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Rituale

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Der Klimawandel und seine Folgen.
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© bumsfidel 2018-2019

Vorwort:

Wer möchte kann die 'Klimaschutz-Baustelle' googeln.

Prolog:

Es war im Jahr 2060, als Alice und Leonardo beschlossen, ihr Leben gemeinsam weiterzuführen. Ältere Generationen hätten Hochzeit dazu gesagt und der Einfachheit halber behalten wir diesen Begriff bei. Alice hatte eine brasilianische Mutter und einen syrischen Vater, Leonardos Elternteile stammten aus Südafrika und den Niederlanden. Diese "Klassifizierung" war beibehalten worden, nachdem sich eine Unterteilung in Breiten- und Längengrade nicht bewährt hatte, denn Staaten im Vorkriegssinne gab es nicht mehr. Beide waren im ehemaligen Deutschland aufgewachsen und mussten sich ihren Entschluss durch die rituelle Zustimmung der jeweiligen Schwiegereltern bestätigen lassen. Wie gesagt, es war ein Brauch, kein verordnetes Muss. Diese Rituale waren sexistisch, fast menschenverachtend und wurden vermutlich gerade deshalb so geliebt. Political correctness hatte zwei Kriege nicht verhindern können und so war man diese Feinheiten schlicht leid. Dann lieber primitiv aber dafür friedlich.

Anhand dieser Rituale hatte die Braut zuerst bei ihren Schwiegereltern vorstellig zu werden. Bei verschiedenen Aufgaben wurden ihre handwerklichen und häuslichen Fähigkeiten getestet. Bestand sie die Prüfungen (was immer der Fall war, da das Ganze kein ernsthafter Test war), wurde vom Bräutigam der rituelle Spruch geäußert, der erkennen ließ, dass die Menschheit das Niveau der absoluten Weisheit noch lange nicht erreicht hatte.

"Diese prachtvolle Kuh einer grünen Aue sei meine Gefährtin und Partnerin bei der Aufzucht unserer Brut."

"Die Kuh möge sich ihrer Kleidung entledigen, damit wir sehen können, ob sie Deiner würdig ist", hatte seine Mutter Iris dann zu antworten.

Ohne Scheu zog sich Alice daraufhin aus, schließlich war sie auf diesen Moment vorbereitet gewesen. Nackt drehte sie sich im Kreis, bis ihr Schwiegervater Rolf Stopp sagte und ihre Titten prüfte. Mit beiden Händen griff er sie und walkte sie leicht durch. In Alices Fall so geschickt, dass sich ihre Nippel verhärteten. Er fing sich dafür einen bösen Blick seiner Frau ein, während Leonardo gönnerhaft grinste.

"Ihre Euter sind zur Aufzucht Eurer Brut geeignet", war der erwartete Kommentar des Schwiegervaters. "Über ihren Schoß kann ich mir kein Urteil erlauben."

"Ihr Schoß ist warm und feucht und jederzeit bereit", sagte Leonardo seinen fälligen Spruch auf.

Dies wäre selbst bei der trockensten Pflaume der Fall gewesen, aber diese Sorge hatte Leonardo nicht.

"Dann steht von unserer Seite Eurer Verbindung nichts im Wege", erklärte die Mutter feierlich. "Du kannst Dich wieder ankleiden."

Eine ähnliche Prozedur musste Leonardo bei seinen Schwiegereltern über sich ergehen lassen. Er hatte ebensolche Prüfungen zu bestehen, wie seine Zukünftige zuvor.

"Dieser prächtige Bulle einer saftigen Wiese sei mein Gefährte und Partner bei der Aufzucht unserer Brut."

"Der Bulle möge sich seiner Kleidung entledigen, damit wir sehen können, ob er Deiner würdig ist", hatte ihr Vater Xaver dann zu antworten.

Leonardo hatte etwas größere Probleme seine Sachen abzulegen, hatte er doch den gierigen Blick seiner Schwiegermutter Vera in seinen Schritt bemerkt. Doch schließlich stand er mit halb aufgerichtetem Schwanz im Raum. In seinem Fall fasste also Alices Mutter an seine Dötze und betastete sie, während sich seine Möhre ganz versteifte. Ihm war es peinlich, sein Schwiegervater in Spe schaute leicht säuerlich, doch die beiden Frauen grinsten um die Wette.

"Sein Beutel ist prall und fest und ist zum Ansatz neuer Brut wohl geeignet", kommentierte jetzt seine Schwiegermutter und hatte Mühe ihre Hand ruhig zu halten und seinen Schwanz nicht zu rubbeln.

Der Spruch war absolut unsinnig, denn niemand konnte wissen, ob er oder sie nicht doch atomar verseucht und unfruchtbar war. Wie viele noch vor wenigen Jahrzehnten selbstverständliche technische Errungenschaften funktionierten auch die meisten medizinischen Geräte nicht mehr. Aber welche Rituale waren nicht kurios oder befremdlich? Es soll früher so komische Sachen wie Karneval, Oktoberfeste und sogar Militärparaden gegeben haben, da hatte auch niemand den Sinn hinterfragt.

"Über seine Potenz kann ich mir dagegen kein Urteil erlauben", fuhr Vera fort, wobei sie sich über ihre feuchten Lippen leckte.

"Sein Liebesknochen ist groß und hart und allzeit bereit", ergänzte Alice, die jetzt doch etwas pikiert die offensichtliche Geilheit ihrer Mutter zur Kenntnis nahm.

"Das kann ich mir denken", entfuhr es ihrem Vater, was ihm einen strafenden Blick seiner Frau einbrachte.

"Dann steht von unserer Seite Eurer Verbindung nichts im Wege", erklärte er daher feierlich. "Du kannst Dich wieder ankleiden."

An dieser Stelle sei ein kleiner Exkurs eingefügt, wie es überhaupt zu diesem albernen Ritual gekommen war. Obwohl, für die Menschen war es alles andere als albern, es gab ihnen Halt in diesen schwierigen Zeiten. Und den hatten sie bitter nötig. Nach heutiger Lesart hatte alles in den 60ern des vorigen Jahrhunderts, also vor ziemlich genau 100 Jahren begonnen, als einige sogenannte Umweltschützer eine Klimaerwärmung festzustellen glaubten. Nachdem die anfängliche Lachsalve abgeklungen war, machten sich immer mehr Wissenschaftler ernsthaft Sorgen, aber selbst nach 50 Jahren Diskussion und deutlicher Zeichen, dass die Umweltspinner eben keine Spinner waren, sondern recht hatten, passierte nichts. Gut, ein paar einsame Königreiche im Pazifik beschwerten sich bei der UNO, aber sie gingen eh bald unter. Die paar Tausend Individuen. Auf den Landkarten kaum zu finden, hatten sie keinerlei Bedeutung für die Weltwirtschaft, die schon lange über ihre Lobbyisten die Politik steuerte.

Doch dann begann der Meeresspiegel aufgrund der Gletscherschmelze an den Polen immer schneller zu steigen, Wetterphänomene machten die Bevölkerung unruhig. An Orten, an denen es nie Frost gegeben hatte, schneite es plötzlich, in Wüsten gingen Wolkenbrüche herunter, Stürme nahmen an Heftigkeit extrem zu. Gebäudeversicherungen erhöhten ihre Prämien auf nicht mehr bezahlbare Beiträge, es wurden Karten erstellt, in denen immer mehr Gelände von jeglichem Versicherungsschutz ausgenommen wurde. Von der Verabschiedung des Permafrostes hatte man schon gehört, doch die Folgen unterschätzt. Dort wurde Methan in großen Mengen frei, das die Erdatmosphäre heftig weiter anheizte, da es noch viel gefährlicher als das so geschmähte CO2 war. Einige Politiker schlugen ganz schlau vor, dieses Methan einfach zu entzünden, denn die Reaktionsgase Wasser und CO2 seien leichter zu bewältigen. Doch da hatte die Natur schon gnadenlos ein anderes Szenario umgesetzt. Nicht nur das Klima würde wärmer, auch die Weltmeere erhitzten sich. Lächerlich, dachte man, können wir halt länger im Meer baden. Eine Erwärmung der Tiefsee hielt man für unmöglich und es dauerte eine Weile, bis man sie zur Kenntnis nahm. Zuerst machte sich dies an fehlenden Fischschwärmen bemerkbar, die in Gegenden auswischen, wo sie nichts zu suchen hatten. Oder anders ausgedrückt, wo die Fischer sie nicht vermuteten. Die Fischerei war einer der ersten Wirtschaftszweige, der den Bach runterging, zu einem Zeitpunkt als andere Industrien noch frohlockten, endlich die Rohstoffe der Arktis und Antarktis ausbeuten zu können. Die ganz Dummen und rücksichtslosesten dachten da insbesondere an Erdöl und Kohle.

Doch dazu kam es nicht mehr. Die Polgletscher schmolzen zwar erwartungsgemäß, denn inzwischen hatte man dies berechnet und vorhergesehen. Was man nicht auf dem Zettel hatte, war, dass auf dem Meeresgrund das geschehen würde, was schon an Land passiert war. Weiteres Methan wurde freigesetzt, in riesigen Blasen strömte es zur Oberfläche, wo es mehrere Kreuzfahrtschiffe mit tausenden Passagieren verschlang. Selbst das war noch nicht Warnung genug, es wurde salopp als Bermuda-Phänomen abgetan. Doch so blöd, wie die Regierungen vermuteten, war ihre Bevölkerung denn doch nicht. Auf der einen Seite machte die Kreuzfahrtindustrie binnen eines halben Jahres Pleite, auf der anderen begannen Schüler für ihre Zukunft auf die Straße zu gehen. Nach albernen Versuchen, ihnen den Mund zu verbieten, schlossen sich Eltern und Senioren an. Die Proteste wurden unüberhörbar, kamen jedoch zu spät.

Immer mehr Menschen mussten weltweit ihre Küsten verlassen. Bisherige Paradiesstrände wurden überschwemmt, was die Tourismusindustrie fast zum Erliegen brachte. Nach der Aufgabe der Skigebiete waren jetzt auch noch die Sonnenstrände fort, da blieb nur der neue Zweig Katastrophentourismus. Einige reisten als begeistert klatschende Zuschauer, andere als betroffene Helfer in zu räumende Regionen. Bangladeshi drängten nach Indien rein, ebenso die Bewohner Sri Lankas und der Malediven. Selbst Holländer überlegten sich nach Deutschland zu ziehen, doch die machten, wie alle anderen Staaten auch, ihre Grenzen dicht. Inzwischen hatten schlaue Köpfe berechnet, das in weiteren 100 Jahren nicht nur Städte wie z. B. New York, Amsterdam, London, Hamburg und Bremen nicht mehr existieren würden, nein, Düsseldorf und Köln würden Küstenstädte an der Nordsee werden. Das Ruhrgebiet würde zu einem riesigen Binnensee, denn durch die nicht wieder verfüllten Bergbaustollen war der Boden großflächig um mehr als zwanzig Meter abgesackt. Als man endlich begann zu reagieren, passierte es. Ein übereifriger Soldat erschoss einen Wasserflüchtling. Das zuvor Hunderttausende ertrunken waren, spielte keine Rolle, dieser eine brachte das Fass zum Überlaufen.

Sein Staat fühlte sich persönlich angegriffen und schoss zurück. Verbündete mischten sich ein, der dritte Weltkrieg brach aus. Die Rüstungsindustrie rieb sich die Hände, endlich die lang ersehnte gute Gelegenheit neue Waffensysteme in der Praxis auszuprobieren. Alle knallten munter drauf los, brauchte doch jedes Küstenland der Erde neuen Lebensraum für seine Bürger. Schließlich fühlten sich Indien und Israel so an den Rand gedrängt, dass beide Atomwaffen einsetzten, was natürlich Pakistan und die USA aus unterschiedlichen Gründen auf den Plan rief. Jetzt glaubte sich Russland im Recht zurückschlagen zu müssen und Frankreich als Verbündeter der Nato wollte ebenfalls nicht zurückstehen. China hielt sich noch eine Weile heraus, war es ihrer Meinung nach doch eine gute Idee sich später die militärisch geschlagenen Reste billig einzuverleiben.

Im Ergebnis fehlten nach ein paar Jahren sämtliche Komponenten für eine Klimaerwärmung, was an sich zwar gut war, es aber dummerweise nicht besser machte. Es gab keine Industrien mehr, die klimaschädliche Gase absonderten. Dennoch würde es rund zehntausend Jahre dauern, bis die Erde wieder im gewohnten Gleichgewicht sein würde. Wenn überhaupt, denn natürlich schwebte eine atomare Wolke um den Globus, hauptsächlich über der Nordhalbkugel. Doch auch die Südhalbkugel war nicht ungeschoren davon gekommen. Die Wassermassen durch den erhöhten Meeresspiegel hatten den pazifischen Feuerring aus dem Gleichgewicht gebracht. Erdbeben folgten Vulkanausbrüche, halb Indonesien und Japan waren untergegangen und ein riesiger Tsunami hatte große Teile Australiens weggespült und den Rest unter Wasser gesetzt. Der ehemalige Ayers Rock, jetzt Uluru genannt, war eine einsame Insel inmitten einer Katastrophe.

Unverbesserliche Optimisten, man könnte auch sagen ahnungslose Politiker, stellten natürlich die positiven Aspekte der Katastrophe heraus. Die gab es durchaus, denn die Umkehrung des Golfstromes durch die Klimaerwärmung hatte angeblich kurz bevor gestanden. Dies hätte eine neue europäische Eiszeit bedeutet, die noch mehr Elend hervorgerufen hätte als dieser vermaledeite Krieg. Dass die Gefahr durch die Geschehnisse im pazifischen Raum weiterhin bestand, verschwieg man vorsichtshalber.

Insgesamt hatte sich die Menschheit mehr als halbiert. Die Lebenserwartung war auf 45 Jahre gesunken, eine Folge der atomaren Verseuchung und mangelnder medizinischer Versorgung. Computer funktionierten nur noch auf Röhrenbasis, daher war die Technik nur unwesentlich weiter, als im vorindustriellen Zeitalter. Eheähnliche Verbindungen wurden jetzt viel früher geschlossen, spätestens mit neunzehn oder zwanzig Jahren. Einige Zyniker sahen die Entwicklung durchaus positiv, hatte sich doch die Geisel Überbevölkerung für die nächste Zeit erledigt. Doch wer gedacht hatte, die Überlebenden wären schlauer geworden, sah sich schwer enttäuscht. Es begann der Kampf ums Überleben, um unverseuchtes Wasser, Lebensmittel und Land. Da der Einsatz von Atomwaffen wie gesagt auch weite Teile der Elektrotechnik lahmgelegt hatte, kamen wieder konventionelle Waffen zum Einsatz. Natürlich war der Ausdruck 'mit Steinschleudern' maßlos übertrieben, aber er zeigte, woran es haperte: Am Willen friedlich zusammenzuleben und gemeinsam ein neues Leben wieder aufzubauen. Wenn sich die Menschheit nicht besann, würde sie irgendwann wirklich wieder mit Steinäxten und Keulen aufeinander losgehen. Was dann prompt geschah. Die Scharmützel beschränkten sich zwar jeweils auf wenige Quadratkilometer (der Rest war eh unbewohnbar), betraf aber die komplette Erde und ging daher als vierter Weltkrieg in die Geschichte ein.

Die Überlebenden des dritten großen Krieges hatten es also immer noch nicht begriffen; warum auch, die des ersten und zweiten waren schließlich auch nicht schlauer gewesen. Jede Gruppe für sich hatte geglaubt die besten Gene in sich vereinigt zu haben und der anderen überlegen zu sein. Also brannte die Erde erneut, diesmal jedoch nicht, indem Staaten gegeneinander kämpften, sondern flächendeckend eine Gruppe Überlebender gegen die andere. Vor ein paar hundert Jahren hätte man Stammeskriege dazu gesagt. Schließlich hatte ein größerer Trupp Chinesen dem Irrsinn ein Ende bereitet. Als einzig neutrale Individuen hatten sie sich nicht an dem Wahnsinn beteiligt und ein wenig Technik in Wüsten und Bergen vergraben, wo sie vor allen Angriffen sicher gewesen war. Sie hatten sich von allen abgekapselt und erst als abzusehen war, dass der Rest der Menschheit dabei war sich selbst auszurotten, griffen sie ein. Natürlich erneut mit Waffengewalt, humanere Mittel überschritten das Denkvermögen der letzten Millionen. Die "Befreiung" dauerte ein Jahr, dann hatte auch der Dümmste begriffen, das gegen eine Regierung, die als einzige noch Gewehre, ein paar Panzer und anderes Zeugs besaß, schlecht anzustinken war.

Nach dieser sogenannten Befriedung hatten sich in der Welt mehrere abgeschottete Systeme gebildet, immer da, wo noch ein wenig Lebensraum zur Verfügung stand. Sie alle sahen sich als die zukünftige Menschheit, 'friedlich' aus allen Teilen der Weltbevölkerung zusammen gekommen. Multikulti in Reinform, die nach der Theorie friedfertigste Form des Zusammenlebens. Dies war allerdings schon im Ansatz falsch, denn sie waren keineswegs friedlich vereint, sondern durch die Kriege zwangsweise bunt zusammen gewürfelt. Außerdem sahen sie nicht, dass auch sie nur wieder eine weitere Überzeugungsgemeinschaft bildeten, die irgendwann beginnen würde Andersgläubige zu bekämpfen. Doch soweit war es noch nicht. Erst einmal versuchte man eine friedliche Entwicklung in Gang zu setzen.

Das System, in dem unsere Geschichte spielt, nannte sich Format Null, was darauf hindeutete, dass hier die Keimzelle der neuen Weltordnung gegründet wurde. Alles, was als Waffe hätte durchgehen können, wurde eingesammelt und versteckt, an eine Vernichtung traute man sich nicht heran. Ähnlich des Projektes 'Auroville' im Südosten Indiens schaffte man das Geld wieder ab. Unterkünfte wurden gemeinsam gebaut und zur Verfügung gestellt. Wer etwas zu essen haben wollte, musste eine Leistung dafür erbringen. Egal welche, ob sähen, ernten, kochen, waschen, Hausbau oder was auch immer. (Auroville ist übrigens real und kann bei Wikipedia nachgelesen werden.)

Doch die Macher von Format Null bestimmten nicht nur das Gemeinschaftsleben, sie mischten sich auch in die zwischenmenschlichen Beziehungen ein. Ihrer Ansicht nach war die Ursache fast aller Auseinandersetzungen ein Rassen- und Stammesdenken, das als nicht mehr zeitgemäß galt. Also gingen sie daran, die Bevölkerung gnadenlos miteinander zu mischen. Pragmatisch packten sie das Übel bei den Wurzeln. Dem üblichen Weg der Paarbildung wurden Alternativen zur Seite gestellt. Sex war nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht, da er bekanntermaßen die Friedfertigkeit förderte.

Kinderwunsch, oder wie man es despektierlich nannte, die Brutaufzucht war mehr oder weniger ein Muss. Nur war es nicht mehr die eigene Brut, sondern durch einen Zufallsgenerator zusammengeführte Eltern und Kinder. Inuit wurden so von Australiern aufgezogen, Amerikaner von Asiaten, Europäer von Menschen afrikanischen Ursprungs. Anders ausgedrückt, jede Variante war möglich und erwünscht. Man glaubte damit das Herrenmenschendenken zu durchbrechen. Als willkommene Nebenwirkung nahm auch die Zahl der verschiedenen Religionen ab. Ein Drittel der Menschheit glaubte an die Natur als Ursprung der Schöpfung, ein weiteres an den einen Gott, der die Natur geschaffen hatte, das letzte Drittel an die verschiedensten Naturgötter. Das "Ätsch, mein Gott ist aber besser und allwissender als Deiner" gehörte der Vergangenheit an. Drei Religionen statt einem Dutzend und hunderter Sekten taten es auch.

Keine Religion schrieb mehr Verhaltensweisen vor, allerdings mischte sich der Staat umso mehr ein und objektiv betrachtet war die Ritualisierung des Lebens auch nicht besser. Man hatte es erst ohne Regeln versucht, hatte aber schnell einsehen müssen, dass der menschliche Intellekt mit fehlenden Vorgaben überfordert war. Ohne ein klares "Du machen - sonst Fresse" ging es bei vielen Leuten einfach nicht. Die sanftere Ansprache "Würden sie bitte - oder es besteht die Möglichkeit einer verbogenen Kauleiste" führte einfach nicht zum gewünschten Effekt. Aber im Großen und Ganzen war es die freiheitlichste Lebensform, die die Welt je gesehen hatte. Behaupteten die Politiker. Selbst die Idee, die dümmsten Individuen zu sterilisieren, wurde nicht weiter verfolgt. Schließlich wollte man sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen, Superhirne züchten zu wollen. Doch wenden wir uns nun wieder unserem Liebespaar zu.

"Diesen Teil hätten wir damit erfolgreich abgeschlossen", seufzte Leonardo, während er mühsam seinen Reißverschluss schloss. Veras Handarbeit hatte ihre Spuren hinterlassen. "Jetzt kommt der schwierigste Teil."

"Keine Sorge", beruhigte ihn seine Schwiegermutter, "wir werden uns schon mit Deinen Eltern verstehen."

Dies war auch bitter nötig, denn es gab noch einen Punkt, an dem der Staat sich einmischte. Waren sich die 'Eltern' des anstehenden Paares nicht grün, wurde aus der geplanten Hochzeit nichts. Streitvermeidung schön und gut, aber das hielten einige Bewohner doch für übertrieben. Aber was sollte man machen? Immerhin durfte man legal mit fremden Partnern vögeln, das hatte schließlich auch was.

"Hoffentlich", erwiderte Alice. "Ich erinnere mich noch gut an das Theater, dass Ihr mit Beatas Familie hattet."

Beata war Alices ältere Schwester und mit den 'Eltern' ihres Mannes hatte es zu Beginn Probleme gegeben.

"Was will der Typ mich auch in den Arsch ficken", brauste ihre 'Mutter' auf. "Ich hatte ihm vorher gesagt, dass ich das nicht leiden kann."

"Sie hat ihm das dann mit ihren Judokünsten klargemacht", wandte sich Alice lachend an ihren Zukünftigen. "Also warne Deinen Paps vorsichtshalber."

"Ich glaube, das wird nicht nötig sein", lächelte Leonardo. "Meines Wissens gehört das nicht zu seinen Lieblingsspielen."

"Gibt es etwas, das ich beim Gruppensex beachten sollte?", fragte Xaver. "Hat Deine Mutter auch irgendwelche Tabuzonen?"

"Ich glaube nicht", erklärte Leonardo, "aber ich frage sie vorsichtshalber noch einmal."

Das Stichwort Gruppensex ließ Alices Gedanken abschweifen. Bei ihrem allerersten hatten sie und Leonardo endlich eine Möglichkeit entdeckt zueinander zu kommen. Wie, das durfte niemand wissen. Nach den aktuellen Regeln suchte der einzige Computer des Landes, der für zivile Zwecke genutzt wurde, mögliche Paare aus und führte sie zusammen. Alles andere wurde nicht nur mit Missfallen verurteilt, sondern strikt untersagt. Man hatte sich für diese Vorgehensweise sogar einen plausiblen Grund ausgedacht. Liebe, so wurde verächtlich berichtet, stehe für Emotionen und diese seien ursächlich für das Elend der Welt. Hätte man weniger emotional und mehr rational gehandelt, wäre es nie zu den vergangenen Kriegen gekommen. Alice und Leonardo gehörten der Geheimgruppe der Gegner an, die genau das Gegenteil glaubten.