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Doppelte Beute

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Pirat macht einen fetten Fang.
8.2k Wörter
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Sea Devil Davie bückte sich zu dem am Boden liegenden Kapitän herab und wischte sein Entermesser an dessen blutbefleckter Uniform ab. Der Kapitän war ein fabelhafter Fechter gewesen. Davie bezweifelte, dass er ihn in einem fairen Kampf besiegt hätte. Aber ein Pirat, der fair kämpfte, lebte vermutlich nicht lange; und ganz sicher wurde er nicht reich.

Der große, kräftige Billy war als erster auf die Verteidiger zugestürmt und wie ein gefällter Baum zu Boden gestürzt, noch ehe er einen einzigen Schlag anbringen konnte. Die Degenspitze des Kapitäns war in seine linke Brust gefahren und hatte ihn auf der Stelle getötet. Der Stich war schnell und effizient ausgeführt worden, was den Gegner als einen erfahrenen, kampferprobten Fechter auswies.

So hatte Davie seinen Männern befohlen, sich zurückzuziehen, die Lunte an dem mit Schießpulver gefüllten Fässchen anzuzünden und es in den engen Gang vor der Kapitänskajüte zu werfen. Die Explosion hatte dem Kapitän die Beine zerfetzt und ihm eine schreckliche Wunde in den Unterleib gerissen. Ihm einen schnellen Tod zu bereiten, war das Beste, was Davie danach für ihn tun konnte. Die beiden dann noch kampffähigen Matrosen hatten sie schnell niedergemacht.

Die rostigen Nägel und Glasscherben, die sie unter das Pulver gemischt hatten, steckten zentimetertief in den Wänden, in Boden und Decke. Davie achtete darauf, sich nicht daran zu schneiden, als er sich neben Billy niederkniete und ihm mit der Hand die Augen zudrückte.

„Du warst ein guter Mann", sprach Davie leise, aber laut genug, dass ihn die anderen Piraten, die hinter ihm warteten, verstehen konnten, „ich werde mich darum kümmern, dass deine Frau und deine Kinder deinen gerechten Anteil an der Beute bekommen."

Es war wichtig, dass die Solidarität unter der Mannschaft über den Tod hinaus Bestand hatte. Das war eines der Gesetze, an die man sich auch als Kommandant einer kleinen Flottille von Piratenschiffen halten musste. Nur so konnte man von den Leuten erwarten, dass sie unter Einsatz ihres Lebens in den Kampf stürmten.

Nun aber wollte Davie endlich wissen, was der Kapitän so wertvolles in seiner Kabine aufbewahrte, dass er selbst mit vier seiner Männer den Zugang zu ihr verteidigte, während das Oberdeck seines Schiffes von Piraten geentert wurde. Er rüttelte an der massiven Tür, sie war verschlossen. Nach einem Nicken in Richtung des toten Kapitäns durchsuchte der schwarze John die Leiche, schüttelte dann den Kopf.

„Kein Schlüssel."

Davie warf sich mit der Schulter gegen das Holz, aber es gab kein Stückchen nach. Offenbar war sie von innen nicht nur verschlossen, sondern auch verriegelt oder verrammelt.

„Holt Äxte!", befahl er.

Während die Männer seinen Befehl ausführten, sah er auf dem Deck nach dem Rechten. Er konnte sich auf seine Stellvertreter verlassen, die das Plündern des Schiffes beaufsichtigten. Doch war es für die Mannschaften wichtig, dass sie auch ihn persönlich sahen.

Die Gefangenen waren mittschiffs zusammengetrieben worden. Davie warf ihnen im Vorbeigehen nur einen finsteren Blick zu. Im Augenblick sollten sie noch im Unsicheren über ihr Schicksal bleiben. Später würde er denjenigen, die sich ihnen anschließen wollten, die Freiheit anbieten.

Seinen Beinamen Sea Devil hatte er angenommen, um einen möglichst abschreckenden Ruf unter seinen Konkurrenten und Feinden zu erlangen. Bei seinen Entscheidungen ließ er sich aber nicht von Grausamkeit, sondern von nüchternen Überlegungen leiten. Eine Piratenmannschaft brauchte immer Verstärkung. Und zudem mussten sie die eroberte Galeone in einen Hafen bringen, wo sie die Prise zu Geld machen konnten. Da wäre es Verschwendung gewesen, willige Seeleute nicht anzuheuern.

Er war rechtzeitig zurück im Kabinengang, als die ersten Axtschläge fielen. Er meinte, von jenseits der Tür einen dünnen Schrei zu hören, der schnell erstickt wurde, war sich aber unter dem Lärm nicht sicher.

Das massive Holz hielt mehrere Minuten lang stand, dann splitterte das Türblatt. Davie bellte den Befehl aufzuhören, drängte sich nach vorn und trat die Tür mit einem wuchtigen Tritt endgültig ein. Doch als er hindurchgehen wollte, prallte er angesichts des Anblicks, der sich ihm bot, geradezu zurück.

Eine Frau hatte sich mit in die Hüften gestemmten Armen in der Mitte der Kabine aufgebaut. Sie trug das typische, weit ausladende, dunkle Kleid einer spanischen Dame. Auf ihrem Kopf thronte eine weiße Haube, die sie deutlich größer erscheinen ließ, als sie tatsächlich war. Ihr Gesicht zeigte einen wütenden, entschlossenen Ausdruck. Sie funkelte die Eindringlinge aus schwarzen Augen an.

„Escoria! Ihr Abschaum! Wagt es nicht, herein zu kommen", keifte sie.

Davie fing sich rasch. Er deutete spöttisch eine Verbeugung an.

„Captain David Walker, zu Euren Diensten, Madame. Mit wem habe ich das Vergnügen?"

Die unerwartete Höflichkeit erwischte die Dame auf dem falschen Fuß. Hörbar weniger feindselig antwortete sie.

„Ihr sprecht mit Señora Fija, Hauslehrerin in den Diensten von Don Braguillas, des Alcalde Mayor auf Hispaniola."

„Señora Fija, zunächst einmal mein Kompliment für euer ausgezeichnetes Englisch. Das erleichtert unsere Kommunikation beträchtlich. Denn mein Spanisch ist bestenfalls hinlänglich. Darf ich fragen, ob ihr alleine reist?"

„Ja. Nachdem ihr, wie ich vermute, alle meine Begleiter gemeuchelt habt, reise ich alleine", antwortete sie eisig.

Davie tippte sich ans Kinn und setzte eine nachdenkliche Miene auf.

„Ich weiß nicht, ob ich euch in dieser Hinsicht glauben kann, Señora. Wenn ihr, wie ihr sagt, Hauslehrerin seid, wo sind dann eure Schüler?"

Er registrierte sehr wohl, dass ihr Blick kurz zur Koje, die unter einem hohen Berg Frauenkleider begraben war, zuckte, ehe sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Davie hatte schon zuvor geglaubt, unter dem Wäschehaufen eine Bewegung ausgemacht zu haben. Er war auch der Meinung gewesen, dass es sich für eine einzelne Dame um viel zu viele Kleider handeln sollte. Aber wer konnte in dieser Hinsicht bei Frauen schon sicher sein?

Ziemlich sicher war er dagegen, dass die Kleidungsstücke weder vom Stil noch von der Passform her der matronenhaften Señora Fija gehören konnten. Zwar machte es ihre ausladende Kleidung schwer, ihren Körperbau genauer abzuschätzen. Doch wirkte sie nicht nur wegen ihrer autoritären Haltung relativ groß und stämmig. Zudem wiesen die aufgestapelten Kleider helle kräftige Farben und verspielte Applikationen auf, die gar nicht zum schlichten Schwarz und Weiß der Aufmachung der Lehrerin passen wollten.

Die Señora hatte sich wieder gefasst.

„Ja, ich reise ohne Begleitung", erklärte sie mit fester Stimme, „Don Braguillas' Kinder sind auf Hispaniola bei ihrer Familie geblieben, während ich Verwandte in Spanien besuchen möchte."

In gespielter Enttäuschung schüttelte Davie traurig den Kopf.

„Oh, meine verehrte Señora Fija, ich fürchte, sie einer Lüge überführen zu müssen, was ihrer Stellung und ihrem guten Ruf gewiss nicht förderlich sein dürfte. Männer!", wandte er sich nach hinten, „bringt sie an Deck."

Die ließen sich das nicht zweimal sagen. Gleich drei seiner Kumpane schoben sich grinsend an ihm vorbei, um die Dame an den Armen zu packen und aus der Kabine zu führen. Doch hatten sie nicht mit deren Gegenwehr gerechnet. Wie eine Bärin, die ihre Jungen verteidigt, kratzte, biss und trat sie um sich, so dass es der gemeinsamen Kraft der drei Piraten bedurfte, sie zu Boden zu ringen und festzuhalten.

Erst als sie an Händen und Füßen gefesselt und mit einem von ihrem Rock abgerissenen Stoffstreifen geknebelt war, konnten die Männer sie mühsam aus der Kabine tragen, während sie sich noch immer wand und sträubte und unter ihrem Knebel unverständliche Verwünschungen ausstieß.

„Sean, folge ihnen und sieh zu, dass ihr vorläufig nichts zustößt", befahl er dem rothaarigen irischen Maat, der sich sofort auf den Weg machte.

Davie winkte den verbliebenden Männern, zunächst außerhalb der Kajüte zu bleiben. Dann näherte er sich leise, fast auf Zehenspitzen der Koje. Mit beiden Armen griff er sich den Wäscheberg und schleuderte ihn blitzschnell zu Boden. Ein spitzer Schrei der Überraschung ertönte und eine junge Spanierin, die sich unter den Kleidern versteckt hatte, krabbelte eiligst in die hinterste Ecke des Bettes. Ihr leuchtend blaues Kleid mit dem Spitzenbesatz an den Ärmeln stammte offensichtlich aus dem gleichen Bestand wie die nun im Raum verteilten Stücke. Davie konnte trotzdem noch immer nicht verstehen, wie ein einzelner Mensch so viele verschiedene Anziehsachen benötigen sollte.

„Ei, was haben wir denn da?", Davie versuchte, so etwas wie ein beruhigendes Lächeln aufzusetzen, „bist du die Schülerin von unserer wackeren Señora Fija?"

„Si", sie nickte, wodurch die zerzauste Mähne langer schwarzer Haare noch tiefer in ihr Gesicht fiel.

„Sprichst du Englisch?"

„Doch, ich spreche ihre Sprache", nuschelte sie verschüchtert. Sie redete im Gegensatz zur Lehrerin mit starkem spanischem Akzent.

„Ah, das ist gut. So können wir uns unterhalten", er bemühte sich weiter um einen möglichst ruhigen Tonfall. Er setzte sich auf die Bettkante und winkte den Gesellen zu, weiterhin draußen zu warten.

„Willst du mir verraten, wie du heißt?"

„Rosamaria de Braguillas."

„Don Braguillas ist dein Vater?"

Wieder ein Nicken.

„Gut. Das ist wirklich gut. Dann brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Dein Vater ist gewiss wohlhabend und wird ein großzügiges Lösegeld für dich bezahlen, damit du wohlbehalten zu ihm zurückkehrst. So lange wirst du unser Gast sein. Alles, was du an Bord gebracht hast, werden wir allerdings behalten. Das ist die gerechte Beute des Siegers. Ich denke, das verstehst du. Meine Leute wollen schließlich bezahlt werden."

Wie auf ein Stichwort hin drängelten die Piraten in die Kajüte. Der Kopf der jungen Frau ruckte nach oben und zum ersten Mal sah sie Davie an.

„Halt. Es nicht notwendig, die Kabine zu durchsuchen. Ich gebe Ihnen, was sie wollen", sagte sie hastig.

Davie hob die Hand als Signal zu warten. Rosamaria zog umständlich die Matratze an einer Ecke des Kopfendes nach oben, nestelte eine kleine Schatulle hervor und reichte sie ihm. Sie war verschlossen. Fragend sah er sie an.

Mit geschickten Fingern schob die junge Frau eine Leiste an der Seite des Kästchens nach unten, dann drückte sie darunter gegen den Rahmen und gleichzeitig gegen das mit hellerem Holz eingelegte Bild einer Rose auf dem Deckel, der daraufhin aufschnappte. Ah, dachte Davie, eines dieser bei Adligen beliebten Rätselschlösser. Der Nachteil dieser Aufbewahrungsmethode war allerdings, dass die Behältnisse so fragil waren, dass man sie einfach zerbrechen konnte, indem man sie gegen die Wand schmetterte oder mit dem Fuß darauf trat.

Dies war ja nun glücklicherweise nicht mehr notwendig. In der aufgeklappten Schatulle blinkten diverse edelsteinbesetzte Schmuckstücke. Unter dem Schmuck lagen zudem einige zusammengefaltete Papiere. Wenn sie so sicher aufbewahrt wurden, nahm Davie an, waren sie vermutlich wichtig.

„Der Reverend soll sich das anschauen", befahl er, indem er das Kästchen einem der Umstehenden in die Hand drückte. Er war sicher, dass nichts von dem Inhalt verschwinden würde. Auch wenn der Schmuck sicherlich eine große Versuchung war, wusste jeder, dass alle Beute gesammelt und später gerecht verteilt wurde. Und jedem war zudem die Strafe für Diebstahl unter Kameraden nur zu gut bekannt. Die Männer begannen, die Kajüte zu durchstöbern.

„Bitte, Señor Capitan", flehte die junge Frau, „ich habe ihnen den Schmuck doch gegeben. Sonst ist hier nichts Wertvolles."

Davie reagierte nicht und sah sie unverwandt an, während seine Seeleute die Einrichtung durchwühlten.

„Die hier ist verschlossen", knurrte der schwarze John und trat wuchtig gegen eine Truhe. Rosamaria zuckte zusammen, als habe der Tritt stattdessen sie getroffen.

„Den Schlüssel, bitte!"

Fordernd streckte Davie die Hand aus, erntete aber nur ein eingeschüchtertes Kopfschütteln.

„Nun gut", sprach er halb nach hinten, „dann nimm die Axt und schlage die Truhe zu Kleinholz."

„Nein!"

Entsetzt hatte die junge Frau aufgeschrien. Mit zitternder Hand deutete sie auf die Bibel, die auf einem Regalbrett neben der Koje lag. Davie schlug das Buch an der Stelle, die leicht auseinander klaffte, auf und fand dazwischen einen Schlüssel aus Bronze. Auf der geöffneten Seite konnte er einen Satz übersetzen, da er das Zitat aus dem Buch Salomo kannte: "Du bist wunderbar schön, meine Freundin, und kein Makel ist an dir."

Als die Truhe offen war, pfiff der Pirat durch die Zähne. Zusammengekauert lag darin ein zweites Mädchen. Der bullige Mann packte sie am Arm und zog sie auf die Füße, was ihr ein ängstliches Wimmern entlockte. Im Gegensatz zu ihrer Schwester trug die Versteckte nur ein dünnes weißes Unterkleid aus feiner Wolle.

„Zwillinge?", dachte Davie zunächst. Doch dann er erkannte er, dass die zweite jünger sein musste, um ein oder zwei Jahre. Die Familienähnlichkeit zwischen den beiden war jedoch frappierend.

„Tun sie ihr nichts!"

Rosamaria bewegte sich plötzlich schnell und entschlossen. Sie versuchte, auf dem Bett an Davie vorbei zu schlüpfen. Er packte sie aber und hielt sie energisch fest.

„Wie heißt deine Schwester?", fragte er.

„Mariposa. Sagen Sie ihren Leuten, dass man ihr nichts tun darf!"

Jede Ängstlichkeit und Unterwürfigkeit war aus der Stimme der älteren gewichen. Offenbar war sie der Ansicht, dass sie ihre jüngere Schwester beschützen musste. Das gab ihr Selbstvertrauen. Sie versuchte weiterhin, sich aus Davies Griff zu winden, er ließ sie aber nicht los. Körperlich war sie ihm keinesfalls gewachsen. Aber er musste erkennen, dass er durch ihre Aufsässigkeit ein Problem bekam.

Eine einzige furchtsame Gefangene festzuhalten, bis das Lösegeld gezahlt wurde, wäre keine große Sache gewesen. Aber zwei junge Frauen, von denen die eine aus eingebildeter Verantwortung für ihre Schwester versprach, einigen Ärger zu machen, das könnte sich als schwierig erweisen.

Außerdem hielt das Piratengesetz eine weitere Komplikation für ihn bereit. Als Kapitän stand ihm der größte Anteil an der Beute zu. Und zudem hatte er die erste Wahl beim persönlichen Zugriff auf Einzelstücke, die sich nicht teilen ließen. Mit diesem Recht hätte er Rosamaria für sich beansprucht. Nun aber hatten sie zwei Frauen an Bord, mit ihrer Hauslehrerin sogar drei. Das würde zu reichlich Unruhe in der Mannschaft führen.

Der alte Aberglaube der Seeleute, dass Frauen an Bord Unglück brachten, schien sich mal wieder zu bewahrheiten. Der tote spanische Kapitän würde ihm hierbei sicher zustimmen.

Davie beschloss, das Problem zumindest so lange wie möglich aufzuschieben und gab entsprechende Befehle, ehe er sich wieder auf sein Flaggschiff begab.

Wütend stapfte Davie in seine Kabine. Es war schlimmer, als er befürchtet hatte. Er hatte gehofft, die Verteilung der Beute und damit die Entscheidung über das Schicksal der Frauen bis zur Ankunft in ihrem Unterschlupf auf der Isla Verde verzögern zu können. Aber die Mannschaft bestand darauf, ihren Anteil sofort zu bekommen. Das war nach den ungeschriebenen Gesetzen ihr Recht und Davie konnte die Forderung nicht ignorieren, wenn er keine Meuterei riskieren wollte.

Besonders verärgert war er über den Schwarzen John. Der entlaufene Sklave hatte geschworen, sich nie mehr vor einem Herrn zu ducken. Und so hatte er sich zum natürlichen Wortführer der Mannschaft aufgeschwungen. Noch dazu brüstete er sich, die kleine Mariposa gefunden zu haben, woraus er irgendwie einen persönlichen Anspruch auf sie ableitete.

Davie war sich nicht im Klaren, wie John es geschafft hatte, die anderen auf seine Seite zu ziehen. Aber er hatte gehört, dass der Schwarze behauptete, das Mädchen schon ausgiebig befingert zu haben, als er sie aus der Truhe zog. Form, Größe und Festigkeit ihrer Brüste, ihrer Schenkel und ihres Hinterteils schienen auf den Schiffen bereits allgemein bekannt zu sein. Und wie es mit Gerüchten so war, mit jedem Weitererzählen wurden sie ausgeschmückt. Inzwischen wurde Mariposa als eine weibliche Schönheit beschrieben, die jede andere lebende und legendäre Frau in den Schatten stellte.

Eine weitere Komplikation hatte der Reverend ins Spiel gebracht. Er war Priester gewesen, bis ihn seine Gemeinde davongejagt hatte, weil hinter jedem Rock her gewesen war. Obwohl der schmächtige Mann kaum kämpfen konnte, hatte Davie ihn an Bord genommen, weil er mehrere Sprachen lesen und schreiben konnte. Deshalb hatte er ihm auch die Briefe aus Rosamarias Schatulle bringen lassen.

Anstatt ihm vertraulich zu berichten, hatte sich der Reverend vor der versammelten Mannschaft aufgebaut und den Grund herausposaunt, weshalb die beiden jungen Frauen auf dem Schiff waren. Vermutlich hatte er irgendeine Absprache mit dem Schwarzen John getroffen, um an die jüngere der zwei Schwestern heran zu kommen. Als Davie das durchschaut hatte, war es zu spät gewesen.

Die Dokumente hatten ausgesagt, dass die Mädchen nach Spanien unterwegs waren, um zu heiraten. Rosamaria sollte einen entfernten Verwandten des Königshauses ehelichen, Mariposa seinen jüngeren Vetter. Außerdem war bei den Unterlagen eine ärztliche Bescheinigung gewesen, die bestätigte, dass die Schwestern zwanzig beziehungsweise achtzehn Jahre alt und beide noch Jungfrauen waren, was lautes Gejohle in der Versammlung ausgelöst hatte. Davie fluchte. Dies engte seinen Spielraum ein.

Immerhin besaß Davie als Anführer noch genügend Autorität, um sich eine Bedenkzeit nehmen zu können. Aber spätestens nach Sonnenaufgang musste er verkünden, was er als seinen Anteil am Schatz einforderte, damit das Verbleibende unter den Männern aufgeteilt werden konnte. Sich vorzustellen, was mit den Frauen, die anschließend der Mannschaft gehörten, geschehen würde, erforderte nur wenig Phantasie.

Auf dem Weg wog er seine Alternativen ab. Behielte er Mariposa für sich, würden sofort die Unzufriedenen in der Mannschaft verbreiten, dass der Kapitän ihnen diese vermeintlich göttlich schöne Frau nicht gönnen wolle. Der Schwarze John würde bestimmt weiter Unruhe schüren. Auch wenn Davie nicht glaubte, dass sich eine Mehrheit auf die Seite des Schwarzen schlagen würde, müsste er ihn danach scharf im Auge behalten oder versuchen ihn loszuwerden.

Überließe er dagegen Mariposa der Mannschaft, brauchte er sich über Rosamarias Reaktion keine Illusionen zu machen. Die ältere Schwester würde zur Furie werden. Er könnte sie nur noch in Ketten legen und hoffen, dass das Lösegeld schnellstmöglich bezahlt wurde, um sie bald wieder loszuwerden. Denn im Gegensatz zur landläufigen Meinung über Piraten und zu seinem einschüchternden Spitznamen fand er keinen Gefallen an Grausamkeit. Bei dem Gedanken, eine Frau mit Gewalt gegen ihren Willen zu nehmen, empfand er keine Lust.

Andererseits durfte man ihn auch nicht als Ehrenmann bezeichnen. Täuschen, Betrügen und die ein oder andere nachdrücklich präsentierte Drohung gehörten zu seinem Repertoire, sowohl im Kampf, wie in der Liebe. Er hatte schließlich einen Ruf zu wahren.

Zudem war er ein Mann mit Bedürfnissen und die beiden Schwestern hatten in ihm ein wenig überraschendes Verlangen geweckt. So lange es dazu keiner Schmerzen, Rohheit oder Schläge bedurfte, hätte er gar nichts dagegen gehabt, die Bedenkzeit dazu zu nutzen, beide nacheinander oder gleichzeitig in seiner Koje zu haben.

In seiner Kajüte angekommen fand er die Frauen vor, wie er es befohlen hatte. Mariposa lag mit gebundenen Armen und Beinen auf seinem Bett. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihr außer dem Unterhemd etwas anderes zum Anziehen zu geben oder sie zuzudecken. Sie hatte die Augen geschlossen und schluchzte still in sich hinein. Als Davie eintrat, drehte sie sich zur Wand und igelte sich zusammen.

Die ältere Schwester stand im hinteren Teil des Raums. Ihre Handgelenke waren gefesselt und hoch über ihren Kopf gestreckt, wo man sie an einem stabilen Haken, der eigentlich dazu diente, eine Hängematte aufzuhängen, befestigt hatte. Rosamaria war kleiner, als er sie in Erinnerung hatte. So wie sie an der Decke hing, konnte sie gerade noch auf den Fußballen stehen. Sie wandte sich nicht ab, sondern funkelte ihn mit zusammengebissenen Zähnen böse aus ihren kohlschwarzen Augen an.