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Sklavin für ein Jahr Teil 02

Geschichte Info
Dreißig Jahre vorher - wie alles begann.
10.2k Wörter
4.7
36.3k
8
Geschichte hat keine Tags

Teil 2 der 3 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 07/15/2018
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Vielen Dank all jenen, die mir für den ersten Teil so gute Bewertungen gegeben haben. Dieser Teil erzählt die Vorgeschichte mit Anja und Stefan, bevor wir wieder in die Gegenwart zurückkehren.

09 Rückblende: Die Lesbe und der Stubenhocker

Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz

Juni 1989

"Ich glaube, du brauchst einen Mann", sagte Sonja Herbst leise.

Anja Sommer zuckte zusammen. "Heißt das, du machst mit mir Schluss?"

Noch vor ein paar Jahren hatte sie geglaubt, die sogenannten Lesben wären Frauen, die Anzüge und Männerfrisuren trugen, sich in dafür vorgesehenen dunklen Kaschemmen trafen und Zigarren rauchten.

Dann hatte sie an ihrem ersten Studientag Sonja getroffen, ihr beim Eintrag in die Liste für eine Vorlesung über die Schulter geschaut und angefangen zu kichern.

Sonja hatte sich herumgedreht. "Was ist denn so lustig?"

"Dein Name. Hallo Sonja, ich heiße Anja. Anja Sommer. Studierst du auch Sprachen für Lehramt?"

Sonja hatte gegrinst. Ab dem Moment waren sie die besten Freundinnen, dann Zimmergenossinnen, um Miete zu sparen, und am Ende eines langen Abends mit viel zu viel Lambrusco vom Discounter und dem Austausch von Geschichten über verflossene Liebschaften hatte Sonja Anja auf den Mund geküsst. Einfach so.

Auch am nächsten Morgen, als beide mit dicken Köpfen nackt und ineinander verschlungen im selben Bett aufgewacht waren, sah Sonja immer noch wie ein Engel aus, dem Anja huldigen wollte.

Dreieinhalb Jahre lang waren sie nun Geliebte, und hatten natürlich niemandem davon erzählt.

Die Zeit der Achtundsechziger-Generation war lange vorbei. Selbst Anjas Mutter, die damals an vorderster Front protestiert, in einer Kommune die Freie Liebe gelebt und Anja mit sechzehn bekommen hatte, trug schon lange wieder einen BH und war glücklich verheiratet. Nicht mit Anjas leiblichem Vater, von dem sie nur eine LSD-umnebelte Erinnerung hatte, aber Stiefpapa war nett, hatte einen gutgehenden Obstladen in der Innenstadt und zahlte das Studium seiner Stieftochter, solange die Kosten sich in Grenzen hielten.

Freie Liebe schön und gut, doch Anja würde auf keinen Fall irgendwelche Drogen anfassen. Und lesbisch zu sein, war billiger als die Pille. Seit Sonja hatte sie keinen Kerl mehr getroffen.

"Nein, nein, Liebling." Sonjas letzte Wort war von einem kurzen Blick zu den Nachbartischen in der Mensa begleitet. Lesbisch zu sein war nicht so schlimm wie schwul zu sein, das war immerhin strafbar, aber wenn es bekannt würde, wäre es dennoch das Todesurteil für eine Karriere im bundesrepublikanischen Schulsystem. "Ich denke nur daran, dass bald die Prüfungen anfangen, und so gerne ich auch mit dir zusammenlebe, wir müssen an die Zukunft nach dem Studium denken."

Das Thema war in Anjas Herz mit einem großen Vorhängeschloss versehen. Sie wollte noch nicht einmal daran denken, geschweige denn darüber reden. Aber Sonja war schon immer die pragmatischere von den beiden gewesen.

"Ich verstehe trotzdem nicht, warum—"

"Wenn du eine Stelle bekommst, solltest du dir schnellstmöglich einen Mann suchen. Alleinstehende Lehrerinnen sind interessant, solange sie unter dreißig sind. Danach ..." Sie hob die Schultern. "Wir können uns ja trotzdem weiter treffen, aber sieh's doch mal realistisch: Wir beide haben keine Zukunft als Paar, solange sich in dieser Gesellschaft nicht noch mindestens eine weitere sexuelle Revolution ereignet."

"Also gut", sagte Anja seufzend. Die Wahrheit war die Wahrheit, auch wenn sie wehtat. "Wir genießen es solange es dauert. Aber warum gerade jetzt einen Mann?"

"Bist du noch Jungfrau?"

Anja runzelte die Stirn. Natürlich nicht. Dazu machte es viel zu viel Spaß, die Produkte des Beate-Uhse-Versands auszuprobieren. Vor allem die großen, dicken, vibrierenden. "Worauf willst du hinaus?"

"Wenn du einen Ehemann willst, musst du dem für den Verlust deines Häutchens eine plausible Erklärung liefern. Eine Affäre mit einem männlichen Kommilitonen macht Sinn. Eine lesbische Beziehung lässt potentielle Ehepartner schreiend davonrennen. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede."

"Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt?"

"Vielleicht, vielleicht auch nicht. Vielleicht findest du ja auch die große Liebe, und unsere Trennung fällt dir leichter."

Anja hatte den starken Eindruck, dass Sonja sie doch loswerden wollte, aber wo sie recht hatte, hatte sie recht. Sie holte tief Luft und ließ ihre Blicke durch die Mensa wandern. Was gab es denn hier an Männer-Material? War da wirklich einer drunter, mit dem sie Sex haben wollte?

Kevin Friedrichs etwa, der großmäulige Weiberheld? Auf der letzten Fete hatte er eine Blondine im Arm gehabt, die wohl noch nicht einmal ihr Abitur hinter sich hatte. Ob der ein Kondom benutzen würde, war zweifelhaft.

Oder Robert "Bob" Meyer, der lieber Bob Marley gewesen wäre, und in dessen Rastalocken Vögel nisten konnten — oder eher Motten und Ratten? Anja wollte sich nicht vorstellen, welche Tiere bei ihm unter der Gürtellinie hausten.

Ihr Blick schwenkte weiter. Wie immer saß da der "Stubenhocker", wie Sonja und sie ihn getauft hatten, mit gesenktem Kopf in einer Ecke. Er studierte BWL, das war offensichtlich, denn wann immer sie ihn in der Mensa oder der Bibliothek sah, war er von Türmen aus einschlägigen Büchern umgeben. Er sah nicht mal schlecht aus mit seiner Brille, seinen kurz geschnittenen Haaren und seinem Bärtchen. Aber ein Blick auf seine weißlich-grüne Haut machte klar, dass sie mindestens seit Beginn seines Studiums kein Sonnenlicht mehr gesehen hatte.

Anja hatte ja für "Dracula" als Spitzname plädiert, aber Sonja hatte argumentiert, dass der Verzehr von Pizza und literweise Kaffee gegen Vampirismus sprachen.

Aber Sex-Partner? Der Kerl passte eher auf eine Kanzel als ins Bett. Anja seufzte tief und herzhaft.

"Geh doch mal wieder ins Kino", schlug Sonja vor. "Aber ausnahmsweise ohne mich. Du kennst die ganze Meute, und wenn ich nicht dabei bin, hast du schon ein Gesprächsthema. Ich fahre übers Wochenende nach Hause."

Kino? Keine schlechte Idee. Im Capitol lief jeden zweiten Samstag um Mitternacht die Rocky Horror Picture Show. Sie und Sonja waren nicht die Typen, die sich verkleideten und auf die Bühne sprangen, aber Reis, Wasserpistole, Zeitung und alle anderen Requisiten waren immer dabei.

Und Sonja hatte auch recht damit, dass selbst eine einsame junge Frau nichts zu fürchten hatte, wenn sie die meisten anderen dort von der Uni kannte. Sie musste nur dran denken, rechtzeitig anzurufen und sich eine Karte zu reservieren. Die Vorstellungen waren immer ausverkauft, und normalerweise kümmerte Sonja sich darum.

*

"Nee", sagte die übergewichtige Kartenverkäuferin. "Sommer is' schon abjeholt." Sie blickte Anja prüfend über den Rand ihrer dicken Brillengläser an. "Bis' du nich' 'Herbst', Kleene?"

"Heute nicht. Sonja ist übers Wochenende weg. Schauen sie doch nochmal. Sommer. Anja Sommer."

Ihr Finger glitt über die Liste. "Da hat dich wohl jemand betuppt. Tut mich leid. Wie wärs'n damit stattdessen?" Sie wies auf einen Zettel, der am Fenster klebte. Anjas Blick folgte ihrem Finger. Doppelnacht im City-Kino. "Marquise von O" und "Geschichte der O".

Kleist um Mitternacht? Von dem anderen Film hatte sie noch nichts gehört, aber Kleist war einer ihrer Lieblingsautoren, und die fünfzehn Jahre alte Verfilmung des Dramas von der unerwartet Schwangeren ein echtes Schmuckstück, das sie sich auch noch einmal mehr anschauen konnte. Also warum nicht, wenn sie sowieso schon hier war?

"Okay", sagte sie. "Wieviel?"

"Geh einfach rein, Kleene. Als Trostpflaster. Setz dich irjendwo hin, wo frei is'."

Das City — früher Scala — und das Capitol waren eine Institution unter den Studenten. Dort liefen die Filme, über die man am nächsten Morgen diskutieren konnte, nicht solch blöder Klamauk wie "Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft". Das Capitol hatte einen einzigen großen Saal mit einer Empore. Rocky-Horror-Nächte waren echte Massenereignisse.

Das Scala war Anfang der Achtziger umgebaut worden. Es gab vier kleinere Säle. Zwei davon zeigten rund um die Uhr Hardcore-Pornos und finanzierten damit die anspruchsvollen Programme der anderen beiden.

Anja nickte der Verkäuferin noch einmal zu und lief los. Die Tür war schon zu, der Film hatte wohl schon angefangen. Sie schlüpfte hinein. Das Kino hatte sechs Reihen und jeweils acht Sitze.

Alles leer? Sollte sie wirklich? Ihr Blick fiel auf die Leinwand. He, das war doch der Typ aus Frankenstein. Udo ... irgendwas.

Und die Frau, die er an der Hand hielt, sah auch recht lecker aus. Anja setzte sich in die letzte Reihe Mitte, so hatte sie alles im Blick.

Schon nach ein paar Minuten fiel ihre Kinnlade herunter. Das Pärchen im Film saß jetzt in einem Oldtimer mit Chauffeur und Udo befahl seiner Freundin, ihre Unterwäsche auszuziehen.

Anja wurde heiß. Sie lehnte sich auf dem Sitz zurück und vergaß, wo sie war. Sie bekam nur am Rande mit, dass noch jemand hereinkam und sich in die vorderste Reihe setzte, während O, wie die Frau im Film genannt wurde, nackt und in Handschellen von nackten Frauen durch eine Menschenmenge geführt wurde, während mehrere Männer die Vorzüge ihres Körpers diskutierten. "Hast du sie schon mal in Ketten gelegt?", fragte einer. "Nein, auch noch nicht ausgepeitscht", antwortete der andere, ihr Geliebter, den sie René nannten. "Wenn man sie nur ein bisschen peitscht, gewöhnen sie sich daran."

Ohne sich zu wehren, ließ sich O auf Hände und Knie hinunterdrücken, und einer nach dem anderen bedienten sich die Männer ihres Körpers. Vorne, hinten. Schnitt auf ihr verzerrtes Gesicht. Lust? Schmerz? Anja rutschte tiefer in ihren Sitz. Das war ... verdammt geil.

Es war kein "richtiger" Porno. Keine Schwänze, keine Mösen, noch nicht einmal nackte Männerhintern. Man sah jedoch Brüste, viele Brüste, viele unterschiedliche, schöne Brüste, und Anjas Finger fuhren über ihren eigenen Oberkörper. Sie trug keinen BH unter ihrem T-Shirt, brauchte sie auch normalerweise nicht mit ihren Kindertitten, wie Sonja sie liebevoll nannte. Doch jetzt waren ihre Brustwarzen hart, die Vorhöfe geschwollen. Anja verbiss sich ein Seufzen, als sie ihre Nippel berührte. Geil, geil, geil!

Der Film lief weiter; O wurde von ihrem Freund René an seinen älteren Halbbruder "Sir Stephen" weitergegeben, der sie — O mein Gott! — stehend, angebunden zwischen zwei Pfeilern, auspeitschte.

Anja fühlte jeden einzelnen dieser Hiebe in ihrer Möse. Und das war beileibe kein schlechtes Gefühl. Ohne nachzudenken öffnete sie den Knopf ihrer Jeans, und ihre Hand glitt in ihr Höschen. In ihr nasses Höschen.

Ihre Finger fanden ihren Liebesknopf, und während O — nackt, nackt, immer wieder nackt — nur mit einer Maske auf dem Kopf selbstbewusst zu Sir Stephen sagte, dass sie stolz darauf war, was er aus ihr gemacht hatte, stießen Anjas Finger immer wieder in ihren Körper. Sie stöhnte auf, und stopfte sich schnell mit einer Hand den Saum ihres T-Shirts in den Mund, während die andere sie immer näher an ihren Orgasmus brachte.

Eine Bewegung vor ihr ließ sie erstarren. Die Person in der ersten Reihe drehte sich um, und Anja meinte vor Scham sterben zu müssen. Es war der "Stubenhocker", und im schwachen Licht des Projektors sah er mit seiner Brille und seinem Bärtchen Sir Stephen verdammt ähnlich.

Er konnte sicher nicht sehen, dass Anja sich inzwischen die Jeans bis zu den Knien heruntergezogen hatte. Aber — gottogottogott — ihre Titten waren genau in seinem Blickfeld.

Immer noch völlig starr, sah sie, wie auf seinem Gesicht ein Lächeln erschien. Nicht lüstern, sondern fast zustimmend. Das Lächelnd verschwand schnell und er nickte ernst, als wolle er sein Einverständnis erklären, dann drehte er sich wieder zur Leinwand.

Dieser Blick reichte, und Anjas Orgasmus war nicht mehr aufzuhalten.

Hätte sie nicht in dem Moment ihr T-Shirt im Mund gehabt, hätten ihre Schreie wohl auch das Gegröle im benachbarten Capitol übertönt. Sie kam nicht nur einmal, ihre Finger konnten nicht aufhören, sie während des Nachspanns immer und immer wieder zum Höhepunkt zu bringen.

Als sie endlich die Augen öffnete, war sie allein, die erste Reihe wieder leer. Sie zog ihr T-Shirt hinunter und die Jeans nach oben, brauchte den ganzen Vorspann der Marquise, bis ihre zitternden Finger endlich den Knopf geschlossen hatten, und dann stolperte sie auf weichen Knien aus dem Saal.

In ihrer Studentenwohnung angekommen, flogen als erstes ihre Klamotten in die Ecke und sie rannte unter die Dusche. Doch selbst das kalte Wasser brachte ihr keine Ruhe. Die Nacht brachte ihr einen erotischen Traum nach dem anderen.

* * *

"O ja", seufzte Julia. "Das kenne ich gut."

"Pssst!", sagte Anja. "Die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende."

"Das hoffe ich", sagte Julia und leckte sich genüsslich die Finger ab, die gerade noch tief in der Muschi ihrer Herrin gesteckt hatten.

* * *

Den Sonntag über hatte Anja Zeit, sich über ihre Gefühle klar zu werden. O war eine Kunstfigur, kein lebender Mensch, aber für Anja war sie wie eine große Schwester. Dies einmal zu erleben, sich Männern ganz und gar hinzugeben, etwas, das aussah wie eine Vergewaltigung, als lebensveränderndes Erlebnis zu betrachten und daran zu wachsen. Demut und Gehorsam statt Unterdrückung ...

In ihren Träumen hatte sie die Penisse der Männer gesehen, die der Film nicht gezeigt hatte. Sie waren riesig gewesen, nicht vergleichbar mit dem, was sie aus den Pornostreifen kannten, in die Sonja und sie sich manchmal — mit falschen Bärten verkleidet — hineinstahlen, um im Schutz der Dunkelheit aneinander herumzuspielen.

Diese Glieder waren in ihren Gedanken Symbole geworden. Der Unterschied zwischen Mann und Frau, der wirklich zählte. Sie wollte endlich eines in sich haben. Und sie hatte auch eine gute Idee, wessen.

*

"Hallo", sagte Anja. Sie hatte lange gebraucht, um den Mut aufzubringen, den "Stubenhocker" in der Bibliothek anzusprechen. "Ich bin Anja."

Er drehte sich um, nahm die Brille ab, und Anja fiel geradezu in leuchtend grüne Augen. "Ich weiß", sagte er lächelnd, "aber du weißt sicher nicht, dass ich Stefan heiße."

"Ich ... äh ..." Anja richtete sich auf. "Bisher nicht", bestätigte sie.

"Soll ich dir bei irgendetwas helfen?"

Dabei eine Frau zu werden, bitteee. "Ich ... äh ..." Sie holte tief Luft. "Können wir mal etwas zusammen unternehmen? Ich meine, ich weiß, normalerweise sagt der Mann so etwas, aber das sind die Achtziger, ich bin eine eman—"

Er hob einen Finger, und sie verstummte.

"Es würde mich wirklich freuen", sagte er sanft, "etwas mit dir zu unternehmen. Nächsten Samstag, Vierzehn Uhr, Dom-Café. Ich bezahle."

Kein "an was hast du gedacht?", kein "könnten wir?". Eine Zeit, ein Ort, eine Feststellung. Anja fühlte sich mit einem Schlag gar nicht mehr "emanzipiert". Und dennoch ... "G-gut", sagte sie, und konnte sich gerade noch ein "Herr" verbeißen.

Er lächelte. "Gut", echote er, zog die Brille auf und wandte sich seinen Büchern zu.

*

"Du hast was?", rief Sonja verblüfft am selben Nachmittag.

"Mich halb ausgezogen und masturbiert."

"Und der ... der 'Stubenhocker' hat dich gesehen?"

Anja nickte, die Erinnerung gepaart mit Sonjas Fingern tief in ihr, war zu stark, als dass sie noch hätte etwas sagen können.

"Und dich ins Dom-Café eingeladen?" Sie sprach das Wort mit einem kurzen "o" aus.

Anja keuchte auf. "J-ja."

"Hmmm", sagte Sonja und zog ihre Finger zurück. "Sollte ich mir ernsthaft Gedanken machen?"

"D-du wolltest doch, d-dass ich allein ins Kino gehe. Du wolltest, dass ich mir einen Kerl suche. Mach weiter."

"'Mach weiter' was?" Sonja feixte sie an.

"Bitte", stieß Anja aus. "Mach weiter, bitte."

"Nicht gut genug", gab Sonja zurück. "Wie heißt das Zauberwort?"

"Herrin!", keuchte Anja. "Mach weiter, Herrin. Bitteee."

"Siehst du, geht doch, du musst nur wollen ..."

Anja schrie auf.

*

Das Dom-Café — Dom wie "große Kirche" und nicht wie "Dominanz" — hatte eine zweihundertjährige Tradition und sah auch danach aus. "Opulent" beschrieb die Inneneinrichtung nur schwach.

Anja lief noch unsicher auf ihren neuen Sandalen mit hohen Absätzen. Sonja hatte darauf bestanden, dass sie sich "weiblich" kleidete, also waren sie — beide hatten nicht viel Geld — durch die Discounter gezogen und hatten außer den Schuhen noch ein Sommerkleid gekauft ... und einen BH mit B-Cup, den Anja mit Tempotaschentüchern ausgestopft hatte. Ohne Oberweite hatte das Kleid einfach Scheiße ausgesehen.

Sie sah Stefan schon von weitem, obwohl er diesmal keine Bücher um sich herum gestapelt hatte, und auch keines seiner ausgewaschenen Jeans und T-Shirts trug, sondern eine helle Hose, und ein weißes langärmeliges Hemd. Plötzlich war sie froh über die Ausgaben.

Er stand in dem Moment auf, als er sie erblickte. Wieder war da das freundliche Lächeln, doch schien er über irgendetwas verärgert zu sein.

"Hallo, Stefan", sagte sie und wollte sich setzen, doch er streckte die Hand aus, und es wäre unhöflich gewesen, das zu ignorieren.

"Guten Tag, Anja. Du siehst bezaubernd aus, wenn auch ..." Er unterbrach sich, wandte sich ab und zog einen der Stühle unter dem Tisch hervor. "Setz dich, bitte."

Kaum hatte sie Platz genommen, kam schon die Bedienung mit einem Kaffee für ihn, einem Cappuccino für sie und zwei Stücken Obstkuchen.

Anja runzelte die Stirn. Wollte sie sich wirklich so vereinnahmen lassen?

"Versuch den Erdbeer-Rhabarber-Kuchen. Das ist der beste auf der Welt."

Die junge Frau, die den Kuchen gebracht hatte, lachte auf. "Nur nicht übertreiben, Herr Hoffmann."

"Na gut." Er grinste. "Der beste, den ich kenne."

Die Frau lachte noch einmal und verschwand.

"Bist du öfters hier?", fragte Anja. Was sie von den Preisen mitbekommen hatte, würde ihr Budget sprengen, auch wenn sie sich das hier nur einmal pro Monat gönnen würde. Doch bevor er antworten konnte, erreichte der Geschmack des Kuchens ihr Gehirn. "Mhmhmh", machte sie — wahrscheinlich zu laut für diesen piekfeinen Laden. "Das ist guuut."

"Sage ich doch", erwiderte Stefan sehr selbstzufrieden.

Sie piekte mit der Gabel in seine Richtung. "Woher kennst du meinen Lieblingskuchen und woher weißt du, dass ich Cappuccino trinke."

"O, ich weiß noch mehr über dich. Du studierst Sprachen auf Lehramt, lebst mit Sonja Herbst zusammen, und das nicht nur platonisch, du—"

Anja zuckte zusammen. "Woher ...", keuchte sie. "Wir haben versucht ..."

Stefan legte seine Hand auf den Tisch, offen, mit der Handfläche nach oben, eine Einladung. Er drängte sie nicht, doch Anja konnte nicht anders, als ihre viel kleinere Hand in seine zu legen. Sie hatte erwartet, er würde seine Hand besitzergreifend schließen, sie festhalten, doch er strich nur leicht mit seinem Daumen über ihre Handrückseite und all ihre feinen Härchen richteten sich auf.

"Ich habe dich beobachtet", sagte er, sachlich und leise. "Schon seit Jahren. Dich und deine Geliebte. Die Blicke, die ihr in der Mensa austauscht, sprechen Bände. Ich ..." Er holte tief Luft. Plötzlich waren Unsicherheit und Verletzlichkeit auf seinem Gesicht zu lesen. "Ich habe meine Eltern früh verloren und bin bei meinen Großeltern aufgewachsen. Ich habe Probleme, meine Gefühle auszudrücken. Ich ... ich ... ich hätte dich schon vor Jahren ansprechen müssen, doch ich war zu feige."

Anjas Augen wurden groß. Der selbstbewusste Kerl, feige?

"Du bist so schön", murmelte er.

Anja wollte ihm widersprechen, zu dicker Hintern, keine Brüste, Pickel, die sie immer wieder übermalen musste, doch die Ernsthaftigkeit in seinen Augen war unübersehbar.

Er holte tief Luft. "Ich ... ich habe dich manipuliert. Vor zwei Wochen hat Sonja mich angesprochen. Sie hat wohl gesehen, wie ich dich immer wieder angestarrt habe, wenn du mich nicht gesehen hast. 'Willst du sie haben?', hat sie mich gefragt."

Das war typisch Sonja. Anja lachte, obwohl sein Geständnis ihr einen Stich ins Herz verpasst hatte.