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Dunkler Abgrund Ch. 16

Geschichte Info
Und die Erde dreht sich weiter.
7.3k Wörter
4.6
25.4k
2
Geschichte hat keine Tags

Teil 16 der 19 teiligen Serie

Aktualisiert 08/30/2022
Erstellt 05/28/2010
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Notiz der Autorin: Diese Geschichte enthält viel Handlung, NonConsent-Elemente, BDSM (mit und ohne Zustimmung), Homosexualität (ff, mm), psychische und physische Folterbeschreibungen und eine Liebesgeschichte. Sie ist lang und entwickelt mit der Zeit einen verhältnismäßig komplexen Handlungsablauf. Wer auf der Suche nach einem Quickie ist - und das sind wir alle mal - sollte sich vielleicht noch einmal umschauen.

Kapitel 16

Paris würde sich wohl nie ändern. Zwar wuchsen die Gebäude, wurden abgerissen und durch neue ersetzt, doch irgendwie blieb Paris eben Paris. Selbst nach einhundertdreißig Jahren Abwesenheit fühlte es sich einfach immer noch wie Paris an. Die Melodie der Sprache, die unglaubliche Arroganz der Bewohner, das Tempo des Lebens, die weit aufklaffende Schere zwischen den Armen und den Reichen, die ausgedehnten Friedhöfe...

Noch heute gab es in kleinen verwinkelten und versteckten Gassen die besten Parfumhersteller und die besten Chocolatiers. Und immer noch konnte man unter den vielen Gerüchen von Gebäck, Kaffee, Gewürzen und dem Duft von staubiger, alter Kultur diesen Hauch von Verwesung und Tod wahrnehmen. Im Sommer schlimmer als im Winter. Ja, dies war Paris, eindeutig. Und man konnte froh sein, wenn man wieder verschwinden konnte oder zumindest einen Rückzugsort hatte.

Jean Antoine warf seinem Geliebten einen schnellen Blick über die Schulter zu, als wolle er sehen, ob Sam seine Abneigung teilte, bevor er sich vorbeugte und eine Socke überzog. Sam strich augenblicklich über seinen gewölbten Rücken und rekelte sich leicht auf dem Bett. Ein Schauder durchlief Jean Antoines Körper, doch er hatte keine Zeit mehr. Zwei Mal hatte Sam ihn schon vom Sockenanziehen abgehalten und ihn zu sich ins Bett gezerrt. Doch diesmal würde Jean Antoine stark sein und ihm widerstehen. - Hoffte er zumindest.

„Es wird Zeit, dass wir heimkehren", sagte Sam plötzlich und erhob seinen Oberkörper. Das zerknitterte Laken rutschte von seiner Brust und sammelte sich in seinem Schoß, als er sich vorbeugte und Jean Antoines Nacken küsste. „Ich hasse Städte."

Jean Antoine rollte unentdeckt mit den Augen und fischte vom Boden seine zweite Socke. „Du hasst keine Städte, sondern die ganze Zivilisation. Das ist ein Unterschied." Er stand auf und entkam so knapp Sams verlangendem Griff. „Wenn wir im Urwald sind, werde ich nicht auf dem Boden schlafen, Sam. Ich brauche gewisse Annehmlichkeiten."

Sam seufzte und ließ sich zurück in die Laken fallen. Grinsend stützte er seine Wange auf seinen Ellbogen und betrachtete ihn mit dunklen Augen. „Es muss gar kein Urwald sein, Liebling. Es reicht schon ein einfaches Waldstück. Nur ein bisschen Auslauf für den Hund." Er zögerte. „Du weißt, wie ich das meine."

Jean Antoine verkniff sich einen bedauernden, besorgten Blick, sondern lächelte ihn verschmitzt an. „Der Kontakt zu Damon hat dir nicht unbedingt gut getan. Das klang gerade gefährlich nach einem arroganten, kleinen Bastard und nicht nach dir."

Jean Antoine trat zum Hotelkleiderschrank und nahm ein blaues T-Shirt und eine Jeans heraus. Beides betrachtete er einen Moment, doch selbst als homosexueller Mann konnte er nicht auf Anhieb sagen, ob sich die Blautöne bissen. Es war ihm auch egal. Aber sie waren sauber und das interessierte ihn tatsächlich. Sie würden heute dem Rat beiwohnen und obwohl Jean Antoine wohl der Einzige war, der nichts befürchten musste, wollte er nicht wie der letzte Penner auftreten. „Mitten im Amazonasgebiet besitze ich ein privates Naturschutzreservat. Von Zeit zu Zeit kommen zwar Wissenschafter, aber eigentlich gibt es dort nur ein paar wenige Stämme, die wirklich von Bedeutung sind. Ich kann mich von ihnen nähren und du wirst zurück in deinem Urwald sein."

„Hast du dort ein Haus hingestellt?", fragte Sam verblüfft.

Jean Antoine zuckte unbehaglich mit den Schultern. „Du klingst so, als wäre ich eine Glucke, die ein Nest baut."

„Ist es nicht so?" Sam erhob sich ebenfalls aus dem Bett und streckte seinen schlanken, nackten Körper, bevor er Jean Antoine einen schelmischen Blick schenkte.

Jean Antoine sah ihn noch einen Moment an, dann fand er die Kraft sich wieder dem Anziehen zu widmen. Er ließ das T-Shirt auf einer Stuhllehne liegen und trat in das erste Hosenbein. „Bei dir klingt das immer noch so, als sei das etwas Schlechtes", erklärte er fast schmollend und grinste dann über sich selbst. Er konnte nicht fassen, dass er tatsächlich gerade geschmollt hatte. Doch seit Sam wieder in sein Leben getreten war, schien er ein vollkommen anderer Vampir zu sein. Wenn er früher nicht seinen Willen bekam, setzte er ihn durch grausame Mittel durch. Heute schmollte er. Es wäre ihm wahrscheinlich peinlich, wenn er sich selbst beobachten könnte, dachte er einen Moment und fühlte dann Sams nackte Arme, die sich um seine Brust schlangen. Seine Nase vergrub sich in dem Haar an seinem Nacken und füllte seine Haut mit der Wärme seines Atems.

„Es ist perfekt. Als hättest du auf mich gewartet...", murmelte Sam leise und drückte ihn fester. Jean Antoine drehte sich in seiner Umarmung um und umfasste sein Gesicht. Für einige Sekunden sah er in die karamellbraunen Tiefen seiner Augen, die sich langsam verdunkelten. Er küsste ihn sanft und schloss die Augen, während Sams warme Hände über seinen Rücken strichen. Schließlich seufzte Sam an seinen Lippen und löste sich. „Du musst zum Rat..."

Jean Antoine blinzelte entrückt und schmiegte sich einen Moment länger in seine warme, wohlige Umarmung, dann nickte er langsam. „Ich bin bald zurück."

Sam lehnte seine Stirn gegen Jean Antoines und kniff die Augen zusammen. Dann rückte er von ihm ab und griff nach seiner Erektion. „Lass dir bitte nicht zu viel Zeit", bat er halb knurrend, halb amüsiert und trat einen weiteren Schritt zurück.

Jean Antoine betrachtete ihn lächelnd. Das hatte er auch ganz sicher nicht vor.

*

Lukan warf einen kurzen Blick in die Gasse und verzog sich dann wieder in den Schatten der Häuserecke. Die ersten Wochen nach Hollys Verwandlungen waren tatsächlich schlimmer gewesen, als er gehofft hatte. Sie hatte sich zwar notgedrungen damit abgefunden, dass er ihr beibrachte ein Vampir zu sein, doch sie hatte kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Ihre kühlen Nachfragen und ihre Bereitschaft zu lernen begründeten sich nicht darauf, dass sie ihr Leben als Vampir akzeptiert hatte, sondern weil sie fürchtete zum Monster zu werden, wenn sie sich nicht informierte. Sie war bereit Blut zu trinken, auch wenn der erste Beutel ein Kampf gewesen war. Erst als er ihr sagte, dass sie durch den Blutverlust den Verstand verlieren und schließlich der Gier mit Gewalt nachgeben würde, hatte sie ihm den Beutel entrissen und ihn mit gerümpfter Nase an den Mund gehalten. Sie weigerte sich mit ihm zu sprechen, doch irgendwann würde sie sich beruhigen. Es brauchte nur den richtigen Zeitpunkt, ihr alles zu erklären. Dann würde sie ihn schon verstehen.

Während er an seinem Daumennagel knabberte, kam aus der kleinen Gasse ein junger Mann. Er wankte, als wäre er betrunken und hatte ein seliges Grinsen auf dem Gesicht. Und einen dunklen Fleck in seinem Schritt.

Lukan registrierte den moschusartigen Duft der Erregung des Mannes und in ihm zog sich etwas vor Eifersucht zusammen. Doch sein Blick glitt kühl zum Hals des Mannes, als interessiere ihn nicht, dass Holly diesem Mann einen Orgasmus beim Trinken beschert hatte. Die Wunde hatte sich bereits geschlossen. Holly lernte also schnell ihren heilenden Speichel einzusetzen. Oder hatte sie ihn gar nicht gebissen?

In der Kneipe, in die Holly am frühen Abend gegangen war, hatte sie sehr aufreizend mit dem Mann getanzt. Ihm war schlecht vor Eifersucht und Wut geworden, doch er hatte eingesehen, dass sie nur so einen Mann nach draußen in eine Gasse locken konnte. Sie war eine schöne, junge Frau mit fantastischen Kurven. Eine lebenshungrige Frau mit viel unerfüllter Leidenschaft. Vielleicht hatte sie sich in der Gasse ein bisschen mehr mit ihm vergnügt und sich an ihm gerieben. Vielleicht hatten sich ihre wunderschönen, vollen Lippen auf den Mund des Mannes gelegt und...

Sein Daumen blutete und fluchend ließ Lukan seinen Daumennagel in Ruhe. Mit einem entsetzten Blick auf sein zerfetztes Nagelbett, steckte er seine verwundete Hand in seine Jackentasche und trat einen Schritt zurück, als Holly aus der Gasse trat. Die Verwandlung hatte sie nicht großartig verändert. Sie war immer noch eine kurvenreiche, wunderschöne Frau mit dicken, dunklen Locken und einem fein geschwungenen Mund. Ihre Augen hatten immer noch dieselbe dunkle Farbe, die im Licht grün, in der Dunkelheit schwarz wirkte. Doch ihre Haut war nun strahlend und rein. Selbst die winzigste Unebenheit war geglättet worden. Alle Leberflecke und Sommersprossen, alle Narben und Dellen waren einfach weg. Sie war früher faszinierend und wunderschön gewesen. Heute war sie umwerfend.

Sie warf ihm einen eiskalten Blick zu und schloss zwei Knöpfe an ihrem Dekoltée. Bevor sie in die Gasse gegangen war, waren sie noch geschlossen gewesen, dachte Lukan mit einem schmerzenden Gefühl in der Brust. Plötzlich zögerte Holly und zog ihren Kragen hervor, bis sie drei kleinere Blutflecke auf dem Stoff sehen konnte.

„Hab ich sonst noch irgendwo Blut?", fragte sie gereizt und leckte sich über den Daumen, um die Flecken zu verwischen.

Lukan schüttelte stumm den Kopf und atmete tief ihren Vanilleduft ein. Sie hatte sich wirklich kaum verändert. Auch wenn sie sich nun von Blut ernährte, cremte sie sich immer noch nach dem Duschen mit dieser Lotion ein. Sehnsucht krampfte seinen Magen zusammen. Er wollte sie berühren. Nur kurz. Unschuldig. Über ihren Arm streichen zum Beispiel. Als seien sie immer noch vertraut miteinander; als sei keine unüberbrückbare Kluft aus Hass zwischen ihnen.

Für einen Moment war es ihm unmöglich zu atmen, so sehr brannte sich der Wunsch durch seine Eingeweide. Mit Mühe wandte er den Blick ab und sah so nicht, wie Holly ihn für einen Augenblick betrachtete.

„Willst du immer noch deinen Diner verkaufen?", fragte er schließlich, als sie sich nicht wortlos abwandte.

„Was bleibt mir anderes übrig?" Sie strich ihren Kragen glatt und sah die Straße von New Orleans hinunter. „Ich bin noch die Inhaberin, aber Laura schmeißt den Laden jetzt. Ich habe ihr erzählt, dass ich auf Reisen gehe. Sie kennt meine Bankverbindung; der Rest regelt ein Anwalt aus der Stadt."

Er hatte sie bereits einmal gefragt, warum sie nicht einfach weitermachte. Schließlich könnte sie den Laden genau so gut auch nachts öffnen, wenn der Laden sowieso ab vier aufmachte. Doch sie hatte ihn nur lange angesehen mit einem Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte. Und schließlich hatte sie ihn gefragt, wie er sich das denn vorstelle. Schließlich habe sie dort niemanden mehr, den sie als Freund bezeichnen könne. Laura müsse sie alles verheimlichen und die Hexen würden sie nicht mehr sehen wollen, denn für sie sei Holly gestorben.

Lukan hatte sie gereizt angefahren. Er wusste nicht warum, aber ihre kühle Antwort, dass sich alle Freunde von ihr abgewendet hatten, als sei sie tot, hatte ihm das Herz gebrochen. Wieder ein kleines, weiteres Stück aus seiner Seele gerissen. Und er hatte sie angefahren, weil er das für sie nicht akzeptieren wollte. Er wollte sie vor allem Übel, selbst vor dem Tod, beschützen und hatte ihr trotzdem alles genommen.

„Warum zur Hölle?", brüllte er sie an. „Du kannst doch nicht einfach akzeptieren, dass sie dich nicht mehr als Lebende sehen. Du bist immer noch du! Du ernährst dich vielleicht anders, aber das ist verdammt noch mal alles! Sie sollten das akzeptieren. Sie sollten dich nicht ausschließen! Sie sind die gefühllosen Schweine und du leidest nur darunter!"

Holly hatte ihn immer noch mit diesem verstörenden Lächeln angesehen. „Du bist zu lange ein Vampir, Lukan, um den Unterschied zu sehen. Ich bin nicht mehr die alte Holly und meine Freunde wissen das. Ich bin tot, Lukan. Du hast mich zu einer Untoten gemacht, aber ich zähle nicht mehr zu den Lebenden. Alles was meine Freunde verehren; alles, was sie lieben und mögen, ist tot in mir." Ihr Lächeln kippte nicht; ihre Stimme war ruhig, leise und fest. Während etwas in ihm starb. „Ich bin nicht mehr die Holly, die sich über einen Schokoriegel gefreut hat. Ich bin eine Holly geworden, die sich von Blut ernährt. Eine Holly, die bei jedem Trinken mit dem Gedanken spielt den Menschen einfach umzubringen. Als puste ich eine Kerze aus, Lukan." Sie zögerte und ein Hauch von Verwirrung legte sich in ihre Züge. „Und mir gefällt diese Versuchung sogar. Mir gefällt, was dieser Trieb in mir will. Ich genieße diese Macht." Das Lächeln wurde auf eine seltsame Weise echt und erreichte ihre Augen, bevor es verebbte. „All das sollen meine Freunde niemals sehen. Sie sollen mich anders in Erinnerung behalten."

Lukan hatte nichts darauf erwidert und für einen Moment das Brennen in seinen Augen genossen, bevor er blinzelte und sich abwandte. Sie hatte recht. Es lag nicht nur an der Religion der Menschen, die sie liebte. Diese Hexenreligion. Dieser Glaube an das Leben, das Lebendige und die Natur. Das spielte keine Rolle. Das Vampirdasein veränderte tatsächlich einen Menschen. Und das konnte er nicht mehr zurücknehmen. Und tief in seinem Herzen wollte er es auch nicht, egal wie abscheulich das war. Denn er wollte sie lebend.

„Ich werde jetzt..." Holly unterbrach sich und fuhr nach einer Pause in schneidendem Ton fort: „Du wirst es sowieso sehen, wenn du mir folgst."

Er zuckte bei dem Tonfall zusammen, doch er sah sie nur aufmerksam an. Er würde nicht so tun, als täte es ihm leid, dass er in ihrer Nähe sein wollte; dass er ihre Nähe suchte. Irgendwann würde er die Kraft haben, sie endlich in Ruhe zu lassen. Doch noch war er nicht so weit. Noch konnte er seinem Versprechen nicht einlösen, dass er anders sein würde als Jean Antoine. Dass er sie zu nichts zwingen würde. Doch mit jedem Tag schaffte er es, sich etwas mehr von ihr zurückzuhalten. Heute hatte er nicht versucht in ihr Hotelzimmer zu sehen, um ihr beim Aufwachen zuzuschauen. Blutjunge Vampire brauchten länger beim Aufwachen und selbst wenn sie wach waren, waren sie seltsam hilflos.

Lukan passte auf sie auf, doch er hatte es heute zum ersten Mal geschafft, dass er sich fernhielt, als Holly langsam ins Bad wankte. Er hatte kein Recht ihr dabei zuzusehen. Selbst wenn sie stürzte, wären die Verletzungen nicht von Dauer. Trotzdem war der Kampf mit sich selbst hart gewesen.

Morgen würde er es vielleicht schaffen, etwas mehr Abstand zu ihr zu bekommen. Er könnte den ganzen Tag einfach in seinem Hotelzimmer bleiben und Geschäfte erledigen. Geld investieren. Vielleicht auch erst in einer Woche. Er würde sich nicht hetzen und irgendwann in krankhaften Versuchen enden, bei ihr zu sein. Er verhielt sich schon schräg genug.

Holly zog den Saum ihrer Bluse leicht nach unten, als wolle sie ihren weich gerundeten, anbetungswürdigen Bauch verdecken, bevor sie sich umdrehte und die Straße herunterging. Nach dem Krieg auf Alecs Anwesen, waren sie bei Sonnenuntergang zusammen mit den Hexen durch einen Teil des Sumpfes geflüchtet.

Sam und Jean Antoine hatten die Vorhut übernommen, weil sie nach Alec suchen wollten, um ihn vor Dummheiten zu bewahren. Bis jetzt hatte Lukan nichts Neues von seinem Erschaffer gehört. Er selbst hatte die kraftlose Holly getragen und bis in ein teures Hotel in die Stadt gebracht. Sobald sie stark genug war, hatte Holly sich am Ende der Straße ein eigenes Zimmer genommen, doch sie blieb in der Stadt.

Sie versuchte nicht vor ihm zu fliehen und bis auf ein paar Spitzen, forderte sie ihn auch nicht wortwörtlich auf, sich von ihr fernzuhalten. Das ließ diese lächerliche, brennende Hoffnung in ihm weiterglühen.

Seine Hand in seiner Jackentasche ballte sich zur Faust, als er sich Holly anschloss und ihr langsam zu ihrem Hotel folgte. Ihr Duft folgte ihr wie ein Hochzeitsschleier. Weiß, duftend nach Vanille und einfach perfekt für sie. Bei jeder anderen Frau wäre der Duft seltsam erschienen. Schließlich rochen die meisten jungen Frauen nach Zitrone, Limette, Pfirsich und exotischen Früchten. Vanille war etwas für ältere Damen. Doch bei Holly war es anders. Es schien ihren Körper einfach zu umfliegen und machte ihre Haut zu einem sahnigen, warmen Erlebnis.

Sein Nagelbett brach wieder auf, als er die Faust vor Verlangen verkrampfte, sie zu berühren.

„Hast du etwas von Grace gehört?", fragte Holly plötzlich und verminderte aus irgendeinem Grund das Tempo. „Bevor Jean Antoine mich angegriffen hat, habe ich versucht sie aus einer Ohnmacht zu befreien."

Lukan warf ihr einen kurzen Blick zu. Offensichtlich hatte sie sich in der kurzen Zeit in dem Bunker mit ihr ein bisschen angefreundet, denn ihre Stimme klang sorgenvoll. Die erste Emotion - außer Gereiztheit und Kühle - zeigte sich auch in ihren Händen, die nervös miteinander rangen.

„Sie war ziemlich weggetreten."

„Ich glaube, wir hätten davon erfahren", meinte Lukan mit einer Spur an Humor. „Wäre Grace etwas passiert..."

„Du hast recht. Alec würde durchdrehten." Sie zögerte einen Moment und warf ihm unter gesenkten Lidern einen Blick zu. „Er liebt sie wirklich."

Lukan wusste, dass diese unausgesprochene Frage auf etwas ganz Spezielles abzielte. Dies war eine dieser Frauen-Fragen und zum Glück für ihn ziemlich schnell zu durchschauen. Trotzdem ließ ihn die Angst vor einer Demütigung zögern. Was brachte es schon einer Frau die Liebe zu gestehen, die sie nicht erwiderte? Er würde sich nur lächerlich machen. Und er würde Holly zu einer Reaktion zwingen, die ihm nicht gefallen würde. Das wusste er schon, bevor er den Mund öffnete und sein Herz darlegte. „Ich liebe dich auch, Holly." Seine Stimme klang belegt, aber ernst.

Ihr Mund verkniff sich zu einer schmalen Linie, bevor sie zügiger weiterlief und nur kurz an der Tür zu ihrem Hotelzimmer anhielt. „Wie soll ich dir das glauben, Lukan?", fragte sie mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen. Für einen Moment suchte sie angestrengt in seinem Blick, bevor sie kopfschüttelnd das Gesicht abwandte und ihre Füße betrachtete.

Er wusste nicht, was er sagen sollte, um sie von der Wahrheit zu überzeugen. Was hatte er schon groß getan, um sie glauben zu machen, dass er sie liebte? Jede Art von Zuwendung hatte er irgendwie zerstört; hatte versucht sich von ihr fernzuhalten, hatte ihr Angst gemacht und versucht diese Anziehung zu zerstören. Bis er ihr am Ende sogar den friedvollen Tod verwährte und sie zum Leben zwang. Obwohl sie darum bat zu sterben. Darum flehte, sie in Ruhe zu lassen.

„Bitte... tu es nicht."

Ihre Worte, bevor er sie verwandelte. Ihre letzten Worte als Mensch. Und er hatte sie ignoriert. Wie alles, was Holly von ihm verlangte, hatte er am Ende doch nur das getan, was er wollte.

Ätzende Tränen stiegen ihm in die Augen, während sich seine Brust unter einem zerreißenden Luftzug hob. Schmerz setzte sich in seiner Brust fest wie ein harter Klammergriff, als er sie verzweifelt ansah. Sie konnte ihm nicht glauben, wenn er doch zuvor noch jeden Moment der Liebe zwischen ihnen zerstört hatte. Selbst in dem Moment, als sie sich das erste Mal lustvoll, kichernd und warm an ihn schmiegte, hatte er sie mit Lügen verhöhnt und sich mit bitterem Zynismus über sie lustig gemacht. Eine hoffnungslose, innere Verzweiflung tat sich vor ihm auf, während sein Herz vor Qual anschwoll. Seine ständigen Begleiter, Verzweiflung und Schmerz, seit er das erste Mal Holly gesehen hatte und die Sehnsucht bekämpfte, würden wohl immer Teil seines Lebens bleiben.

„Wie soll ich dir glauben?", presste Holly mit heiserer Stimme erneut hervor und schenkte ihm ein trauriges Lächeln. Sie öffnete die Nachttür zum Hotel und drückte sie auf.

„Weil es die Wahrheit ist", flüsterte er erstickt, doch sie war schon hinter der Tür verschwunden.

*

Jean Antoine öffnete vorsichtig die Tür zum Apartment und warf einen Blick hinein. Das Bett auf der Linken war unbenutzt, doch Jean Antoine hatte auch nicht zerwühlten Laken gerechnet. Etwas mutiger, weil sie Möbel nicht zerstört waren, stieß er die Tür weiter auf und trat ein. Kein Licht brannte, doch das war nicht ungewöhnlich für einen Vampir. Man vergaß wegen der guten Sinne oft, dass es auf Fremde seltsam wirkte. Sam sagte ihm das jeden Tag. Er lächelte kurz bei dem Gedanken an seinen Geliebten, der auch gerade das Leben vollkommen neu entdeckte. Und sich selbst. Sam legte mittlerweile eine unfassbar niedliche Art an den Tag, indem er begann zu nörgeln und ununterbrochen forderte. Doch Jean Antoine ging es nicht viel anders. Schließlich hatten sie einen großen Zeitraum aufzuholen.