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Ian und Marvin

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Schicksal zweier Agenten.
6.1k Wörter
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calli24
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Ein kleiner Ausschnitt aus meiner fiesen Nanonovelle, 'Kennen Sie Bob?'.

Ergibt wenig Sinn, nur ein wenig Herzschmerz und Tragik, gemixt mit Homoerotik.

Samanthas Phantasie entspringen zwei Charactere, die tapferen und doch gequälten Agenten Ian und Marvin.

* * * * *

Warum es ausgerechnet diese Figuren waren, die sie erweckt hatte aus den Tiefen ihres Unterbewusstsein, warum ausgerechnet sie und nur sie zu ihr sprachen, blieb ihr ein Rätsel, ein Geheimnis, doch eines, das sie getrost ruhen ließ, das sie nicht quälte, dessen Mysterium ebensoviel Freude machte, wie die Erforschung zweier Männer, die ihrem eigenen Wesen so fern waren, wie es nur irgendwie möglich sein konnte.

Und doch glaubte sie manchmal, dass die Entfernung nur teilweise, nur äußerlich, dass die Nähe, die nur in ihren Nervenbahnen erzeugt wurde, doch Ausdruck einer tieferen Verbindung von Teilaspekten, partiellen Ansichten komplexerer Verbindungen, dass Ian und Marvin nicht nur willentlich und wissentlich aus Bruchstücken zahlloser Bücher, Filme und Phantasien zusammengesetzte Gestalten waren, sondern dass sie in ihnen, mit ihnen lebte, dass sie mehr zu ihnen gehörte, ihnen näher war, als jedem wirklichen Menschen, der jemals in ihrem Leben eine Rolle gespielt hatte.

Und als sie begannen, zu ihr zu sprechen, versank nach und nach alles um Samantha, versickerte in sich urplötzlich öffnenden Löchern, die sich langsam vergrößerten, die alles verschlangen, bis nichts mehr übrig war, außer der weißen Fläche, in die sie eintauchte, auf der die Buchstaben tanzten, spielten und suchten, auf der Träume und Albträume erschaffen wurden und vergingen, auf der Helden kämpften und litten, verloren und versagten in einem ewigwährenden Taumel, der von ihr erschaffen und zerstört wurde.

* * *

Sie hatten Ian gerettet, sie hatten ihn aus dem Schlachtfeld, auf dem er hätte fallen sollen, gezogen, und dabei ihr eigenes Leben geopfert, ihre Existenz für die Seine und für die Fortdauer ihrer Liebe gegeben.

Verletzt und blutüberströmt lag er in den Ruinen der zerstörten Lagerhalle, gebrochen, doch nicht zerbrochen.

Er war ein Held, ihr Held, der alles gegeben hatte, um zahllose Menschenleben zu retten, und der nun geduldig die Belohnung erwartete, die sie ihm zukommen lassen würde, zukommen lassen musste.

Aus schmerzerfüllten Augen sah er zu seinem Partner auf, die glänzende Waffe entglitt seinen Händen, als er die zitternden Finger nach dem Geliebten ausstreckte.

Sie waren immer diskret gewesen. In einem Job, wie dem Ihren hatten Romanzen nichts verloren, war die gleichgeschlechtliche Liebe noch immer ein Tabu.

Doch all das war nun gleichgültig geworden.

Sie hatten diese Gefahr überstanden, den Feind besiegt, den Frieden gerettet und hätten sich beinahe für immer verloren.

In Marvins für gewöhnlich eisblauen Augen schimmerten Tränen, als wäre die kalte Zurückhaltung mit den Ereignissen der vergangenen Wochen, geschmolzen, hätte Schnee und Eis in Wasser verwandelt und einen grünen Schein entstehen lassen, dessen Bestimmung es sein sollte, die neue Hoffnung, das erwachende Leben in seiner Seele sichtbar zu machen.

Ihre Blicke trafen sich, schwarzer Edelstein versank in meergrünem Tief.

Und dann näherten sich ihre Lippen, fanden sich Hände und Arme, berührten Körper einander, langsam, vorsichtig, und doch ungeachtet der Menschen, die sich dem Explosionsherd näherten, der Kollegen, die es nie geahnt hatten, der neugierigen Zuschauer, die alles erwartet hätten, nur nicht dieses, und ihre Münder trafen sich endlich in dem einen Kuss, der alles aufwog, der allem letztendlich einen Sinn verlieh.

Ians verletzter Arm hob sich ungeachtet der Schmerzen und er schlang ihn um Marvins Hals, der den Dunkelhaarigen näher zu sich zog, um den so lange ersehnten und schmerzlich vermissten Kuss zu vertiefen, den moschusartigen Geschmack des Anderen in sich aufzunehmen, Wiedergutmachung zu fordern, für das, was sie bislang und ob der Prüfungen, die ihnen auferlegt worden waren, versäumt hatten.

Kugelsichere Westen trafen aufeinander, verhinderten die Annäherung, steigerten das Verlangen.

Ians lange Finger gruben sich in das blonde Haar des Agenten, pressen seinen Kopf näher an den des jüngeren Mannes, als wünsche er ihn zu verschlingen, ihn nie wieder loszulassen, ihn für immer bei sich zu behalten, koste es was es wolle.

Er liebte ihn, ganz und gar, mit all seinen Sinnen, und es war ihm egal, was andere sagen würden, es spielte keine Rolle, welche Schwierigkeiten auf sie zukommen, mit welchen Problemen kleingeistiger Opportunisten sie es in Zukunft zu tun bekämen.

Er liebte Ian, und das war das Einzige, was zählte, das Einzige, das wichtig war, das Einzige, das einen Sinn machte.

* * * * *

Ian wirkte bleich zwischen den weißen Laken. Seine ungesunde Blässe wurde noch hervorgehoben durch die sterile Umgebung des Krankenzimmers, die grellen, abwaschbaren Wände, die hell blitzenden Geräte, an die er angeschlossen war, die blinkenden Tasten und Lämpchen, die seine Lebensfunktionen überwachten.

Nur zur Vorsicht, hatte man Marvin gesagt, nur zur Sicherheit. Man wolle kein Risiko eingehen, nach dem kurzen Herzstillstand, den er auf dem Rücktransport erlitten hatte.

Kein Risiko.

Marvin hätte gelacht, wenn ihm das Herz nicht zu schwer, der Geschmack in seinem Mund nicht zu bitter gewesen wäre.

Tag für Tag gingen sie Risiken ein, ihr Leben war ein Tanz mit dem Tod.

Wie hatte es nur geschehen können, dass der Mann, der für ihn immer der Fels in der Brandung gewesen war, unzerstörbar, ein fester Halt in einem Meer aus Lügen und Qualen, so plötzlich, so unerwartet, zusammenklappen konnte, nachdem sie der Gefahr gerade erst entronnen, nachdem sie sich gerade erst wieder von Neuem füreinander entdeckt hatten.

Marvin biss sich auf die Lippen, rieb nervös seine Finger gegeneinander, bis die Haut schmerzte.

Er trug immer noch die Ausrüstung, die sie für den Einsatz benötigt hatten, Ians Blut klebte immer noch an seinem Ärmel, an seiner Jeans, auch wenn die dunklen Flecken gegen das Schwarz des Stoffes kaum auszumachen waren.

Er hätte sich umziehen, sich waschen sollen, einen Bericht abliefern, die Ärzte checken lassen, ob mit ihm alles in Ordnung war, doch er brachte es nicht fertig, das Gebäude, das Stockwerk, in dem Ian lag, zu verlassen, auch wenn ihm immer und immer wieder versichert worden war, dass er weder etwas zu fürchten habe, noch dass er in der Lage wäre, etwas auszurichten oder irgendeine Art von Hilfe zu leisten.

Zur Hölle, er war noch nicht einmal mit ihm verwandt, ohne seine Marke und sein herrisches Auftreten, hätten sie ihn nicht einmal zu ihm gelassen, hätte er ihn nicht einmal sehen, nicht einmal kurz seine Hand drücken und ihm versprechen dürfen, dass er ihn nicht alleine lassen würde.

Und nun ließ ihn das Bild nicht mehr los, die einzelnen Tropfen, die langsam und regelmäßig aus dem Infusionsbeutel in den durchsichtigen Schlauch tropften, Ian mit Flüssigkeit, Salzen und Medikamenten versorgten, die seinen Zustand stabilisieren sollten, nein... stabilisierten.

Es gab keinen Grund an Ians Stärke zu zweifeln. Ein dummes Blutgerinnsel, ein unglücklicher Zufall, jedoch nichts, das einem Mann wie ihm wirklich gefährlich werden konnte, davon versuchte sich Marvin wieder und wieder zu überzeugen.

Nein, es würde nicht lange dauern, und sie würden gemeinsam darüber lachen, und Ian würde ihm die Sorgenfalten weg küssen, würde ihm versichern, dass er sich nie wieder in Gefahr begeben, dass er ihm nie wieder zumuten würde, an seinem Bett zu sitzen, und zuzusehen, wie die große, aufrechte Gestalt, zusammenschrumpfte, klein und schwach wurde, ihn mit der schrecklichen Wahrheit konfrontierte, dass er ihn eines Tages alleine zurücklassen, ihn zwingen würde, seinen Kampf alleine auszufechten, bis der Tod auch ihn endlich gnädig zu sich nähme.

Und Ian würde das tun, obwohl er wusste, dass es eine Lüge wäre, dass es keine Sicherheit gab und niemals eine solche geben würde, auch wenn es nichts auf der Welt gab, das er sich mehr wünschen, das er stärker ersehnen würde, als die Gewissheit, dass ihm seine Liebe niemals genommen würde.

Es war beinahe lachhaft, nach all den Fragen und den Zweifeln, mit denen er sich Zeit seines Lebens gequält hatte.

Die Klarheit seiner Gefühle erschütterte Marvin tief in seiner Seele. Hätte er es besser, hätte er es früher gewusst, um wie vieles leichter wäre ihnen beiden das Leben geworden.

Die Ironie, dass Ian ihn in diesem Augenblick genommen werden sollte, in dem er sich endgültig und ohne weitere Einschränkungen für ihn entschieden hatte, zerquetschte seine Eingeweide, wühlte in seinem Inneren, bis er die Übelkeit in sich aufsteigen fühlte.

Wieso nur hatte er sich so lange dagegen gewehrt, wieso nur Tag für Tag neue Hindernisse zwischen ihnen errichtet?

Wie oft waren sie schon in Gefahr geraten, waren dem Tode nur knapp entronnen, ohne dass er gefühlt hatte, was er nun fühlte. Im Adrenalinrausch zählte nichts als das Überleben, kam es an auf sekundenschnelle Entscheidungen, auf ihre sicheren Reaktionen und ihr Können.

Einen verletzten Partner auf seinen Schultern aus der Gefahrenzone zu transportieren, war nicht zu vergleichen mit der Hilflosigkeit, im Angesicht des Leidens, das er nicht lindern konnte, eines Risikos, das er außerstande war auch nur abzuwägen, einer Frage, deren Antwort nichts, das er tun würde, beeinflussen oder beschleunigen würde.

Marvin fuhr sich durch das kurze, stoppelige Haar.

Er war machtlos, es gab nichts, das er würde tun können, auch wenn er sich noch so stark danach sehnte.

Marvin presste die Fäuste gegeneinander, bis sie schmerzten.

Wie lange kannten sie sich nun schon, ein halbes Leben, oder länger?

Damals, im Ausbildungscamp waren sie sich zum ersten Mal begegnet, als sie beide noch jung gewesen waren, wenn auch nicht unschuldig.

Jung und voller Illusionen über ihr Leben und ihre Arbeit, über das, was sie taten, dem Zweck, dem sie dienten.

Er hatte ihn angesehen, das feuchte Haar, dass an den Schläfen klebte, das ärmellose Shirt, unter dem sich die harten Muskeln deutlich abzeichneten, das dunkle Schweißflecken aufwies, die von der Hingabe sprachen, die er sogar während eines freundschaftlichen Basket Ball Matches aufbrachte.

Seine Bewegungen waren elegant, beinahe katzenartig, wenn er mit dem Ball tanzte. Niemand konnte ihn daran hindern, das Ziel zu erreichen, die Punkte zu holen, die er sich vorgenommen hatte, zu erkämpfen.

Und Marvin hatte bereits in diesem ersten Augenblick gewusst, dass er ihn haben wollte, dass er ihm gehören wollte, trotz seiner jungen Frau, die allein und schwanger zu Hause auf ihn wartete, trotzdem sich die Frage für ihn niemals gestellt hatte, er immer gewusst hatte, dass es nur Experimente gewesen waren, dass er nur getan hatte, was jeder Teenager in diesem Alter tat, dass er fraglos hetero war, dass seine Heirat es letztendlich allen bewiesen hatte.

Und trotzdem waren diese verbotenen Gefühle in ihm täglich gewachsen, und als ein Blick in Ians Augen, die zufällige Berührung ihrer Hände auf dem Spielfeld, die eine Explosion von Nervenbahnen in seinem Inneren, zur Folge hatte, bewies, dass der andere diese unsichtbare, unerklärliche Anziehung auch spürte, in diesem Augenblick hatte er gewusst, dass es unvermeidlich sein würde, dass ihre Verbindung über ein gelegentlich aufflackerndes, sexuelles Interesse, das jedes Auftreten einer attraktiven Erscheinung begleiten konnte, hinausginge.

Und doch hatte er nicht erwartet, dass die Verschmelzung ihrer Körper ein derart unauslöschliches Feuer in ihm entfachen, ihm so viel bedeuten würde, dass er immer und immer wieder, über Jahre, beinahe über Jahrzehnte hinweg, alles in Bewegung gesetzt hatte, damit sich ihre Wege von Neuem kreuzten, dass sie sich zufällig begegnen mussten, oder sich heimlich trafen für kurze Momente, angefüllt mit glühender Leidenschaft, während derer es war, als würden sie Zugang zu den verborgensten Tiefen ihrer Seelen finden, als hätten sie den Teil ihrer Selbst gefunden, den sie zu lange verloren geglaubt hatten.

Ohne dass es notwendig gewesen wäre, darüber zu sprechen, hatte Marvin gewusst, dass es Ian ebenso erging, dass seine Liebe vielleicht sogar noch stärker, noch verzehrender war, als die Seine.

Überraschend war er aufgetaucht, hatte sich unangekündigt in Marvins Einheit versetzen lassen, ihm abends aufgelauert, und ihm gezeigt, was die Trennung ihm bedeutet, wie sehr er seine Nähe vermisst hatte, und doch erfolgte der plötzliche Rückzug aus seinem Leben ebenso unerwartet und unvorbereitet, als wäre er gezwungen gewesen die Flucht zu ergreifen, in der Ferne nach dem zu suchen, was Marvin nicht imstande war, ihm zu geben.

Das er damals nicht imstande gewesen war zu geben, all diese langen, verschenkten Jahre, in denen er gedacht hatte, es wären Momente der Schwäche gewesen, die ihn in Ians Arme getrieben hätten, in denen er mit sich gerungen, gekämpft hatte, um der Versuchung Herr zu werden, das Verlangen zu unterdrücken, sich dem anzupassen, was von ihm erwartet wurde, was dem Sprössling einer Soldatenfamilie in die Wiege gelegt worden war.

Wieso war es ihm erst jetzt vergönnt zu erkennen, wie falsch diese Erwartungen, diese leeren Floskeln gewesen waren, deren antiquierten Grundregeln sie sich ungefragt unterwarfen, die das abtöteten, das ihr Wesen in seiner Tiefe ausmachte, ihnen die innere Schönheit und Erfüllung zugestand, die sich selbst verboten hatten, die verknüpft blieb mit Schuld und Sünde, egal wie stark und überzeugt sie gegen diese, sich in die morschen Pfeiler der Gesellschaft über Jahrhunderte eingefressenen Vorurteile zu wehren bemühten.

Warum sah er ihre Liebe erst jetzt als das, was sie wirklich war, erkannte sie in ihrer ganzen Vollkommenheit und der Reinheit, die ihr innewohnte.

Warum hatte er sich so lange dagegen gewehrt, sie zu akzeptieren, warum so viele Jahre verschenkt, warum sich selbst und ihn gequält, für nichts und wieder nichts mit dem Verzicht auf etwas gefoltert, das sie beide doch mehr gebraucht hätten, als die Luft zum Atmen, obwohl das Ergebnis doch von Anfang an feststand, das einzig unverrückbar wahrhaftige Resultat, auf das alles in der Welt hinauslief, die eine Wahrheit, die besagte, dass nur eine Sache zählte, nur eine einzige Sache von Bedeutung war, zu lieben und geliebt zu werden.

* * *

* * *

Und Ian schlief, das schöne Gesicht immer noch bleich auf den Kissen, die dunklen Augen geschlossen, bedeckt von zitternden, langen Wimpern.

Marvin näherte sich dem Krankenbett, lautlos und beinahe ehrfürchtig.

War die Krise überstanden? Hatten die Mächte, die alles bestimmten, seine Bitten erhört?

Bebenden Herzens beugte er sich über den Mann den er liebte, der so verletzlich, so verwundbar, so alleine darniederlag, dass es ihm sein Herz aufbrechen und blutige Tränen sich daraus ergießen wollte.

Vergessen die Zeit, die er jenseits des Krankenzimmers verbracht hatte, getrennt durch eine dünne, kalte Glasscheibe, gegen die er seine tauben Finger gepresst hatte, als würde er versuchen, sie zu durchdringen, als könnten seine Gedanken die Trennung aufheben, und die erzwungene Entfernung zwischen ihnen nichtig werden lassen.

Zumindest eines fernen Tages, wenn schließlich auch Ian, wenn sie beide verstehen würden, dass sie endgültig eins geworden waren, dass nichts, keine Materie, weder sichtbare noch unsichtbare, weder reale, noch imaginäre, zwischen ihnen stand oder stehen würde, von diesem Tage an, bis zu dem Tag, an dem einer von ihnen verginge, stürbe, doch nicht ohne den anderen mit sich zu nehmen, welcher von nun an unfähig wäre, alleine fort zu existieren.

Niemand hatte ihn überreden können, von seinem Platz zu weichen, obwohl er verstand, dass er nichts ausrichten, dass er gezwungen war, nur noch als tatenloser Zuschauer, dem Geschehen beizuwohnen, zu beobachten und zu hoffen, zu beten und zu bitten, dass ihrer Liebe eine weitere Chance gegönnt werden würde.

Sein Geist war durch das Glas gegangen, hatte sich zu den Gedanken und Wünschen gesellt, welche die reglose Gestalt umschwebt und beschützt, gestreichelt und gerufen hatte, als wäre der tonlose Ruf von Marvins Seele in der Lage, eine Änderung hervorzurufen, ihn zu erwecken, ihn vor der Gefahr zu beschützen, die sie dieses Mal nicht von außen bedrohten, sondern die in Ians Innerem bohrten, der keiner von ihnen mit den Mitteln, die sie kannten, begegnen konnte, die grub und nagte, aus der Mitte heraus zerstörte, dem Bösen ein Gesicht gab, das kein Böses war, sondern der unvermeidliche Lauf der Natur, dem auch nicht der stärkste oder mutigste Krieger Einhalt gebieten konnte, der keine Verhandlungen erlaubte, der konsequent seiner Bahn folgte, so wie es seit jeher vorherbestimmt sein musste, mitleidlos, unbarmherzig, achtlos gegenüber den unerträglichen Schmerzen, die ihm wie eine dunkle Schleppe folgten.

Unbeweglich an diesem Ort verblieben war Marvin Stunde um Stunde, als wäre seine pure Anwesenheit, sein Beistand, eine Notwendigkeit, Ians Chance, und nicht nur ihm selbst ein essentielles Bedürfnis.

Kollegen, Vorgesetzte hatten versucht auf ihn einzureden, ihn fortzuziehen, zu einer Aussage zu bewegen, einer Pause, einem Moment der Ruhe.

Doch er hatte sie nicht wahrgenommen, sie waren ihm nicht mehr gewesen, als Fruchtfliegen, die neben ihm schwebten, zu klein, zu leise, als dass es ihnen möglich gewesen wäre, einen, wie immer gearteten Einfluss auszuüben.

Stimmen von Ärzten, Helfern, Schwestern wanderten an ihm vorüber, vermochten es nicht, sein Bewusstsein zu erreichen, seine Aufmerksamkeit von dem einzigen Fixpunkt in seinem Leben, von der einzigen Sache, die wirklich für ihn zählte, abzulenken.

Bis schließlich das Einzige geschehen war, das ihn aus seiner Paralyse hatte aufwecken können, die einzigen Worte, die es ihm ermöglicht hatten, sich aus seiner emotionalen und physischen Stasis zu befreien, die Erlaubnis, die Barrieren zwischen ihnen niederzureißen, die Trennung abzuwenden, die körperliche Nähe wieder herzustellen, die Luft zu atmen, die Ian atmete, die Hand zu berühren, die matt auf der blanken, kühlen Decke lag, die durchstochen von der Infusionsnadel einen erbärmlichen, blutbefleckten Anblick bot, und von der er sich dennoch ersehnte, liebkost und gestreichelt zu werden.

Marvin näherte sich dem bewusstlosen Menschen leise und sachte, bemüht, ihn nicht zu verstören, obwohl alles in ihm danach schrie, sich auf ihn zu werfen, ihn hochzureißen und wachzurütteln, bis er endlich seine Augen wieder aufschlagen, und ihm eines seiner seltenen, und gerade darum so unendlich kostbaren Lächeln zu schenken.

"Ian", wisperte er unhörbar und legte all seine Empfindungen, seine Bitten in diesen Laut, in diesen Namen.

"Ian, verzeih mir."

Tränen stiegen in ihm hoch, wollten sich an die Oberfläche eines Mannes kämpfen, der härter war, als der abgebrühteste Elitesoldat, der alles gesehen, alles getan hatte, der nicht mehr darauf hoffen konnte, dass ein Gott, unabhängig davon wie unendlich seine Barmherzigkeit erscheinen mochte, ihm jemals seine Taten vergeben würde.

Er kämpfte sie hinunter, so wie er gewohnt war, alles niederzukämpfen, das nicht in das Bild passte, das er vor sich her trug, dessen Fassade schon lange angekratzt und beschädigt, und das nun davor stand, in sich selbst zusammenzustürzen, die Läge, die den Rahmen zusammen gehalten hatte, als den brüchigen Kleber zu entlarven, der er war.

Er berührte die bleiche Hand, aus der jeder bronzene Ton gewichen war, welcher Ians Haut den samtenen Schimmer, den weichen, strahlenden Zauber verliehen hatte, fühlte die Kälte der Finger, das Schweigen in dem schlafenden Körper.

Und als eine einzige Träne hervorquoll, über sein zerfurchtes Gesicht perlte, durch die Luft schwebte, bevor sie auf den weißen Stoff, der Ian bedeckte, aufschlug, und in ihn einsickerte, da war es nicht mehr Marvin, der die Entscheidungen traf, da war es eine andere Macht, die ihn sich niederbeugen, und die blassen Lippen mit den Seinen bedecken ließ, die beide Männer mit einem Kuss verband, der alles sagte, in dessen Konsequenz keine Frage mehr existieren konnte.

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