Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Sehnsucht nach dem Tod

Geschichte Info
Eine junge behinderte Frau sehnst sich nach dem Tod.
20.4k Wörter
4.65
61.2k
46
Geschichte hat keine Tags
Teile diese Geschichte

Schriftgröße

Standardschriftgröße

Schriftabstand

Standard-Schriftabstand

Schriftart Gesicht

Standardschriftfläche

Thema lesen

Standardthema (Weiß)
Du brauchst Login oder Anmelden um Ihre Anpassung in Ihrem Literotica-Profil zu speichern.
ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

Die Sehnsucht nach dem Tod

Diese Geschichte ist frei erfunden. Die Handlung und die Personen hat es so nie gegeben, könnten aber von tatsächlichen Gegebenheiten oder Personen inspiriert sein.

Kapitel 1

„Sofie? Aber Sofie ist ein Mädchen!", bin ich völlig erstaunt.

„Natürlich bin ich ein Mädchen! Was haben Sie denn erwartet? Ich bin eine junge Frau, wenn man es genau nimmt. Ich bin immerhin schon 23 Jahre alt", fährt mich die im Rollstuhl Sitzende energisch an.

„Entschuldigen Sie, so war das nicht gemeint", stottere ich verlegen. „Ich dachte, Sie wären ein junger Mann."

„Ich habe nie gesagt, ob es ein junger Mann oder eine junge Frau ist. Ich habe immer von meinem Kind gesprochen", verteidigt sich Frau Gertens

„Ja, aber das ändert alles. Sollte nicht doch besser eine Frau Sofie betreuen?", frage ich. Allmählich fange ich mich wieder.

„Meine Mutter hofft, dass ich bei einem Mann nicht so zickig bin. Sie hat schon fünf Betreuerinnen für mich eingestellt und alle haben schon nach einer oder maximal zwei Wochen das Handtuch geworfen", grinst sie. Das kleine Biest hat die armen Dinger sicher drangsaliert, bis sie gegangen sind. „Wenn ich dich so anschaue, dann hat sie keinen schlechten Geschmack. Bist ein Schnuckelchen, dich könnte ich am Ende sogar behalten."

Eine Stelle als Arzt zu finden ist heutzutage nicht leicht. Deshalb habe ich mich auf diese Annonce hin beworben. Darin wurden ein Arzt oder ein Krankenpfleger zur Betreuung einer querschnittgelähmten Person gesucht. Darin war - das muss ich ehrlich zugeben - das Geschlecht der zu betreuenden Person nicht angegeben. Aber ich hatte automatisch angenommen, dass es ein Mann wäre, weil ja ausdrücklich ein Mann als Betreuer gesucht wurde.

Man hat mich auch überraschend schnell zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Der Termin war heute und ich wurde von Frau Gertens empfangen. Sie hat mir erklärt, ich sei der einzige Arzt, der sich beworben habe und aus diesem Grund bin ich ihr Favorit. Sie erklärte mir auch, dass ihr Kind nach einem Unfall im Rollstuhl sitzt und praktisch rund um die Uhr betreut werden muss. Dies sei weniger aus gesundheitlichen Gründen notwendig, sondern vielmehr deshalb, weil sich das Kind bereits zweimal versucht hat, das Leben zu nehmen, hat sie mir erzählt.

Frau Gertens hat auch dabei immer von ihrem Kind gesprochen. Aus ihren Informationen konnte ich natürlich auch keinen Hinweis auf das Alter und das Geschlecht der Person entnehmen, die ich betreuen soll. Aus diesem Grund bin ich dann auch die ganze Zeit bei meiner Annahme geblieben, das Kind sei männlich.

„Wenn Sie keine weiteren Fragen für den Moment haben, dann würde ich vorschlagen, wie gehen zu ihrem Patienten", hat sie gemeint.

Die Gertens scheinen ausgesprochen wohlhabend zu sein, denn sie wohnen in einer ausgesprochen schönen Villa. Mein Schützling wohne nicht im Haupthaus, erklärte mir meine neue Arbeitgeberin, sondern es sei ein Nebengebäude eigens ausgebaut worden.

Wir durchquerten den Garten und Frau Gertens sperrte die Tür zu einem echt schnuckeligen Häuschen auf. Vom kleinen Eingangsbereich geht eine große Glastür ab und dahinter liegt ein riesengroßer Raum mit einer gut ausgestatteten Küche, einem edel eingerichteten Essbereich und einem ausgesprochen großzügigen Wohnzimmer. Der Raum ist dank der bodentiefen Fenster, die an der gesamten Außenfront verlaufen, unglaublich lichtdurchflutet.

Zunächst konnte ich niemanden im Raum erblicken. Erst als Frau Gertens den Namen rief, habe ich eine Bewegung wahrgenommen und eine bildhübsche junge Frau kam im Rollstuhl auf uns zu. Erst in dem Moment wurde mir klar, dass mein neuer Schützling ein junges Mädchen ist.

„Sie sind schließlich Arzt", verteidigt sich Frau Gertens.

„Ich soll Ihre Tochter aber nicht nur untersuchen, ich soll sie betreuen und mit ihr den Tag und möglicherweise auch die Nacht verbringen, zumindest wenn sie krank ist oder Betreuung braucht", versuche ich das Problem zu umschreiben.

„Du wirst doch hoffentlich schon einmal ein Mädchen gesehen haben. Wie eine Jungfrau siehst du nicht aus", grinst mich Sofie frech an. Sie fügt dann belustigt hinzu, „Das ist doch kein Grund gleich rot zu werden."

Die Kleine macht sich einen Spaß draus, mich mit meiner Unsicherheit auch noch aufzuziehen. Ihr bereitet die Situation Freude. Sie schaut mich auch recht herausfordernd an. Sie will provozieren, das ist klar.

„Sofie, seien Sie doch einen Moment ernst. Ich kann doch nicht mit Ihnen den ganzen Tag verbringen", versuche ich sie zu ermahnen.

„Jetzt hab dich nicht so, versuch es einfach. Du hast nichts zu verlieren. Ich wette mit dir, länger als eine Woche hältst du es bei mir eh nicht aus, du Sensibelchen", fordert mich Sofie mit einem breiten Grinsen heraus. Sie scheint echt Spaß daran zu haben, ihre Mitmenschen zu ärgern und aufzuziehen.

„Ja, bitte! Versuchen Sie es", bettelt auch ihre Mutter. Sie hat allerdings einen anderen Grund für ihre Bitte.

„Himmel, Sofie ist eine Frau. Das geht doch nicht!", bleibe ich bei meiner Meinung.

„Jetzt sei kein Mädchen und benimm dich professionell", lacht Sofie.

Ich bin wirklich hin und her gerissen. Natürlich könnte ich mich professionell verhalten und darüber hinwegsehen, dass sie eine Frau ist. Aber sie ist voll die Zicke und bei ihr weiß man nie, was sie sich alles ausheckt. Ich traue ihr wirklich alles zu.

„Ich werde auch ganz brav sein", flötet Sofie honigsüß. Es scheint fast, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

„Jetzt ohne Witz, ich will mich nicht von Ihnen verarschen lassen. Wenn ich es versuche, dann müssen auch Sie professionell sein und keinen Blödsinn aushecken", mache ich ihr eine klare Ansage.

„Entschuldige, ich gebe zu, ich habe manchmal etwas übertrieben. Deine Vorgängerinnen waren aber auch die Vollpfosten. Als Arzt wirst du hoffentlich mehr drauf haben und ich sehe ein, du sollst nur deinen Job machen. Das werde ich respektieren. Großes Ehrenwort! Außerdem gefällst du mir viel besser, als die anderen fünf zusammen", meint Sofie inzwischen einigermaßen ernst. „Doch eine Bedingung habe ich. Sag bitte du zu mir. Das Sie finde ich so förmlich."

„Na gut, ich will es versuchen. Aber ich warne dich, ich lasse mir nicht von dir auf der Nase herumtanzen", lasse ich mich breitschlagen.

„Wie meinst du das mit dem Warnen? Verhaust du mich sonst, wie ein unartiges Kind?", meint sie schon wieder keck.

„Wenn du mich verarschst bin ich weg", sage ich trocken.

„Das ist nur fair. Damit kann ich leben", stimmt Sofie zu. Sie ist wieder eine Spur ernster. Die Ansage scheint doch ein wenig Eindruck auf sie zu machen. Hoffe ich zumindest.

Ich sehe der Mutter deutlich an, wie erleichtert sie ist. Mehr überrascht mich da schon, dass ich anscheinend auch auf Sofie Eindruck gemacht und sie nimmt meine Zusage durchaus positiv auf.

„Dann lasse ich Euch erst einmal allein. Es ist sicher besser, Ihr klärt die Details Eurer Zusammenarbeit alleine", meint Frau Gertens und wendet sich dann an mich. „Sie wissen ja, was das Problem ist."

„Ja, ja, Mutter, ich soll nicht noch einmal versuchen, mir das Leben zu nehmen. Verdammt nochmal, das ist noch immer mein Leben. Wenn man das überhaupt noch als Leben bezeichnen kann", braust Sofie schon wieder auf.

Ihre Mutter hat offenbar einen empfindlichen Punkt getroffen. Sie zieht sichtbar den Kopf ein, nickt mir noch einmal aufmunternd zu und verlässt dann ohne ein weiteres Wort zu sagen das Haus. Ich bliebe mit Sofie alleine zurück. Sie wirkt irgendwie niedergeschlagen und tut mir fast ein Bisschen leid.

„Das hätte sie nicht sagen müssen", murmelt Sofie.

Kapitel 2

„Ich bin nicht deine Mutter. Das möchte ich von vorne herein klarstellen", versuche ich das Gespräch wieder in Gang zu bringen.

„Das musst du mir nicht sagen. Das sehe ich selbst. Der Unterschied ist frappierend", brummt Sofie.

„Du weißt genau, wie ich das meine", stelle ich klar.

„Was bist du dann?", meint sie und es klingt resignierend.

„Was hättest du denn gerne, was ich für dich bin?"

„Lass die Spielchen mit mir. Gegenfragen sind keine Antworten", wird sie schon wieder leicht missmutig. „Diese Psychospielchen mag ich schon gar nicht."

„Nein, im Ernst. Was deine Mutter von mir erwartet, das hat sie mir deutlich klar gemacht. Nun möchte ich aber wissen, was du in mir sehen möchtest und was du von mir erwartest. Danach kann ich dir sagen, was ich sein will oder besser gesagt sein kann", antworte ich.

„Hä? Was soll das denn? Du willst mich wohl verwirren. Ist das deine Taktik?", meint sie etwas lauernd.

„Ich werde nicht das tun, was deine Mutter von mir erwartet, ich werde auch nicht unbedingt das tun, was du willst. Ich werde ich selbst sein, ganz klar. Aber ich will dabei so gut ich kann, den Wünschen deiner Mutter aber vor allem auch deinen Wünschen gerecht werden."

„Rede doch nicht so eine gequirlte Scheiße. Du wirst wie alle anderen vor dir, den Aufpasser spielen. Schließlich ist es meine Mutter, die dich bezahlt", meint sie etwas traurig.

„Mir geht es nicht nur ums Geld. Ich bin Arzt und habe einen Eid geschworen, mich nach bestem Wissen und Gewissen für meine Patienten einzusetzen. Und die Patientin im übertragenen Sinn bist du, nicht deine Mutter.

Ehrlich, ich bin auf deiner Seite. Das heißt aber nicht, dass ich alles tue, was du willst. Wenn ich der Meinung bin, etwas ist nicht gut für dich, so werde ich nicht gegen meine Überzeugung handeln.

Doch vor allem will ich zuerst verstehen, was du willst. Ich verspreche dir auch, ehrlich zu dir zu sein. Keine versteckten Spielchen! Versprochen! Ich hoffe, auch du bist offen und ehrlich zu mir", versuche ich sie zu überzeugen.

„Ich werde bei der nächsten Gelegenheit versuchen, mich umzubringen. Ist das ehrlich genug?", kontert sie und sieht mich dabei herausfordernd an.

„Ja, das denke ich, ist auch die Wahrheit. Darf ich aber auch erfahren warum?"

„Warum, warum, warum, sieht man das nicht?", fährt sie mich an.

„Nicht auf den ersten Blick. Oder meinst du, nur weil du im Rollstuhl sitzt, ist das schon Grund genug, dich umbringen zu wollen?", frage ich.

„Hast du schon einmal einen einzigen Tag in einem Rollstuhl verbracht?", meint sie verärgert.

„Nein, ehrlich gesagt nicht. Aber es gibt genügend andere, die im Rollstuhl sitzen und doch Freude am Leben haben", werfe ich ein.

„Andere interessieren mich nicht", sagt sie sehr entschlossen.

„Sofie, ich hätte einen Vorschlag. Ich habe dir eine Chance gegeben und mich auf eine Woche mit dir eingelassen. Nun bist du am Zug. Du gibst mir die gleiche Chance. Eine Woche keine Selbstmordversuche und wir versuchen uns besser kennenzulernen und den anderen zu verstehen. Dann entscheiden wir. Gemeinsam!", schlage ich vor.

„Du willst doch nur Zeit gewinnen", winkt sie ab.

„Was würde eine Woche schon ändern?"

„Weiß nicht? Sag du es mir."

„Mein Vorschlag steht."

„Das heißt? Wenn ich dich davon überzeuge, dass mein Leben Scheiße ist, dann hilfst du mir, meinem Leben ein Ende zu setzen?", kommt ihre Frage sehr herausfordernd.

„Ja. Wenn du mich überzeugst, helfe ich dir?"

„Echt?"

Sofie ist völlig überrascht. Sie hätte diese Antwort von mir nicht erwartet. Vermutlich deshalb, weil ihr noch nie jemand in Aussicht gestellt hat, ihr dabei zu helfen, ihrem Leben ein Ende zu setzen.

„Echt!", bestätige ich.

„Du bist aber Arzt."

„Und deshalb genau der Richtige."

„Du spinnst! Ich soll dir glauben, dass du mir helfen würdest, meinem Leben ein Ende zu setzen? Das machst du nie im Leben. Das widerspricht doch deinem Eid auf den komischen Typen mit dem Stab", wird sie fast laut.

„Wenn du mich überzeugen kannst, dass dein Leben nicht lebenswert ist, dann kann ich es mit dem Eid vereinbaren. Der sagt eigentlich nicht, dass ich das Leben eines Patienten um jeden Preis erhalten muss."

„Nie im Leben!"

„Versuche es, was hast du denn zu verlieren?"

Sofie denkt einige Zeit nach. Sie schaut mich völlig ungläubig an. Ich sehe ihr deutlich an, dass sie mir kein einziges Wort glaubt. Aber offenbar ist mein Angebot für sie andererseits auch wieder sehr verlockend. Es rattert auf jeden Fall ganz gewaltig in ihrem hübschen Köpfchen.

„Was habe ich zu verlieren? Genau! Ich lasse mich auf die Woche ein", sagt sie schließlich herausfordernd.

„Gut, eine Woche, um uns kennenzulernen", bin ich erleichtert.

„Und dann entscheiden wir, ob ich leben muss oder ob ich sterben darf", meint sie trocken.

„Nein, nein, das ist nicht die Wette. Wir lernen uns kennen und nach einer Woche entscheiden wir, was wir tun. Das kann auch bedeuten, dass wir einfach nur unsere Zusammenarbeit fortsetzen. Ich glaube noch nicht wirklich, dass ich mich schon nach einer Woche überzeugen lasse und du dich schon gar nicht", bremse ich ihre Erwartungen. „Da wird es vermutlich eine Verlängerung brauchen."

„Was ich mich überzeugen lassen? Wovon soll ich mich überzeugen lassen", meint sie überrascht.

„Dass es sich zu leben lohnt."

„Nie im Leben!"

„Wir haben beide unsere Meinung. Wir sollen uns aber beide darauf einlassen, dass uns der andere von seiner Meinung überzeugen kann. Das darf dann aber keine Einbahnstraße sein. Wenn du mich davon überzeugen darfst, dass sich das Leben nicht lohnt, so darf auch ich dich vom Gegenteil überzeugen dürfen. Das ist nur fair", erkläre ich meinen Standpunkt.

„Du bist ein verdammt hartnäckiger Typ. Warum habe ich mich nur auf dich eingelassen?", grinst mich Sofie an und es ist das erste freundliche Lächeln.

„Das frage ich mich schon lange", kontere ich und lächle auch.

„Nervensäge!", meint Sofie und verdreht die Augen. „Wie heißt du eigentlich. Meine Mutter hat uns ja gar nicht richtig vorgestellt, weil du gleich so schockiert warst, dass ich eine Frau bin."

„Ach ja, entschuldige, ich bin Tom, Thomas Müller. Ich bin 26 Jahre alt, Arzt und war bis vorhin auf Arbeitssuche", stelle ich mich vor.

„Schön, das freut mich Tom, 26 Jahre alt und bis vorhin auf Arbeitssuche. Wie wollen wir uns organisieren?", meint Sofie belustigt.

„Wollen wir nicht ein wenig in den Garten gehen? Heute ist doch so schönes Wetter", schlage ich vor.

„Wenn es sein muss!", antwortet Sofie etwas genervt, macht sich dann aber doch auf den Weg zur Glastür, durch die man hinaus in den Garten gelangt.

Ich eile hinter ihr her und helfe ihr mit dem Rollstuhl. Das Anwesen ist wirklich groß und hat einen wunderschön angelegten Garten mit herrlichen Blumen. Ein Teil besteht aus einem gut sortierten Gemüsegarten und dahinter erstreckt sich ein recht einladender Park. Das Grundstück muss ganz schön groß sein.

„Du musst mir nicht helfen. Ich kann auch alleine fahren", protestieret Sofie.

„Du kannst keinem Menschen mehr vertrauen. Du willst immer die Kontrolle haben", stelle ich fest.

„Was für ein Arzt bist du denn eigentlich? Seelenklempner?", meint sie leicht missmutig.

„Ich bin eigentlich Kardiologe", antworte ich wahrheitsgemäß.

„Und nur weil du das Herz kennst, glaubst du auch die Gefühle der Menschen zu kennen. Oder was?", ist sie immer noch ein wenig abweisend.

„Ich will wirklich dein Freund sein. Vertrau mir einfach und überlass mir auch ein wenig die Kontrolle. Es lohnt sich", bitte ich sie.

„Du willst mein Freund sein? Vorhin hat dich noch gestört, dass ich eine Frau bin."

„Sofie, so kommen wir nicht weiter. Wir haben gemeinsam beschlossen, dass wir uns aufeinander einlassen. Dann tu es auch, vertrau mir! Ich will dir ganz bestimmt nichts Böses. Lass also solche Spitzfindigkeiten", reagiere nun ich etwas genervt.

„Ok, ok, dann schieb den verdammten Karren", gibt sie auf ihre Weise nach.

Sie überlässt mir, zu meiner großen Überraschung, tatsächlich die Kontrolle über den Rollstuhl. Ich schiebe sie in den Blumengarten. Inmitten wunderschön blühender Rosen und von Hibiskus bleibe ich stehen. Ich rollte sie neben eine Bank, die fast in einem Blütenmeer versinkt.

„Jetzt willst du die romantische Ader in mir wecken? Das wird dir ganz bestimmt nicht gelingen. Romantik ist nicht Meins", meint Sofie. Sie klingt dabei jedoch nicht ganz überzeugend.

„Wie wollen wir uns organisieren? Deine Mutter geht davon aus, dass ich im Haus schlafe und damit jederzeit für dich da sein kann. Wäre das für dich in Ordnung?", frage ich vorsichtig.

„Hast du eigentlich kein eigenes Leben, dass du dich an einen Krüppel wie mich ketten kannst?", provoziert sie schon wieder.

„Doch, ich habe ein Leben. Aber ich bin flexibel. Und ich möchte für eine junge Frau da sein, die Hilfe braucht. Ich kann deshalb gerne hier wohnen. Ein Gästezimmer gibt es sicher", antworte ich gelassen.

„Und was sagt deine Freundin dazu?"

„Ich habe keine Freundin, im Moment zumindest. Also ist das auch kein Problem", antworte ich ehrlich.

„Deshalb bin ich auf einmal gut genug", meint sie barsch.

„Sofie, du wärst eigentlich ein sehr liebenswertes Mädchen. Aber du machst es einem schon verdammt schwer, dich zu mögen", sage ich etwas genervt.

„Wie sollen mich andere mögen, wenn ich mich selbst nicht ausstehen kann", braust Sofie auf.

Dann aber sackt sie zusammen und beginnt zu weinen. Die Tränen kullern ihr über die Wangen. Sie weint dicke Tränen und tut mir aus tiefstem Herzen leid. Ich rücke zu ihr hin und nehme sie in den Arm. Zu meiner Überraschung weist sie mich diesmal nicht zurück. Im Gegenteil, sie kuschelt sich in meine Arme.

Ihr Körper wird von Weinkrämpfen geschüttelt. Zu lange musste oder wollte sie die Starke spielen und hat es versäumt zu weinen. Ich wette, ihre Mutter hätte sie liebend gerne in den Arm genommen, um sie zu trösten. Aber Sofie hat es wohl nie zugelassen. Umso überraschender ist es für mich, dass sie es jetzt ausgerechnet bei mir kann. Möglicherweise schafft sie es, gerade weil ich ein Fremder bin.

Es tut ihr sicherlich gut, endlich den Schmerz und die Wut, die sich in ihr angestaut haben, abfließen zu lassen. Zumindest ein klein wenig davon. Ich hoffe, dass sie dann entspannter ist und, dass sich auch unser Verhältnis etwas bessert.

„Du musst mich für eine dumme Kuh und eine Heulsuse halten", meint sie schließlich, nachdem die Tränen allmählich versiegen.

„Nein, warum. Jeder Mensch braucht zwischendurch auch einmal jemanden, an den er sich anlehnen und alles aus sich herauslassen kann", versuche ich sie zu beruhigen.

„Und dann tue ich das ausgerechnet bei dir?"

„Ja, warum auch nicht?"

„Du bekommst dafür schließlich bezahlt, meinst du?", kehrt sie schon wieder in ihr altes Muster zurück.

„Nein, ich will für dich da sein, weil ich dich mag", gestehe ich ehrlich.

„Du magst mich? Wie kann man so eine wie mich überhaupt mögen?", kontert sie. In ihrer Stimme ist unglaublich viel Enttäuschung und Selbstverachtung.

„Ich gebe zu, auf den ersten Blick bist du ein nicht auszuhaltendes Scheusal. Aber wenn man genauer hinschaut und versucht dich zu verstehen, dann bist du ein ausgesprochen liebenswerter Mensch", versuche ich ihr zu erklären.

„Was ist denn an mir bitteschön liebenswert? Meine nutzlosen Beine, meine Hilflosigkeit, meine schlechte Laune", braust sie schon wieder auf.

„Du willst es nicht sehen? Oder? Du bist nicht nur deine Beine, du bist nicht nur hilflos und du hast nicht nur schlechte Laune. Du bist im Grunde immer noch die Sofie, die du vor dem Unfall warst."

„Rede keinen Scheiß! Ich bin nicht mehr die Sofie, die ich einmal war. Das ist alles lange her."

„Doch, du warst vorher ja auch nicht nur Beine."

„Ach was, das verstehst du nicht. Alle sehen nur meine Beine und dass ich zu nichts mehr zu gebrauchen bin."

„Wenn dich jemand mag, dann sind die Beine doch nicht das Entscheidende und dann hilft er dir gerne. Man ist alleine immer hilfloser, als zu zweit. Du wirst einen Mann finden, der für dich Beine und Hilfe ist. Davon bin ich überzeugt."

„Aber alle sehen nur meine Beine und meine Hilflosigkeit. Wer will sich denn auf so etwas einlassen?", wirft sie ein.