich. Der Wurf ist allerdings ziemlich schlampig. Mein Oberkörper samt Kopf verschwindet unter der Decke, während meine Füße unten rausgucken. Die Frau meines Vaters setzt sich aufs Bett und schiebt die Bettdecke tiefer, damit mein Gesicht erscheint. Wir gucken uns kurz an, dann wendet sie den Blick Richtung nackte Füße. Bevor ich die Decke tiefer strampeln und sie verbergen kann, fasst sie mich unerwartet an. Ruckartig ziehe ich die Füße ein.

„Biest du kitzelieg?" fragt sie und greift unter der Decke weiter nach meinen Füßen.

„Ja, nicht, bin ich!"

Grinsend lässt sie von mir ab und beugt sich stattdessen vor, streicht mit einer Hand über meine Wange und küsst meine Stirn. Von ganz Nah sagt sie leise: „Ich hoffe, du fühlst diech wohl, Rorri." Wieder streicht sie über mein Gesicht. Etwas viel Zuneigung für meinen Geschmack. Dann drückt sie mir einen Kuss unterhalb meines linken Auges gegen die Seite meiner Nase auf.

Also, jetzt reicht´s aber!

Das tut es nicht. Ganz sanft berühren ihre Lippen mein Augenlid, das sich automatisch geschlossen hat, nachdem mein Auge das Unheil hat kommen sehen. Dann endlich lässt sie mich in Ruhe, schließt die Zimmertür aber nicht richtig, sondern lehnt sie nur an.

Meine Fresse! Scheiß Gelecke! Was sollte das denn?

Ich drehe mich auf die Seite, ziehe meine dünnen Beine an und versuche zu schlafen.

Hoffentlich geht die Woche schnell rum!

Dösend gehen mir allerlei Dinge durch den Kopf, so dass ich noch keinen Schlaf finde. Mir passt die ganze Situation nicht. Wie das meine Mutter wohl wiedergutmachen will? Wahrscheinlich denkt sie gar nicht daran, dass mich das alles ziemlich wurmen könnte. Das Mütter so sind! Überlegen die gar nicht, was sie ihren Kindern antun?

Wenigstens muss ich keine Zeitungen austragen! Wie mich das ankotzt!

Ja, das ist gut, sehr gut!

Ich kann relativ lange schlafen. Ist das super! Aus lauter Freude balle ich unter der Decke eine Hand zur Faust und hauche ich ein leises „Jaah", was durch ein ebenso leises „Jaah" erwidert wird. Verblüfft hebe ich den Kopf und gucke fragend die Wand an.

Geräusche.

Aus der Wand.

Verdächtige Geräusche.

Jemand ... die ... Iiiiihhhhh! Örg, mein Vater macht´s mit der Ableckerin. Ist das Widerlich!

*stöhn*

Können die das nicht leiser veranstalten? So was Ekelhaftes! Ich will die nicht beim Sex hören und schon gar nicht will ich mir das bildlich vorstellen müssen. Gar nicht so leicht, wenn die so laut sind. Okay, so richtig laut sind sie nicht, aber ich kann es eben hören und das genügt ja. Angenervt steige ich aus dem Bett und will die Tür richtig schließen. Im letzten Moment stoppe ich. Wenn ich jetzt die Tür schließe, bemerkt es vielleicht Concha und dann denkt sie vielleicht ... ich hätte gelauscht. Oh, nein!

„Aah ..." *keuch*

Oh, Mann!

Notgedrungen höre ich hin. Vielleicht hören die ja auch gleich auf. Seltsamerweise ist es auch nur eine Frauenstimme, die den ´Krach` macht. Mein Vater scheint normal zu sein. Nichts von ihm zu hören.

„Du bist heute aber in Fahrt ..." Das ist er dann allerdings doch. „... aber gut!" keucht er.

Zornig beiße ich die Zähne aufeinander. Verdammtes Rummachen! Ich lasse die Tür angelehnt und reiße mir die Decke über den Kopf. Man hört trotzdem noch was. Mist!

Erst als die Geräusche aufhören, ziehe ich die Decke wieder tiefer und strampele sie zurecht, damit auch meine Füße gleichmäßig bedeckt sind.

„Schläfst du noch niecht?"

Huch!

Concha steht im Zimmer. Die habe ich gar nicht kommen hören. Ihre Silhouette zeichnet sich deutlich im dunklen Zimmer ab, als sie sich nähert und abermals auf der Bettkante Platz nimmt.

Was will die denn noch? Sich entschuldigen für den Lärm?

„Kannst du niecht schlafen?"

„Doch."

Lass mich bloß in Ruhe! Und fass mich nur nicht mit den Händen an, die wahrscheinlich gerade den Körper meines Vaters angegrabbelt haben! Den nackten Körper. Ich darf mir das einfach nicht vorstellen. Igitt!

„Bueno. Du collst diech hier wohl fühlen."

Wenn du verschwindest!

„Sonst alles ockay?"

Ich nicke im Dunkeln, bin mir aber sicher, dass sie meine Kopfbewegung erkannt hat, genauso wie ich die von ihrer Hand. Sie streicht über die Bettdecke. Meine Augen verfolgen sie trotz Dunkelheit, bis sie genau über meinen Schritt stoppt. Glücklicherweise ist die Bettdecke dick genug, damit man nichts spürt. Wahrscheinlich bemerkt sie selbst nicht, wo sie ihre Hand angehalten hat. Ich halte die Luft an. Dann endlich erhebt sie sich wieder und drückt sich mit der Hand auf der Bettdecke ab. Der Druck auf mein Geschlechtsteil wird kurze Zeit so fest, dass ich automatisch zusammenzucke.

„Gute Nacht", wünscht mir Concha.

„Nacht", antworte ich leise und schiebe dabei fürsorglich meine Hände in die Schlafanzughose auf meine Genitalien. Alles heil geblieben!

-

Am nächsten Morgen werde ich mit einem sehr unguten Gefühl wach. Ich fühle mich ausgeschlafen und das ist gar nicht gut. Meine innere Uhr schlägt Alarm. Ich habe das ungute Gefühl, zu spät dran zu sein. Da ich keine echte Uhr habe, trotte ich im Schlafanzug aus meinem Zimmer, um mich zu vergewissern, wie spät es tatsächlich ist. Concha raucht in der Küche.

„Wie spät ist es?"

Als Antwort mustert mich die Frau meines Vaters von oben bis unten. „Du hast spät Schule, sí! Es iest halb Cehn."

„Oh, Scheiße!"

„Was ´Scheiße`! Wie redest du, Chico?"

Es fällt heute kein Unterricht aus. Schulbeginn ist also um Acht. Ich bin viel zu spät dran. Dazu kommt noch, dass jetzt der Weg zur Schule von meinem Vaters Wohnung aus viel weiter ist. Ich muss Straßenbahn fahren. Ohne auf Concha einzugehen, kleide ich mich im rasendem Tempo ohne zu duschen an.

Weshalb hat die blöde Kuh mich nicht geweckt?

Mist!

Ist ja nicht meine Mutter!

Aber sie hätte sich das doch denken können! Sie hätte mal fragen können! Dumme Nuss!

Mittlerweile unsicher, ob es sich überhaupt noch lohnt, zur Schule zu fahren, schnappe ich mir meine halbleere Schultasche.

Concha stellt sich mir mit Fluppe in den Weg. „Du wäscht nicht?"

„Bin zu spät", hechele ich. Und Fahrkarten habe ich auch keine. Grrr, meine Mutter ist Schuld!

„Was soll das heißen, du biest cu spät?" empört sie sich irgendwie komischerweise.

„Hab verschlafen."

„Warum hast du niechts gecagt?"

Hättest doch mal fragen können!

Es ärgert mich, dass sie das nicht getan hat, aber eigentlich ist es nicht ihre Schuld. Obwohl, eigentlich hätte sie ja ... nein, es ist die Schuld meiner Mutter. Jetzt muss ich auch noch schwarz fahren. Oder soll ich Concha nach Geld fragen? Ne, lieber nicht!

„Was biest du für ein Juunge!" zetert Concha theatralisch und gibt mir doch tatsächlich eine Kopfnuss. Die tut aber nicht weh, war wohl nur gespielt, und Concha schmunzelt auch leicht. „Wo iest die Schule. Ich fahre dich."

-

Unterricht ab der vierten Stunde ist eigentlich klasse, aber gewollt war es nicht. Concha hat mit meinem Sozialkundelehrer geredet und alles ´erklärt`. Einerseits bin ich froh darüber, andererseits stand ich vor meiner Klasse da wie ein Trottel, als ob ich das nicht alleine hätte regeln können. Concha hat ganz schön gelogen.

„Wer war das denn?" grätzt Sven, der vor mir sitzt.

„Geht dich nichts an."

„Deine neue Freundin? Har, har."

„Halt die Fresse."

„Oder muss Mami dich zur Schule bringen?"

Wütend verpasse ich Svens Stuhl einen Tritt. Es knackt und krachend bricht er unter dem Gewicht des dicken Jungen zusammen. Die ganze Klasse lacht, auch ich, als sich Sven am Boden rumlümmelt und versucht, aufzustehen. Da er auf den Rücken liegt, sieht es anfangs sehr unbeholfen aus.

„Das dicke Schwein kommt nicht hoch", lache ich laut. Zufrieden nehme ich wahr, dass meine Aktion ein riesiger Lacher ist. Maria bekommt leichten Schluckauf.

„Was ist denn da, bitte schön, lohos?" jodelt Herr Fritz vom Pult aus.

„Das bekommst du wieder", zischt mich Sven böse an, als er sich erhoben hat und ruft dann laut nach vorne: „Rory hat meinen Stuhl kaputt getreten."

Als Herr Fritz meinen Namen vernimmt, er reckt neugierig seine Nase nach oben, steht er auf und schlawenzelt Po wackelnd zu mir. „Roorie, was soll das denn?" fragt er und wedelt dabei mit seinen Armen.

Als ich ihn kommen sehe, nehme ich eine coole Haltung ein, rutsche mit meinem Hintern an die Stuhlkante ran und lege locker meine Arme auf den Tisch. „Was denn?"

Herr Fritz stemmt entrüstet seine Hände in die Hüften, als ich auf frech mache, stützt sein Gewicht auf sein linkes Bein und drückt so sein Gesäß zu Seite weg, presst seine Lippen aufeinander und macht ein Doppelkinn. Er sieht schon ziemlich oberschwul aus, richtig lustig. Den Empörten spielend, mustert er mich schweigend, wirkt aber alles andere als verärgert. „Hieher", platzt es plötzlich regelrecht melodiös aus ihm raus und er zeigt mit demonstrativ ausgestrecktem Arm auf den zerbrochenen Stuhl, während sich der andere Arm weiterhin an seinem Beckenknochen festhält. Ich kann nicht ernst bleiben und muss grinsen. Herr Fritz erwidert es mit mich anhimmelnden Augen.

„Der Dickmops ist eben zu schwer", erkläre ich trocken. „Besser wären zwei Stühle, für jede Arschbacke einen."

„Roorie, du kannst nicht Schuleigentum zerstören. Das geht niiicht. Sonst musst du den Stuhl ersetzen."

Ersetzen?

„Der war schon kaputt", verteidige ich mich sofort aufgebracht, was ja auch der Wahrheit entspricht. „Der Fettarsch ist selbst Schuld. Wieso frisst der auch so viel? Ich zahl nix!"

Von völlig unerwarteter Seite erhalte ich plötzlich Hilfe. „Der Stuhl war schon kaputt", nuschelt Sonja leise.

„Was willst du denn?" keift Sven meine Sitznachbarin sofort an.

Wütend springe ich auf und balle die Faust. „Halt die Fresse, du mieser kleiner Fettarsch."