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Undercover Teil 01

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Geheimdienstauftrag, der Scheinehen erfordert.
9.3k Wörter
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Dies ist eine Geschichte über einen Geheimdienstauftrag, der erfordert, dass die verdeckt ermittelnden Partner eine Scheinehe eingehen müssen.

Undercover - Teil 1

Cora ist frustriert

Cora war mehr als nervös. Wie hatte sie nur in diese absurde Situation geraten können? Bisher war sie schon mehr als ein halbes Jahr im Einsatz für den Verfassungsschutz und große Fortschritte waren nicht sichtbar gewesen. Sie waren aber nötig, um ihren Auftrag zu erfüllen. Damit war auch ihre weitere Zukunft fraglich. So hatte sie in einer Hinsicht den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Schön, sie hatte damals zugestimmt beim Bundesnachrichtendienst mitzuarbeiten, um aus der DDR über Rumänien nach Frankreich ausgeschleust zu werden. Sie hatte in Thüringen Schwierigkeiten mit der KPD bekommen, nachdem sie in 1960 ungewollt in die katholischen Aktivitäten mit einer obskuren Sekte ihrer Mutter hineingezogen geworden war. Damit hatte sie plötzlich zwischen allen Stühlen gesessen. Zuerst hatte sie überlegt, ob sie sich von ihrer Mutter und deren Sekte lossagen sollte, als sie zum ersten Mal im Kurs Marxismus-Leninismus von ihrem parteitreuen Dozenten angesprochen worden war. Dann überstürzten sich die Ereignisse. Sie wurde am selben Tag von der Stasi angesprochen, doch als IM in der Sekte zu wirken. Sie hatte sich Bedenkzeit ausgebeten. Am nächsten Tag wurde ihr von einem Sektenmitglied unverhüllt damit gedroht, dass sie auf keinen Fall mit der Stasi weiter reden sollte, sonst würde man sofort aufdecken, dass sie unzulässige Westkontakte hatte. Jetzt blieb ihr nur noch übrig, ganz unverblümt der Stasi sofort abzusagen. Damit war allerdings das Beenden ihres Studiums in der DDR ganz unmöglich geworden, denn sie wurde sofort von der Uni ausgestoßen. Der einzige ihr offiziell angebotene Arbeitsplatz in der Zone war Putzfrau für die Toiletten in der Uni...

Sie hatte nur noch an Flucht gedacht -- und ihre Westkontakte genutzt, bis sie bei einem Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes landete. Sie hatte nicht erwartet, als Leistung für ihre neue Identität, die ihr die Flucht ermöglicht hatte, so lange vom BND an den Verfassungsschutz ausgeliehen zu werden und dafür arbeiten zu müssen. Gut, ihr Pass mit der französischen Herkunft war viel wert und ihre Zeit in der Provence nach der Ausschleusung war traumhaft gewesen, auch wenn das sichere Haus dort absolut abgelegen gewesen war.

Dankenswerterweise wies ihr neuer Name Cora Moulin genügend Ähnlichkeit mit ihrem eigentlichen Vornamen Cornelia Mueller auf. Aber nun war sie im verdeckten Einsatz in der elenden Sekte, wegen der sie überhaupt ausreisen musste. Ja, sie war zwar auch der Meinung, dass diese Sekte mit katholischem Ursprung gefährlich war - Opus Dei war dagegen der reinste Kindergarten -- aber warum musste ausgerechnet sie in dieser Sekte verdeckt arbeiten? Sie hatte doch in der DDR selber genug unter der Sekte gelitten, in der ihre durchgeknallte Mutter noch heute Mitglied war. Die hatten ihr Studium vermasselt...

Ursprünglich sollte ihr Einsatz auf dem Bauernhof bei der Sekte nur drei Monate dauern. Aber es erwies sich als unheimlich schwer, Informationen zu beschaffen. Bis jetzt hatte sie nur zwei in sechs Monaten beschafft -- eine im Quartal. Nicht gerade berauschend als Erfolgsquote -- und nicht genug, um ihr den Ausstieg zu ermöglichen. Einmal die erste Nachricht vor bald fünf Monaten, dass die Residenz der Führungselite der Sekte aus zwei Teilen bestand. Der erste Teil sollte ein ehemaliges Kloster sein, während der zweite Teil sich in den Wirtschaftsanlagen dieses Klosters in einem kleinen, schwer zugänglichen Dorf befand. Und vor einem Monat die Info, dass ein zentrales Führungsmitglied unheilbar an schwarzem Hautkrebs erkrankt war, der in der Sparte Landwirtschaft tätig war -- er würde bald ausfallen.

Ebenso setzte ihr der Umzug von der schönen, sonnigen Provence in das erst herbstliche trübe und danach dann winterlich dunkle Münsterland mit den kurzen Tagen mehr zu, als sie jemals gedacht hatte. Gleichzeitig war sie das ländlich gehaltvolle Essen nach der leichten, mediterranen Küche nicht mehr gewohnt. Sie erkannte sich selbst bald nicht mehr - sie hatte mehr als nur ein paar Pfunde zugenommen. Sie musste von der Sekte auf dem Bauernhof und dem bäuerlich deftigen Essen unbedingt weg.

Vielleicht war ja diese potentielle neue Mission innerhalb der Sekte der Ausweg, den sie suchte. Ihr Betreuer vom BND hatte ihr jedenfalls vor einer Woche erzählt, dass sie damit das große Los ziehen würde, wenn die Mission erfolgreich wäre und ihre Aussichten wären exzellent, diese Mission zu bekommen. Er würde ihr in diesem Fall sogar eine beamtete Stelle in Deutschland garantieren, sobald ihre Ehe staatlich geschieden würde. Allerdings hatte er sie auch gewarnt, dass dieser Einsatz nach seiner persönlichen Ansicht leicht zwei bis drei Jahre dauern könnte. Dann könnte sie mit der Ausbildung als Beamtin im höheren Dienst erst ab 23- 34 Jahren anfangen und war schon bald eine alte Schachtel mit Ende zwanzig, bevor sie sich ein neues Leben in Deutschland aufbauen konnte.

Was diese Mission war, sagte er ihr zunächst nicht klar. Die Bedingungen für die Mission waren nicht so schwer zu erfüllen: Neue Identität samt ‚Heirat' zu akzeptieren, Sektenmitglied sein und die Bestrafungsmethoden der Sekte kennen sowie offiziell keine Verhütungsmittel einzusetzen. Natürlich war es eine Scheinheirat! Zwei der Bedingungen waren doppelt gemoppelt -- gläubiges Sektenmitglied zu sein, hieß auch gleichzeitig keine Verhütungsmittel einzusetzen. Die Leute hatten ihre Hausaufgaben nicht wirklich gründlich gemacht.

Horst Hense ist genervt

Wochen vor der dieser Eignungsprüfung hatte der Abteilungsleiter Dr. Horst Hense im Verfassungsschutz einen Auftrag erhalten, der nach einer unerfüllbaren Aufgabe aussah. Wie in aller Welt sollte er in vier Wochen in den verfügbaren Polizei- und Nachrichtendiensten ein katholisches Ehepaar finden und trainieren, wo der Ehemann in einer Sekte in Deutschland Aufklärungsarbeit leisten sollte? Der ideale V-Mann sollte gleichzeitig ein ausgewiesener Fachmann in Landwirtschaft sein sowie der Sekte nahestehen oder bereits ein Mitglied davon sein. Für seine Spionagetätigkeit sollte er daneben noch so ein Experte in Finanzen sein, dass er die komplexen Geldgeschäfte der Sekte ausforschen konnte. Und so ganz nebenbei sollte er mit einer konservativ katholischen Ehefrau verheiratet sein. Warum hatte man ihn nicht gleich nach einer eierlegenden Wollmilchsau gefragt? Die zu finden, wäre vermutlich einfacher.

Er würde beide Wege beschreiten müssen. Einmal nach so einem Landwirt mit einer Ehefrau suchen, die als Frau vielleicht auch einen Teil der verlangten Fähigkeiten erfüllte. Aber chancenreicher schien ihm der Weg, Landwirtschaftsexperten und eine ledige Frau mit komplementären Fähigkeiten so zu suchen, dass die Fähigkeiten optimal kombiniert werden konnten - und die arrangierte Heirat der beiden war dann der Ausweg. Zumindest einer der beiden Partner musste Sektenmitglieder persönlich kennen. Gute Buchhalterinnen waren in den Diensten schon etwas einfacher zu finden. Landwirtschaftsexperten würde er außerhalb der Dienste finden müssen.

Weg eins mit dem Auffinden eines existierenden Ehepaares war in der kurzen Zeit eine totale Fehlanzeige, wie er schon vermutet hatte. Der Weg zwei über Heirat ergab zumindest einige potentielle Kandidaten.

Bei den Damen sah es bereits nicht gut aus. Er hatte weit weniger Auswahl, als ihm lieb war. Er brauchte vorzugsweise unverheiratete, katholische Damen aus den Nachrichtendiensten oder sehr polizeinahen Diensten, die sich mit Buchhaltung auskannten. Davon gab es zwar viele, aber nur sehr wenige, die sich wegen einer Tätigkeit als Agentin rechtsgültig mit einem fremden Mann verheiraten wollten. Das konnte er nur zu gut verstehen, aber es half ihm nicht. Er hatte nur drei Frauen aus den Diensten, die in Vorinterviews auf die erste Frage mit ja geantwortet hatten, davon hatten zwei auch die Fragen 2 und 3 glaubhaft beantworten können und beide waren aktive Agentinnen mit Erfahrung im verdeckten Einsatz. Die restlichen zwei Fragen waren bis auf den einen Fall der Agentin in der Sekte nicht sauber abgeklärt worden:

1.Bereitschaft, mit einem unbekannten Mann eine rechtsgültige Ehe einzugehen 2.Kandidatin ist Sektenmitglied oder ist zumindest als konservative Katholikin bekannt 3.Bereitschaft, mit dem Mann eine katholisch rechtsgültige Trauung zu akzeptieren 4.Die Regeln der Sekte über körperliche Disziplinierung zu akzeptieren

Er hatte damit weit weniger Auswahl, als ihm lieb war. Er musste also versuchen, katholische Fräuleins aus anderen staatlichen Diensten zu finden, die sich mit Buchhaltung auskannten und die bereit waren für eine Agententätigkeit. Auch aus diesem viel größeren Pool der Staatsdienerinnen gab es nur zwei andere geeignete Kandidatinnen. Natürlich waren die Punkte drei und zwei eigentlich ein Widerspruch an sich -- konservative Katholikin zu sein und eine katholische Ehe nur für eine Agententätigkeit einzugehen funktionierte nur, wenn der Groll auf katholische Sekten so groß war, dass er diesen Widerspruch aufhob oder wenn die Loyalität zum anfragenden Vorgesetzten so stark war, dass diese auch solche Opfer akzeptierte. Bei der kommunalen Verwaltung oder im Finanzdienst gab es auch nur wenige Abteilungsleiter, die sich bei einer Anfrage des Verfassungsschutzes ins Zeug legten, um Kandidatinnen zu finden -- das war ihm schon klar gewesen.

Die bisherige Ausbeute an geeigneten männlichen Kandidaten mit Landwirtschaftskenntnissen in staatsnahen Bereich war noch magerer. Bisher hatte er zwei mögliche Kandidaten, von denen nur einer hundertprozentig auf das Profil passte. Der zweite hatte nur zwei der drei Basisfragen für Männer positiv beantwortet. Es gab zwei weitere, die Wackelkandidaten waren, weil ihre Antworten in den Vorinterviews nicht klar waren. Erstaunlicherweise war nur einer war ganz positiv für Frage 4, und der war ausgerechnet der Jüngste:

1.Bereitschaft, mit einer unbekannten Frau eine staatlich rechtsgültige Ehe einzugehen 2.Kandidat steht der Sekte nah oder hat einen glaubhaften Hintergrund als Katholik 3.Bereitschaft, mit der Frau eine katholisch rechtsgültige Trauung durchzuführen 4.Bereitschaft, die Frau glaubhaft hart übers Knie zu legen nach den Regeln der Sekte

Von den Männern würde er somit alle zum Test einladen müssen. Von den Frauen alle, die die Frage vier positiv beantwortet hatten und von den anderen die, die nicht wesentlich älter als der jüngste männliche Kandidat waren. Das waren auch insgesamt vier Frauen.

Jan bereitet sich auf die Woche vor

Jan war nervös. Am Dienstag würde er in der Stadt sein müssen. Es gab Termine, die er mit der Bank wahrnehmen musste, um sich weitere Kredite für sein junges Unternehmen zu sichern. Nach dem Krieg hatte er umgesattelt und noch einmal studiert. Endlich konnte er jetzt mit Mitte vierzig die Früchte seiner Anstrengungen ernten. Er war vier Jahre in der Beratung von Agrargenossenschaften tätig, die sich auf seine Gutachten zur passgenauen und ökonomischen Düngung verließen. Sein Unternehmen stand an einem Wendepunkt. Er würde einen weiteren qualifizierten Mitarbeiter nur einstellen können, wenn er genügend Kredit bekam.

Am Montagabend bekam er einen Anruf. Er traute seinen Ohren nicht, als er das Angebot bekam, für eine Reihe von staatlichen Forstgesellschaften als Berater zu agieren, wenn er auf gewisse Konditionen hierfür einging. Das war ein Freifahrtschein für den Kredit. Die Konditionen waren allerdings sehr eigenartig. Er persönlich sollte für rund ein Jahr als Landwirtschaftsexperte in Europa für eine nicht genannte Sekte arbeiten, während sein bisheriger Angestellter das normale Geschäft abwickeln sollte und einen neuen Mitarbeiter einarbeiten sollte.

Noch abstruser wurde es später, als er dem zugestimmt hatte. Es gab ein Vorinterview. Er sollte in einer Sekte als verdeckter Ermittler arbeiten und eine Scheinehe mit amtlichen Trauschein akzeptieren -- na ja, darüber konnte man reden. Er hatte im Krieg als Offizier in der Abwehr gearbeitet -- er kannte also Geheimdienstoperationen. Dann sollte er allerdings noch bereit sein, eine katholische Trauung zu akzeptieren und die ‚neue' Frau übers Knie zu legen. Wollten die ihn verkohlen, oder was? Er lehnte das alles einfach und gerade heraus in dem Vorinterview ab. Er hatte noch genug von seiner Scheidung -- und dem enormen Aufwand die Ehe bei der katholischen Kirche annullieren zu lassen, nachdem ihn seine Ex-Frau im Krieg betrogen hatte. Letzten Endes hatte er das nur geschafft, weil sein nationalsozialistischer und atheistischer Freund in der SS sehr massiven Druck auf den zuständigen Bischof ausgeübt hatte. Daran erinnerte er sich inzwischen aber eher ungern.

Umso mehr war er erstaunt, als er trotz seiner ablehnenden Haltung eine Einladung zu einem Test bekam und ein Angebot über einen vermittelten Kredit, das viel günstiger war, als alles was er von den bisherigen Banken erhalten hatte. Wenn sie ihn verkohlen wollten, dann setzten sie dafür allerhand ‚Kohle' ein. Er sagte für den Eignungstest zu.

Cora ist überrascht

Sie war reichlich überrascht, als sie eine Einladung zum Eignungstest bekam. Die Mission betraf genau den Ersatz des Mannes in der inneren Führungsspitze der Sekte, der an Krebs erkrankt war, und über den sie berichtet hatte. Dafür wurde seine zukünftige Frau gesucht, da diese Position in der Sekte nur mit einem verheirateten Mann besetzt wurde. Der Verfassungsschutz wollte ein Ehepaar als verdeckte Ermittler einschleusen.

Das war nun ein anderes Kaliber. Die einfachen Mitglieder der Sekte waren zwar ohne großen Einfluss in der Sekte, dafür waren sie auch relativ frei. Die Überwachung von den führenden Köpfen der Sekte war viel strikter. Verräter auf diesem Niveau wurden nicht toleriert. Es fröstelte sie.

Andererseits verstand sie auch gleich, was ihr Betreuer mit der großen Chance gemeint hatte. In der Höhle des Löwen zu sein, hieß auch viel leichter an sehr geheime Informationen zu kommen, die der Sekte in Deutschland das Genick brechen konnten. Und wenn das geschah, würde sie frei sein von der Sekte -- und bald danach auch frei von den Geheimdiensten. Denn damit wäre ihre Mission erfüllt und die versprochene Ausbildung sicher. Der Ausstieg und die garantierte Einstellung waren eine satte Belohnung, aber auch die all die unbekannten Gefahren waren entsprechend hoch. Wie hoch, das sollte sie allerdings erst sehr viel später erkennen.

Der Test war am Anfang sehr viel einfacher als gedacht. Ihre Kenntnisse der praktischen Buchhaltung waren mehr als ausreichend, um die Fragen zum größten Teil aus dem Handgelenk beantworten zu können. Dann kamen die Fragen über erdachte Fragen zur Vergangenheit als Ehepaar. Hier ging es mehr über die Beschreibung von Situationen im Restaurant, in der Bahn, im Auto und bei sonstigen Gelegenheiten, in denen ein Paar zusammen war. Das war schwieriger. Es wurde noch schwieriger, als diese Situationen zusammen mit den ‚zukünftigen Ehemännern' in einem Interview diskutiert werden sollten. Es waren vier Kandidaten angekündigt.

Der erste war ein junger Mann, der vielleicht drei oder vier Jahre älter als sie war. Das ging gar nicht. Sie konnte schon nach dem ersten Blick von ihm sehen, dass er ihren Babyspeck alles andere als attraktiv fand. Dementsprechend waren seine Antworten. Und sie konnte sich nicht für die schnoddrige, arrogante Art von ‚Frühling' erwärmen. Es hatte einfach keinen Zweck.

Die beiden nächsten waren da schon besser aufgestellt. Beide waren bedeutend älter als sie und sehr höflich. Dementsprechend gingen sie auch viel besser auf sie ein. Der zweite davon war wohl Ende zwanzig und mit seinen schon leicht graumelierten Schläfen durchaus attraktiv. ‚Sommer' kannte sich auch mit Restaurants und französischen Weinen gut aus, was sich natürlich im Interview positiv auswirkte, allerdings war es erstaunlich wie schüchtern er sich verhielt. Sie mochte ihn eigentlich ganz gern. Der andere hatte den Codenamen ‚Winter' und war ihr einfach zu alt und zu ... - der Typ hatte einen Bierbauch und ungepflegte, grauweiße Haare. Eine Altersdifferenz von dreißig Jahren war sicherlich auch schwer zu erklären im Rahmen der Sekte.

Als der vierte mit dem Codenamen ‚Herbst' eintrat, traute sie ihren Augen nicht. Das konnte doch nicht wahr sein! Die Ähnlichkeit mit ihrem Vater war frappierend. Sie hatte ihn zwar zuletzt vor rund zehn Jahren gesehen, aber trotz der inzwischen ausgeprägten Geheimratsecken erschien ihr sein Gesicht noch so vertraut, dass sie am Anfang mehr als wortkarg war. Er erkannte sie nicht, falls es wirklich ihr Vater war. Klar, der hatte sie zuletzt gesehen, als sie ein zierliches Mädchen gut zehn Jahren war, als er als Offizier in den Krieg ging. Jetzt war sie bald elf Jahre älter und mit eher üppigen weiblichen Formen versehen. Sie konnte schon verstehen, dass er sie nicht erkannte. Vor dem Test hatte Herbert allen eingeschärft, dass sie ohne Ausnahme nur ihre Decknamen benutzen sollten und auf keinen Fall echte Namen. Sie konnte also nicht einfach damit herausplatzen und hundertprozentig war sie sich eben auch nicht sicher. Für das Interview machten sich ihre Erinnerungen an Eiscafés und Gaststätten gut, die ihre Eltern und sie damals als Familie besucht hatten. Sie brannte aber darauf, nach diesem Teiltest unbedingt mit dem Interviewer Herbert vom Geheimdienst zu sprechen. Selbstverständlich kam es nicht in Frage, dass wenn ‚Herbst' tatsächlich ihr Vater war.... Also, das ging gar nicht! Allerdings ging sie genauso wie ihr Betreuer davon aus, dass die Heirat als Scheinehe angelegt war. Aber selbst eine Scheinehe war etwas, was sie doch nicht mit ihrem Vater eingehen konnte!

Der Interviewer ging auf ihre Bitte für ein Gespräch zwar bereitwillig ein und hörte ihr auch zu. Er war allerdings sehr skeptisch, selbst als sie ihm den Namen ihres Vaters -- Jan Mueller - nannte. Er sagte auch ganz klar, dass er keine Entscheidungen treffen durfte. Er war nur für die Interviews zuständig. Er durfte im jetzigen Stadium keine Namen nennen, außer den Decknamen.

Jakob fühlt sich genervt

Er hatte es nicht so mit Gesprächen, die nach Rendezvous aussahen. Ursprünglich hatte ihn die romantische Idee einer Heirat in verdeckter Mission neugierig gemacht. Inzwischen fand er diese ganze Testsituation einfach nur blöde. Was sollte das alles?

Die erste nervte ihn schon über alle Maßen. ‚Erdbeere' -- so war ihr Codename -- hatte ihm lange alles über sich selber erzählt, bevor er auch nur richtig verstehen konnte, was sie wollte. Sie war langbeinig und blond -- und sie war strohdumm, nach seiner Ansicht.

Bei der ‚Sonnenblume' war es einfacher gewesen. Sie war alles andere als ein Sonnenschein, sondern eher von der Sonne verbrannt. Sie war weder attraktiv noch nett. Sie war nüchtern und eher hager zu nennen als schlank. Weiblich war für ihn etwas anderes, obwohl sie im selben Alter wie seine bewundernswerte Mutter war. Die dritte mit Codenamen ‚Pfirsich' hatte er zunächst allein schon wegen ihrer anfänglichen Einsilbigkeit und zurückhaltenden Art gemocht. Sie war keine von denen, die man auf dem Laufsteg einer Modeschau sehen würde. Sie hatte einige Pfunde zu viel an Bord und sie hatte ein richtiges Vollmondgesicht, aber ihr sommerliches Kleid passte zu ihrer Figur. Sie hätte eher in das Zeitalter von Rubens gepasst. Sie wirkte trotzdem auf ihn sehr anziehend mit ihrem Lächeln unter dem kurzen Haarschnitt mit den rotgoldenen Reflexen in der Farbe von Kastanien.

Die stattliche, elegante Frau mit dem Codenamen ‚Mohn' als letzte in der Reihe fand er zunächst genauso bemerkenswert wie seine Mutter. Sie wirkte jünger, war wohl Mitte -- Ende dreißig. Sie mochte er durchaus, auch wenn sie ziemlich selbstbewusst war. Sie war gut beim Reden, aber sie konnte auch zuhören. Mit der Zeit erinnerte sie ihn aber auch daran, dass diese verblüffende Ähnlichkeit mit seiner Mutter, abgesehen von Haarfarbe und Frisur, daran liegen könnte, dass sie seine vermisste Tante war, was ihn mehr und mehr irritierte. Denn es war ja die Zwillingsschwester seiner Mutter, die er mit knapp zehn Jahren zum letzten Mal gesehen hatte. Sie war in den Kriegswirren am Ende des Krieges verschollen.