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Geheim: Untermieter der Lehrerin 05

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Frauke stimmt einer Ehe mit dem Schulleiter wegen Kolja zu.
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Dies ist die weitere Fortsetzung einer Geschichte, die in einer Zeit spielt, wo unverheiratete Frauen noch ‚Fräulein' genannt wurden und Gymnasien zum Teil noch fein säuberlich nach Jungen und Mädchen unterteilt waren. 1946 kamen in den westlichen Besatzungszonen lediglich zwei Männer auf drei Frauen -- ein nie dagewesener Frauenüberschuss -- und das war 1956 besser, aber nicht viel besser. Besonders fehlte es an Männern im besonders fortpflanzungsfähigen Alter zwischen 20 und 40 Jahren.

Dem achtzehnjährigen Kolja ist das zunächst nicht bewusst, da er eigene Probleme als ‚Spätaussiedler' hat und in seiner Altersklasse die normale Balance zwischen den Geschlechtern schon gegeben ist. Frauke als Fünfunddreißigjährige kennt dieses Ungleichgewicht in ihrer Altersstufe schon länger -- und hat die Konsequenzen daraus schon gespürt, als ihr ehemaliger Verlobter sich eine jüngere, schlankere Frau aussuchen konnte und Frauke links liegenließ.

Geheimnis: Junger Untermieter der Lehrerin -- 5

30. Frauke

Frauke war froh, dass ihr der einundsechzigjährige Schulleiter Zeit für eine Entscheidung ließ. Sie brauchte diese Zeit, um die unerwartete Entwicklung der Dinge verdauen zu können. Vor einem Jahr hatte sie sich noch an die Hoffnung geklammert, dass Michael wieder aus der Gefangenschaft zurückkehren würde und es alles wieder so normal werden würde, wie sie sich es bei der Verlobung vorgestellt hatte. Jetzt hingegen befand sie sich in einem Mahlstrom der Ereignisse, der jede Woche zu einem absoluten Abenteuer machte.

Natürlich war ihr klar, dass eine Heirat mit dem Schulleiter alle hässlichen Gerüchte schnell zum Verstummen bringen würde. War sie aber bereit, den Preis dafür zu zahlen? Sie hatte Herrn Maier nicht direkt gefragt, aber sie hatte eine Ahnung nach seinem Verhalten als Schulleiter, dass er in seinen Auffassungen altmodisch war. Er sah ja auch altmodisch gekleidet aus. Seine Worte schienen es auch anzudeuten, dass sie wohl ihre Arbeit als Lehrerin aufgeben müsste. Nach seinen Worten strebte er eine gehorsame und hübsche Ehefrau an, die ihn versorgen würde. Wollte sie das sein?

Materiell war es eine attraktive Möglichkeit. Herr Maier besaß ein eigenes Haus und ein gut gefülltes Konto, nach dem was man hörte. Seine Besoldung und seine Pension als Oberstudiendirektor waren auch nicht zu verachten. Das Ansehen als Frau eines Gymnasialschulleiters war entsprechend angesiedelt. Von dieser Warte aus war es eine gute Perspektive. Einen impotenten Mann zu haben, der über sechzig war und glatzköpfig, war hingegen alles andere als attraktiv. Realistisch müsste sie dann jedwede Hoffnung auf eigene Kinder aufgeben. Aber das war sowieso hoffnungslos bei der geringen Anzahl an vorhandenen zeugungsfähigen Männern, die an einer Mittdreißigerin interessiert wären.

Ihre Alternativen, wenn sie das verweigerte, waren auch nicht einfach. Ihr war klar, dass sie sich dann zumindest von Kolja trennen musste. Entweder der junge Schüler musste an eine andere Schule oder sie musste sich erneut versetzen lassen. Dazu gab es keine Wahlmöglichkeit, denn die hässlichen Gerüchte würden nicht verschwinden, wenn es keine Klärung der Situation gab. Natürlich könnte sie versuchen, das zu ignorieren, aber dazu kannte sie das Lehrermilieu und die Schulbehörde zu gut. Sehr schnell würde man eine Untersuchung laufen lassen -- und sie derweil vom Dienst suspendieren.

Es gab also nur die Trennung von Kolja, wie auch immer, oder die Heirat mit dem Schulleiter, wenn sie Kolja zumindest als Adoptivsohn behalten wollte. Beides verursachte merkwürdige Gefühle in ihr. Sie wusste nicht, was die richtige Entscheidung war. Vielleicht gab es auch gar keine richtige Entscheidung in diesem Fall. Sie musste unbedingt vorher mit Kolja sprechen. Zumindest um ihn über die möglichen Gerüchte vorzuwarnen. Wer weiß, ob es nicht manche Eltern gab, die mit ihren Kindern in diesem Moment darüber schon sprachen?

Frauke fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. Seit Michael zurückgekehrt war, lief in ihrem Leben nichts mehr so, wie sie es sich einmal vorgestellt hatte. Sie hatte ihren klaren Lebenskompass verloren. Die Erfahrung, von einer jüngeren Frau verdrängt zu werden, hatte sie an ihrem Selbstbewusstsein zweifeln lassen. Kolja hatte ihr das zurückgegeben, aber jetzt drohte ihr auch das wieder zu entgleiten.

31. Kolja

Kolja traute seinen Ohren nicht, als Fräulein Mahler ihn am Abend ansprach. Er konnte es nicht glauben, dass entweder er von der Schule gehen sollte oder seine verehrte Lehrerin es machen musste.

„Warum muss es diese Untersuchung geben? Die Fürsorgerin Frau Kramer hat doch alles genauso organisiert? Warum gibt es nur diese unsinnige Trennung?"

Er sah, wie sie mit einer Antwort zögerte. Es fiel ihr offensichtlich nicht leicht, darauf zu antworten. Im nächsten Moment verstand er auch, warum das so war.

„Kolja, es gibt eine andere Möglichkeit, aber auch diese ist nicht einfach. Frau Kramer hat Dir doch damals auch gesagt, dass es die Möglichkeit von Adoptionen gibt. Nun, das wäre auch hier möglich. Adoptionen sind aber nur für verheiratete Paare möglich. Herr Oberstudienrat Maier hat angeboten, Dich zu adoptieren, wenn ich ihn heirate und wir beide zu ihm ziehen. Er will damit Gerüchte über seine Schule verhindern."

Im ersten Moment sah Kolja nur die fantastische Möglichkeit, mit Fräulein Mahler zusammen zu bleiben. Damit konnte die Trennung von seiner verehrten Lehrerin abgewendet werden!

„Fräulein Mahler, dann bräuchten wir uns nicht zu trennen? Wäre das nicht schön?"

Sie zeigte ein etwas betrübtes Lächeln und ihr Tonfall deutete an, dass es nicht so ungetrübt war, wie er es zunächst glauben wollte:

„Ja, Kolja, eine Trennung wäre vermieden. Trotzdem würde sich viel ändern. Wir wären nicht mehr allein am Abend, sondern Herr Maier wäre anwesend. Vermutlich sollte ich laut Herrn Maier dann auch nicht mehr als Lehrerin arbeiten. Du hättest ein eigenes, getrenntes Bad. Auch das Eheschlafzimmer wäre für Dich tabu ..."

Er begriff plötzlich. Er würde sie dann wohl nie mehr nackt sehen oder sie küssen können. Das war es, was sie sagen wollte -- ohne es auszusprechen. Dazu würde Herr Maier sie in seinem Schlafzimmer haben. Er fühlte wie eine kalte Hand nach seinem Herz griff, als er das hörte. Das mochte er nicht hören, aber es kam noch schlimmer für ihn.

„Nach der Ansicht von Herrn Oberstudiendirektor Maier soll ich ihm eine gehorsame Ehefrau sein und Du ihm bis zur Volljährigkeit ein gehorsamer Adoptivsohn. Ich weiß es über ihn und er hat es auch gesagt - körperliche Züchtigungen sind für ihn etwas Selbstverständliches. Er vermutet auch stark, dass ich Dich übers Knie gelegt habe. Darauf müsste man sich einstellen."

Ihr Tonfall war ganz neutral gewesen, aber ihr Gesichtsausdruck war es nicht. Wiederum sprach sie es nicht direkt aus, aber er kapierte es auch so. Der Schulleiter würde streng sein -- ihm gegenüber und sogar seiner verehrten Lehrerin gegenüber. Konnte er das akzeptieren? Das stand hinter ihrer neutralen Aussage ‚Darauf müsste man sich einstellen'. Was sollte er daraufhin sagen? Sie war verstummt und sah ihn an, als ob sie auf eine Antwort von ihm warten würde. Er ging in sich, brauchte aber nicht lange, um etwas zu sagen:

„Fräulein Mahler, nichts wäre schlimmer für mich, als Sie nicht mehr sehen zu können. Natürlich ist das nicht meine Entscheidung -- und ich werde alles akzeptieren, wozu Sie sich entschließen. Ich, ich kann mich nötigenfalls auf alles einstellen, Fräulein Mahler. Ich kann auch arbeiten gehen, wenn das hilft..."

Sein Fräulein Mahler mit einem anderen Mann verheiratet zu sehen, das widerstrebte ihm ganz und gar. Gleichwohl verstand er, dass er ihr keine Lösung bieten konnte. Er war ein Schüler, der bestenfalls als ungelernter Arbeiter Geld verdienen konnte. Das wollte er nicht ungesagt lassen, um ihr zu verdeutlichen, dass er sich alles vorstellen konnte, wenn es half eine Trennung zu vermeiden.

Tief in seinem Innersten hegte er die Hoffnung, dass es Möglichkeiten geben würde, sich mit ihr heimlich zu treffen. Sie hatte ihn gelehrt, sie richtig zu küssen! Das durfte doch nicht so einfach alles vorbei sein? Gab es keine Möglichkeit für ihn?

33. Frauke

Nachdem sie Kolja gehört hatte, war die Entscheidung für sie klar, wenn auch nicht einfach. Sie sagte Herrn Maier schweren Herzens zu. Der erwies sich zu ihrer Überraschung als ausgesprochen gut vorbereitet. Schon am nächsten Tag befand sich Kolja in einem vierwöchigen Austausch-Programm mit einer französischen Schule. Am selben Tag noch berief er eine Lehrerkonferenz ein, um seine Verlobung mit ihr - und die in vier Wochen bevorstehende Heirat mit ihr - anzukündigen. Er verkündete auch ihr Ausscheiden aus dem Kollegium an. Sie erlebte das alles wie in einem Traum. Sie lernte auch bald, dass Johannes Maier relativ vermögend war. Mehr vermögend als man durch die Arbeit als Lehrer werden konnte. Anscheinend hatte er eine beachtliche Erbschaft gemacht. Sie würde ein überraschend komfortables Lebe haben. Das erklärte er ihr auch ganz nüchtern, insbesondere im Hinblick auf ihr Erbe als seine zukünftige Witwe. Sie war geschockt, wie selbstverständlich er davon ausging, dass er nur noch rund zehn Jahre zu leben hätte.

Gleichzeitig lief das Adoptionsverfahren für Kolja Grella bereits an. Es war unglaublich, wie reibungslos diese Maschinerie ablief. Sie hatte die Vermutung, dass der Bruder von Frau Kramer seine Beziehungen spielen ließ und auch die Fürsorgerin selber Unterstützung von ihrer Behörde erhielt. Die Vermeidung eines Skandals wegen der Beschwerde von ihrem früheren Verlobten Michael schien vieles zu beschleunigen. Die Beschwerde wurde übrigens sang- und klanglos abgewiesen.

Die vier Wochen vergingen wie im Fluge. Ihre Lehrerkollegen behandelten sie viel höflicher als früher. Die Macht des Schuldirektors machte einen gewaltigen Unterschied. Es gab keinerlei Andeutungen im Kollegium über vage Gerüchte. Auch von der Elternschaft war kein Mucks zu hören. Die Autorität des Oberstudiendirektors sorgte für ein Ersticken jedweder Kritik, die vorher unter der Oberfläche rumort hatte. Was die Leute denken mochten, konnte anders sein - aber es wurde nicht mehr öffentlich geäußert oder auch nur angedeutet.

Die standesamtliche Heirat war feierlich, aber relativ glanzlos und kurz. Nein, ganz glanzlos war es nicht gewesen. Sie hatte für die Hochzeit ein flaschengrünes Seidenkleid erhalten, das für sie geändert worden war. Es stammte aus den zwanziger Jahren von der verstorbenen Mutter von ihm. Herr Maier hatte keine nahen Verwandten mehr und die entfernteren unter denen hatte er nicht eingeladen, sondern nur seine engen Freunde, darunter den Bürgermeister Kramer aus seinem Heimatdorf in Schleswig-Holstein, der auch in Vertretung des Standesbeamten die Trauung vornahm. Die Zeremonie mit dem Ringaufstecken brachte eine emotionale Aufwallung in ihr, weil es mit den Worten ‚bis der Tod uns scheidet' eine Endgültigkeit ausdrückte, die ihr ein Schaudern über den Rücken jagte. Der anschließende Kuss von ihm war eher sachlich, aber sie konnte aus ihren Augenwinkeln den Ausdruck auf Koljas Gesicht sehen. Es war eben alles anders als erwartet. Danach gab es eine Kaffee- und Kuchentafel am Nachmittag.

Oh, es sollte im Haus später ein sehr festliches Abendessen für die neue Familie aus Johannes als Hausherr und Familienoberhaupt sowie ihr als Ehefrau und Kolja als Sohn geben, aber das war es schon. Natürlich hatte sie romantische Ideen über ihre eigene Hochzeit gehabt - da war sie nicht die einzige. In den Nachkriegsjahren gab es sehr viele Ehen, die rein aus Versorgungsgründen geschlossen wurden. Das reine Überleben war in den ersten Jahren schwer genug gewesen. Romantik war ein Luxus, den sich viele einfach nicht leisten konnten.

Der gewöhnliche Alltag schien sehr schnell am Horizont zu erscheinen. Vorstellen konnte sie sich das aber noch nicht. Nicht mehr als Lehrerin zu arbeiten, war für sie erst einmal unvorstellbar. Genauso unvorstellbar war es für sie, auf einmal eine reine Hausfrau zu sein. Für viele Frauen war dies immer noch ein Traum, aber für sie war es eine ungewohnte Vorstellung. Seit dreizehn Jahren war sie es gewohnt gewesen, erst als Referendarin und dann als Studienrätin zu arbeiten. Das ließ sich nicht von heute auf morgen ablegen!

Ihr Ehemann -- wie sich das noch fremd anhörte! -- hatte ihr dringend empfohlen, sich mit Kochbüchern zu beschäftigen. Das hatte sie auch getan. Sie hatte sich auch darin versucht, allerdings mit wechselndem Erfolg. Am morgigen Sonntagmittag würde sie zum ersten Mal für das Sonntagsessen verantwortlich sein. Kolja hatte sich erboten, das Frühstück zu bereiten. Das wurde auch von Herrn Maier -- nein, jetzt war es ja Johannes für sie -- dankend angenommen. Wie es wohl sein würde, zum ersten Mal als verheiratete Frau im eigenen Haus aufzuwachen? Sie war erleichtert gewesen, als es getrennte Schlafzimmer gab und es zudem jeweils ein separates Bad für ‚sie' und ‚ihn' gab. Ihr Schlafzimmer war im linken Flügel des 1. Stockwerk und ihr Badezimmer war direkt daneben, während seines sich im rechten Flügel befand. Kolja schlief im ehemaligen Dienstbotenzimmer im 1. Stock am Ende des Flures im linken Flügel. Das alles hatte Johannes ihr am Morgen vor dem Standesamt gezeigt. So würde sie sich diskret dort für die Nacht umziehen können. Er hatte durch die Blume noch einmal versichert, dass sie nicht mit einer üblichen Hochzeitsnacht rechnen sollte.

Nach der Kaffeetafel ging sie in das Schlafzimmer und legte ihren modischen Hut ab. Sie stellte sich vor den wandhohen, breiten Spiegel, um sich noch einmal ihr Kleid anzuschauen. Das Kleid, welches sie heute bei ihrer Hochzeit getragen hatte. Sie wollte sich später daran bewusst erinnern können. Der Spiegel besaß auf beiden Seiten jeweils eine Reihe von Glühbirnen, die sich automatisch anschalteten, sobald man vor den Spiegel trat. Nun kam etwas, womit sie nicht weiß Gott gerechnet hatte. Als sie ganz dicht vor dem Spiegel stand, konnte sie durch die Fläche hindurch einen kleinen, sehr schwachen Reflex eines Brillenglases erkennen und begriff plötzlich, dass dieser Spiegel gar keiner war, sondern ein sogenanntes venezianisches Glas.

So einen ähnlichen Spiegel gab es auch in ihrem Bad im 1. Stock. Sie hatte sofort die Vermutung, dass auch dieser Spiegel nicht nur das war. Denn auch dort gab es die automatischen Glühbirnen. Sie untersuchte es. Sie hatte Recht - beide waren Spionageinstrumente für Spanner! Frauke war geschockt, aber irgendwie hatte sie es mit den perfekt getrennten Schlafzimmern auch nicht glauben können. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn Johann Maier keine Ansprüche gehabt hätte. Und ja, er hatte ausdrücklich gesagt, dass er ein Spanner war. Er hatte es nicht verschwiegen. Sie vermutete, dass es ihn faszinierte, wenn er sie insgeheim durch die reflektierende Glasfläche beobachten könnte. Dafür sprach auch die Tatsache, dass er versucht hatte, die Natur der Spiegel zu verschleiern. Deshalb das automatische Schalten der Glühbirnen, sobald man davor trat. Hätte Johannes dort nicht eine glitzernde Brille vergessen, so hätte sie das nie erkannt!

Sie maß die Entfernungen von der Schlafzimmertür zur Spiegelwand und auch von der Badezimmertür zum Spiegel im Bad. Als sie diese Entfernungen im Flur abtrug, stellte sich heraus, dass zwischen der Schlafzimmerwand und der Badezimmerwand eine Distanz von knapp zwei Metern lag. Das war vermutlich ein Geheimgang zwischen den Räumen. So wie es aussah, konnte der Zugang nur im rechten Flügel in seinen Räumen liegen. Sie zögerte, ob sie das erkunden sollte. Sie gab sich einen Ruck und ging zu seinen Räumen. In seinem Arbeitszimmer zog sie bereits die Augenbrauen hoch. An einer Wand war eine Reihe von Instrumenten zur Schau gestellt, die zur Disziplinierung und Züchtigung dienten. Vom Lineal über Ruten bis hin zum Rohrstock war alles dort versammelt, was historisch an Schulen zur Disziplinierung zugelassen gewesen war. Ihr lief ein Schauer über den Rücken.

Im Nu hatte sie danach den Geheimgang gefunden, der von seinem Bad zum Gang mit den Spiegeln führte. Im Gang war alles mit dunklem, mattierendem Tuch ausgekleidet. Ein Sessel und ein Tischchen waren mit schwarzem Samtstoff bedeckt. Auf der kleinen Abstellfläche befand sich die Brille als das verräterische Objekt, dessen silberheller Metallrahmen die Entdeckung ermöglicht hatte. Zum Schlafzimmer hin hatte sie den direkten Blick auf die Schminkkommode vor dem Spiegel und auf das Bett. Zum Badezimmer hin gab es den direkten Blick auf das Waschbecken, die Dusche und die Toilette. Die Spiegel waren ausreichend weit voneinander entfernt und mit Blenden versehen. Es gab keine Möglichkeit für einen direkten Durchblick -- er hatte es sorgfältig geplant. Sie war konsterniert!

Die große Frage tauchte erst in ihr auf, als sie wieder in ihrem Schlafzimmer stand. Was sollte sie mit dieser Entdeckung machen? Johannes zur Rede stellen? So viel Sinn machte das nicht, weil er es wahrscheinlich schnell zugeben würde -- und es doch nicht abschaffen würde, so wie sie ihn einschätzte. Eine plötzliche Eingebung ließ eine Idee in ihr keimen. Wenn sie ihn nicht zur Rede stellte, dann würde er vermutlich davon ausgehen, dass sie die venezianischen Spiegel nicht als solche erkannt hatte. Damit würde er sie nicht auf Vorgänge ansprechen, die er insgeheim beobachtete. Wenn sie Kolja im Schlafzimmer traf und ihn dort heimlich küsste, dann würde er vielleicht nichts sagen, um sein ‚Geheimnis' zu wahren? Es war einen Versuch wert!

Die Voraussetzung für diesen Testballon war allerdings ein möglichst natürliches Verhalten im Raum. Sie müsste so tun, als ob sie keinen blassen Schimmer davon hatte, dass er sie beobachten konnte. Das war nicht einfach, dachte sie sich. Der Lackmustest würde an diesem Abend kommen, wenn sie ihr Nachthemd anziehen würde. Sie wusste nicht, ob sie es schaffen würde, so natürlich zu sein, wie es die Situation erforderte.

34. Kolja

Kolja hatte an diesem Samstag ganz andere Probleme. Er war gerade erst von dem Austauschprogramm zurückgekehrt. Er hatte Zeit genug gehabt, um sich sowohl Sorgen als auch Hoffnungen zu machen.

Die Sorgen galten seiner unmittelbaren Zukunft. Als er abreiste, war es noch nicht sicher, ob er nun tatsächlich adoptiert werden würde. Es war auch nicht sicher, ob er sein Abitur ablegen konnte -- und wenn, wo dann? Genauso unklar war es, ob er bei einer abgelehnten Adoption Fräulein Mahler wiedersehen durfte. Es stand eben alles auf der Kippe -- und er konnte sein Schicksal praktisch nicht beeinflussen. Das machte die Sorgen noch schwerer zu ertragen!

Die Hoffnungen galten ebenfalls seiner unmittelbaren Zukunft. Wenn die beabsichtigte Adoption klappte, dann wäre auch die offene Frage in positiver Weise klargestellt, ob er Fräulein Mahler wiedersehen durfte. Dann konnte er auch von der Überzeugung ausgehen, dass er sein Abitur bekam. Seine Zukunft würde gut aussehen!

Darin war allerdings ein Wermutstropfen enthalten. Wie würde ‚sie' dann mit ihm weiter umgehen? Würde sie ihn ganz links liegenlassen, weil sie dann mit Herrn Studiendirektor Maier verheiratet war? Alleine der Gedanke, dass sie mit dem alten Mann verheiratet sein würde, gefiel ihm schon nicht. Aber was konnte er dagegen unternehmen? Er war weitgehend machtlos. Da machte er sich keine Illusionen oder Hoffnungen.

Er musste gute Miene zum bösen Spiel machen, als er bei der standesamtlichen Trauung anwesend sein musste. Fräulein Mahler sah großartig aus in dem tiefgrünen Kleid und den eleganten Schuhen sowie den Seidenstrümpfen. Es gefiel ihm nicht, dass Herr Maier mit ihr vor dem Standesbeamten stand, aber gleichzeitig war es die Vorbedingung für seine Adoption. Man hatte ihm erklärt, dass nur verheiratete Paare eine Chance hatten, eine Adoption für einen Minderjährigen zu machen. Und er war solange minderjährig, bis er einundzwanzig Jahre alt war. Er könnte Fähnrich in der neu gegründeten Bundeswehr werden und Rekruten kommandieren -- und wäre doch immer noch minderjährig!

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