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Hexe sein - ein Alptraum? Teil 01

Geschichte Info
Mischung aus erotischem Horror und Magie.
8.5k Wörter
4.29
21.9k
2

Teil 1 der 2 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 12/23/2018
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Eine Geschichte mit einer Mischung aus erotischem Horror und Magischen Elementen.

Hexerei lernen - ein Alptraum? Teil 1

Carmen Calypso

Meinen wahrscheinlich letzten Artikel in der deutschen Jugendzeitschrift über mythische Wesen wie Hexen und Teufel garnierte ich mit mehreren grafischen Darstellungen und Fotos. Der Text befasste sich mit Mythen zu diesen Gestalten im Laufe der Zeit und ihre Deutung bzw. Umdeutung in Religion und Kultur, nicht zuletzt auch im Film. Die Darstellungen der Hexen entnahm ich vorwiegend aus gut gemachten Filmen.

Das Spektrum der Darstellungen der Hexen reichte von einer pfiffigen, grundsätzlich guten Bibi Blocksberg über eine attraktive, gutwillige Hermine Granger und eine raffinierte, erotische Hexe von Eastwick bis hin zur bösen, hässlichen und warzenbesetzten Urform der alten Hexe. Mir persönlich gefiel die erlernbare Magie aus dem Potter-Universum gut, aber die mehr subtilere Form der Magie der Hexen in Eastwick eigentlich noch besser.

Das gleiche wollte ich eigentlich auch für die Darstellungen von Teufeln veranstalten. Da passierte etwas Unheimliches bei der Recherche. Anstelle der gesuchten Bilder über relevante Filme tauchte auf einmal ein sich wiederholender Video-Clip auf dem Schirm auf. Der ließ sich auch nicht abschalten. Auch nicht durch Drücken der Abbruchtasten, die normalerweise den Computer zum Neustart zwangen oder das Betätigen der Ein/AUS-Taste. Der Clip wiederholte sich mehrmals, bis ich schließlich den Stecker als letzte Maßnahme zog.

Der Clip zeigte Gesicht und Oberkörper eines Mannes, wenn es sich so nennen ließ. Er zeigte ihn dabei, wie er sich umdrehte und mich dann anscheinend direkt anschaute. In gewisser Hinsicht sah es wie eine Kunstfigur aus, aber dann auch wieder nicht. Die Haut war so natürlich, wie es in einer Animation einfach nicht möglich war. Vielleicht war es eine Maske, aber dann war es eine perfekt gemachte. Das Gesicht besaß eine so tief dunkelrote Hautfarbe, wie sie bei Menschen einfach nicht vorkam. Gleichzeitig sahen Nase, Lippen und Wangen sehr menschenähnlich aus, aber die hohe Stirn war mit zwei kleinen, leicht gedrehten Hörnern verfremdet. Das was mich jedoch am meisten irritierte, das waren die Augen. Diese Augen schienen mich direkt anzublicken. Es waren definitiv nicht-menschliche Augen. Der senkrechte, schwarze Pupillenspalt war von einer gelben Aura umgeben, die in eine dunkelrote Iris auslief. Das Augenweiß war sehr hell und strahlend weiß. Es war ein beunruhigender Anblick, wie sein Gesicht anscheinend näher an mich herankam in dem Clip. Die senkrechte Pupillenspalte erweiterte sich dabei. Das konnte keine künstliche Augenlinse vollbringen. Es sah echt aus! Und es war verdammt unheimlich!

Der Zwischenfall hatte mich soweit aus dem Takt gebracht, dass ich die Idee mit den Bildern vom Teufel für den letzten Artikel verwarf. Die Bilder mit den Hexen mussten reichen.

Helfershelfer

Sheriff Jon Tolliver hasste es, Berichte machen zu müssen. Eine Kommission war von ihm aufgestellt worden, um in einer Reihe von Vorfällen zu ermitteln, die zu unaufgeklärten und spektakulären Gewaltverbrechen und Vermisstenfällen gehörten. Die Kommission machte inzwischen langsam Fortschritte in ihrer Arbeit. Die meisten Vorfälle davon klärten sich nach spätestens zwei Tagen wieder auf, in dem Sinne, dass die Vermissten zwar wiederauftauchten, aber einige von den Damen einen rätselhaften Gedächtnisverlust aufwiesen. Das war auffällig.

Leider war es nicht das einzig Auffällige an seinen Berichten von einem Bezirk zwischen Colorado Spring und Pueblo in Colorado. Die Vermisstenfälle waren ja schon unangenehm genug. Es gab bei ihm mehr davon als in der Großstadt Denver! Dazu gab es noch diese Kategorie, die ihm unangenehme Nachfragen seitens der Journalisten einbrachte. Jedes Jahr gab es immer diese Nachfragen, die er so hasste. Die Nachfragen wegen der sehr hohen Rate an Vergewaltigungen in seinem Bezirk, nicht in absoluten Zahlen, sondern im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Was er auch anstellte, diese Rate konnte er nicht senken. Dabei war es nicht nur die relative Rate an sich, sondern auch deren Zusammensetzung. Wie überall im Land gab es die Erscheinung von Racheakten von ehemaligen Liebhabern und verschmähten Verwandten sowie von Leuten aus dem Bereich von Bekannten. Das war anscheinend ein menschliches Erbe. Überall im Land war es die relative Mehrheit der Attacken, die von diesem Milieu ausgingen. Nur gerade bei ihm im County waren es ausgerechnet die Angreifer, die dem Opfer unbekannt waren, die in der absoluten Mehrzahl waren. Das gab es sonst nirgends. Und genau das brachte immer wieder Reporter dazu, bei ihm nachzufragen. Er hatte das so satt. Denn er hatte nur eine Antwort dafür, die er aber nicht sagen konnte, durfte und wollte. Jedes Mal, wenn er dazu ansetzte, zögerte er und ließ es schließlich bleiben.

Irgendwie gab es eine sehr ungute Häufung rund um das Zentrum des Institutes und der Klinik, welches sich gerade um die Beratung, Betreuung und Behandlung von solchen Trauma-Patientinnen kümmerte. Egal wie er das ausdrückte, er würde sofort ins Kreuzfeuer geraten. Man würde ihn von einer Seite fragen, warum er das nicht vermeiden konnte und von anderer, weshalb er ausgerechnet eine solche Institution duldete. Denn natürlich gab es dort an der Klinik auch Schwangerschaftsabbrüche, die von den Evangelikalen als verbrecherisch angesehen wurden.

Dazu kam noch, dass es an der Klinik und im Institut ausschließlich weibliche Angestellte gab. Von denen gab es eine sehr überdurchschnittliche Anzahl, die unter die Opfer fielen. Aussagen von denen zu bekommen, war noch schwerer als von den Opfern außerhalb der Klinik. Es schien so, als ob sie durch die Bank nicht zugeben konnten oder wollten, weil sie stark sein wollten. Schließlich waren sie die Beraterinnen von den Opfern, da schien es nicht in ihre Rolle zu passen, wenn sie selber in die Situation von einem Opfer gerieten. Das war es jedenfalls, was Jon sich zurechtlegte. Seine Fahndungserfolge waren dort sehr mager. Eine Aufklärungsquote von weniger als 5% war alles andere als rühmlich. Es lag auch an dem Zeitpunkt der Anzeige. In den wenigen Fällen, in denen dort eine Anzeige innerhalb von 24 Stundenerfolgt war, hatte er eine viel höhere Quote. Alleine auch deshalb, weil DNA-Spuren und in solchen Fällen auch Aussagen meistens schnell zum Täter führten. Meistens einer von den Obdachlosen im Industriegebiet oder manchmal auch einer aus der Kriminellen Szene in der Stadt.

Es gab auch Dinge, die nur ihn zu irritieren schienen. Wahrscheinlich, weil er einer der wenigen war, die darüber wussten.

Carmen Calypso

Meine Chefin legte mir einen Ausdruck hin, den sie bei irgendeiner Internetrecherche gefunden hatte. Es war nicht selten, dass sie Ideen aus solchen Entdeckungen zog:

„Recherchieren Sie das mal, Ms. Calypso. In Colorado gibt es auch ein Institut für okkulte Studien. Ich habe so ein Gefühl, dass dahinter eine Geschichte stecken könnte, die gut in unser Magazin passt!"

Der Ausdruck war von einem County in Colorado, verfasst durch den Sheriff des Counties Mountainslope:

Verbrechensrate per KategorieFälle pro 100.000 E.

Gewaltverbrechen insgesamt491

Schwere Körperverletzung256

Einbruch 112

Vergewaltigung und sexuelle Nötigung213

Mord inklusive Totschlag 8

Die Zahlen waren erstmal genau das für mich, nämlich nur abstrakte Zahlen. War das nun ungewöhnlich oder nicht? Ich konnte es nicht sagen. Wenn die Chefredakteurin mir das vorlegte, musste es ungewöhnlich sein. Also beschaffte ich mir Vergleichszahlen für den benachbarten Bezirk von El Paso mit der Hauptstadt Colorado Springs:

Verbrechensrate per KategorieFälle pro 100.000 E.

Gewaltverbrechen insgesamt416

Schwere Körperverletzung256

Einbruch 112

Vergewaltigung und sexuelle Nötigung 62

Mord inklusive Totschlag 6

Natürlich fiel mir nun die eklatante Abweichung in der Einzelkategorie Sex-Verbrechen auf. Das wäre sicherlich eine Geschichte für ein Boulevard-Blatt. Warum meine Chefin das allerdings als mögliche Story für unser Magazin ansah, erschloss sich mir noch nicht. Das ‚Magazine for Esoterical Discussions and Occult Phenomena' verstand sich als seriöse Zeitschrift, die sich an die gebildete Schicht in den Großstädten der USA richtete -- und nicht mit knalligen Aufmachern arbeitete, die sich nur an dem Motto orientierten, dass ‚Sex and Crime' sich immer gut verkaufte. Gut, vielleicht war die Leserschaft etwas eigenartig und nicht der Mainstream, aber schließlich war es genau dieser Aspekt, der es mir erlaubt hatte, diesen bezahlten! Volontariats-Posten in den USA zu ergattern. In Deutschland hatte ich während des Studiums unbezahlt an einer kleinen Jugend-Zeitschrift mitgearbeitet -- und zwar für die Kategorie ‚Magisches'. Ein guter Teil davon bezog sich auf Harry Potter-Geschichten und vergleichbare Stories über Bücher und Filme, die von Hexen, Zauberern und magischen Kreaturen handelten. Ein Dozent an der Uni und zu meiner Überraschung auch meine eigene Mutter kannten die Chefredakteurin von dem ‚Magazine for Esoterical Discussions and Occult Phenomena' -- und so nahmen die Ereignisse ihren Lauf.

Das Angebot ein vergütetes Volontariat für ein Magazin in Danvers in Massachusetts anzunehmen, hatte ich mir nicht lange überlegen müssen. Ich würde davon nicht reich werden, aber ich konnte davon leben, wenn auch sehr bescheiden -- und ich durfte am Ende des einjährigen Volontariats bestimmt die USA bereisen. Der Eintrag einer Arbeit für ein Magazin in den USA würde sich gut im Lebenslauf machen! Witzig daran war auch die Tatsache, dass ich in Danvers geboren war. Meine Mutter hatte immer behauptet, dass der Kerl, der sie verlassen hatte, einen teuflischen Charme gehabt hätte, dem sie erlegen wäre. Sie kannte noch nicht einmal seinen Nachnamen.

Die ersten beiden Wochen hatte ich mit Recherche-Aufträgen verbracht. Dieser aktuelle war nichts anderes, wenn auch anscheinend etwas anspruchsvoller. Das Ziel war nicht genau definiert diesmal. Bis jetzt hatte ich aber noch kein Thema sehen können. Ich nahm also die zweite Angabe über das Institut für okkulte Studien als Ziel für eine Nachforschung im Netz. Die Angabe über den Standort des Institutes ließ mich die Augenbrauen hochziehen. Er befand sich im County Mountainslope!

Jetzt wurde die Sache interessant. Im Netz stand aber nicht viel mehr darüber. Also ging es zur Bibliothek. Nach einigen Fehlschlägen wurde ich in einem Buch fündig. Die Räumlichkeiten des Institutes befanden sich in einer Klinik für Traumata-Behandlung in diesem County. Das Institut und die Klinik hatten jeweils eine ausschließlich weibliche Belegschaft, die sich aus Mitgliedern von Selbsthilfe-Vereinen zur Behandlung von Traumata und von Mitgliedern von okkulten Sekten im Rahmen von Wicca-Bewegungen zusammensetzte. Gemeinsam war ihnen der Ansatz, Traumata durch die Beseitigung der traumatischen Erinnerungen zu erreichen. Traditionell durch Hypnose und Gesprächstherapie oder angeblich mit Hexerei im Sinne von Gedächtnismanipulation und Gedankenkontrolle.

Mit Ausnahme der Hexerei war das alles nicht weltbewegend oder sehr außergewöhnlich. Der Augenöffner für mich kam erst, als ich las, welche traumatischen Ereignisse oder Erlebnisse bevorzugt behandelt wurden. Die Klinik war spezialisiert auf die Behandlung von Opfern sexueller Nötigung und auf die überregionale Beratung von Schwangerschaftsproblematiken nach Vergewaltigung! Das konnte kein Zufall sein.

Das ließ mich nicht ruhen. Ich wollte noch mehr Details haben. Leider hätte ich dafür wohl Hexerei gebraucht. Alle anderen Stichwörter ergaben keine Resultate, die es deutlicher machten. Es gab keine andere Quelle in der Bücherei. Vom Büro aus versuchte ich die direkte Route mit einem Anruf in der Klinik. Sobald ich aber als dem Journalismus zugehörig identifiziert wurde, da gingen die Rollläden im übertragenen Sinne herunter. Es gab nur noch die stereotypische Auskunft ‚Kein Kommentar' -- und das war's.

Cynthia Willow lachte nur laut auf, als ich ihr das alles referierte und etwas kleinlaut klang:

„Kindchen, was haben Sie sich denn gedacht? Dass eine derartige Klinik jeder, die anruft, bereitwillig Auskunft erteilt? Oder dass solche Orte alle Informationen offen ins Netz stellen? Eine Reporterin muss bereit sein, viele Wege zur Beschaffung von Hinweisen und Angaben zu erkunden. Meine Ahnung hat mich nicht getrogen. Hinter dieser Geschichte muss noch sehr viel mehr stecken. Also gut, verdienen Sie sich Ihre ersten Sporen als Investigativ-Journalistin und gehen für eine Woche an den Ort des Geschehens. Am besten als freiwillige Helferin. Die werden in den meisten Kliniken gebraucht."

Ich war überrascht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Bereits nach zwei Wochen als junge Uni-Absolventin mit 24 Jahren auf eine so lange und weite Dienstreise gehen zu können, fand ich fantastisch! So etwas hätte keine Zeitschrift in Deutschland jemals gemacht. Das war wohl die hemdsärmelige Art, von der immer geredet wurde, wenn von den Staaten gesprochen wurde. Es gefiel mir!

Von Boston nach Colorado Springs via Denver war es einfach mit dem Flieger. Dort einen Mietwagen zu kriegen, war nicht so simpel. Fahrerinnen unter 25 durften nicht alle Kategorien der Wagen wählen -- und schon gar nicht solche mit einem deutschen Führerschein. Der internationale Führerschein half da auch nicht viel. Mit einem Wagen der Kompaktklasse durfte ich schließlich losziehen.

Die nächsten Hindernisse bekam ich im Hotel in der Stadt zu hören, als ich mich nach der Klinik erkundigte. Die Klinik befand sich in einem ehemaligen Bergbaugebiet am Rande der Stadt in einer angeblich sehr unsicheren Gegend. Das Auto dort außerhalb der Klinik stehen zu lassen, war nicht empfehlenswert. Der bewachte Parkplatz an der Klinik war mit insgesamt fünf Plätzen sehr klein -- und davon waren zwei für Krankenwagen reserviert. Die restlichen drei Plätze waren für die Chefärztin und die Verwaltungsleiterin der Klinik sowie die Institutsdirektorin vorgesehen. Das nicht residente Personal versammelte sich zu Schichtbeginn vor einer Mall und wanderte dann in der Gruppe zusammen dorthin. Dort in der Mall konnten die Autos sicher stehen.

Problem Nummer 1 -- für Besucher gab es kein Shuttle oder einen sicheren Weg! Tagesbesucher waren nicht vorgesehen, da im akuten Trauma-Stadium die Patientinnen auch keinen Besuch empfangen sollten. Nach der akuten Phase gab es eine ambulante Behandlung -- und die Patientinnen waren nicht mehr in der Klinik. Zum anderen sollte es keine Tagesbesucher geben für die Fälle von Problemschwangerschaften nach Vergewaltigung. Es gab nur eine Zulassung von überprüften Besuchern für Übernachtungsgäste im angeschlossenen Hotel, einem ehemaligen Schwesternheim, das umgebaut war. Das andere Schwesternheim existierte noch als Heim für die Schwestern, die sich in der Gynäkologie weiterqualifizieren wollten.

Problem Nummer 2 betraf Bewerbungsgespräche, die angeblich auch für freiwillige Helfer sehr anspruchsvoll waren. Es gab anscheinend eine ganze Reihe von hoch motivierten Personen, die nach der Dame von der Hotelrezeption nach ihrer Meinung sich in einem fortgeschrittenen Stadium des Helfer-Syndroms befanden: Helfen wäre ja allgemein etwas Positives, aber man müsse die Grenze bei der Selbstopferung ziehen -- und die Gestalten in der Umgebung der Klinik waren ohne Zweifel nach ihrer Meinung gefährlich. Aber mehr wolle sie dazu nicht sagen.

So allmählich bekam ich einen Eindruck, warum die Leute in der Klinik bei meinem Anruf so zugeknöpft gewesen waren. Offensichtlich gab es auch lokale Ressentiments gegenüber der Klinik. Bestimmt war es eine gute Idee, auch einmal bei einer lokalen Hilfsorganisation nachzufragen. Das ergab sicherlich eine andere Meinung als im Hotel im Geschäftsviertel der Stadt. Das verschob ich aber nach dem langen Reisetag auf den folgenden Tag.

Helfershelfer

Frida Gomez hatte einige Tage im Jahr, an denen sie ihre Arbeit als Verwaltungsleiterin hasste. Heute war ein solcher. Die Klinik hatte als Grundkapital eine Stiftung, die es möglich machte, unabhängig vom Staat zu sein. Das galt aber nur, solange ein Teil der laufenden Ausgaben durch Spenden gedeckt wurde. Die Hauptspender kamen aus zwei unterschiedlichen und mitunter gegensätzlichen Fraktionen. Die Selbsthilfe-Gruppen als Fraktion lieferten nur Kleckerbeiträge, aber dies in einer enorm hohen Anzahl. Sie waren grundsätzlich skeptisch und kritisch gegenüber der zweiten Fraktion, die an okkulten Dingen interessiert waren.

Das Dilemma von Frida war, dass sie aus der Selbsthilfe-Ecke kam, aber ihre beiden Kolleginnen eindeutig aus der quasi-religiös motivierten Sektion der Okkulten kamen. Und an Tagen wie dem heutigen kam sie in Gewissenskonflikte. In der Gruppe der okkulten gab es drei Hauptspender. Das Institut für okkulte Studien sorgte mit seinen Mitgliedsbeiträgen für einen guten Teil der Spenden. Die Klinikleiterin und ihre esoterischen, bekannten Gönner brachten einen anderen Teil ein. Der Dritte im Bunde der Okkulten Spender war das Sorgenkind für sie. Es war in gewisser Hinsicht ein anonymer Spender in Form einer Firma. Die Klinikleiterin verteidigte diesen Spender zwar jedes Mal, aber ihre Begeisterung dafür war sichtlich gebremst.

Fridas Dilemma war nun, dass der Sprecher der Stiftung ebenfalls für den anonymen Spender stimmte, aber sie sich sorgte, welche Motive dahintersteckten. Stiftung, Direktorin und Klinikleiterin stimmten grundsätzlich immer wieder dafür, den jetzigen Standort nicht zu ändern, auch wenn sie sich in anderen Punkten selten einig waren. Frida fragte sich jedes Mal wieder aufs Neue, warum das so war. Der aktuelle Standort war in ihren Augen alles andere als optimal!

Sie hatte Gewissensbisse, weil der Standort alle Mitarbeiterinnen von Klinik und Institut unbestreitbar gefährdete. Es gab zwar viele Bekundungen von deren Seite, dass alle vom Personal dies akzeptierten, weil sie sonst den Patientinnen nicht helfen könnten. Frida wusste jedoch, dass es an einem anderen Standort viel weniger gefährlich wäre. Die anonyme Spende zu akzeptieren, machte ihr also immer wieder Schuldgefühle. Ihre Kolleginnen hatten da weniger Skrupel.

Nach Einbruch der Dunkelheit oder vor der Dämmerung sich zu Fuß aus dem Schwesternheim zu wagen, war keine gute Idee. Es gab in den industriellen Anlagen Obdachlose, die dort einen Unterschlupf gefunden hatten. Unter denen gab es auch solche, die kriminell und gewalttätig waren. Sie hielten sich zwar am Tag immer von größeren Gruppen fern, aber Einzelpersonen und seltener Kleingruppen von 2 -3 Personen wurden zuweilen selbst am helllichten Tag attackiert. Das ging vom Straßenraub bis hin zur Vergewaltigung.

Der Weg in die Klinik für das nicht in dem Schwesternheim wohnende Personal durch den dunklen Tunnel und dann durch das großtechnische Bergbaugebiet war zwar kurz für die Fußgängerinnen, aber er war nicht ungefährlich wegen des unsicheren Gebietes durch die technischen Anlagen.

Kleingruppen und einzelne Arbeitnehmerinnen wählten deshalb auch schon einmal den viel längeren und beschwerlicheren Weg über den Berg oder den noch viel längeren Fahrradweg über die kurvenreiche Klamm in das Tal. Beide waren für Kleingruppen sehr viel sicherer, aber für Einzelpersonen im Vergleich zum Weg mit der großen Gruppe immer noch riskant. Die Direktorin und die Klinikleiterin argumentierten aber wieder und wieder, dass die Patientinnen in der Klinik in ihren Heimatorten genau demselben Risiko ausgesetzt wären. Das Personal der Klinik sollte sich deshalb auch in deren Situation hineinversetzen können. Diese - nach ihrer persönlichen Ansicht - hirnrissige Begründung wurde vom Personal weitgehend akzeptiert und sogar häufiger in Gesprächen mit den Patientinnen benutzt. Frida glaubte, dass die Frauen und Mädchen, die in der Klinik für wenig Geld arbeiteten, vom Helfersyndrom verblendet waren. Sie konnte sich selbst nicht ganz frei davon sprechen, weil sie auch besser bezahlte Arbeit gefunden hätte, aber auch an die Nützlichkeit der Arbeit in der Klinik glaubte. Eine Wellness-Klinik hatte ihr einmal den Job der Verwaltungsleiterin dort angeboten, aber sie hatte sich im Umfeld der ach so schicken und modischen, aber auch furchtbar arroganten Damen nicht wohlgefühlt.