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Merlins Kinder 04: Die neue Welt

Geschichte Info
Melanie erfährt, was inzwischen geschehen ist.
4.7k Wörter
4.66
13k
1
Geschichte hat keine Tags

Teil 4 der 8 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 02/29/2020
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Dies ist die vierte, in sich abgeschlossene, Episode über eine Welt, die ein wenig anders als unsere ist. Die Geschichte spielt im Jahr 2017 direkt im Anschluss an die dritte Episode, räumt aber ein paar übrig gebliebene lose Fäden aus der Vergangenheit auf.

Wichtig: Episode 3 ist jetzt in einer neuen Version eingestellt, die ich jeden bitte zu lesen, für den die alte Version zu verwirrend war.

Die Geschichte ist wahrscheinlich nicht zu verstehen, wenn man die vorigen drei Episoden nicht gelesen hat.

Alle an sexuellen Handlungen beteiligten Personen in dieser Serie sind volljährig.

Aus gegebenem Anlass: Copyright© 2020 Phiro Epsilon Das Posten dieser Geschichte, auch auszugsweise, auf einer anderen Webplattform oder unter einem anderen Namen ist nicht gestattet.

04 Die neue Welt

Prolog

Svenja

(Februar 2007, neue Zeitlinie)

"Wer ist der Vater deines ungeborenen Kindes?" Meine Ur-Ur-Uroma Rosemarie stand vor mir, die Fäuste in die Seiten gestemmt und spie Feuer. Glücklicherweise nur im übertragenen Sinn.

"Patrick", sagte ich. "Patrick Wegner, Sohn von Frank Wegner, Enkel von Friedrich Wegner, Urenkel von Johann Ernst Wegner, Ur-hoch-fünfzig-oder-so-Enkel von Myrddin Emris, auch bekannt als Merlin."

"Und du wusstest das schon vorher?"

Ich schüttelte den Kopf. "Überhaupt nicht. Patrick dachte, er wäre adoptiert."

"Hör mal, Rosemarie", mischte sich meine Mutter ein.

Rosemarie hob den Finger und Mama erstarrte. "Halt dich raus, Kind. Dir lese ich später die Leviten."

"Mama ist unschuldig", sagte ich. "Ich wollte ja eigentlich einen anderen, aber Sankt Merlin hatte wohl etwas dagegen."

Rosemarie bekreuzigte sich. "Lass den Heiligen aus dem Spiel. Das sind allein deine Hormone, die hier verrückt spielen."

Ich holte Luft, aber hielt den Mund. Wenn Rosemarie in Fahrt war —

"Auf jeden Fall ist das Kind im Brunnen — beziehungsweise in der Röhre." Das war Oma Sabine, pragmatisch wie immer.

Rosemaries Augen blitzten in ihre Richtung.

Sabine hob abwehrend die Hände. "Ich meine ja nur. Dass wir Töchter Morganas und die Söhne Merlins keine Kinder miteinander haben, war doch nicht nur Gewohnheit. Keine der Töchter hat es in den Jahrhunderten seit Merlin geschafft, von einem seiner direkten Nachfahren schwanger zu werden. Es gibt ja genug Geschichten über tragische Liebschaften."

Rosemarie runzelte die Stirn. "Du meinst —"

"Wenn das jetzt geklappt hat — und das mit nur einmal Ficken—"

"SABINE!", brüllten Mama, Uroma Susanne und Rosemarie wie aus einem Mund.

Sabine zuckte zusammen. "Sorry", nuschelte sie. "Also mit einer einzigen wilden, heißen, ungezügelten Liebesnacht, bei der ich gerne dabei gewesen—"

"SABINE!"

Sabine machte unbeirrt weiter. "—wäre. Wenn das direkt geklappt hat, dann können dafür nicht nur Hormone verantwortlich sein. Dann hatte das einen tieferen Grund."

Alle blickten plötzlich sehr nachdenklich drein.

1

Melanie

(Mai 2007, neue Zeitlinie)

Mir liefen schon die Tränen herunter, während ich noch unseren Sohn zum Traualtar begleitete, und Tamara dies für ihre Tochter tat. Es mag ja ungewöhnlich sein, dass dies nicht die Väter taten, doch Frank stand ja schließlich schon am Altar und Svenjas Vater war — wie alle Männer in der Familie — "unbekannt verzogen."

Unsere Kirche war gerammelt voll. Genauer gesagt hatte ich irgendwie das Gefühl, dass es heute viel mehr Platz gab als sonst. Bei einem so geballten Auftreten von Magier-High-Society war es durchaus möglich, dass jemand dafür gesorgt hatte.

"Nein", hatte Tamara bei der ersten Planungssitzung gesagt. "Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie viele von meiner Verwandtschaft zur Hochzeit kommen."

"Du kannst einfach fünfzehnhundert durch achtzehn dividieren", meinte Svenja. "Das wäre dann die mögliche Obergrenze."

"Wie?", entfuhr es mir. "Du meinst, die leben alle noch?" Es mochte sein, dass sich meine Stimme ein kleines bisschen hysterisch anhörte. Doch zu erfahren, dass meine zukünftige Schwiegertochter zu einem der edelsten und ältesten Hexengeschlechter Europas gehörte, war eigentlich schon Schock genug gewesen. Dass diese Hexen aber 'virtuell unsterblich' waren, also nur an Unfällen sterben konnten, versetzte mir schon mehr als nur leichte Kopfschmerzen.

"Eher nicht", beschwichtigte mich Tamara. Ihre Hand auf meinem Unterarm fühlte sich wirklich gut an. "Höchstens die Hälfte. Und von denen —" Sie zuckte die Schultern. "Es wird genug geben, die die Heirat einer Tochter Morganas mit einem Sohn Merlins irgendetwas zwischen abstoßend und abscheulich finden."

Ich blickte sie an. Sie blickte etwas besorgt zurück. "Werden die etwas unternehmen? Ein Attentat, ein Terroranschlag, ein Feuerball, ein Erdbeben?"

"Ruhig, ruhig, Melanie", sagte sie. "So weit würde niemand gehen. Aber wir können ja sicherheitshalber Franks Urgroßvater bitten, einen Schutzbann um die Kirche zu legen."

Noch so etwas. Frank hatte nie über seine Familie gesprochen. Inzwischen wusste ich, dass er wie alle "Söhne Merlins" schon als Kind eine magische Blockade zu seinem eigenen Schutz bekommen hatte. Er war nicht in der Lage, seine Familiengeheimnisse auszuplaudern. Selbst nach unserer Heirat — ich besaß ja schließlich keine Kräfte — hatte die gehalten.

Ich hatte auch nicht gewusst, welche Probleme er mit seinen Eltern hatte, als er ihnen erzählte, dass er mich heiraten wollte.

Unsere — meine — Unfruchtbarkeit hatte das ihre dazu beigetragen, dass sie mich komplett links liegen ließen. Erst bei Patricks Taufe hatte ich erfahren, dass Franks Vater ebenfalls Pfarrer war, aber auch nicht mehr.

Erst, als sie von Frank erfuhren, wer seine zukünftige Schwiegertochter war, war die ganze Familie über mich hereingebrochen. Gottseidank im positiven Sinn. Wenn auch nicht unsterblich, hatten Magier bekanntermaßen Mittel und Wege, bis ins hohe Alter jung auszusehen. "Merlins Söhne" schon gar. Frank konnte mich locker um hundert Jahre überleben. Was im Endeffekt auch der Grund war, dass sie ihn mich heiraten ließen.

Auf jeden Fall war sein Urgroßvater Johann Ernst Vorsitzender des deutschen Magierates — ich hatte den Namen gekannt, aber ihn nie mit Frank in Verbindung gebracht — und damit der älteste lebende Magier in Deutschland. Der älteste bekannte zumindest. Es war gut möglich, dass bei der Hochzeit noch mehr Verwandtschaft auftauchte, die aus lauter Gewohnheit ihr Alter und ihre Verbindung zur Familie Wegner normalerweise geheim hielten.

Frank hatte genauso mit den Schultern gezuckt wie Tamara, als ich ihn nach einer genauen Zahl fragte. "Vielleicht hundert? Eher hundertfünfzig. Und von dir?"

Ich schüttelte den Kopf. "Die sind völlig ausgerastet, als ich ihnen erzählte, wer du bist."

"Auch dein Vater? Der war doch bei unserer Hochzeit."

"Damals wusste er das ja nicht. Ich kann von Glück sagen, dass er keinen Holzpflock herausgeholt hat."

"Das wirkt angeblich gegen Vampire, aber auf keinen Fall gegen Magier."

Ich verzog das Gesicht. "Versuch doch du, ihm das zu erklären. Aber sorg dafür, dass du schnell genug wegteleportieren kannst."

Er griff nach meinen Händen. "Ich kann nicht teleportieren, Liebes. Ich mag ja ein direkter Nachfahre Merlins sein, aber ich habe noch nie im Leben irgendetwas verzaubert. Ganz im Gegensatz zu dir. Du hast mich sofort verzaubert."

Ich fiel ihm um den Hals. "Du Süßholzraspler."

"Nur die reine Wahrheit."

Er hatte wie ein Honigkuchenpferd gegrinst. Und ich war mir sicher, er würde es jetzt auch tun, wenn es sich mit der Würde seines Amtes als Pfarrer und Vater des Bräutigams vertragen würde.

*

"Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren", sagte Frank von der Kanzel herunten.

"Dein Mann hat eine sehr angenehme Stimme", flüsterte Tamara mir zu.

"Nicht nur das", murmelte ich, und sie grinste mich an.

"Statt einer Predigt möchte ich euch eine Geschichte erzählen, die schon lange bekannt ist, die ich aber vor nicht allzu langer Zeit in einer neuen und — wie mir Experten versichern — viel authentischeren Version gehört habe."

2

Martin

(Ein Feldweg in der Nähe von Stotternheim bei Erfurt

2. Juli 1505)

"Vermaledeites Wetter!" Ich fluchte leise vor mich hin, während mein Blick auf dem Boden versuchte, nicht die überspülte Straße zu verlieren. Ich hätte auf die Leute in Eckartsberga hören sollen, die hatten mich vor dem Unwetter gewarnt. Aber nein, ich hochnäsiger Student wusste es mal wieder besser als das gemeine Landvolk.

Wasser floss von meiner Hutkrempe über meinen Rücken in meine Hose. Bei jedem mühseligen Schritt fürchtete ich, dass mein Stiefel im Schlamm stecken blieb.

Ich hob den Kopf, doch um mich herum war alles grau. Der Regen fiel so dicht, dass ich nicht unterscheiden konnte, was ein Baum und was ein Felsen war.

"Jesus Christus!" Plötzlich schlug der Blitz nur drei Schritte von mir entfernt in den Boden. Ich schrie auf und sprang rückwärts, stolperte über einen Stein und fiel zu Boden, das Gesicht im Schlamm.

"Gütiger Herr im Himmel", flüsterte ich. "Vergib mir meine Lästerung. Hilf, heilige Anna, dass ich hier nicht sterbe, und ich schwöre, ein Mönch zu werden."

Auf einmal hörte der Regen auf. Vorsichtig hob ich den Kopf und erblickte ein Paar Lederstiefel, darüber ein schwarzer Ledermantel. Noch weiter oben lächelte mich ein älterer Herr mit weißem Bart gütig an. Er hatte die Arme über sich ausgestreckt, als ob er den Regen von mir abhalten würde.

Und mit einem Schlag wurde mir klar, dass er genau das tat. Ein Magier!

Voller Furcht kroch ich rückwärts, versuchte, von ihm wegzukommen.

"Junker sprich, was ficht dich an? Du brauchst keine Angst vor mir zu haben."

"Ihr seid ein Zauberer", keuchte ich, "eine Ausgeburt des Bösen."

"Das erste stimmt, doch über das zweite denke ich anders. Willst du nicht aufstehen, damit deine Kleidung nicht noch nasser und schlammiger wird, als sie schon ist?"

Irgendwie beruhigte mich die Tatsache, dass er mir nicht folgte, außerdem, so sagte mir meine Juristenausbildung, hatte er sich noch keines Vergehens schuldig gemacht. Den Regen abzuhalten fiel sicher nicht unter schwarze Magie.

Ich rappelte mich auf und begutachtete die Schäden. Ich war von Kopf bis Fuß voller stinkendem Schlamm. Womöglich war ich sogar in einen Haufen Pferdeäpfel gefallen.

In der Nähe lag mein Ranzen, die teuren Bücher darin sicherlich endgültig verdorben.

"Soll ich dich reinigen?", fragte der Magier. "Das ist eine Kleinigkeit für mich."

"Ich will Euch nichts schuldig sein, Zauberer", entgegnete ich furchtsam.

"Ich verspreche dir, Junker, du bist mir nichts schuldig. Ich sehe es als meine Christenpflicht an, einem Reisenden zu helfen."

"Christenpflicht?" Ich musterte ihn argwöhnisch.

Er ließ seine Arme fallen — ohne dass der Regen wieder begann — und öffnete die obersten Knöpfe seines Mantels.

Um den Hals trug er ein Kruzifix. Aufrecht, nicht kopfstehend wie man es Satans Lakaien nachsagte. "Überzeugt dich das?", fragte er.

Ich nickte stumm.

Im nächsten Moment war es, als sei das Unwetter weitergezogen und die Sonne herausgekommen. Warme Luft strich um mich herum, der Schlamm auf meiner Kleidung trocknete, verwandelte sich in Staub und wurde vom Wind davongeweht.

Mein Ranzen dampfte vor Hitze, während er sich langsam vom Boden hob und in meine Hände schwebte. Ich machte einen Schritt rückwärts.

Der Magier lachte leise. "Greif zu. Da ist weder Gift dran noch Hühnerkacke."

Ich nickte, mehr zu mir selbst als zu ihm und tat wie geheißen.

"Wir sollten uns eine Herberge für die Nacht suchen", sagte er. Dann wies er mit dem Finger. "Dort, da ist eine Scheune. Folge mir."

Kopfschüttelnd folgte ich ihm. Um uns her prasselte der Regen immer noch auf den Boden. Blitze zuckten, Donner grollte, doch das Wetter kam nicht in unsere Nähe.

Wir kamen an die Scheune, die ich aus der Entfernung nicht hatte sehen können. Er öffnete eine Tür und sagte: "Nach dir, Junker."

Ziemlich verspätet — Mutter, vergib mir — entsann ich mich meiner guten Manieren, zog meinen Hut und verbeugte mich leicht. "Erlaubt, Herr Zauberer, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Martin Luther, Student der Rechte in Erfurt."

"Und zukünftiger Mönch?", lachte er. "Mein Name ist Merlin, Professor emeritus der Theologie in Oxford, England."

Meine Augen wurden groß. "Ich fühle mich geehrt, Herr Professor." Ein Magier, der Theologie in Oxford lehrte? Von so etwas hatte ich noch nie zuvor gehört.

Er winkte ab. "Sag einfach Merlin zu mir, junger Martin. Es freut mich, dich kennenzulernen. Tritt ein, tritt ein. Ich denke, wir werden hier Schutz vor dem Unwetter finden."

Er holte aus einer Tasche seines Mantels einen kleinen Beutel und öffnete ihn. Er griff hinein, holte etwas heraus, das in seiner Hand größer wurde und sich als ein hölzerner Tisch entpuppte. Dann stellte er zwei Stühle daneben und eine Lampe darauf. Als nächstes tauchte ein geräucherter Schinken auf, dessen Duft die Scheune erfüllte. Dann ein Krug, zwei Becher, Teller und ein großer Laib Brot.

"So etwas", sagte ich überrascht, "könnte ich auch gebrauchen."

Sein Antlitz wurde ernst. "Lass dich nicht damit erwischen, oder der Scheiterhaufen ist dir gewiss."

Ich zuckte zusammen. Ja, all das war Magie. Doch hinwiederum konnte ich nichts Satanisches an Brot, Schinken und Wein erkennen. "Habt ihr denn keine Furcht, dass ich Euch der Inquisition melde?"

Er lachte auf. "Nur zu, Junker Martin. Ich bin den Schergen des Papstes schon sehr oft entkommen. Ich habe keine Angst vor ihnen." Dann wurde er wieder ernst. "Du solltest eher darüber nachdenken, ob du dich nicht selbst in Gefahr bringst, wenn du mich denunzierst. Ich an deiner Stelle würde die Begegnung mit mir für dich behalten."

Er bedeutete mir, mich zu setzen. Dann ließ er sich selbst auf dem Holzstuhle nieder, brach das Brot und sprach: "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Nehmt und esset. Das ist mein Leib, der für euch gegeben ist." Dann schenkte er uns beiden Wein ein und sprach. "Nehmet und trinkt. Das ist mein Blut, das für euch gegeben ist. Amen."

Ich war erstarrt. Dieser Mann war entweder ein Hochstapler und Lügner oder er hatte tatsächlich die heiligen Weihen erhalten. Als Magier!

"Iss ruhig, Martin", forderte er mich lächelnd auf. "Das ist nur Brot."

"Ich — Die Lehre besagt doch —"

"— dass sich das Brot in das Fleisch Christi verwandelt? Eine recht neue Lehrmeinung, die ich nicht wirklich unterschreibe." Er grinste fast schon frech. "Ein weiterer Grund, mich bei der Inquisition anzuschwärzen."

"Ich habe beschlossen", sagte ich und griff nach dem Brot, "eurem Rat zur Geheimhaltung zu folgen. Außerdem habe ich Hunger."

"Greif zu."

Während des Essens plauderten wir wie zwei alte Bekannte. Er hatte offensichtlich meinen Schwur, ein Mönch zu werden, mitgehört.

"Ich denke", sagte er irgendwann, "dass es nicht schaden kann, die Kirche von innen kennenzulernen. Du bist ein kluger Kopf, junger Martin, und ich glaube, dass du sehr wohl zwischen dem Wort Gottes und der päpstlichen Interpretation unterscheiden kannst."

"Ich weiß nicht."

"Doch, doch. Die Bibel enthält große Weisheit und Wahrheit, doch was die Pfaffen hineinlesen, dient meist nur ihrem eigenen Vorteil. Was weißt du über den Ablasshandel?"

"Wenig", musste ich eingestehen.

"Ein Grund mehr, dich damit zu befassen. Ich finde, es ist eine Schande, den Menschen zu versprechen, dass ein Blatt Papier ihre Sünden abwischen kann wie einen vollgeschissenen Hintern."

"Ich werde das studieren", versprach ich. "Und ich werde ganz sicher auch die Texte studieren, die sich mit Magiern und Hexen befassen. Nun, da ich Euch, werter Professor Merlin, kennengelernt habe, bin ich der festen Überzeugung, und werde auch Beweise dafür finden, dass Magie und Hexenwerk nicht notwendigerweise satanischen Ursprungs ist."

Er lachte auf und schlug mir auf die Schulter. "Wohl gesprochen, Martin, wohl gesprochen. Man merkt, dass deine Studien der Juristerei nicht für die Katz war."

Dann legten wir uns im Heu schlafen. Als ich am nächsten Morgen erwachte, war er verschwunden.

Nachdenklich machte ich mich auf meinen Weg nach Erfurt.

3

Melanie

(Mai 2007)

"Also entweder hat dein Mann eine überschäumende Phantasie —", flüsterte Tamara.

Ich schüttelte den Kopf. "Wir haben doch vor ein paar Wochen mit den Kindern Patricks Zwillingsschwester besucht."

"Die irische Göttin?"

"Ja. Sie hat gemeint, ich sollte sie doch einmal in meinen Familienerinnerungen herumsuchen lassen. Ich hätte nämlich eine ungewöhnliche Ausstrahlung."

Tamara blickte mich überrascht an. "Du bist aber keine Magierin."

"Kein einziges der relevanten Gene. Aber ich stamme von Martin Luther ab, was allerdings nichts Besonderes ist. Es gibt allein tausend Nachkommen von ihm auf einer Nordseeinsel. Auf jeden Fall hat Éabha diese Geschichte ausgegraben. Es gibt natürlich keine unabhängigen Beweise dafür, aber es scheint, als hätte euer werter Urahn öfter in den Lauf der Geschichte eingegriffen als nur bei der Kubakrise und Neunundachtzig in Berlin."

"Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Kein Wunder, dass Martin Luther ihn als einzigen 'offiziellen' Heiligen anerkannt und sich so vehement gegen die Hexenverfolgung ausgesprochen hat."

*

Nach der Hochzeit füllte sich der Gemeindesaal mit Menschen, die ich nicht kannte.

Ich schüttelte Hände, gab Küsschen auf Wangen, das ganze Trara.

Ich weiß nicht, wie viele Verwandte von Frank und Tamara ich auf diese Weise schon getroffen hatte, als mir ein seltsames Dreigespann gegenüberstand.

"Du musst Melanie sein", sprach mich ein bärtiger Mann an und streckte eine schwielige Hand in meine Richtung. "Ich bin Peter."

Grübel, grübel, Glühbirne! "Franks jüngerer Bruder!" Ich griff nach seiner Hand und war fast schon verblüfft, dass er meine nicht zerquetschte.

"Richtig. Das ist mein kleiner Bruder Matthias."

Der "kleine Bruder" war womöglich noch muskulöser als Peter, doch ich wusste, dass die beiden Zwillinge waren und Peter der ältere. Ich schüttelte auch seine Hand. Doch etwas anderes fesselte meinen Blick.

Zwischen den beiden stand eine hochgewachsene, dunkelhäutige Frau, die mich mit ernstem Blick musterte. Sie war bezaubernd. Ihr langes, schwarzes, lockiges Haar fiel wild über ihre nackten Schultern. Doch noch auffallender waren schwarze Malereien um Augen und Mund, die ihre Gesichtszüge eher unterstrichen als verdeckten.

"Das ist Maia", sagte Peter in meine Gedankenverlorenheit. "Unsere Ehefrau."

Bumm! Und schon war ich auf dem Boden der Realität zurück. Genauer gesagt auf dem Boden der Surrealität meiner neugewonnenen Familie. In der Ehen zwischen mehr als zwei Personen nicht unbedingt die Regel waren, aber doch vorkamen. "Wo die Liebe hinfällt", hatte Frank grinsend erklärt. "Und wie schon gelegentlich erwähnt —"

Ich hatte ihm den Mund mit einem Kuss verschlossen.

"Ich freue mich", sagte ich und stellte fest, dass ich mich unbewusst verneigte, "Sie kennenzulernen."

"Du bist schön!" Ihre Lippen hatten sich nicht bewegt.

"Ich —"

"Komm, Kleines", sagte Peter. "Wir haben doch darüber gesprochen. Wir sprechen hier laut."

Sie blickte von mir zu ihrem Ehemann, dann zu ihrem anderen Ehemann. Dann bohrten sich ihre schwarzen Augen in meine. "Ich ... freue ... mich ... auch", sagte sie stockend.

Jedes einzelne Wort fuhr durch meinen Körper wie ein Blitz. Ich keuchte auf und warf mich auf sie. Meine Arme umschlangen ihren Körper und meine Lippen suchten ihren Mund.

Wie durch einen dicken Nebel hörte ich meinen Namen, fühlte Hände, die mich hielten. Dann sah ich besorgte Gesichter. Und ein zorniges.

"Ihr Arschlöcher", fuhr Frank seine Brüder an. "Was habt ihr mit ihr gemacht?"

12