Merlins Kinder 01: Klassentreffen

"Ich kann Computer beeinflussen."

Ich runzelte die Stirn. "Das Handy von Fritz?"

Sie nickte grinsend. "Seine Frau wird sich sehr wundern, warum er plötzlich zu Hause auftaucht und sie beschuldigt, ihn mit seinem besten Freund zu betrügen."

"Was hast du gemacht?", fauchte Svenja sie an.

Patrizia hob abwehrend die Hände. Sie grinste immer noch. "Nur die Wahrheit. Irgendwann hätte er es sicher auch anders erfahren."

"Woher —", begann ich. Doch dann blieben mir die Worte im Hals stecken. Ich wusste plötzlich genau, was sie gemacht hatte, um auf die Geheimnisse anderer Menschen zu stoßen. Ich hatte mich immer gewundert, wieso andere nicht so gut mit Computern umgehen konnten wie ich. Ich schüttelte den Kopf. "Hast du das etwa von mir?"

"Was?", keuchte Svenja.

"Ja, Papa. Du bist nämlich auch ein Hexer."

"Woher weißt du das?", fragte Svenja ungläubig.

"Ich habe mit Waltraud gesprochen."

"Wer ist Waltraud?"

"Mein Ur-Urgroßmutter", sagte Svenja nachdenklich. "Sie ist auf — naja — Genetik spezialisiert."

"Genau." Patrizia nickte eifrig. "Papa ist ein direkter Nachfahre von Merlin."

"Was?", keuchte diesmal ich. "Merlin? Der Merlin? Das ist doch eine Legende."

"Mein lieber Patrick", sagte Svenja. "Du hast ja keine Ahnung, wie viel Wahrheit hinter diesen sogenannten Legenden steckt."

"Waltraud hat meine DNA untersucht und ist sich ganz sicher. Papas männliche Linie reicht bis zu Myrrdin Emris aus Caerfyrddin zurück. Das 'Kind ohne Vater'. Der Supermagier des fünften Jahrhunderts. Und damit bin ich —"

"Großer Gott!", keuchte Svenja.

Patrizia nickte. "Weißt du jetzt, warum Er euch beide zusammengebracht hat?"

"Wer ist 'Er'?", fragte ich.

"Herne", sagte Svenja. "Der gehörnte Gott. Der Schutzpatron der Hexen und Magier."

Ich runzelte die Stirn. "Ein 'Gott'?"

Patrizia nickte eifrig. "Hört sich altmodisch an, ist aber voll die echt coole Wahrheit."

"Moment mal", sagte ich und blickte Svenja an. "Als du damals auf der Skihütte gesagt hast 'Ich hasse es, wenn er das tut.' —"

Sie nickte. "Ich habe nicht das Arschloch Fritz gemeint."

Ich schüttelte den Kopf. "Mein Gott!"

"Genau!", sagte Patrizia.

Ich holte Luft. Noch einmal. "Und wie geht es jetzt weiter?"

"Wir behalten dich", stellte Patrizia fest.

"Moment mal", sagte Svenja. "Das hast du nicht zu entscheiden."

Patrizia zuckte die Schultern und stand auf. "Ich gehe jedenfalls schlafen", sagte sie. "Und ihr beide könnt erst einmal nachholen, was ihr die letzten zehn Jahre versäumt habt." Sie verschwand auf einer Treppe nach oben.

Ich runzelte die Stirn. "Wie meinst du das?"

Svenja lachte auf. "Ich glaube, es ist besser, wenn ich dir das erläutere." Sie stand auf und nahm mich an der Hand.

"Noch etwas", sagte ich beim Aufstehen. "Wenn unsere Tochter auf Computer und diese Waltraud auf Genetik spezialisiert ist, was ist dann dein Fachgebiet?"

Hinter mir ertönte ein unterdrücktes Kichern. Ich wirbelte herum. Auf dem Tisch stand eine Box an der es grün leuchtete.

"Junge Dame", sagte ich im Versuch, meiner Stimme einen strengen Tonfall zu geben. "Hör auf, uns zu belauschen, oder ich lege dich übers Knie."

Sie lachte noch einmal, und das Licht erlosch.

Ich wandte mich wieder an Svenja. Die grinste übers ganze Gesicht.

"Was?"

"Falls du dir wirklich nicht denken kannst, was mein Fachgebiet ist, dann steht dir eine interessante Entdeckung bevor." Sie beugte sich zu mir und küsste mich auf die Wange.

Es war wie ein Blitz, der durch meinen Körper und direkt in meinen — "O Gott!"