Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Merlins Kinder 06.2 Hexenjagd

ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

Nein, die Seelen hier oben hatten wohl alle gehofft, nach dem Tod in "eine bessere Welt" zu kommen. Sie hatten sich nie "richtig" strafbar gemacht. Doch negative Grundeinstellung gegenüber anderen Menschen, ununterbrochene Bestrebungen, sich selbst Vorteile auf Kosten anderer — vor allem Schwächerer — zu verschaffen, führte häufig dazu, dass sie am Ende ihres Lebens zu viele Minuspunkte angesammelt hatten, als dass die Waage zu ihren Gunsten hätte ausschlagen können.

Also: Hölle. Ständige Bestrafung. Ewige Verdammnis zu Langeweile und unendlichen Wiederholungen.

Leon und ich wurden von einem sehr dienstbeflissenen Dämon auf Wegen "nur für den Dienstgebrauch" zu einem Gleis geführt, wo der Zug nach Rom nur wenige Minuten später einrollte. Der Bereich des Bahnsteigs für die Luxusklasse war mit gläsernen Wänden abgetrennt, so dass die Seelen sehen konnten, wie mit VIPs umgegangen wurde.

Seltsamerweise erregten wir eine eher positive Reaktion, als wären wir Filmstars oder so etwas.

Der Zug hielt an, die Türen öffneten sich und ein roter Teppich rollte sich aus.

Ein Dämon sprang heraus und verneigte sich tief. "Seien Sie herzlich willkommen an Bord des Nightjet 666, ehrenwerte Lebende."

Ich drückte ihm einen Hunderter in die Hand, und er verneigte sich noch einmal. "Wenn Sie mir bitte folgen möchten ..." Dann winkte er den Gepäckträgern zu, die unsere Koffer schleppten.

Wir hatten ein paar Stunden Zeit gehabt, also hatte ich Leon von einem Herrenausstatter zum nächsten geschleppt. Er hatte sich zwar geweigert, auch nur ein neues Stück Kleidung anzuprobieren, aber da ich ja dieselben Maße hatte wie er, hatte ich einfach von allem, was mir gefallen hatte, zwei Exemplare mitgenommen.

Inklusive zweier unsichtbarer magischer Dolche in ebenso unsichtbaren Scheiden. Man wusste ja nie, was auf einen zukam.

Die Kabine, in die uns der Dämon führte, belegte zwar nicht mehr Platz im Waggon als ein typisches Zugabteil, öffnete sich aber in eine opulent ausgestattete Suite mit Esszimmer, Bad und Schlafzimmer. Was ein paar Tausender nicht alles bewirken konnten.

"Scheiße", murmelte Leon. "Das hätte ich jetzt nicht erwartet."

"Das ist die Hölle", sagte ich grinsend. "Zumindest für gutbetuchte Dämonen und lebende Besucher."

"Ich habe nie gefragt: Kann ich denn alles essen, was die hier auftischen?"

"Aber nein", sagte ich mit ernster Miene. "Sobald du auch nur einen Bissen zu dir nimmst, bist du dazu verdammt, ewig hier zu bleiben und die exquisitesten Speisen zu dir zu nehmen."

Seine Augen wurden groß wie Wagenräder. "WAS???"

Ich grinste ihn an. "War nur Spaß. Essen für lebende Besucher wird ständig frisch von der Erde importiert."

Leon boxte mich in die Seite. "Irgendwann", sagte er, "werde ich dich für den Scheiß bestrafen, den du von dir gibst."

Ich hob die Hände. "Mann, du musst wirklich lockerer werden. Ich nehme an, dieser Körper braucht auch gelegentlich etwas im Magen, also sollten wir uns tatsächlich etwas zu essen kommen lassen."

*

Ich lag schon im Bett, während Leon sich mal wieder duschte. Diese Situation hier in der Hölle fühlte sich falsch an. Natürlich hatte es hier schon immer Machtkämpfe gegeben. Jeder der sieben Höllenfürsten wollte der Stärkste sein und sich den Posten des Satans sichern.

Normalerweise wurden diese Kämpfe sozusagen sportlich entschieden. Jeder schickte ein paar Legionen von Dämonen in eine Schlacht und behielt genug zurück, um seinen Palast zu bewachen.

Wer zuletzt noch einen Krieger im Feld hatte, war der Sieger. Er bezog den Palast des Satans, ernannte einen der anderen Fürsten zum Luzifer und einen seiner Hauptleute zum Statthalter auf seinem alten Posten.

Ein oder zwei Äonen später, wenn Langeweile einsetzte, wurde das Ganze wiederholt. Doch in der langen Geschichte der Hölle war es noch nie geschehen, dass ein Fürst seinen Verantwortungsbereich wechselte. Papa war nun einmal die Verkörperung der Lust. Als Mammon konnte er sich nicht wirklich wohlfühlen.

Doch es schien, als ob die Neue anders darüber dachte. Und wenn es sich wirklich um Mercy Good handelte, hatte sie es in gerade mal zehn Jahren geschafft, von einer Ausgestoßenen zur Chefin zu werden. Das sagte einiges über ihre Kräfte aus. Nur einen Hexenzirkel ausgesogen zu haben, war da nicht genug. Höllenfürsten standen auf einem ganz anderen Blatt.

Wie auch immer; sie hatte es geschafft, den alten Mammon zu entsorgen, um sich selbst einen Posten in der ersten Reihe zu verschaffen und dann hatte sie wohl alle anderen besiegt. Eine gefährliche Frau. Doch warum Patrizia entführen? Nur aus Rache für ihre Verbannung? Eigentlich hätte ihr ja nichts Besseres passieren können. Vom Supermodel zur Herrin über Heerscharen von Dämonen und Milliarden von verdammten Seelen. Was für ein Karriereschub!

Das Öffnen der Badezimmertür riss mich aus meinen Gedanken. Leon — verdammt nochmal, sah der Kerl gut aus — hatte nur ein Handtuch um die Hüften. Ich hob eine Augenbraue.

Er stellte sich vor mich hin, blickte mich lächelnd an und ließ das Handtuch auf den Boden fallen. "Du hast recht gehabt", sagte er.

"Ich habe immer recht", gab ich grinsend zurück. "Womit diesmal?"

"Ich habe tatsächlich die halbe Nacht wachgelegen und mir überlegt, wie es wohl wäre, von dir einen Blowjob zu kriegen."

Meine zweite Augenbraue glitt nach oben. "Du bist nicht schwul?"

Er zuckte die Schulter. "Mir wäre es weitaus lieber, wenn Patrizia das machen würde. Ich habe auch nicht die geringste Lust, deinen Penis in meinem Hintern zu spüren. Also wahrscheinlich nicht."

"Aber blasen soll ich dich? Was kriege ich dafür?"

Er holte tief Luft.

Ich unterbrach ihn. "Mach dir keinen Kopf. Allein, dass du das freiwillig machst, ist mir schon Lohn genug."

"Du hast gesagt, ich sollte lockerer werden."

Ich klopfte auf das Bett neben mir. "Komm, Bro, wir haben die ganze Nacht vor uns."

5

Leon

Hatte ich gerade meine Frau schon wieder betrogen? Eigentlich ja, denn ich hatte Sex gehabt, ohne dass sie davon wusste. Andererseits — Es war ja eigentlich nur Masturbation gewesen. Mein zweiter Körper, der meinen ersten Körper befriedigte.

Nein, so durfte ich nicht denken. In meinem zweiten Körper steckte eine andere Person. Allerdings dieselbe, die sonst immer mit mir in meinem einzigen Körper steckte und damit beim Sex immer dabei war. Eigentlich hatten wir eine Viererbeziehung mit normalerweise zwei Körpern. Jetzt —

Jetzt waren zwei von uns vier beisammen; Körper Zwei drückte sich von hinten an Körper Eins und beide Seelen darin fanden das angenehm. Zu angenehm, um es nicht zu tun. Ich war auch ziemlich sicher, dass Patrizia — sobald wir die ganze Sache hinter uns hatten — über meine Grübeleien einfach nur lachen würde. "Cool", würde sie sagen, und: "Hast du es dir denn richtig besorgt?" Dann würde sie wahrscheinlich auf mich steigen und sagen: "Und jetzt erzähl mir das Ganze nochmal im Detail."

Ich grinste vor mich hin. Genau das würde sie tun.

*

Um halb zehn kamen wir an Roma Termini an. Derselbe Trubel, dieselben wütenden Gesichter, nur die Flüche waren auf Italienisch. Wir checkten im teuersten Hotel ein und ließen uns dann — trotz total verstopfter Straßen, Hupkonzerten und schreienden Autofahrern — von einer Limousine problemlos zum Vatikan bringen.

Ich war schon einmal mit ein paar Kommilitonen für einen Wochenendtrip in der "Ewigen Stadt" gewesen, also kannte ich die Gegend — oder dachte es zumindest, bis die hiesige Variante der Peterskirche vor uns auftauchte.

Sie war gefühlt zehnmal so groß wie ihr irdisches Pendant und komplett schwarz. Ein Monster, das drohend über dem Petersplatz aufragte, auf dem sich die Gläubigen nicht nur drängten, sondern in ihrem Drang, nach vorne zu kommen, übereinander kletterten und andere unter sich begruben.

"Das wären dann diejenigen", sagte Simba ernst, "die mitbekommen haben, dass sie in der Hölle gelandet sind."

"Die wollen zum Papst, um sich ihre Sünden vergeben zu lassen."

"Sieht so aus."

"Es gibt nur das Problem", meldete sich unser Fahrer, "dass sich kein einziger von den über dreihundert Päpsten auf dieser Ebene aufhält."

"Alle im Himmel?"

"Die Hälfte vielleicht. Der Rest steckt unten. Früher war Papst ein beliebter Posten, um sich gesund zu stoßen und politische Gegner aus dem Weg räumen zu lassen. Es gab ja manchmal drei Päpste parallel."

"Und wer wohnt dann hier?"

Der Fahrer drehte sich um und musterte mich mitleidig.

Autsch! Richtig! Das hier war der Palast des Satans, nicht die Peterskirche.

Das hielt aber die ganzen Gläubigen nicht davon ab, sich in Massen hineinzudrücken.

Ich schüttelte den Kopf. "Was glauben dann die ganzen Seelen, was sie hier kriegen können?"

Der Fahrer zuckte die Schultern, drehte sich wieder nach vorne und lenkte die Limousine zu einem Nebeneingang. "Von hier aus können Sie den Palast besuchen, ohne sich durch die Seelen drängeln zu müssen."

"Hast du eine Ahnung", fragte Simba den Fahrer, "ob der Boss zu Hause ist?"

"Niemand weiß das. Der frühere hat sich gelegentlich den Gläubigen gezeigt, aber die neue —"

Wenn Satan so ähnlich aussah wie das Trugbild, das wir von Mammon gesehen hatten, war ein Auftritt wohl ein interessantes Ereignis gewesen, über das sich die Dämonen vor Lachen ausschütten konnten.

Die Limousine hielt an, und wir stiegen aus. "Warte hier", befahl Simba dem Fahrer und drückte ihm ein paar Hunderterscheine in die Hand. "Lass den Motor laufen; es kann sein, dass wir es eilig haben."

Der Fahrer hob die Augenbrauen, steckte aber das Geld wortlos ein.

Während wir zum Eingang liefen, konnte ich sehen, dass die Limousine wendete und sich direkt vor dem Eingang platzierte.

Simba wandte sich an den Dämon, der — in der bunten Uniform der Schweizergarde — den Eingang bewachte. "Wir wollen nur ein bisschen Sightseeing machen", sagte er, und wieder wechselten Hunderter den Besitzer.

Der Gardist nahm Haltung an, salutierte und öffnete die Tür.

"Sind hier eigentlich alle korrupt?", fragte ich, nachdem sich die Tür wieder hinter uns geschlossen hatte.

"Was ist daran korrupt?", fragte Simba grinsend. "Angebot und Nachfrage regiert doch auch die Menschenwelt, oder?"

Dann griff er in eine Hosentasche. "Hier", sagte er und hielt mir ein Amulett entgegen.

"Was ist das?"

"Ein Seelensucher. Häng es dir um den Hals und konzentriere dich auf deine Frau."

Ich beäugte das Ding misstrauisch. Es sah viel zu sehr dem ähnlich, welches ich jahrelang in meine Brust eingebettet mit mir herumgetragen hatte.

"He, Bro", sagte Simba und griff nach meiner Schulter. "Denk an Patrizia. Wo ist sie?"

"Du meinst —? Ich soll — Dort?" Ich wies mit dem Finger nach vorne und unten.

Simba stellte sich hinter mich und blickte an meinem ausgestreckten Arm entlang. "Das geht in die Richtung zum Altar. Nur ein Stock tiefer."

"Du meinst, in der 'richtigen' Hölle?"

"Nein, nicht unbedingt. Da könnte ein Keller sein." Er blickte sich um. "Komm mit."

Er lief auf eine unscheinbare Tür zu, wandte sich kurz vorher noch einmal um, blickte nach links und rechts, und drückte dann die Klinke herunter. Nichts.

"Hmmm", sagte er, griff in seine Hose und holte einen Schlüssel heraus.

"Wo hast du den her?"

"Gestern gekauft." Er hielt ihn gegen die Stelle der Tür, wo normalerweise ein Schlüsselloch war, murmelte ein paar unverständliche Worte, und es klickte.

"Ich dachte, du kannst nicht zaubern?"

Er drückte die Klinke herunter und die Tür öffnete sich. "Magischer Dietrich", sagte er und winkte mir zu folgen. "Kein Wort", flüsterte er.

Ich nickte.

Die Tür schlug zu und wir standen im Dunkeln. Total. Kein Fenster, keine Lampe, noch nicht einmal eine LED, die auf eine Überwachungskamera hingedeutet hätte.

Simba bewegte sich nicht, also tat ich es ihm gleich. Nach kurzer Zeit gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Irgendwo schien also doch etwas Licht hereinzufallen.

Vor uns war eine glatte Wand. Genau wie rechts und links. Keinerlei Merkmale, keine weitere Tür. Nun, dann befanden wir uns wohl in einem Aufzug.

Ich hob die Hand und ließ meine Finger über die linke Wand streichen. Da! Eine kleine, kreisrunde Erhebung. Direkt darunter eine weitere. Ich drückte auf die untere, und die Kabine setzte sich in Bewegung.

Simba gab einen erstickten Laut von sich. Ich grinste in mich hinein. Ich war schon oft in Aufzügen gefahren, er aber nicht.

Die Kabine hielt schon nach wenigen Sekunden wieder an. Die Wand vor uns schob sich zur Seite und wir blickten in einen Saal. Der Boden bestand aus Marmor, der so schwarz war, dass ich das Gefühl hatte, er würde das wenige Licht verschlucken, das den Raum erfüllte.

Grünes Licht, das von vor uns kam. Mitten in dem Saal schwebte eine nackte Frau mit gespreizten Armen und Beinen einen Meter über den Boden. Das grüne Licht kam von etwas, das wie dicke Stricke aussah, ihre Arme und Beine festhielt und mitten in der Luft endete.

Ich lief näher und blieb stehen. Konnte es sein, dass wir Patrizia wirklich gefunden hatten?

"Ist sie das?", keuchte ich auf. "Mein Gott!" Ich wollte mich in Bewegung setzen, doch Simba griff nach meinem Arm und hielt mich schmerzhaft zurück.

6

Patrizia

Ich hätte nie geglaubt, dass gerade Dora mich reinlegen würde. Ich kannte sie schließlich schon seit dem Gymnasium. Als ich mit vierzehn in die Oberstufe kam, war sie eine von den wenigen Klassenkameradinnen, die nicht auf mich herabsahen und mich die "Lieblingshexe des Direktors" nannten.

In den zwei Jahren, die ich bis zum Abitur brauchte, hingen wir zusammen und probierte alle neuen Zauber miteinander und aneinander aus.

Ein Jahr nach meinem Abitur kam sie auf die Uni und wir trafen uns gleich in der Quantenmagie-Vorlesung. Sie war eine gute Studentin, gab mir kritische Rückmeldungen, wenn ich eine Vorlesung nicht optimal vorbereitet hatte.

In meinem dritten Jahr jedoch konzentrierte ich mich so sehr auf Leon, dass ich sie fast vergessen hatte, als sie eines Nachmittags an unserer Tür klingelte.

"Dora!", rief ich und umarmte sie. "Wie geht's?"

"Ganz gut", meinte sie. "Und dir?"

Wir sprachen einige Zeit über mein Leben — Leon hauptsächlich — und dann fragte ich sie, warum sie zu mir gekommen war. Sie stand auf und begann herumzulaufen, während sie von den Problemen erzählte, die sie mit einem Professor hatte.

Angeblich hatte, wie ich viel zu spät merkte. Während sie nämlich wild gestikulierend um den Tisch und mich herumrannte, war ich viel zu abgelenkt, um zu merken, dass sie einen Bannkreis beschrieb und in diesem Bannkreis einen Beschwörungskreis. Erst als sie unvermittelt stehen blieb, die Arme hob und anfing, eine Dämonenbeschwörung auf Altgriechisch abzulassen, roch ich den Braten. Doch zu dem Zeitpunkt war es schon zu spät. Aus dem Boden tauchten plötzlich dunkle Schatten auf, die ihre Tentakel nach mir ausstreckten. Dann wurde alles um mich herum schwarz, und ich verlor das Bewusstsein.

Als ich wieder zu mir kam, fand ich mich in der Mitte eines enorm großen Pentagramms. Ich war nackt, und hing mitten in der Luft. Meine Arme und Beine waren mit grünlichen Lichtbändern fixiert, die mich wie ein menschliches Andreaskreuz aussehen ließen.

Eine Gestalt in schwarzer Robe stand außerhalb des Pentagramms. Ihr Gesicht war unter einer großen Kapuze verborgen, doch ich sah, dass ihre Augen rot leuchteten.

"Wo bin ich?", rief ich. "Wer bist du? Was hast du mit mir vor?"

"Wo du bist? In der Hölle!"

Die Worte schienen direkt in meinem Kopf zu entstehen. Ähnlich wie bei Nala. Aber andererseits schienen sie auch die Luft zwischen der Gestalt und mir in Schwingungen zu versetzen wie der Klang einer Glocke.

"Wer ich bin? Mein Name tut nichts zur Sache, aber ich bin diejenige, die du hierher verbannt hast!"

Eine Frau? Nun ja, die Robe verdeckte alle Formen. Eine Frau, die ich in die Hölle verbannt hatte? Ich war mir keiner Schuld bewusst. Es sei denn ...

"Was ich mit dir vorhabe? Du wirst leiden. Für eine unendlich lange Zeit. Deine Seele gehört mir und ich werde sie dir immer und immer wieder nehmen. Dass du unsterblich bist, gibt dem Ganzen noch einen besonderen Kick."

Ich spürte, dass sie die Wahrheit sagte. Ich spürte auch, dass mich etwas mit ihr verband. Eine Art Brücke, über die etwas von mir in ihre Richtung gesogen wurde.

"Du bist Mercy Good!", stellte ich fest. "Die Hexe, die meinen Vater haben wollte."

"JA!!!" Die Luft um mich herum vibrierte vor Triumph, die Brücke leuchtete hell auf, als ein großer Teil meiner Seele darüber glitt und in ihr verschwand.

Ich schrie auf. Brennender Schmerz drang in mich ein, überall dort, wo Teile meiner Seele fehlten.

Sie lachte höhnisch. "Ja, so hat man mich genannt! Doch das ist nicht mein wahrer Name. Und deswegen hast du auch keine Macht über mich, Patrizia Weiß. Du bist verdammt!"

Nur gut, dass auch das nicht mein "wahrer" Name war. Ich hatte noch fünf weitere Vornamen, die ich überhaupt nicht kannte. Typischer Weiß-Overkill. Mutter, Großmutter und drei weitere ihrer Vorfahren hatten mir je einen direkt nach meiner Geburt verpasst. Nur, falls die Hexe alle fünf Frauen in die Finger bekam und auch alle fünf zum Reden brachte, konnte sie in meinen Geist vordringen und mich vollständig beherrschen. Bis dahin würde sie mich wohl hier in der Luft hängen lassen. Ich hoffte nur meine Verwandtschaft würde sich nicht ködern lassen und hierherkommen.

Sie bewegte ihre Hände, und der Boden unter mir öffnete sich wie die Blende einer Kamera. Darunter brodelte Lava. Hölle. Klar. Langsam aber sicher wurde mir heiß. Sehr heiß. Grauenhaft heiß. Flammen schlugen an mir hoch. Doch seltsamerweise schienen sie keinen Schaden anzurichten. Nur diese grauenhafte Hitze die mich komplett erfüllte.

Ich versuchte, einen Schutzzauber gegen die Hitze zu weben, doch schon der kleinste Versuch, die dunkle Materie zu beeinflussen, ließ einen grauenhaften Schmerz in meinem Kopf explodieren.

Verdammt! Verdammt! Verdammt!

*

Eine Bewegung am Rand meines Gesichtskreises weckte mich aus meiner Agonie.

Gefühlt jahrhundertelang hing ich schon hier. Ohne Chance, mich zu bewegen, und immer wieder tauchte die Hexe auf und sog jedes Bisschen an Willen aus mir heraus.

Doch diesmal war es jemand anders. Zwei dunkle Gestalten, die aber keine Roben trugen, sondern deren Dunkelheit teilweise von der Hautfarbe herzurühren schien.

War der eine etwa — wie hieß der junge Mann nochmal, den ich vor Äonen kennengelernt hatte — Leon? Aber selbst wenn er das war, was konnte er schon tun?

7

Leon

"Nicht!", zischte Simba. "Das ist eine Falle."

"Was?" Jetzt erst sah ich das von drei Kreisen umschriebene Pentagramm, das tief in den Marmorboden eingraviert war.

"Drei Kreise. Wenn du den ersten berührst, zieht er dich nach innen. Der zweite sorgt dafür, dass du nicht mehr herauskommst und der dritte schützt den zweiten gegen Angriffe. Das ist verdammt gute Arbeit."

"Sie!"

"Ganz zweifellos. Wir bräuchten etwas in der Größenordnung einer magischen Atombombe, um das hier zu zerstören."

"Und damit würden wir Patrizia umbringen."

"Nicht zwangsläufig. Siehst du, dass ihr Körper nicht materiell ist? Die Rückwand der Kathedrale scheint durch. Das ist nur Patrizias Seele, die hier eingesperrt ist."

"Du meinst —"

"Ihr Körper ist irgendwo anders. Das —" Er redete nicht weiter.

"Was?"

"Ich habe eine Idee, aber die sollten wir ganz sicher nicht hier besprechen. Lass uns lieber machen, dass wir rauskommen, solange wir das noch können."

Wir drehten uns um und gingen zurück zum Aufzug. Dort angekommen, drückte ich den von dieser Seite her offensichtlichen Knopf, damit sich die Tür öffnete. Währenddessen machte sich Simba seitlich davon an der Wand zu schaffen. Was hatte er vor? Aber das konnte ich ihn auch noch später fragen.