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Out of Africa - Teil 05

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Dr. Levin seufzte.

Wie lange war diese gütige, liebevolle Frau jetzt tot? Neunzehn oder tatsächlich bereits zwanzig Jahre?

Der starken Bindung zu seiner Mutter verdankte er vieles, vor allem seine gut gehende Kanzlei. Sie war seinerzeit die einzige Person, welche ihn bei der Wahl seines Jurastudiums unterstützt und motiviert hatte.

Obgleich auch in seinem Elternhaus strikte Rassentrennung herrschte und Schwarze für niedere, schwere und schmutzige Arbeiten herangezogen wurden, war es seine Mutter, welche ihn früh auf die schreienden Ungerechtigkeiten während der Apartheid aufmerksam gemacht und angeregt hatte, für die Rechte der einfachen Menschen einzutreten.

So war Dr. Levin im Laufe der Jahre zu einem angesehenen Mitglied dieses Teils der südafrikanischen Gesellschaft geworden, die sich für ein menschenwürdiges Miteinander einsetzten. Rassisten auf beiden Seiten hassten und fürchteten ihn gleichermaßen, für seine Klienten aber wurde er zum letzten Strohhalm, an den man sich klammern konnte.

Die Leitung der Kanzlei hatte Dr. Levin an seinem 70. Geburtstag auf seinen Schwiegersohn übertragen. Aber der erfahrene und gerissene Anwalt trat trotz seines hohen Alters noch in einzelnen Fällen in Erscheinung. Zwar nur sporadisch und in Rechtsangelegenheiten welche ihn persönlich interessierten, aber noch immer mit Ergebnissen, die sich sehen lassen konnten.

Erschrocken fuhr Dr. Levin auf, als das Telefon schrillte. Ungehalten schaute er auf die Uhr: Zehn Minuten nach Mitternacht!

Wer zum Henker rief zu nachtschlafender Zeit bei ihm an? War jemand falsch verbunden? War irgendwo ein Unglück geschehen?

Mit fahrigen Bewegungen stand Dr. Levin auf und griff zum Hörer.

"Hallo?", meldete er sich knapp.

"Dr. Levin?", flüsterte eine unsichere Stimme am anderen Ende der Leitung.

"Ja. Wer sind Sie?", fragte der Anwalt beunruhigt. Er hatte während seiner langjährigen Arbeit als Jurist zu viel erlebt, um nicht sofort zu erahnen, dass etwas Beunruhigendes auf ihn zukam.

"Julia, Julia Geldenhuys. Die Nichte von Hedwig, ihrer holländischen Freundin."

Dr. Levin setzte sich erschrocken auf.

"Julia, ist mit Hedwig geschehen? Warum rufen Sie mich mitten in der Nacht an? Kann ich Ihnen helfen?"

Julia versuchte, ihre wirren, trägen Gedanken zu sammeln. Sie wusste nicht, wie lange sie für das Gespräch mit Dr. Levin brauchen würde, wie lange der Akku an dem alten Nokia-Handy durchhalten konnte. Aber ihr war klar, sie musste diese eine, diese einzige Chance auf Hilfe ergreifen.

Hastig und fieberhaft nachdenkend, schilderte sie Dr. Levin die Vorkommnisse auf der Farm der letzten Wochen. Sie verschwieg nichts, weder ihre Liaison mit Tayo und damit den Bruch ihrer Ehe, noch den Überfall im Hotel und Johns Plan, Tayo zu beseitigen.

Dr. Levin hörte angestrengt zu, machte sich Notizen und versuchte, bereits während Julias Schilderungen, eine Lösung zu finden.

Als nach langen Minuten die Leitung nur noch rauschte und Julia entkräftet schwieg, fragte der alte Mann: „Kann ich Sie in den nächsten Tagen erreichen? Sie scheinen derzeit in gewisser Weise auf der Farm sicher zu sein, aber Joseph muss umgehend aus dem Gefängnis gerettet werden. Wenn Ihr Mann tatsächlich einen Mordauftrag an die Wärter oder bestimmte Insassen gegeben hat, zählt jede Minute!"

Julia stimmte zu: „Ja, Dr. Levin. Ich komme hier zurecht. Solange John denkt, er hat Macht und Kontrolle über mich, wird mir hier nichts zustoßen. Aber er darf auf keinen Fall erfahren, dass wir in Kontakt stehen, bevor Sie Joseph aus dem Gefängnis geholt haben. Ich bin in meinem Zimmer eingesperrt, sehe nur unsere Köchin, die mich mit den Mahlzeiten versorgt und werde von John die ganze Zeit überwacht. Es war nichts als ein glücklicher Zufall, der mich in den Besitz dieses Handys gebracht hat. Ich weiß nicht, wann und wie ich Sie kontaktieren kann."

Dr. Levin grübelte.

"Vertrauen Sie mir, Julia. Es wird in den nächsten Tagen einiges geschehen. Überraschend. Es kann sein, dass sie die Farm schnell verlassen müssen. Schnell und ohne Gepäck. Sind Sie dazu bereit und in der Lage?"

"Ja. Ich kann gehen. Meine Rippen schmerzen noch, aber das ist nicht wichtig. Die Tropfen, welche John mich täglich zwingt zu nehmen, machen mich langsam und träge. Das sollten Sie bedenken. Retten Sie Josephs Leben, das ist das Einzige, das zählt! Danke, Dr. Levin!"

"Ich werde mein Bestes tun! Versuchen Sie ruhig zu bleiben und sich nichts anmerken zu lassen!", beendete der alte Anwalt das Telefonat.

Als das Handy in Julias Hand nur noch leise rauschte und sie sich bewusst wurde, dass sie allein und auf sich selbst gestellt war, verließ sie endgültig die Kraft. Weinend und aufgewühlt zitternd fiel Julia in ihr Bett. Es brauchte lange, bis sie sich soweit beruhigt hatte, dass sie das Handy in dem dick zusammengerafften Gardinenstoff ihres Fensters verstecken konnte. Als sich erste helle Streifen der Morgendämmerung am Himmel zeigten, fiel sie in einen leichten und unruhigen Schlaf, voll wirrer Träume.

Am anderen Morgen, als Anna gegen 8.00 Uhr das Frühstück in Julias Zimmer servierte, raunte diese: „Anna, das Handy steckt in den Gardinen. Ich werde dir helfen, es wieder zu bekommen."

Anna konnte nur stumm mit den Augenlidern nicken, denn im selben Moment betrat bereits John das Zimmer. Mit verächtlichem Blick schaute er sich um, als ob er ahnte, dass sich die beiden Frauen am gestrigen Abend gegen ihn verschworen hatten.

Schweigend öffnete er Julias Kleiderschrank, fuhr mit ausladenden Bewegungen durch ihre Wäsche. Auch den kleinen Nachttisch neben dem Bett unterzog er einer Kontrolle.

Julia versuchte mit aller Kraft gelassen zu wirken, als sie die Köchin wie beiläufig bat: „Öffne bitte das Fenster für mich, Anna. Heute wird sicher wieder ein heißer Tag, ich möchte ein wenig frische Morgenluft im Zimmer."

Als John nicht auf Julias Worte reagierte, trat die verängstigte Frau zaghaft an das Fenster. Mit einer Hand öffnete sie die beiden Fensterflügel, während die andere Hand zitternd nach dem Handy in der Halterung der Übergardine suchte.

Julias Plan gelang. Aus dem Augenwinkel konnte sie beobachten, wie Anna etwas in ihre Schürzentasche steckte. Erleichtert atmeten beide auf und schwiegen verbissen, ohne sich auch nur mit den Augen zu verständigen. John lauerte noch immer. Fast schien er enttäuscht, als Julia ihr Frühstück ohne einen Zwischenfall beendete.

***

Zur selben Zeit betrat Dr. Levin mit entschlossenen Schritten das Gerichtsgebäude von Leeudoringstad.

Nachdem er die Sicherheitsschleuse passiert und sich an der Rezeption angemeldet hatte, begab er sich ohne Umschweife in den ersten Stock. Dort klopfte er entschlossen an die schwere Eichentür des Amtszimmers von Richter Cooper.

Die beiden kannten sich schon seit gemeinsamen Studienzeiten und vertraten, die südafrikanische Rechtsprechung betreffend, in weiten Teilen die gleichen Auffassungen.

"Herein!", meldete sich eine tiefe, feste Stimme.

Dr. Levin betrat den mit schweren Teppichen und antiken Möbeln ausgestatteten Raum. Richter Cooper saß über dicke Akten gebeugt hinter seinem massiven Schreibtisch und schaute nur kurz hoch, als sein alter Studienkollege eintrat.

" Shlomo! Setz dich!", forderte er Dr. Levin auf. „Ich bin hier gleich fertig, dann habe ich Zeit für dich. Kaffee?"

Dr. Levin schüttelte nur mit dem Kopf und nahm schweigend in einen der tiefen Ledersessel am anderen Ende des Büros Platz.

Nur wenige Minuten später setzte sich Richter Cooper zu ihm und fragte in seiner typischen direkten Art: „Wo drückt der Schuh, alter Freund?"

Dr. Levin zögerte einen Moment. Eigentlich war es üblich, bei einem solchen Treffen die ersten Sätze mit belanglosem Smalltalk zu vergeuden. Aber heute schien ihm nicht die rechte Zeit für solches Geplänkel zu sein.

"Ich brauche deine Hilfe, Lloyd. Gestern Nacht bekam ich einen wirklich beunruhigenden Anruf von einer Bekannten. Hast du schon die Akte...". Dr. Levin kramte einen Zettel aus der Innentasche seines Jacketts. „... Joseph Tayo Mavuyangwa auf deinem Schreibtisch gehabt? Da ist eine mächtige Sauerei im Gange."

Der Richter horchte auf. Seit Jahren schon versuchte er, Korruption und Gewalt in den Gefängnissen Einhalt zu gebieten.

"Ja, ich habe mir den Fall vor ein paar Tagen angeschaut. Illegaler Waffenbesitz, Entführung, Körperverletzung, Vergewaltigung. Sieht nicht gut aus für den Jungen. Das Opfer, Julia Geldenhuys, hat ein detailliertes Protokoll zu den Vorgängen unterschrieben, ihr Mann, einer unserer Polizisten und zwei befreundete Farmer können als Zeugen auftreten. Sie haben die Frau in Johannesburg gefunden, als Joseph sie schon missbraucht und grün und blau geprügelt hatte. Wir müssen davon ausgehen, dass dieser Kerl entweder durchgedreht ist oder Julia verkaufen wollte. Ich muss dir nicht sagen, was dann mit ihr geschehen wäre."

Richter Cooper atmete tief ein und aus.

Dann fragte er Dr. Levin: „Was kannst du mir zu diesem Vorgang sagen?"

Der Anwalt beugte sich nach vorn und schaute seinem Freund fest in die Augen.

"Lloyd, nichts von dem stimmt! Hier wird ein Lynchmord geplant und durchgeführt, wenn wir nicht einschreiten!"

Dann berichtete er konzentriert und in aller Ausführlichkeit von dem, was Julia ihm in der letzten Nacht mitgeteilt hatte.

Das Gesicht des Richters schien während dessen zu Stein zu werden.

Wie satt er es hatte, immer und immer wieder mit solchen Geschichten konfrontiert zu werden! Seit Jahren häuften sich derartige Fälle auf seinem Schreibtisch. Egal ob angeblich vergewaltigte schwarze Dienstmädchen, die von ihrem Arbeitgeber eine stolze Abfindung zu erpressen versuchten; reiche Weiße, die unbequeme Angestellte los werden wollten und sie der unmöglichsten Dinge beschuldigten; fingierte Überfälle um Versicherungen zu betrügen; ja, sogar Mordaufträge in Gefängnissen ... die Menschen wurden immer dreister und berechnender. Aber eine derartige Ungeheuerlichkeit, wie ihm Dr. Levin hier berichtete, war dem Richter noch nicht unter gekommen.

Schwer atmend machte sich Lloyd Cooper die nötigen Notizen, stand dann auf und schaute zu seinen alten Freund.

"Komm!", forderte er ihn auf.

Dr. Levin verstand nicht: "Was hast du vor?"

"Ich brauche die Akte! Es wird jetzt eine richterliche Anordnung aufgesetzt, damit Joseph noch heute aus dem Gefängnis entlassen wird. Du als sein Rechtsanwalt wirst ihn in deinem Haus in Hausarrest nehmen, bis ich die Dinge geklärt habe. So kannst du über ihn verfügen und dafür sorgen, dass er aus der buchstäblichen Schusslinie genommen wird. So eine Sauerei! Das dulde ich nicht!", donnerte der aufgebrachte Richter und ging mit großen Schritten zu seinem Schreibtisch, um eine Sekretärin mit der Niederschrift seiner Anordnung zu beauftragen.

***

Tayo erwachte gegen Mittag aus seinem Dämmerzustand, als ihn die Spitze eines Schuhs hart an den Rippen traf.

"Aufstehen, Kaffer!", bellte der Aufseher. „Du hast Besuch!"

Aggressives Gemurmel anderer Zelleninsassen wurde laut. Die 15 Männer, welche sich den winzigen, stinkenden Raum teilten, dösten zu dritt in den zerschlissenen, verdreckten Betten oder auf dem blanken Betonboden.

Tayo versuchte vergeblich aufzustehen. Der Rippenbruch, den einer von Ahrends Fußtritten herbeigeführt hatte, war nie behandelt worden. Tayo konnte seither nicht richtig atmen, die Schmerzen in seinem Brustkorb nahmen kaum zu beherrschende Ausmaße an. Auch die Platzwunde, welche John ihm mit der Champagnerflasche zugefügt hatte, heilte nicht. Eitrig lag sie wie ein großer Wurm auf seinem Kopf. Oft wurde ihm schwindlig und schwarz vor Augen.

"Aufstehen, du stinkende Sau!", brüllte der Aufseher noch einmal.

Tayo hob hilflos seinen Kopf und krächzte heißer: „Verdammt, du siehst doch, ich kann nicht!"

Jetzt waren es seine Zellengenossen, die ihm halfen. Trotz aller Rohheit, die in dem überfüllten Gefängnis alltäglich geworden war, griffen sie seinen geschwächten, abgemagerten Körper und halfen Tayo auf.

Wankend stand der junge Mann vor dem bulligen Aufseher und fragte: „Was ist los? Ist heute schon meine Verhandlung?"

Der Wärter schnaubte wütend durch die Nase: „Nein, Nigger, du hast Glück! Dein Anwalt ist da und wird dich hier raus holen! Also los!"

Tayo glaubte seinen Ohren nicht zu trauen.

Raus hier?

Er konnte dieses stinkende, Kakerlaken verseuchte, schimmelnde Loch verlassen?

Wie konnte das geschehen?

Noch während seine Gedanken um diese Fragen kreisten, folgte er dem Aufseher in einen kleinen Raum, in dem Dr. Levin bereits wartete.

Der alte Anwalt hatte viel Elend in seinem Leben gesehen, verwahrloste Kinder, drogenabhängige Prostituierte, alkoholkranke Männer. Aber das erbärmliche Bild, welches Tayo abgab, als er ihm gegenüber trat erinnerte Dr. Levin unweigerlich an die Fotos und Filme, die er von KZ-Insassen gesehen hatte.

Mit einer geradezu hilflosen Geste forderte er Tayo auf, sich zu setzen.

"Wir müssen noch auf deine Entlassungspapiere warten.", erklärte er mit tonloser Stimme.

Tayo nahm mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem ihm angebotenen Stuhl platz.

"Wie kommen Sie hier her? Wer hat Sie geschickt? Was geschieht jetzt mit mir?", sprudelten die Fragen aus seinem ausgetrockneten Mund.

"Langsam, Joseph.", bat Dr. Levin. „Das besprechen wir alles, wenn wir hier raus sind. Jetzt nur so viel: Du bist noch nicht frei. Ich nehme dich mit in mein Privathaus, dort stehst du unter Hausarrest."

Wie auf ein Stichwort öffnete sich in diesem Moment die Tür und ein Gefängnismitarbeiter betrat den Raum. In seiner Hand hielt er eine elektronische Fußfessel.

Dr. Levin starrte den uniformierten Mann an. Was jetzt mit Tayo geschehen sollte, passte so gar nicht zu seinem Plan.

"Was haben Sie vor?", fragte er den Justizangestellten mit kalter Stimme.

"Joseph Mavuyangwa ist noch immer ein Untersuchungshäftling.", erklärte dieser mit unbeteiligter Stimme. „Wenn eine Inhaftierung in einen Hausarrest umgewandelt wird, verlangt das Gesetz, dass der Inhaftierte eine solche Fußfessel trägt, um ihn an einer möglichen Flucht zu hindern."

Dr. Levin wusste, er musste jetzt alles auf eine Karte setzen.

Voller Zorn baute er sich vor dem jungen Wärter auf und blaffte diesen an:

„Sehen Sie eigentlich, in welchem Zustand sich der Gefangene befindet? Seine Schuld ist noch lange nicht bewiesen, im Gegenteil! Was glauben Sie, warum ich ihn hier raus holen kann? Er stinkt, als hätte er in den letzten drei Wochen in einer Latrine geschlafen! Seine Wunden und Verletzungen sind nicht behandelt worden und ich wage die Frage nicht, wie oft er in den letzten Tagen vergewaltigt wurde! Beten Sie, dass sich keine Spätfolgen einstellen, sonst wird es für jeden von Ihnen ganz teuer! Es scheint mir nur ein Zufall zu sein, dass ich hier und heute einen noch lebenden Menschen vorgefunden habe, auch wenn er aussieht wie ein Skelett, bekleidet mit zerrissenen Lumpen, die sie Anstaltskleidung nennen! Und Sie haben allen Ernstes die Stirn, mit einer Fußfessel anzukommen? Das wird Folgen haben, mein Freund! Ihren Namen und ihre Dienstnummer, bitte. Das lasse ich nicht auf sich beruhen!"

Den Wärter erfasste bei Dr. Levins Worten hektisches Unbehagen.

Er sollte nun für die Scheiße, die seine Kollegen im Gefängnistrakt zu verantworten hatten, gerade stehen?

Ausgerechnet er, ein kleiner, schlecht verdienender Angestellter?

Was hatte er mit diesem stinkenden Kaffer zu tun?

Sein Job war es lediglich, für die Anbringung dieser verdammten Fußfessel zu sorgen.

Warum sollte seine Karriere dafür drauf gehen, dass irgendein Nigger unschuldig hinter Gittern saß und keine ärztliche Versorgung erhalten hatte?

Konnte er sich mit diesem Anwalt auf einen Handel einlassen?

"Beruhigen Sie sich!" begann er zögernd. „Ich kann die Vorschriften nicht ändern."

"Vorschriften? Ändern?", gab Dr. Levin mit lauter, aufgebrachter Stimme zurück. „Sie werden sich wundern, mein Lieber, was ich für Vorschriften und Änderungen finden werde, die Ihnen für den Rest Ihrer Karriere auf diesem Posten Kopfzerbrechen bereiten!"

"Wir können doch über alles reden!", brach es jetzt schon fast verzweifelt aus dem jungen Mann hervor. „Geben Sie mir ein paar Minuten, ich komme gleich wieder. Hier müssen noch irgendwo Fesseln sein, die auf dem alten GPS-Signal senden. Die kontrolliert keiner mehr. Ich werde Joseph eine von diesen anlegen. Damit kommen Sie zumindest durch die Kontrollen am Ausgang. Was dann passiert, geht mich nichts mehr an!"

Über Dr. Levins Gesicht huschte ein kaum merkliches, zufriedenes Lächeln.

Er hatte gewonnen!

"Danke!", mehr sagte er nicht und setzte sich wieder, während der Wärter eilig den Raum verließ.

Zu Tayo gewandt flüsterte er nur: „Bleib jetzt ganz ruhig, Junge. Dir wird nichts passieren!"

***

In dieser Nacht kam Dr. Levin lange nicht zur Ruhe. Zu viel musste erledigt werden.

Erst am späten Nachmittag war er mit Tayo nach Hause gekommen. Seine Angestellten waren lange Zeit damit beschäftigt, aus dem geschundenen, verdreckten Mann einen vorzeigbaren Menschen zu machen.

Als später ein Arzt hinzukam, um Tayos Wunden zu untersuchen, ging die Sonne bereits unter.

Dr. Levin wurde noch immer wütend, wenn er an die Worte des Doktors dachte:

Tayo hatte eine gebrochene Rippe, deren Ende sich im Inneren seines Brustkorbes verhakt hatte und nur durch eine Operation entfernt werden konnte. Ob die Kopfwunde rein äußerlich war oder Tayos Schädel Schaden genommen hatte, konnte nicht festgestellt werden, auch hier musste in den nächsten Tagen im Krankenhaus eine genaue Untersuchung Klarheit bringen.

Dr. Levin seufzte. Es war eine Schande, was die Zustände in diesem Land hervorzubringen vermochten.

Aber Tayos Gesundheit stand jetzt nicht im Vordergrund. Der arme Kerl hatte die letzten Wochen ohne jede Hilfe überlebt, jetzt musste Julia gerettet werden!

Richter Cooper hatte Dr. Levin versichert, dass er erst in den nächsten 48 Stunden damit beginnen würde, die notwendigen Ermittlungen gegen Inspektor van den Bergk einzuleiten. Ahrend, Christiaan und John würden dann in diesen Zusammenhang gehört und ebenfalls verhaftet und angezeigt werden.

So ergab sich für Dr. Levin ein Zeitfenster von wenigen Stunden, in denen er Julia unversehrt von der Farm holen musste.

Als einflussreicher Mann hatte er beste Kontakte zu den „Red Ants", zuverlässige, bewaffnete Männer, die bei entsprechender Bezahlung gern bereit waren, ihm bei diesem brisanten Unterfangen zur Seite zu stehen. Aber das war es nicht allein, was Dr. Levin in dieser Nacht um trieb.

Ihm gingen noch andere Gedanken durch den Kopf. Er wusste von Hedwig, dass Julias Eltern zu Lebzeiten viel Geld in die Erneuerung der Farm und weiteren Viehbestand investiert hatten, um ihrer einzigen Tochter ein Leben ohne materielle Sorgen zu ermöglichen.

Das Julia sich von John scheiden lassen würde, stand für den erfahrenen Juristen außer Zweifel, nicht aber die Frage nach der finanziellen Regelung für Julias zukünftiges Leben.

Wie konnte er am besten dafür sorgen, dass John zumindest einen Teil seines beträchtlichen Vermögens an Julia abtrat?

Irgendwann in dieser Nacht entschied er sich für den diplomatischen Weg. Dieser war zeitlebens sein Werkzeug und seine Waffe gewesen.

Die antike Wanduhr zeigte weit nach Mitternacht, als Dr. Levin sich an seinen Computer setzte und damit begann, verschiedene Schriftstücke aufzusetzen.

Njoki saß auf ihrem kaputten Bett in der glutheißen, stickigen Blechhütte und weinte.

Das Baby schrie seit Stunden vor Hunger und auch ihr Magen knurrte. Sie hatte keinen Cent mehr. Das Geld, welches Tayo ihr gegeben hatte, bevor er nach Brits fuhr, war aufgebraucht, jeder Kreditrahmen in den Spaza Shops, den keinen Geschäften im Township, war erreicht. Niemand wollte Njoki auch nur eine Tüte Maismehl aushändigen. Zu Master John auf die Farm brauchte sie nicht zu gehen, um nach ein paar Rand zu fragen, er würde sie wegjagen wie einen räudigen Hund.

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