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Feuer und Wasser

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Kaum war Patrick weg, da kam auch schon der Servicetechniker mit dem neuen Rechner. Daraufhin war der Tag gelaufen.

*

Elvira stürmte in die Eisdiele.

„He, he, mal ganz langsam, Vira", meinte Arne. „Wo brennt es denn?"

„Wo ist er? Wo ist der Kerl?", fauchte sie.

„Wer? Jürgen? Hier nicht."

„Da sehe ich auch. Aber wo? In der Früh ist er aufgetaucht wie ein Geist aus dem Nebel und dann war er weder im Markt, im Café und bei dir ist er auch nicht. Wo ist er?"

„Elvira, wo wird er sein? Er ist am Umziehen, Patrick hat mit ihm die Möbel aufgebaut und sein Computer muss eingerichtet werden. Er hat keine Zeit, Mädchen. Er muss seine Sachen einräumen, sein Bett montieren, den Schrank aufbauen und für alles einen Platz suchen. Du weißt doch, was in einem Haushalt alles anfällt. Und dann hat er auch noch seine Arbeit. Gib ihm etwas Zeit. Warum willst du ihn eigentlich sehen? Ist ja was ganz Neues."

„Das geht dich gar nichts an, Arne. Er kann aber nicht einfach nach zwei Monaten zurückkommen und einfach so mir nichts, dir nichts, mir fast einen Herzinfarkt verursachen, indem er so unangemeldet am Straßenrand sitzt und mir frech zuwinkt."

Elvira war völlig aufgelöst und schien den Tränen nah. Arne machte einen Schritt auf sie zu und nahm sie in seine Arme. Sie versteifte sich kurz, dann lehnte sie sich an ihn.

„Doch Vira, das kann er. Du weißt, wie du ihn abgekanzelt und behandelt hast. Warum sollte er dir überhaupt freundlich begegnen? Du bist mit ihm so unmöglich umgegangen, wie du jeden anderen Kerl, den du nicht magst, auch behandelst. Aber Jürgen ist nicht so wie die anderen. Du musst ihm nur die Gelegenheit geben, es dir zu zeigen. Schau ihn dir genau an, höre ihm zu wenn er etwas sagt und dann entscheide, wie du dich verhältst."

"Ach, Arne, das ist nicht so einfach für mich. Du kennst doch meine Situation. Wenn es nur um mich geht, dann wäre es leichter. Aber ich habe ja auch noch Ramona. Und die soll so etwas nicht noch einmal durchmachen müssen. Einmal ist genug."

"Ich verstehe dich, Vira. Aber denk doch mal an deine Tochter. Sie ist fast achtzehn und das Ganze ist schon mehr als sechs Jahre her. Willst du sie denn ewig behüten und vor der Welt beschützen. Sie hat das Recht auf ihr eigenes Leben. Lass sie ihre eigenen Erfahrungen machen, unterstütze sie und stehe ihr bei. Aber lass ihr bitteschön etwas Freiraum. Wo dein Ex ein Draufgänger und Haderlump bis hin zur Kriminalität war, da ist Jürgen eher schüchtern und zurückhaltend. Oder hat er dich schon einmal dumm und ungebührlich angeschwätzt?"

"Ja, das weißt du doch. Du hast doch mitgekriegt was er geantwortet hat, als ich ihn gefragt habe, warum er mich so anstarrt, oder nicht?"

"Klar, er hat gesagt, dass er dich so anschaut, wie er jede schöne Frau anschauen würde. Was ist daran so ungebührlich?"

"Er kann doch nicht einfach so sagen, dass ich . . . äh . . "

"Er kann also nicht sagen, dass er dich für eine schöne Frau hält, Elvira? Wirklich nicht? Dann schau dich zuhause mal genau im Spiegel an. Ganz neutral, ohne böse zu schauen und ohne wütend zu sein. Was siehst du dann? Eine Frau mit einem schönen Gesicht, mit ausdrucksvollen Augen, sinnlichen Lippen und einer voll erblühten Figur. Mädchen, ich mag ein alter Mann sein, aber das fällt sogar mir auf. Und glaubst du vielleicht, dass Jürgen blind ist? Er hat vielleicht keine großartige Erfahrung mit Frauen und ist deshalb so schüchtern und zurückhaltend, aber ihm ist auch sofort aufgefallen, wie hübsch, nein wie schön du bist. Jeder andere Mann hätte doch bei deiner „Freundlichkeit" längst die Flucht ergriffen. Und er? Hat er? Nein, er hat nicht, er ist geduldig, er ist beharrlich. Er sieht etwas in dir, das nur er erkennt und das er an dir schätzt und mag. Und am ersten Tag als er wieder da war, da hat er am Morgen auf dich gewartet, weil er dich sehen wollte, weil er gehofft hat, dass du vorbeikommst. Also mach dir mal darüber deine Gedanken und wenn du zu einem Ergebnis kommst, dann handle entsprechend."

Elvira hatte Tränen in den Augen, als sie Arne ansah. Sie gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange.

"Danke Arne, danke für alles. Du bist ein wahrer Freund, ein Mann, auf den man sich verlassen kann. Ich werde niemals vergessen, was ihr für uns getan habt und ich werde auf deinen Rat hören, weil er von Herzen kommt und ehrlich gemeint ist. Aber ich brauche noch Zeit dafür, denn ich muss es genau abwägen und überlegen. Ich bin froh, dass du mich nicht drängst. Ich werde zu einer Entscheidung kommen und du wirst sie erfahren. Danke."

Elvira umarmte ihn noch einmal, dann ging sie nachdenklich heim.

*

Am nächsten Morgen saß Jürgen wieder an der gewohnten Stelle und wartete auf Elvira.

Wieder wurde sie etwas langsamer, als sie ihn passierte. Sie schaute ihn an und er registrierte erstaunt, dass sie ihn diesmal nur neutral und nicht herablassend verächtlich betrachtet hatte.

Wieder winkte er ihr leicht zu, sie nickte kurz, dann gab sie Gas und fuhr aus dem Dorf.

Jürgen war erleichtert? Zufrieden? Euphorisiert? Eher das letzte, hatte er ihr doch eine Reaktion entlockt, die keine blanke Ablehnung erkennen lies. Sie hatte ihm zugenickt und das war mehr, als er in der Zeit, seit er sie kennen gelernt hatte, erwarten konnte.

Er verstand ihre Beweggründe und wusste, dass er sich viel Zeit nehmen musste.

Nach dem Frühstück, dem ersten richtigen in seiner Wohnung, saß er noch eine ganze Weile an seinem neuen Tisch und schaute sich zufrieden in seinem Zuhause um. Er fühlte sich rundherum wohl.

Es sah zwar noch ein wenig wild aus, aber wenn der Schreibtisch nächste Woche da war, gab es schon ein ganz anderes Bild ab.

Und mit der Wohnung war es wie mit Elvira. Er musste sich Zeit lassen, dann würde das schon werden.

Er überlegte, in welche Ecke er den Schreibtisch stellen würde und dann fiel ihn etwas siedend heiß ein. Er brachte noch einen Stuhl für seinen Schreibtisch. Daran hatte er im Überschwang gar nicht gedacht.

Er griff zum Telefon und rief bei Patrick an. Am Telefon war seine Frau Marie-Claire, da Patrick mit Max beim Bäume fällen war. Sie hörte sich an, was er brauchte und sagte, sie würde es Patrick ausrichten. Er würde ihn dann zurückrufen.

Jürgen atmete tief durch. Wieder ein Problem gelöst.

Aber sein allergrößtes Problem war noch ungelöst. Und das hieß Elvira.

Er dachte an sie und er dachte an sie ohne Zorn, aber dafür mit viel Zuneigung.

*

Er brauchte eine ganze Weile, bis er sich so weit gefangen hatte, dass er mit dem Schreiben anfangen konnte. Aber auch dann waren seine Gedanken viel schneller, als sich seine Finger bewegen konnten.

Nach gut zwei Stunden schob er den Laptop (seinen neuen, stationären Rechner wollte er erst benutzen, wenn der Schreibtisch da war) von sich und lehnte sich zurück.

Als er auf den Bildschirm schaute, sah er erstaunt, wie weit er gekommen war. Er fühlte sich aber auch etwas erschöpft und machte ein paar Dehnungsübungen, um die Rückenschmerzen zu vertreiben.

Er lehnte sich zurück, schloß die Augen und schon erschien Elviras Bild in seinen Gedanken.

Er hing diesem Tagtraum nach, bis ihn sein Magen daran erinnerte, dass der auch Nachschub brauchte.

Jetzt hatte er eine schöne neue Küche, konnte aber nicht kochen. Mist!

Bei Arne hatte er doch die Kochbücher gesehen. Da musste er mal reinschauen, ob vielleicht auch ein paar einfache Gerichte drin waren, die ihn nicht vor unlösbare Probleme stellen würden. Zum Einzug hatte er von Mel und Arne eine große Auswahl an Gewürzen und Kräutern geschenkt bekommen. Arne hatte ihm grinsend erklärt, wie eine durchschnittliche deutsche Küche normalerweise damit ausgestattet war.

„P.S.C.P.", klärte er ihn auf, „hat nichts mit dem Fußballklub der französischen Hauptstadt zu tun, sondern heißt ganz einfach Pfeffer, Salz, Curry und Paprika. Das sind die vier Gewürze, mit denen eine deutsche Hausfrau durch ihr Leben kommt. Ich habe schon Kurse im Würzen gegeben und mir wurde hinterher bestätigt, dass es anders und besser geschmeckt hat."

Alles schön und gut, Jürgen hatte eine moderne Küche, viele Gewürze und Kräuter und immer noch keinen blassen Dunst, wie man sich ein schmackhaftes Essen zubereitet.

Also machte er eine Tiefkühlpizza auf, schob sie in den Ofen und hatte zwanzig Minuten später wenigstens etwas Warmes im Magen.

*

Gut gestärkt machte er sich mit seinem Klapprechner auf den Weg ins Café. Er wollte seine vormittäglichen Ergüsse noch einmal durchlesen, eventuell korrigieren und in eine druckbare Form bringen.

Und natürlich hoffte er Elvira zu sehen. Treffen konnte man nicht sagen, denn das einzige, was sie miteinander geredet hatten, das war ihre Tirade. Und so etwas brauchte er nicht noch einmal. Da schaute er sie lieber nur an und sagte nichts.

Jürgen sah sich seine Niederschrift vom Vormittag durch und wunderte sich. Was hatte er denn da geschrieben? Um das in seiner „Bannister-Serie" unterzubringen, musste er es gehörig umschreiben. Er las es noch einmal. Für einen Roman mit sozialkritischem Touch und viel Emotionen würde es sich hervorragend eignen, viel mehr noch als eine Grundlage für eine Liebesgeschichte. Und so was hatte er geschrieben, er, ein Mann ohne jegliche Erfahrung in solchen Dingen.

*

Dazu muss noch etwas gesagt werden. Jürgen hatte vor einigen Jahren einmal ein Paar Filme nach Büchern von Rosamunde Pilcher angeschaut und war maßlos enttäuscht. Schlechte und unmotivierte Regisseure, zweitklassige Schauspieler und alles zeitlich auf so engem Raum gequetscht, so dass oft der logische Zusammenhang fehlte.

Rosapinde Mulcher, Rosapunde Milcher, Rosamulche Pinder, das waren die Namen, die er daraufhin der Schriftstellerin gab.

Und dann bekam er das erste Buch von ihr in die Hand und war gefesselt. Klare Handlungen, ein hervorragender Schreibstil und sie konnte Gefühle ausdrücken, wie er es niemals zusammenbringen würde.

Er begann sie zu verehren, als er beim Studium ihrer letzten Werke ihr Alter erfuhr. In dem hohen Alter noch solche schriftstellerischen Leistungen zu erbringen, das forderte ihm Hochachtung und Anerkennung ab.

Und ganz langsam begann auch er seinen Stil zu wandeln, brachte statt nüchterner Sachlichkeit und fast schon klinischer Neutralität etwas mehr Emotionen und Gefühle in seine Geschichten. Das zahlte sich aus, obwohl er heftig bestritt, anders zu schreiben als früher.

*

In seinem Kopf begann es zu rattern. Zweigleisig zu schreiben würde viel Arbeit und einiges an Gehirnschmalz erfordern und ob er das zusammen brachte, musste er erst noch eruieren.

Plötzlich war ihm, als würde er beobachtet. Er blickte hoch und schaute Elvira, die an der Kasse stand und ihren Einkaufswagen einräumte, direkt in die Augen. Sie hielt einen Moment still, dann machte sie weiter.

Als sie bezahlt hatte, Jürgen lies sie keinen Augenblick aus den Augen, stellt sie sich an den Packtisch und begann die Kartonagen ihrer Einkäufe zu entfernen. Jürgen betrachtete ihre Rückseite, die sexy Beine und den apfelförmigen Popo, den die Jeans, die sie heute anhatte, besonders betonte. Dann war sie fertig, aber sie ging noch nicht. Sie lehnte sich mit dem Rücken an den Tisch und schaute ihm in die Augen. Mit unbewegtem Gesicht und ohne eine Miene zu verziehen.

Jürgen versuchte zu erraten, an was sie dachte, aber er tappte völlig im Dunkeln.

Er schaute sie nur an und versuchte sich jede Einzelheit ihres Gesichtes einzuprägen.

Ja, sie war schön, wunderschön.

Ihre großen braunen Augen zogen seinen Blick wie magisch an und selbst wenn er gewollt hätte, er hätte sich diesen Augen nicht entziehen können.

Wie lange sie sich angestarrt hatten konnte er nicht sagen, aber jäh ging ein leichter Ruck durch Elvira und es schien, als würde sie aus einem Traum erwachen. Sie schüttelte leicht ihren Kopf, dann nickte sie ihm zu und verließ den Markt.

Jürgen saß wie erstarrt da. Wilde Gedanken rasten durch seinen Kopf. Sie hatte ihn angeschaut, neutral zwar, aber ohne Hass und Abneigung und sie hatte ihm zugenickt. Das war unendlich mehr, als er erwartet hatte. Scheinbar war er schon mit Kleinigkeiten zufrieden, auch wenn sie nur einen minimalen Fortschritt darstellten.

Er ging an den Tresen und bestellte sich noch einen großen Kaffee. Carina redete mit ihm, fragte ihn etwas, aber Jürgen bekam nichts davon mit. Er bezahlte, nahm den Kaffee und ging wie in Trance an seinen Platz zurück.

Carina schaute ihm kopfschüttelnd nach. War der heute komisch. Was war dem denn über die Leber gelaufen? Sie hatte nicht registriert, dass Elvira einkaufen war und hatte die Blicke zwischen den Beiden nicht bemerkt.

Jürgen lehnte sich auf seiner Bank an die Lehne, hatte die Augen geschlossen und eine große Ruhe und Zufriedenheit hatte ihn erfasst. Eins war ihm eben klar geworden; er würde diesen Roman schreiben und Elvira, oder eine Frau, die ihr im Charakter oder Aussehen sehr ähnlich wäre, würde darin die Hauptrolle verkörpern.

Aber nebenbei musste er an seiner Serie weiterschreiben und das Konzept für die neue „Revolverheldin" durfte er auch noch erstellen.

Aber nicht mehr heute. Auf keinen Fall.

Dafür brummte ihm zu sehr der Kopf und zu viele verworrene Gedanken verwirrten ihn. Sollte er noch bei Arne vorbeischauen und ihn um seinen Rat fragen?

Nein, das musste bis morgen warten.

*

Nach einer unruhigen Nacht, in der er kaum Schlaf fand und ab 4 Uhr morgens nicht mehr in seinem Bett liegen konnte, stand Jürgen auf und frühstückte noch bevor er seine Morgenrunde begann.

Diesmal zog er sich aber seinen Trainingsanzug und die Laufschuhe an. Er wollte sich einen klaren Kopf laufen und das ging nicht mit Spazierengehen. Es musste Kraft kosten und es musste weh tun. Kurz vor Sechs lief er los, erst langsam, aber dann steigerte er sein Tempo soweit, dass er es eine knappe Stunde durchhalten konnte. Aber nach 45 Minuten war der Dampf draußen und die Luft wurde ihm knapp. Sein Herz raste, seine Lungen brannten und Elvira geisterte immer noch durch sein Bewusstsein. Er setzte sich auf seine Mauer und kam langsam wieder zu Atem.

Ein Blick auf seine Uhr zeigte ihm, dass sie gleich auftauchen würde. Und schon sah er ihr Auto auf die Hauptstraße einbiegen und Tempo aufnehmen. Als sie in seine Nähe kam, ging sie vom Gas und lies das Fahrzeug nur noch rollen, so dass sie auf seiner Höhe fast nur noch Schritttempo hatte.

Ihre Blicke trafen sich und brannten sich fest. Sie blickte ihn dermaßen intensiv an, als wollte sie bis auf den Grund seiner Seele schauen, um zu ergründen, was seine wirklichen Gründe für sein Verhalten waren.

Ob sie fand, was sie gesucht hatte, konnte er nicht sagen, aber dann nickte sie ihm zu, lächelte leicht, hob auch noch die Hand zum Gruß und lies einen vollkommen verwirrten Jürgen zurück.

Etwas betröppelt ging der wieder nach Hause, schlief fast vor lauter Träumereien unter der Dusche ein und schrieb dann mit vielen Unterbrechungen die nächsten zwei Stunden „Bannister´s Erwachen" fertig. Dieses Machwerk schickte er, nachdem er endlich einmal seinen neuen Computer eingeschaltet hatte, per Mail an den Verlag. Den Entwurf von seinem ersten Roman und einen vorläufigen selbst gesetzten Abdruck fügte er als Datei hinzu. Was sollte schon schiefgehen, es war ja nur ein Versuch und der war es wert.

Dann holte er sich im Markt zwei Leberkäsesemmeln, denn das Mittagessen würde ausfallen, lies sie sich von Christina in eine Tüte packen und verspeiste sie auf dem Weg zum Eisiglu und zu Arne. Der Weg war nicht weit und so ging er sehr langsam, denn er wollte nicht mit vollem Mund und Hamsterbacken zu seinem Cappuccino auftauchen. Er kam bei Arne an, gerade als er mühsam den letzten Bissen trocken hinunter gewürgt hatte.

Arne brachte ihm schon seinen Cappu und Jürgen bestellte sich gleich noch eine kleine Flasche Mineralwasser, die er in einem Zug leerte. Dann atmete er tief durch und schon ging es ihm wieder besser.

Arne betrachtete ihn amüsiert und fragte: „Na, wie war deine Begegnung mit Vira? Hat sie dich gestern Nachmittag etwas aus der Bahn geworfen?"

Also, entweder war Elvira schon am Abend bei Arne gewesen und hatte gebeichtet, oder die Buschtrommeln hatten ihm etwas vorgesungen. Er hatte jedenfalls nichts gehört.

„Keine Sorge, Jürgen, sie war gestern noch bei mir und hat sich mal wieder vieles von der Seele geredet. Ich bin halt so eine Art Kummerkasten für sie. Was ich dir jetzt sage, hast du nicht von mir. Sie war bei uns gesessen, hat sich die Seele aus dem Leib geheult und Melanie musste ihr die Hand halten und sie trösten. Sie weiß weder ein noch aus. Sie redet fast nur von dir, will aber nicht mit DIR reden. Irgendwann müsst ihr aber miteinander reden, denn lange geht das nicht mehr so mit euch. Einer von euch muss den Anfang machen und ich sage nicht, dass du es bist, weil du der Mann in der Partie bist. Ich sehe dir an deinen Augen an, dass du gestern Nacht auch keines zubekommen hast. Noch zwei, drei Tage in diesem Zustand und ihr schaut aus wie die Zombies. Also tut was und tut es schnell."

Um keinen Deut schlauer ging Jürgen nach Hause, die ganze Diskussion hatte ihn auch nicht weiter gebracht.

*

Und es ging einfach nicht vorwärts.

Der Herbst war vorbei und der Winter kam. Und am Verhältnis zwischen Elvira und Jürgen hatte sich nichts verändert.

Er ging in der Früh spazieren, den Schnee bis hoch zu den Knien. Sie kam, sah und fuhr weiter. Mit freundlichem Gruß zwar und einem Winken, aber mehr kam auch nicht heraus, auch als sie sich im Markt begegneten.

Jürgen wurde langsam melancholisch und schwermütig, hatte aber auch nicht den Mut, endlich die Initiative zu ergreifen.

Elvira wurde immer reizbarer und nicht einmal die Gespräche, die beide mit Arne führten (natürlich getrennt und ohne dass es der andere wusste), führten zu einem Ergebnis.

*

Drei Mal verließ er in diesem Winter das Dorf, weil es nicht anders ging. Weihnachten verbrachte er mit seinen Eltern und spielte ihnen eitel Wonne und Sonnenschein vor, was sein Privatleben betraf. Sein Vater freute sich, aber an der Miene seiner Mutter konnte er erkennen, dass sie ihm nicht alles so einfach abnahm. Jürgen saß oft in sich gekehrt da und dachte an Elvira, die er so sehr vermisste.

Die anderen beiden Male musste er nach F. zu einem Autorentreffen.

Im November gab es keine besonderen Vorkommnisse, aber er hatte von verschiedenen Seiten gehört, dass ihm ein sehr erfahrener und etablierter Autor, Knüppel in den Weg warf und einige unerfreuliche Äußerungen von sich gegeben hatte.

Aber im Februar krachte es dann.

Jürgens Verkaufszahlen schossen in die Höhe, als seine neue Serie "Women´s Power" auf den Markt kam und reißenden Absatz fand.

Das ging dem erfahrenen Autor, dessen Umsatzzahlen langsam, aber sicher in den Keller gingen, so auf die Nerven, dass er Jürgen offen anging und ihn einen weiberfreundlichen Schreiberling schimpfte.

Jürgen entgegnete, dass ihm das Frauenbild seines Gegenüber schon bekannt sei. Er schreibe eine Zukunftsserie, aber sein Frauenbild sei im Mittelalter stecken geblieben. Und wenn er, der keinen Führerschein hätte, so weit rechts fahren würde, wie der Kollege schrieb, dann dürfte er nur auf dem Gehsteig fahren. Der Kollege schien wohl vergessen zu haben, dass der weibliche Bevölkerungsanteil in Deutschland mehr als 50% betragen würde. Deshalb wollte er auch nicht in der Zukunftsserie mitwirken, meinte er sarkastisch, denn schließlich hätten wir das Jahr 2019 und nicht 1933. Und wenn der Regierungschef in dieser SF-Reihe schon „Großadministrator" genannt wurde, dann könne er auch „Gröfaz" heißen.

Daraufhin ging es in der Versammlung richtig rund. Die PR-Autoren tobten und schimpften und die Pilcherfraktion und unabhängige Autoren stellen sich geschlossen hinter Jürgen. Schimpfworte und Beleidigungen flogen hin und her und als es kurz vor einer Schlägerei war, schlug der oberste Boss mit der flachen Hand auf den Tisch. Er schloß die Versammlung, ermahnte die Anwesenden, Ruhe und Zurückhaltung zu bewahren und bat Jürgen anschließend noch zu einem Vier-Augen-Gespräch.