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Eine Party und ihre Folgen 03

Geschichte Info
Julia trifft Gina erneut.
8.6k Wörter
4.65
44.8k
9

Teil 3 der 6 teiligen Serie

Aktualisiert 06/08/2023
Erstellt 07/11/2017
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Hallo liebe Leserinnen und Leser,

ganz herzlich möchte ich mich bei euch bedanken für eure aufmunternden Worte, ganz besonders aber für eure kritischen Anmerkungen. Es hat ein wenig länger gedauert, bis ich mit dieser Fortsetzung zufrieden war. Mehrere Male habe ich sie umgestellt und Teile davon neu geschrieben. Jetzt bin ich einigermaßen zufrieden damit und möchte euch daher nun den dritten Teil der Geschichte um Julia präsentieren.

Wer die Story nicht kennt, sollte sich zum besseren Verständnis die ersten beiden Teile durchlesen. Wie immer wünsche ich euch an dieser Stelle gute Unterhaltung.

Liebe Grüße

Euer

Panthera tigris

Teil 3: Warum nur das eine oder das andere? Wieso nicht einfach beides?

Das Wochenende ging schneller vorüber als ich gedacht hätte. Obwohl ich mit Tom wirklich fantastischen Sex erlebt hatte und zumindest für einige Stunden meine zermürbenden Gedanken hatte aus meinem Kopf vertreiben können, plagte mich schon nach kurzer Zeit mein schlechtes Gewissen erneut. Zumindest unbewusst versuchte ich, Tom so gut es eben ging aus dem Weg zu gehen. Mehr als einmal fragte Tom mich, was mit mir los sei und es tat mir in der Seele weh, dass ich ihn so einfach abwies. Doch ich konnte mich einfach nicht durchringen, ihm von dem Erlebnis zu berichten. Einerseits, weil ich mich schämte für meinen Seitensprung und andererseits, weil ich selbst das Erlebte nicht einzuordnen vermochte. Ich verstand die Welt selbst nicht mehr. War ich nun eine Lesbe oder nicht?

Der Montag brachte willkommene Abwechslung für mich, weil nun endlich die Vorlesungen wieder beginnen würden. Endlich würde mich der Vorlesungsstoff, so hoffte ich, wieder auf andere Gedanken bringen. Dennoch ging ich mit gemischten Gefühlen in die Uni, denn ich befürchtete, dass ich dabei früher oder später Gina über den Weg laufen würde. Und was dann? Wie sollte ich mich ihr gegenüber verhalten? Einfach zur Tagesordnung übergehen und so tun als sei nichts geschehen? Oder sollte ich doch eher gezielt das Gespräch suchen und mich mit ihr aussprechen?

In der Mittagspause passierte schließlich das Unvermeidliche. Ich lief gerade am Schwarzen Brett vorbei, als Gina um die Ecke gebogen kam. Als ich sie erblickte, lief ich sofort puterrot an. Mein Puls schnellte in die Höhe und Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. Mein Magen begann zu rebellieren und verkrampfte sich schmerzhaft.

Unvermittelt änderte ich meine Richtung. Ich machte auf der Stelle kehrt, bereit die Flucht nach hinten anzutreten.

Ich war nicht weit gekommen als Gina mir fröhlich entgegen flötete: „Hallo Julia. Schön dich zu sehen. Du warst nach der Feier auf einmal so plötzlich verschwunden." In ihrer Stimme klang etwas Betrübtes mit.

Ich tat so als hätte ich Gina nicht gehört und lief schnurstracks weiter. Ich wollte einfach nur weg. So weit weg wie möglich. Und zwar so schnell wie möglich. Doch egal wie sehr ich mich auch anstrengte, es ging für meine Begriffe nicht schnell genug.

„He Julia", rief Gina mir hinterher, „was ist denn los?"

Plötzlich streifte mich etwas an meiner Schulter. Ich drehte mich um und blickte in dieses bezaubernde strahlend blaue Augenpaar, das mich bereits am Freitag hatte schwach werden lassen.

Gina lächelte mich schüchtern an und schaute mir tief in die Augen. Genau mit diesem süßen, leicht naiv-unschuldigen Gesichtsausdruck hatte sie mich am vergangenen Freitag auf der Party um den Finger gewickelt. „Was ist denn mit dir los, Julia? Man könnte glatt meinen, dass du vor mir weg läufst", fragte sie mich vorwurfsvoll und strich mir dabei sanft über den Arm, dass mich ein wohliger Schauer durchfuhr.

„Ich...ich...entschuldige bitte, Gina", druckste ich herum, „ich bin im Moment einfach tierisch verwirrt. Das mit uns am Freitag...das..."

„Hat es dir denn nicht gefallen?", fragte sie mich und blickte mich beinahe enttäuscht an.

„Do...doch...sehr sogar. Genau das ist es ja, was mich verwirrt.", antwortete ich. Ich sah Gina in die Augen und sah ein, dass Flucht jetzt nichts mehr bringen würde. Früher oder später hätte dieses Gespräch wohl sowieso stattgefunden.

„Süße, was verwirrt dich denn?", fragte sie. Gina griff nach meiner Hand und hielt sie fest. Ich genoss ihre Nähe, die Wärme, die ihr Körper ausstrahlte und sofort nahm ich wieder ihren betörenden Duft wahr.

„Ich habe einen Freund", stellte ich klar. Ich war selbst überrascht, wie sicher dieser Satz aus meinem Mund geklungen hatte. Trotzdem war ich mir schon kurz nachdem ich diese Worte ausgesprochen hatte, nicht mehr sicher, inwiefern sie auch den Tatsachen entsprachen.

Gina verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln. „Ja ich weiß, wo ist das Problem?"

Ich glaubte, mich verhört zu haben. Fragte Gina das soeben ernsthaft? „Wo das Problem ist?", fragte ich konsterniert und meine Stimme wurde leicht schrill. „Ich habe mit dir Sex gehabt und es hat mir tierisch gut gefallen. Ich weiß einfach nicht mehr, was mit mir los ist. Was bin ich denn nun? Bin ich hetero? Bin ich lesbisch? Ich weiß einfach nicht mehr, wo mir der Kopf steht!"

Unwirsch und nervös sah ich mich auf dem Flur um, um mich zu vergewissern, dass Gina und ich alleine waren. Dass jemand von diesem Gespräch erfahren würde, war das Letzte, was ich jetzt noch gebrauchen konnte.

Gina starrte mich einen Moment lang einfach nur an. Peinliches Schweigen erfüllte den Flur. Dann begann Gina, wieder zu lächeln, ergriff meine Hand und zog mich hinter sich her durch den Gang nach draußen ins Freie. „Komm mal mit", sagte sie, „wir sollten uns mal unterhalten."

Bereitwillig ließ ich mich von ihr führen. Wir verließen das Gebäude durch die große Haupteingangstür und traten hinaus ins Freie und sofort umfing uns die schwül-warme Außenluft. An diesem Mittag war es für Mitte Oktober ungewöhnlich warm, beinahe sommerlich. Es war geradezu drückend heiß und sofort merkte ich, dass mein Kreislauf ziemlich unglücklich über dieses Wetter war. Ja, ich sehnte mir regelrecht die feucht-kühle Brise des klimatisierten Hörsaals von heute Morgen zurück.

Wir überquerten die Straße eiligen Schrittes und Gina zerrte mich schnell den Gehweg entlang, indem sie mit ihren Händen mein Handgelenk fest umklammert hielt. Ich hatte Mühe, mit ihrem federnd-leichten Gang mitzuhalten und geriet einige Male fast ins Stolpern. Ich wollte ihr gerade zurufen: „He, nicht so schnell!" als sie stehen blieb und mich nach links durch ein schmiedeeisernes Tor schob hinein in eine Kleingartenanlage.

„Setz dich da hin", sagte sie aufmunternd zu mir und zeigte auf eine schmucke, weiß gestrichene Holzbank, die im Schatten unter dem Kronendach einer dicken, alten und knorrigen Eiche stand. Durch das dichte Laub schimmerten dünne Sonnenstrahlen, die das vom Kronendach beschattete Kleinod wie einen Flickenteppich mit goldenen Klecksen besprenkelten.

Ich leistete der Aufforderung meiner bezaubernd schönen, braunhaarigen Begleiterin Folge und ließ mich langsam auf die Bank sinken, die selbst unter meinem Federgewicht bedrohlich laut ächzte. Offenbar hatte sie schon einmal bessere Zeiten erlebt und das Holz war im Lauf der Jahre morsch und brüchig geworden. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich nun, dass die Sprenkel nicht nur dem durch das Kronendach glitzernden Licht geschuldet waren, sondern dass an etlichen Stellen bereits die schützende Farbe abgeplatzt war und nun das ergraute Holz darunter hervorblitzte.

Gina setzte sich neben mich und die Bank ächzte, dass wir befürchten mussten, sie würde jederzeit unter uns zusammenbrechen. Doch nichts geschah und grinsend schauten wir uns an.

„Warum nur das eine oder das andere? Wieso nicht einfach beides?", fragte Gina mich schließlich.

Irritiert schaute ich sie an. „Wie meinst du das?", fragte ich sie nun völlig durcheinander.

Gina grinste und antwortete: „Vielleicht stehst du einfach auf beides. Auf Jungs und Mädchen und hast es bislang nur nicht gemerkt?"

Ich schaute sie ratlos an. Dann auf einmal fiel der Groschen. Meine Augen weiteten sich und mir entfuhr es als hätte mich der Blitz der Erkenntnis getroffen: „Du meinst etwa, ich bin...?"

Gina unterbrach mich und antwortete: „Genau. Vielleicht bist du einfach bisexuell. So wie ich."

Bi! Daran hatte ich noch gar nicht gedacht! Das könnte in der Tat einiges erklären. Ich musste Ginas Worte erst einmal sacken lassen und verdauen. Doch je mehr ich darüber nachdachte, umso mehr Sinn ergab es für mich. Umso klarer schien mir alles zu werden. Ja, vielleicht war ich wirklich bisexuell.

******

Gina und ich saßen minutenlang unter dem Eichenbaum. Der Wind spielte verträumt in den Ästen des knorrigen, alten Baumes, ließ das dunkelgrüne Laub auf und ab hüpfen. Erste hellbraune Flecken legten ein Zeugnis davon ab, dass der Herbst trotz sommerlicher Temperaturen bereits unbarmherzig Einzug hielt. Lange würde es nicht mehr dauern und die Blätter würden, eines nach dem anderen, völlig vergilbt wie ein kleiner Fallschirmspringer zu Boden schweben. Der Geruch von trockenem Laub würde dann überall in der Luft liegen und unmissverständlich klar machen, dass bald die ungemütliche Zeit des Jahres beginnen würde.

Wir beide schwiegen uns an, wagten nicht, die Stille zu durchbrechen. Immer noch ließ ich Ginas Worte auf mich wirken. „Vielleicht bist du einfach bisexuell. So wie ich", hallte es wieder und wieder durch meinen Kopf.

Ich fragte mich, ob Gina recht mit ihrer Vermutung hatte. Konnte es wirklich sein, dass ich auf Männer und Frauen stand? Möglich wäre es schon. Nur, weshalb hatte ich dann all die Jahre davon nichts mitbekommen? Oder hatte ich nur nichts davon mitbekommen wollen? So manche Erinnerung meiner Vergangenheit erschien mir mit einem Mal in einem ganz anderen Licht.

Da war zum Beispiel Jenny, eine ehemalige Klassenkameradin von mir, die ich im Sportunterricht immer angestarrt hatte. Ich hatte immer geglaubt, dass ich ihren Körper nur bewundert hatte, um meinen mit dem ihren zu vergleichen oder weil ich neidisch auf sie war, denn im Unterschied zu mir hatte sie deutlich mehr Oberweite vorzuweisen gehabt. Jetzt allerdings musste ich mir eingestehen, dass ich sie damals nicht nur hübsch fand, sondern dass vielleicht sogar mehr dahinter gesteckt hatte. Hatte ich Jenny damals möglicherweise attraktiv gefunden, ja sexuell anziehend?

Dann gab es da noch Sandra, ein Mädchen, das mit mir in den Kindergarten gegangen war. Mit ihr hatte ich immer „Vater, Mutter, Kind" gespielt und ich hatte mich in ihrer Nähe immer besonders wohl gefühlt. Natürlich waren wir damals noch kleine Kinder gewesen und hatten nur miteinander gespielt. Aber ich hatte bei Sandra immer das Gefühl gehabt, dass wir uns besonders gut verstanden und uns mehr als nur eine besonders innige Freundschaft verband. Mit ihr war es in etwa so wie mit Tim, dem Nachbarssohn, der mit mir auf dem Spielplatz immer im Sand gespielt hatte und meine erste „große Sandkastenliebe" gewesen war. Was, wenn auch Sandra für mich so etwas wie eine Sandkastenliebe gewesen war? Waren all diese Situationen möglicherweise erste Vorboten gewesen, die ich bisher nur nie richtig interpretiert hatte?

Je mehr ich darüber nachdachte, umso klarer zeichnete sich ein Bild ab. Der tolle Sex mit Gina sprach eine eindeutige Sprache und es erschien mir fast als würden sich vor meinem geistigen Auge all die verworrenen Puzzleteile plötzlich wie von selbst zu einem sinnvollen, stimmigen Bild zusammensetzen.

Plötzlich spürte ich ein seltsames Ziehen in meiner Magengegend. Mir wurde flau und mein Herz begann bei dem Gedanken, dass ich bi sein könnte, aufgeregt auf und ab zu hüpfen. Ich kann bis heute dieses Gefühl weder richtig beschreiben noch sagen, warum es auftrat. Vielleicht hatte --wieder einmal- mein Herz wesentlich schneller begriffen, was mit mir los war, als es mein Verstand im Stande war. Da war mein kleines, pochendes Herz auf der einen Seite, dass ausgelöst durch diese neuen Empfindungen und Selbsterkenntnisse euphorisch in meinem Brustkorb einen Freudentanz vollführte und gleichzeitig mein rationaler Verstand auf der anderen, der mich mahnte, nicht voreilig zu sein und anscheinend noch Probleme damit hatte, meine sexuelle Orientierung neu zu bewerten.

Mir fielen die Zeilen aus dem Refrain eines Liedes von Udo Jürgens ein, das meine Eltern, beide begeisterte Fans des österreichischen Ausnahmekünstlers, oft begeistert mitgesungen hatten: „Ewig hin- und hergerissen zwischen Sehnsucht und Gewissen. Hier was ich fühle, da, was ich mein'."

Irgendwie schienen die Verse auf mich völlig zuzutreffen. Je intensiver ich darüber nachdachte, umso deutlicher wurde es für mich, dass Gina mit ihrer Vermutung richtig liegen könnte.

Dennoch fiel es mir unglaublich schwer, mir das einzugestehen. Zu neu waren diese Empfindungen für mich. „Bin ich wirklich bi?", fragte ich mich selbst, obwohl ich die Antwort auf diese Frage bereits kannte. Obgleich die Zeichen dafür mehr als deutlich waren, hatte ich Probleme damit, es in Worte zu fassen und es mir endlich einzugestehen. Natürlich wusste ich, dass daran absolut nichts Schlimmes war, trotzdem musste ich zugeben, dass ich nicht frei von Vorurteilen war und gewisse Vorbehalte hatte. Und nun sollte ausgerechnet ich auch eine Bisexuelle sein?

Ich zupfte einen Grashalm ab, mein geübtes Biologenauge sagte mir, dass es sich dabei um einen Halm des Gewöhnlichen Ruchgrases handelte, und rollte ihn nachdenklich durch meine Finger.

Es dauerte nur wenige Sekunden und der unverkennbare Duft von Waldmeister stieg mir in die Nase. Grund dafür waren die Inhaltsstoffe des Grases, die die Cumaringlykoside. Wurden die Zellen beschädigt, kamen diese Stoffe mit einem Enzym in Kontakt, das die glykosidische Bindung auftrennte und reines Cumarin freisetzte; dem Stoff, der dem Waldmeister sein typisches Aroma verlieh und auch für den herrlichen Duft von Heu verantwortlich war. In höheren Dosen wurde Cumarin früher wegen seiner gerinnungshemmenden Eigenschaften als Vitamin K-Antagonist als Rattengift eingesetzt, heute wurden Derivate noch auf ähnliche Weise benutzt oder kamen als blutverdünnende Medikamente in der Medizin zum Einsatz.

Ich schüttelte über mich selbst den Kopf und strich mir nervös eine widerspenstige Strähne meiner kupferroten Mähne aus dem Gesicht. Da saß ich nun also auf der Bank, grübelte gedankenverloren über die elementare Frage nach meiner sexuellen Orientierung nach und konnte trotzdem nicht umhin, biologisch-rational zu denken.

„Darf ich dich etwas fragen?", unterbrach ich die Stille schließlich.

„Nur zu", antwortete Gina aufmunternd und strich mir dabei mit ihrer Hand sachte über meinen Oberschenkel, dass ich unter meiner eng anliegenden Jeans eine Gänsehaut bekam.

„Seit wann weißt du es?", wollte ich von ihr wissen, „Also, dass du auch auf Frauen stehst?"

Gina zuckte mit den Schultern. „Eigentlich wusste ich das schon immer", antwortete sie mir und zuckte dabei mit den Schultern als sei es das selbstverständlichste auf der Welt, dass man Männer und Frauen liebte. „Schon in der Grundschule war ich in ein Mädchen verliebt. Für mich war das völlig normal. Ich habe mich mit Jungs in der Schule nie sonderlich gut verstanden und fand sie eher albern und kindisch."

Da konnte ich Gina nur Recht geben. Auch in meiner Klasse hatten sich die Jungen immer mehr als albern verhalten. Erst als ich Tom kennengelernt hatte, hatte sich das Bild, das ich von einem Jungen hatte, dramatisch geändert. Plötzlich, als hätte jemand einen imaginären Schalter umgelegt, waren Jungs für mich von einem Tag auf den anderen nicht nur nervig und doof, sondern ich fand sie plötzlich ziemlich interessant, schwärmte für sie und stellte mir vor, wie es wohl wäre, einen Freund zu haben.

Ich bewunderte Gina dafür, wie selbstbewusst und offen sie mit ihrer Neigung umging und fragte mich gleichzeitig, ob ich jemals so freimütig über meine sexuelle Orientierung würde reden können. Im Moment fiel es mir ja sogar schwer, mir selbst gegenüber so ehrlich zu sein und mir einzugestehen, dass ich bisexuell war. Geschweige denn, es gegenüber anderen zuzugeben. Erst recht Tom gegenüber...

Doch dann wurde mir klar, dass Gina im Grunde genommen völlig richtig mit ihrer Sexualität umging. Bi zu sein, das bedeutete schließlich nicht, krank oder abartig zu sein. Sondern es war einfach eine Laune der Natur. Etwas, für das man nichts konnte, was man sich nicht raussuchte und was man ohnehin nicht ändern konnte. Und etwas, für das man sich wirklich nicht zu schämen brauchte. Mir fielen sofort einige Beispiele aus der Natur für bisexuelles Verhalten ein. Die in Zentralafrika lebenden Bonobos oder Zwergschimpansen, unsere nächsten Verwandten, waren eine Tierart, bei der bisexuelles Verhalten nicht nur weit verbreitet, sondern sogar der Regelfall war.

Obwohl ich all das wusste, hatte die heteronormative Erziehung bei mir wesentlich besser gefruchtet als bei Gina. Im Alltag begegnete man einer Welt, die fast ausschließlich aus Heterosexualität zu bestehen schien. Ich konnte mich jedenfalls nicht daran erinnern, in meiner Jugend je ein Buch mit einem bisexuellen Charakter gelesen zu haben und hatte keine Bisexuellen im Freundes- oder Bekanntenkreis. Oder hatte ich sie etwa doch, nur trauten sie sich aus dem gleichen Grund wie ich nicht, offen zu ihrer Neigung zu stehen?

Gina fuhr in ihrer Erzählung fort: „Mit 14 hatte ich meine erste Freundin. Für mich war es damals natürlich die große Liebe. Für sie wohl nicht, sie wollte einfach nur mal wissen, wie es mit einem Mädchen ist. Nach zwei Monaten war es aus zwischen uns, weil sie doch wieder lieber mit einem Jungen zusammen sein wollte. Mehr als Händchenhalten und ein paar Küsschen sind damals nicht passiert."

„Hattest du mit einer Frau auch dein erstes Mal?", fragte ich neugierig.

Gina nickte. „Ja."

„Und?", fragte ich, „wie war es?"

Ohne zu zögern antwortete Gina: „Es war mit meiner besten Freundin in einem Zeltlager und hat sich recht spontan ergeben. Aber es war auf jeden Fall sehr schön für uns beide und es blieb nicht nur bei diesem einen Mal. Wir haben uns von diesem Tag an regelmäßig zum gemeinsamen Sex miteinander getroffen, bis sie mit ihrer Familie leider weg ziehen musste. Ihr Vater hatte am anderen Ende Deutschlands eine sehr lukrative Stelle angenommen."

Während Gina unverblümt über ihre ersten sexuellen Erfahrungen redete, hörte sie nicht auf, mir mit ihrer Hand in kleinen Kreisbewegungen über meinen Oberschenkel zu streicheln, was mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken laufen ließ. Wie selbstverständlich rückte ich näher an Gina heran und tat dann etwas, das mich selbst vollkommen überraschte -- ich legte meine Hand auf Ginas Knie und spürte sofort wie aufgrund meines für meine Verhältnisse wirklich forschen Auftretens vor Aufregung der Puls in die Höhe schnellte.

„Dann hast du also mit Jungs erst später etwas angefangen?", hakte ich nach.

Gina nickte. „Ja. Um ehrlich zu sein, habe ich damals geglaubt, dass ich lesbisch sei und habe mich bald nach meinem ersten gleichgeschlechtlichen Sex in meinem Freundeskreis geoutet. Ich war überzeugt, nie etwas mit einem Jungen anfangen zu können und fand sie einfach viel zu unreif." Sie lächelte schüchtern und errötete leicht.

Ich zog eine Augenbraue hoch und fragte: „Und was hat deine Meinung geändert?"

Gina lachte auf. „Mein achtzehnter Geburtstag. Ich hatte einiges getrunken. Nicht so viel, dass ich sturzbesoffen war, aber genug, um meine Hemmungen über Bord zu werfen. Meinem besten Freund ging es ähnlich und ehe wir es uns versahen, sind wir miteinander im Bett gelandet. Am Tag danach wollte ich es nicht wahrhaben und hätte es am liebsten rückgängig gemacht. Ich hatte panische Angst vor diesen neuen Empfindungen, bis dahin kannte ich ja nur die Liebe zu Frauen und plötzlich war da dieser Junge, den ich toll fand. Ich habe erst versucht, ihm so gut es ging aus dem Weg zu gehen, doch die Versuchung wurde immer größer und größer und auch er suchte immer stärker die Nähe zu mir. Bald darauf musste ich mir eingestehen, dass ich mich richtig in ihn verliebt hatte und ihm ging es ähnlich. Wir landeten erneut im Bett. Von da an wurde es leichter, mich ihm gegenüber zu öffnen und wir schliefen öfter miteinander. Eines Tages beschloss ich, ihm von meinen Gefühlen zu erzählen und sagte ihm, dass ich verliebt in ihn war. Zu meiner großen Überraschung und Freude gestand er mir, dass es ihm ganz ähnlich ging und er insgeheim schon seit Jahren in mich verliebt war, sich aber nie Chancen ausgerechnet hatte, da ich ja eine geoutete Lesbe war. Wir fielen uns schluchzend in die Arme, übersäten uns mit Küssen und tja, seit diesem Tag sind wir ein Liebespaar."