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Schutzpatron in Leder Teil 01

Geschichte Info
Ein Junge erfährt unerwartete Hilfe.
5.7k Wörter
4.25
54.4k
1
Geschichte hat keine Tags

Teil 1 der 2 teiligen Serie

Aktualisiert 05/05/2021
Erstellt 12/24/2004
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McFly
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[Wer schon die eine oder andere Story von mir gelassen hat, weiß, dass ich Wert auf eine Einleitung lege und mir die Geschichte wichtig ist. Das ist bei „Schutzpatron in Nieten" sehr ausgeprägt. Wer eher ungeduldig ist, kann zum zweiten Teil vorspringen.]

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Ein Truck fuhr vor und öffnete seine Ladeluke. Behände sprangen zwei Männer ins Innere und zogen Eisenträger soweit heraus, dass weitere Männer diese ganz aus dem LKW ziehen und auf die Bühne tragen konnten. Dort standen bereits Männer mit Werkzeugen bereit, die aus den Trägern das Gerüst für die Beleuchtung und Bühnendekoration aufbauten. Parallel arbeitete ein Trupp an der Verkabelung und dem Aufbau der Steuerung über das Monitorpult im Zuschauerraum.

Es war laut und hektisch. Der Geräuschpegel war durch die an- und abfahrenden Trucks, Bohrmaschinen und Hammerschläge sehr hoch. Die Männer, durchgehend von kräftiger Statur, in Jeans, Leder und T-Shirts gekleidet, riefen sich grobe Befehle und Erwiderungen zu. Ein ungeübter Beobachter hätte das Geschehen als chaotisch beschrieben. Wer sich aber die Zeit nahm, das Treiben länger zu beobachten und wer dazu den Vergleich mit anderen Aufbautrupps von Showbühnen hatte, war sich bewusst, dass er Zeuge einer sehr effizienten Mannschaft war, die genau wusste, wie sie vorzugehen hatte.

Dies lag vor allem an einem Mann, Roland Alt. Vor knapp 15 Jahren hatte er, damals noch mehr Jugendlicher als Mann, bei einer lokalen Band seinen ersten Job als Rowdy angetreten. Er fand schnell Gefallen an dem turbulenten, von Auftritt zu Auftritt eilenden Leben, an der körperlichen Arbeit und an den Menschen, die sich im Umfeld einer solchen Show tummelten: einfache, manchmal auch grobe, aber grundehrliche Typen. Roland Alt hatte beste körperliche Voraussetzungen mitgebracht: 1,90 groß und durch viele Jahre Bodybuilding geprägter Körper. Er war sehr zuverlässig, robust und lernfähig und fand bald Anstellungen in großen Trupps, die die Shows von internationalen Stars begleiteten. Dem Management fiel mit der Zeit auf, dass Roland Alt eine natürliche Autorität unter den Rowdys zukam: durch seine ruhige Art, seine Übersicht, sein bestimmtes Auftreten hörten die anderen auf ihn. Abgesehen von einem Bier und ein paar Zigaretten, wenn es hektisch wurde, hielt er sich von Alkohol und Drogen fern und war so nie Auslöser von Ärger sondern häufig Schlichter, wenn es unter den rauen Typen in der Mannschaft einmal zu Streitigkeiten kam. So widersprach niemand, als nach einigen Jahren das Management ihn offiziell als Leiter der Gruppe einsetzte.

Seitdem waren der Status und die Popularität von „Rol", wie ihn alle nannten, unter den Rowdies sowohl in der eigenen Mannschaft als auch bei anderen Shows noch gestiegen. Die Kollegen vertrauten ihm und fast jeder hatte eine Geschichte parat, wann Rol ihm einmal aus der Patsche geholfen hatte: sei es bei Ärger mit Polizei oder den Behörden, bei Trouble in der Beziehung oder einer handfesten Schlägerei mit betrunkenen Fans. Und wenn es nötig war, konnte Rol auch mal kräftig „zulangen". Das Management teilte das Vertrauen in ihm, denn er hatte ein einzigartiges Talent, noch unter größtem Zeitdruck mit klaren Anweisungen aus einer verfahrenen Situation eine Lösung herbeizuführen.

Rol war mit sich und seinem Job rundum zufrieden. Er hatte seinen Platz gefunden.

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Das konnte man von Johannes Mindermann nicht behaupten, beim besten Willen nicht. Dessen Bilanz sah am Tag seines 18. Geburtstags nicht sehr rosig aus. Wenn er sich im Spiegel betrachtete, sah er einen schmalen, schlaksigen Jungen, mit dünnen Haaren und noch etwas Akne im Gesicht. Seine Haut war trotz der Jahreszeit, August, recht blass. Das lag an dem Asthma, das er seit seiner frühsten Kindheit hatte und das ihn von sportlichen Aktivitäten und zuviel Sonne abhielt.

Mit etwas Geschick hätte man auch aus diesen Gegebenheiten optisch etwas machen können, doch leider hatte niemand Johannes dieses Geschick anerzogen. Weil er im innersten überzeugt war, nicht gut auszusehen und mit diesem Pech einfach leben zu müssen, schenkte Johannes seiner Kleidung und Erscheinung keine Aufmerksamkeit und zog immer noch das an, was seine fürsorgliche Mutter ihm kaufte und jeden morgen ins Bad legte.

Unglücklicherweise war der Geschmack der Mutter nicht mit der Mode mitgegangen und so trug Johannes immer noch gestrickte Westen auf karierten Hemden zu Buntfalthosen, während seine Klassenkameraden jede Modewelle auslebten und immer den neusten Schick hatten.

Aber Johannes war es gewohnt, etwas abseits und häufig außen vor zu stehen. Er war eine Frühgeburt und die ersten Lebensjahre viel schwächer als seine Altersgenossen gewesen. Als er häufiger Atembeschwerten hatte, diagnostizierte man Asthma. All dies bewog seine Mutter, allzu fürsorglich über ihren Sohn und seinen Gesundheitszustand zu wachen. Wenn die anderen Kinder im Winter Schlitten fuhren, durfte er kaum das Haus verlassen. Im Frühjahr rissen sich die Kinder bei den ersten Sonnenstrahlen die Jacken und Mützen vom Leib, während Johannes getrimmt wurde, ja den Schal und die Wollmütze anzulassen. Beim Fußballspielen musste er zuschauen, da er weder die Kondition hatte noch seine Mutter „diesen Sport mit seiner immensen Verletzungsgefahr" je erlaubt hätte. Schon in der Grundschule hatte er eine Ausnahmegenehmigung, die ihm vom Sport freistellte.

Das machte es Johannes natürlich sehr schwer, Freunde und Anerkennung bei den anderen Kindern zu finden. Er wurde zumeist kaum beachtet, schließlich machte es wenig Sinn, ihn zum Spielen oder fürs Schwimmbad einzuladen. Während sich die anderen „aktiven" Kinder abwechselnd zu Geburtstagsfeiern einluden, verbrachte Johannes seine Geburtstage mit seinen Eltern. In Konsequenz führte er als Kind ein zurückgezogenes Leben. Um seine Freizeit zu füllen, entdeckte er für sich etwas, wo ihm seine körperlichen Schwächen nicht einschränkten: das Lesen. Schon als Kleinkind hatte er Bilderbücher geliebt. Mit Fünf hatte er angefangen, erste Wörter zu lesen. Und als er in die Grundschule kam, sog er den Schreib- und Leseunterricht wie auch alle übrigen Fächer wie ein Schwamm in sich auf. Viel früher als seine Klassenkameraden konnte er flüssig lesen und entdeckte eine neue Welt: Bücher! Zunächst las er begeistert Kinderbücher und Märchen, dann verschlang er bald alles, was er in die Hände bekam und verstand: Geschichtsbücher, Tier- und Naturbeschreibungen, Länderberichte, alles über Ägypten, Griechenland, die Römer, die Naturwissenschaften und und und. Bald reichte ihm nicht mehr aus, was er in den Regal seiner Eltern fand oder er geschenkt bekam und wurde einer der jüngsten und häufigsten Besucher der städtischen Bibliothek. Und weil sein Aktionsradius so eingeschränkt war und er sonst kaum Freizeitaktivitäten hatte, trainierte er unbewusst sein Gedächtnis und konnte sich fast alles merken, was er las. In der Schule schrieb er nur Einser, auch wenn er sich im Unterricht zurück hielt. Schnell hatte er mitbekommen, dass es die anderen Kinder nicht sehr lustig fanden, wenn er auf alle Fragen der Lehrerin Antworten kannte, die sie kaum verstanden. Er wurde ihnen zunehmend suspekt: während die meisten Schule blöd und Hausaufgaben was Schreckliches fanden, strahlte Johannes eine Begeisterung für alles Neue aus. Die Kinder begannen nun, ihn nicht länger zu ignorieren sondern zu hänseln. Sie beschimpften ihn als Streber, Doofmann, Außerirdischen, Schwächling und ähnlichen netten Titulierungen.

Dies wurde erst in seinen Jugendjahren besser, als seine Mitschüler zunehmend den Wert dieses lebenden Lexikons entdeckten: seine „Aushilfe" bei Hausaufgaben und in Klausurvorbereitungen war gerne gesehen. Tatsächlich half Johannes gerne, mindestens ein halbes Dutzend Mitschüler rettete er konkret über die Versetzung. Auch merkten die anderen, dass er nicht nur über Schulstoff ein immenses Wissen hatte. Wer einen bestimmten Filmtitel suchte, musste ihm nur eine Szene beschreiben oder die Hauptdarsteller nennen, schon konnte Johannes aushelfen. Er kannte die meisten Musikgruppen, Titel und Alben. Und niemand kannte sich bei Computern und im Internet wie er aus.

Dies alles führte dazu, dass die Hänseleien überwiegend aufhörten und er ein anerkanntes Mitglied seiner Klasse wurde, anders, aber schon ok. Er stand in der Beliebtheitsskala immer noch nicht oben, wurde selten auf eine Fete eingeladen, hatte aber seinen Sonderstatus verloren, und damit war er schon zufrieden.

Wenn ihn mal wieder Schüler, die an ihrem alten Bild festhielten, verulkten, versuchte Johannes dies, so gut wie es ging zu ignorieren und den Ratschlag seiner Mutter zu beherzigen: „Achte nicht auf die, die wissen gar nicht, was für ein tolle Junge Du bist".

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Am heutigen Freitag half ihm diese zwecksame positive Sichtweise nicht. Er war schlecht drauf: sein 18. Geburtstag und was erwartete ihn? Keine Fete, keine große Party. Er hatte sich entschieden, seinen Geburtstag nicht zu feiern aus Angst, trotz Einladungen würde niemand kommen. Glücklicherweise hatten seine Eltern an diesem Abend eine Veranstaltung, so dass ihm wenigstens eine traute Familienfeier erspart blieb.

Der Tag verlief wie jeder andere, einige Klassenkameraden gratulierten ihm sogar, aber keiner fragte nach einer Feier oder was er vorhatte. Niemand verband seinen Namen mit Party, Fun und wildem Treiben.

Als der Tag zu Ende ging, verspürte Johannes eine ungewohnte Unruhe. Er hatte sich darauf eingestellt, einen ruhigen Abend mit den Geschenken seiner Eltern zu verbringen: einen spanischen Gedichtsband (spanisch war sein neuestes Hobby, vier Sprachen beherrschte er schon) und einer DVD Sammlung der Beatles Filme. Aber irgendwie wollte er seinem Geburtstag eine besondere Note verleihen. Er wollte einmal raus. Schon öfters hatte er sich überlegt, einfach mal in den „Club 5", einer kleinen alternativen Diskothek zu gehen. Der Club 5 war bei den Schülern sehr beliebt, günstige Getränke und überwiegend ältere Musik. Johannes war noch nie dort gewesen, seine Mutter hätte angesichts der verrauchten Luft dort ihm auch jeglichen Besuch untersagt.

Aber seine Eltern waren ja heute nicht da. Die Idee gefiel ihm zunehmend. Er war zwar sehr nervös, aber heute würde er diesen Schritt gehen. Einmal wie jeder normale Schüler in die Disco!

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„Was für ein Arschloch". Fassungslos starrte Sabrina in den Spiegel, das Telefon noch in der Hand. Tut tut tut. Sie spürte und sah, dass ihre Backen knallrot waren. Das sah in ihrem ansonsten äußerst schönen Gesicht nicht gut aus. Sabrina kochte. Und war sehr enttäuscht. Und das ärgerte sie noch mehr. Die ganze Woche hatte sie sich auf das Wochenende gefreut. Sie wollte ihren fünf Jahre älteren Bruder in München besuchen und mit seiner Clique durch die angesagtesten Läden ziehen. Mit seiner Clique und Patrick. Patrick studierte mit ihrem Bruder und sie hatte ihn kennen gelernt, als er ihren Bruder einmal nach Hause begleitet hatte. Er hatte ihr sofort gefallen. Groß, dunkle Haare und noch dunklere Augen. Dazu coole Klamotten. Er war sehr nett zu ihr gewesen, hatte sie nach ihre Schule und Hobbies ausgefragt und ganz offensichtlich mit ihr geflirtet. Und zum Abschied gemeint, sie könnte doch mal nach München kommen und mit ihnen abends losziehen. Das war vor fünf Wochen gewesen. Seitdem bekam sie Patrick nicht mehr aus ihrem Kopf. Sie war sich sicher, dass da mehr in seinen Worten lag. Zu ihrem Bedauern rief aber ihr Bruder nicht an, um sie gleich einzuladen. Also hakte sie nach zwei Wochen nach und sie hatten dieses Wochenende ausgemacht. Und jetzt hatte ihr Bruder abgesagt. Der Idiot. Er würde ganz spontan mit ein paar Freunden nach Italien fahren. Ob sie da nicht mit könnte, hatte sie gefragt. Nein, nein, kein Platz für Mädchen. Ja aber, sie wollte ihn doch mal wieder besuchen. Und Patrick hatte doch auch vorgeschlagen ... Ach Patrick, der sagt so was immer schnell. Bild Dir da nichts drauf ein, der hat an jedem Finger eine, und das jedes Wochenende. Außerdem Schwesterherz, bist Du für so was noch ein paar Jahre zu jung. Ein anders mal. Und damit hatte er aufgelegt.

Sie wollte und konnte nicht glauben, Patrick hätte das nur so dahin gesagt. Ihr blöder Bruder. Sabrina schlug das Telefon auf den Tisch. Ahhh. Alle Vorfreude verpufft. Was sollte sie jetzt nur an diesem Wochenende machen, sie hatte sich ja nichts anderes vorgenommen. Verzweifelt tippte sie die Nummer von Petra ins Telefon. Petra war ihre beste Freundin, sie würde bestimmt auch ihren Bruder verfluchen.

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Nachdem sie sich über eine Stunde über ihren Bruder, Patrick, der frechen Aussage, sie sei zu jung und dem geplatzten Wochenende ausgelassen hatten, hatte Petra Sabrina überzeugt, einfach in den Club 5 zu gehen. Besser als daheim rumzuhängen. Auch wenn Sabrina wenig Lust hatte und immer noch sehr mies gestimmt war, stimmte sie ihr zu.

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Ein Blick auf seine Uhr zeigte Roland Alt, dass es 21.00 Uhr war. Und sie waren fertig, genau im Zeitplan. Morgen hatten sie damit ausreichend Zeit für die Feinarbeiten und den Soundcheck. Zufrieden rief er den Feierabend aus und trieb seine Rowdies vom Gelände. Morgen würde ein langer Tag werden, da sollten sich alle heute einen frühen Schluss gönnen.

Zusammen mit seinen drei besten Kumpels stieg Rol in ein Taxi. „Wo ist denn hier am Freitagabend noch was los? Einfach nette Musik und ein gutes Bier?"

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Etwas mulmig war Johannes schon zu mute. Er hatte sich die annäherst coolsten Klamotten aus seinem Schrank gesucht, die er finden konnte, etwas Geld eingesteckt und sich zum Club 5 aufgemacht. Nun trat er in die Disco ein. Oft war er mit dem Schulbus daran vorbeigefahren, aber hatte dem Gebäude wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Im Inneren befand sich ein sehr großer Raum mit einer Tanzfläche in der Mitte, einer Bar, einem Bereich mit Tischen und Stühlen, eine Ecke mit drei grossen, roten Couchen sowie einem Billard- und Dartraum. Alles nicht nobel aber sauber. In dem Bemühen, nicht aufzufallen, bewegte sich Johannes vorsichtig durch den Raum und schaute sich um. Noch war es nicht sehr voll, aber der Abend hatte ja erst begonnen.

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Rol und seine Kollegen betraten wenige Minuten später den Club 5. Er schmunzelte. Eine nette kleine Stadtdisko. Hoffentlich machte die Musik was her. Sie deckten sich an der Bar mit Bier ein und belegten einen Tisch mit gutem Blickwinkel auf die Tanzfläche.

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„Komm schon, vielleicht treffen wir ja paar coole Leute", versuchte Petra ihre Freundin vor dem Club 5 aufzumuntern. Aber sie wusste, dass das ein schweres Unterfangen war. Wenn Sabrina erstmal stinkig und schlecht gelaunt war, konnte sie über Stunden und Tage einem mit ihrer Motzlaune das Leben schwer machen. Trotzdem war Petra froh gewesen, als sie angerufen hatte. Sie hatte an diesem Abend nichts vorgehabt und wäre wohl vor dem Fernseher versackt. Da war ein Ausflug in den Club doch interessanter.

Im Club war es schon recht voll, gerade lief der alte Grönemeyer Hit Bochum. Um Sabrina auf andere Gedanken zu bringen orderte Petra gleich zwei Cocktails und lies sich mit ihrer Freundin auf eine Couch nieder. „Möge es in Italien das ganze Wochenende regnen, blitzen und donnern", prostete sie Sabrina zu. „Super Trinkspruch", entrang sich Sabrina ein Lächeln, hob aber ihr Glas. „Möge bei meinem Bruder dieses Wochenende alles schief gehen, was nur schief gehen kann!"

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Langsam wurde es immer voller. Johannes hatte eine Zeit beim Billard zugeschaut und sich dann entschieden, sich erst mal eine Cola zu holen. Dann schlenderte er zur Tanzfläche. Nicht das er tanzen wollte, oh nein. Er konnte nicht tanzen, war ganz und gar unsicher, wie man sich hätte bewegen sollen. Bei der bloßen Vorstellung, er könnte gar mit einem Mädchen tanzen, lief er rot an. Gut, dass die Lichtverhältnisse eher düster waren und niemand sein Erröten sehen konnte. Nein, Johannes wollte einfach den anderen beim Tanzen zuschauen. Er war zwar stolz auf sich, seine Hemmungen überwunden zu haben und in den Club gegangen zu sein. Aber er fühlte sich auch verloren. Gerne hätte er sich mit jemand unterhalten, mit Freunden auf seinen Geburtstag angestoßen, gefeiert. Er seufzte tief. Kopf hoch, Junge, sagte er sich selbst. Macht doch keinen Sinn, in Depressionen zu verfallen. Dir geht es doch ganz gut.

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Unter einem guten Abend verstand Petra etwas anderes. Sabrina schwieg die meiste Zeit und sprang auf Petras diverse Aufheiterungsversuche kaum an. Und das an einem Freitagabend! Petra lies ihren Blick über die anderen Gäste gleiten. Vielleicht konnte sie einen tollen Hecht entdecken, der Sabrina von ihrem Bruder ablenken würde. Sie musste die Stirn runzeln. Zwei Tische weiter beobachte sie eine Gruppe grobschlächtiger Typen in Lederklamotten. Sie hätte ja Rocker gesagt, ob so was gab es in ihrer Stadt nicht. Die mussten von außerhalb sein. Es schüttelte sie innerlich. Brr, die waren nicht ihr Fall. Die müsste man erstmal gründlich waschen, ordentlich die Haare schneiden und in zivile Kleidung stecken. Sie beugte sich zu Sabrina vor. „Psst, leise. Schau mir mal unauffällig über die Schulter. Wären die schnuckeligen Typen da nicht was für Dich?" Sabrina lies ihren Blick wandern. „Haha, sehr witzig. Die sind doch eher Deine Kragenweite." Ihre Augen wanderten weiter. Dann breitete sich ein Lächeln über ihr Gesicht aus. „Nein, mein liebes Petrachen. Ich habe jetzt Deinen One Night Stand entdeckt. Mach Dich auf Deine Nacht der Nächte gefasst!"

„Wo?", antwortete Petra und drehte sich um. Suchend versuchte sie zu entdecken, wenn ihre Freundin im Visier hatte. „Na, zwei Meter weiter an der Säule ..." Oh nein, dachte Petra. Streber-Johannes. „Was macht der den hier??? Lassen die jetzt jeden rein!?" „Der hat bestimmt bei Dir daheim angerufen und Deine Mutter hat ihm erzählt, dass wir im Club 5 sind", feixte Sabrina. „Gleich kommt er und fordert Dich zum Tanz auf!" „Wäh", protestierte Petra, „dann wandere ich aus." „Quatsch", antwortete Sabrina, „so ein paar Zungenküsse und ein bisschen fummeln schaden doch nicht." „Du spinnst total", lachte Petra auf und schlug ihrer Freundin gespielt böse auf den Arm. „Bloß weil Du nicht an Deinen Himmel-toll-Patrick kommst, musst Du mich nicht in die Hölle schicken:" Aber Sabrina hatte Gefallen gefunden an ihrer Idee. „Also, ich finde, ihr zwei gebt ein tolles Paar. Allein Euer Stil ergänzt sich prima." „Du dumme Nuss. Gleich hetzte ich Strebi Joe auf Dich!", drehte Petra den Spieß rum. „Hey Johannes", sprach sie betont leise, „meine Freundin hier würde Dir gerne einen blasen. Und das Du sie von hinten nimmst." Sabrina sprang fast auf und presste Petra ihre Hand auf den Mund. „Wenn er das hört". Dann mussten beide sehr laut lachen. Sie bekamen sich fast nicht mehr ein. „Blasen und von hinten, die beste Idee des heutigen Tages", gluckste Sabrina. „Hey Johannes, wenn Du das gut schaffst, darfst Du Petra anal entjungfern. Steht schon lange an!" „Hahaha", antwortete Petra, halb verärgert, halb am totlachen. „Ich hab Dir schon oft gesagt, ich steh nicht auf so'n Schweinkram."

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Johannes hörte lautes Lachen und typisch weiberhaftes Kichern hinter sich. Er drehte sich um. Oh nein!! Sabrina und Petra! Wenn Vampire Knoblauch und Weihwasser fürchteten, dann fürchtete er diese beiden! Sie gehörten zu den ewig gestrigen, die ihn immer wieder hänselten, verulkten, runtermachten. Er hatte noch nie erlebt, dass sie ihn wie einen Gleichberechtigten behandelt hätten. Und wieder hatte er das unangenehme Gefühl, ihr heftiges Lachen könnte etwas mit ihm zu tun haben. Schnell drehte er sich weg. Vielleicht hatten sie ihn gar nicht gesehen. Sein erster Instinkt war, schnell wegzugehen, vielleicht ganz den Club zu verlassen. Aber eine innere Stimme drängte ihn zu bleiben. Es war sein Abend und er wollte hier sein und die Anwesenheit dieser beiden Hyänen sollte ihn doch nicht so verunsichern.

Angestrengt in die andere Richtung schauend erinnerte er sich an einige peinliche Momente. Biologieunterricht. Der menschliche Körper. Dr. Wiedemann hatte gerade die menschlichen Geschlechtsorgane erläutert, als er sich am Tuscheln und Kichern von Sabrina und Petra störte. „Dürfte ich die Damen bitten, ihre Aufmerksamkeit der Stunde und nicht ihrem Tratsch zu widmen", hatte er sie angefahren. Johannes wollte sich gerade freuen, dass die beiden einen Anschiss erhielten, da schossen die beiden zurück. „Wenn hier einer aufpassen sollte, dann Johannes. Wir haben schon mal Geschlechtsorgane gesehen." Die ganze Klasse hatte gelacht. Geprustet. Sich nicht mehr eingekriegt. Viele fanden es zwar ein bisschen gemein, Johannes so bloß zustellen, fanden es aber pfiffig, wie Sabrina und Petra Dr. Wiedemann hatten abblitzen lassen. Nur Johannes hatte gar nicht lachen können. Oder die Jahrgangsfahrt nach Paris. Alle waren ausgelassen gewesen. Besonders Sabrina und Petra. Es war schon im Zug losgegangen. „Hey Baby Joe", hatten sie quer durch das Großraumabteil gerufen. „Bist Du schon aufgeregt? Bald siehst Du lauter Pariser. Überall." Schallendes Gelächter. Als kurz vor Paris de begleitenden Lehrer nach dem Recht schauten, kam der nächste Schlag. Sabrina wand sich laut und deutlich an Dr. Schöller: „Eine Frage vorab: Dürfen wir auch ins Moulin Rouge?" Erste kicherten, aber alle lauschten gespannt. Dr. Schöller wand sich ernst an das Mädchen. „Das müssen wir Ihnen untersagen. Der Elternbeirat hat dieser Reise nur zugestimmt, wenn wir darauf achten, dass Sie alle sich von gefährlichen Lokalitäten fernhalten." Sabrinas Gesicht wurde ganz weich und sie sah aus, wie ein kleines Mädchen. „Ich weiß das. Ich frage ja nur, weil Johannes Mindermann angekündigt hat, dorthin zu gehen." Das Kichern wurde lauter. Dr. Schöller wand sich um. „Herr Mindermann. Ich bin sehr erstaunt. Kommen Sie mal mit uns." Nun konnten sich die Mitschüler nicht mehr halten. Johannes lief knallrot an. Und zu allem Übel wollte Dr. Schöller seinen Beteuerungen, nie ähnliches gesagt oder vorgehabt zu haben, nicht recht glauben. Gerne hätte er damals etwas zu Sabrina und Petra gesagt. Aber er fühlte sich unterlegen und war sich sicher, immer den Kürzeren zu ziehen.

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