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Unterwerfung des Innenarchitekten

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NaSchmi
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Er war außerdem überzeugt davon, dass er sich mit seiner Hilfe beim Umzug ein wenig Indiskretion verdient hatte. Die junge Frau hatte ihn neugierig gemacht, und ihre Unterwäsche war doch ein guter Ansatz! Er rieb den weichen Stoff zwischen seinen Fingern und war in Gedanken versunken, bis er in der Wohnung angekommen war und durch eine weitere Order erinnert wurde:

„Stell die Kiste ins Schlafzimmer!"

Augenblicklich ließ er das Höschen fallen und schaute schuldbewusst, als sei er ertappt worden, als Alina aus der Küche kam. Aber sie war wohl zu beschäftigt und merkte es nicht.

„Okay!" meinte er nur. „Mache ich!"

Sie sah ihn an, und er konnte ihren Blick nicht deuten, doch es erschien ihm, als hätte sie ihn durchschaut. Aber sie sagte dazu nichts weiter, sondern verlangte eine neue Kiste.

+ + +

Es war in Alinas Augen eine gute Arbeitsteilung, die sie gewählt hatten. Michael schleppte und Alina packte aus. Es war vollkommen unvorstellbar, dass er ihre Sachen auspackte. Sie wusste sehr genau, wo was hinkam. Man unterstellte Alina eine krankhafte Ordnungssucht. Aber das war natürlich Quatsch. Alina wollte nur gerne wissen, wo alles war. Deshalb hatte sie sich ein System entwickelt, nachdem sie die Dinge ordnete. Es machte ja auch Sinn. Wenn in der Küchenschublade ihrer alten Wohnung die Dinge alle in einer bestimmten Reihenfolge nebeneinander lagen, dann war es nur logisch, dass in der neuen Wohnung die Dinge in der gleichen Reihenfolge nebeneinander liegen sollten. Alina konnte blind in die Schublade greifen und das Küchenmesser herausnehmen. Was war daran nicht vorteilhaft?

So legte sich die Arbeitsverteilung automatisch fest. Alina bestimmte, was zu holen sei, und Michael holte es.

+ + +

Das erkannte auch Michael schnell, und er gehorchte brav, und meistens still, ächzte manchmal, gerne auch übertrieben, wenn er sich bücken musste, und sein Hintern schmerzte. Er verbrachte einen überraschend angenehmen Vormittag.

Bis eben zu diesem Satz: „Jetzt hör mal auf zu heulen! Sonst lege ich dich übers Knie, und dann hast du wirklich einen Grund zum Winseln!" Der erinnerte ihn wieder an den Ursprung dieser ganzen Sache. Eigentlich hätte er sich ein Lob gewünscht für seine gewissenhafte Arbeit trotz der schrecklichen Pein, die er zu ertragen hatte.

Jetzt brachte sie diese Domina-Sache auch noch auf die Tapete!

Michael biss von da an die Zähne zusammen und sich auf die Zunge und vermied weitere Klagen, solange sie in der Nähe war.

+ + +

Sie hatte ihr Ziel also erreicht. Offensichtlich war ihm diese Sache so richtig peinlich. Mittlerweile fand Alina das amüsant. Je mehr er das Thema versuchte, unter den Teppich zu kehren, desto lächerlicher erschien ihr das alles. Sollte er sich doch von einer Frau vermöbeln lassen! Wenn das sein Ding war, in Ordnung! Sie konnte damit nichts anfangen, aber im Rheinland sagte man: „Jeder Jeck ist anders." Es war nicht ihre Sache, über andere Leute zu richten. Wo sie herkam, gab es genug Engstirnigkeit, und Alina hoffte, dass sie in der Stadt ein wenig mehr Freizügigkeit und neue Ideen finden würde. Es schien sich ja auch zu bewahrheiten.

Wenn man sich hier aus Spaß von Dominas verhauen ließ, dann war das in ihren Augen vollkommen in Ordnung. Es war nicht ihr Ding. Sie verstand es nicht. Es interessierte sie nicht sonderlich. Sie hatte sich nie mit dieser Sado-Maso-Sache beschäftigt, obwohl alle Welt 50 Shades of Grey gelesen hatten. Aber als die kleine, junge Studentin, die in die große Stadt gezogen war, um dem miefigen Kleinstadtleben in die intellektuelle Freiheit zu entfliehen, fand sie immer mehr Sympathie dafür, dass man hier scheinbar so etwas tun konnte.

Umso mehr fand sie, dass Michael offener damit umgehen könnte, anstatt sich so anzustellen. So peinlich musste ihm das alles nicht sein! Selbst wenn er insgeheim in Ketten und Latex und so einem Ball im Mund wie in Pulp Fiction auf dem Boden herumkroch, schien er in Ordnung zu sein.

Allein hätte sie sehr viel länger für den Umzug gebraucht. Zu zweit hatten sie die paar Möbel und das Bett schnell zusammengeschraubt. Es war erst früher Nachmittag, als Alina den Transporter, den sie sich von einem Freund geliehen hatte, durch den dichten Verkehr der Universitätsstadt zurück in das kleine Kaff brachte, dem sie entflohen war.

Ihre kleine Heimatstadt war ihr in letzter Zeit zu klein geworden. Nach dem Abi hatte sie eine Lehre zur Industriekauffrau gemacht, weil ihre Eltern ihr das nahegelegt hatten. Sie hatte zugestimmt, weil sie selbst nicht gewusst hatte, was sie aus ihrem Leben machen sollte. Ihre Zukunftspläne bestanden sicherlich nicht darin, in einem Unternehmen für Stahlverarbeitung Karriere zu machen. Und so hasste sie den Job bald abgrundtief. Sie konnte es nicht erwarten, ihre Ausbildung zu beenden, und als sie endlich ihren Berufsschulabschluss in der Hand hielt, wollte sie nur weg und kündigte noch am gleichen Tag, obwohl man ihr eine Festanstellung im Einkauf anbot. Lieber hätte sie sich die Fingernägel mit glühenden Zangen ausreißen lassen, als sich darauf einzulassen. Stattdessen wollte sie studieren: BWL. Die wirtschaftlichen Themen hatten sie in der Ausbildung immer interessiert. Ihr schwebte vage vor, ein Studium in BWL für etwas Sinnvolles einzusetzen... wie die Organisation einer karitativen Organisation. Alina konnte sich in dieser Richtung Vieles vorstellen, aber nichts Konkretes. Sie war sich nur sicher, dass sie ihr zu erlangendes Wissen für eine gute Sache einsetzen wollte. Es war alles noch ein wenig unbestimmt, aber sie hatte ja gerade erst angefangen.

Kapitel 3 REKAPITULATION UND EVALUATION

Nachdem Alina ihn entlassen hatte, ging Michael hinunter in seine Wohnung. Der Einzug in die winzige Dachgeschosswohnung war erstaunlich schnell vonstattengegangen. Michael hatte sich schon mit Grausen vorgestellt, dass sein ganzer Tag dahin sein könnte. Doch die Studentin hatte einen kleineren Hausstand, als er angenommen hatte. Sie hatte keine Knoblauchpresse, keinen Mörser, keinen Messerblock. Wie sollte man da kochen? Sie hatte Bücher, aber keine Bilder, keine Wohnaccessoires, keine Teppiche.

Was ihren Geschmack betraf, man konnte das nicht anders ausdrücken, war sie eine Barbarin. Ihre Ausstattung war nicht minimalistisch, sondern einfach nur spärlich. Oder erbärmlich. Die verschiedenen Stile ihrer wenigen Möbel waren eklektisch zusammengewürfelt. Michael konnte nicht verstehen, wie sich einige Leute so wenig über den Stil ihrer Wohnung Gedanken machen konnten. Wo man doch so viel Zeit darin verbrachte! Stattdessen hausten viele in stilistischer Anarchie mit Möbeln, die nicht zusammenpassten in Räumen, die unvorteilhaft eingerichtet waren und einfach keinen Stil hatten.

Michael konnte beim besten Willen kein Verständnis für solch unzivilisierte Menschen entwickeln, und er traf recht viele davon. Vor allem in seinem Beruf. Sie kamen zu ihm, um seinen Rat zu suchen und sich von ihm ihre Wohnung oder ihre Geschäftsräume einrichten zu lassen, und wenn er ihnen dann Ratschläge gab, dann wollten sie seine Expertise nicht annehmen und begannen zu diskutieren. Am Anfang hatte Michael das sehr gestört, und er hatte sich in seiner Ehre verletzt gefühlt. Wie konnte irgendwer seine Kompetenz anzweifeln? Michael konnte es einfach nicht ertragen, sich mit seinen Klienten herumzuschlagen. Wenn er merkte, dass jemand seine Kompetenz nicht anerkannte oder irgendwelche Schwierigkeiten machte, dann schob er diese Person einfach auf eine Warteliste oder fand eine Ausrede, um nicht mehr mir ihr zusammenzuarbeiten. Er hatte es nicht nötig, Kompromisse zu machen. Seine berufliche Integrität kam vor dem Profit. Dieses Prinzip führe er so konsequent zu Ende, dass er es immer noch nicht geschafft hatte, auf einen grünen Zweig zu kommen und schwarze Zahlen zu schreiben. Sein Vater musste immer noch eine Menge zuschießen, damit er über die Runden kam.

Michael ging also eine Etage hinunter in sein Büro, das eigentlich eine Wohnung auf der Etage gegenüber seiner Wohnung war, und legte die Beine auf den Schreibtisch, vorher legte er sich aber noch ein weiches Kissen auf seinen Sessel und blätterte in den Fachzeitungen. Nach einem Bad war ihm nicht mehr.

Aber es gelang ihm nicht. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Das lag sicherlich nicht zuletzt an seinem schmerzenden Hintern. Immer wieder fand er seine Gedanken bei der Domina, die er am Tag zuvor besucht hatte.

Es war eine Schnapsidee gewesen. Das gab er gerne zu.

„Mistress Jasmin", so nannte sie sich im Internet. Sie betrieb eine altmodisch anmutende Internetseite, die noch mit der Hand gemacht schien. Der Besucherzähler stand auf 218. Das war ihm irgendwie sympathisch. Offensichtlich hatte er es mit einer Anfängerin zu tun. Der Gedanke an eine sechzigjährige Oma mit Kriegserfahrung lag ihm überhaupt nicht. Er fühlte sich zu jüngeren Frauen hingezogen, und wenn diese Jasmin noch nicht so abgebrüht war, umso besser!

In seiner Stadt gab es eine Handvoll Dominas, aber er wollte seinen Ruf und die Familienehre nicht aufs Spiel setzen, und so suchte er ein wenig weiter weg. Mistress Jasmin lebte 50 Kilometer entfernt in einer kleinen Stadt, die er nur dem Namen nach kannte. Da er selbst auch Anfänger war, und er das alles nur einmal ausprobieren wollte, sagte ihm das Provinzielle zu. Eine Anfängerin würde mit ihm auch nur Anfänger-Sachen machen, so stellte er sich das zumindest vor. Keine Schweinereien wie all die ekelhaften Dinge, von denen er im Internet gelesen hatte. Er wollte quasi nur einmal schnuppern, und was konnte da schiefgehen mit jemandem, der bisher nur 218 Besucher auf seiner Internetseite verbuchen konnte? Er suchte ein Foto, fand aber nur eines, das ihre Beine zeigte. Sie steckten in langen Lederstiefeln mit sehr hohen Absätzen. Es musste unangenehm sein, in solchen Stiefeln den ganzen Tag zu laufen, hatte er noch gedacht. Ergonomie war sein Spezialgebiet an der Uni gewesen, als es in einem Seminar um die Einrichtung von Arbeitsplätzen ging. Ergonomie war wichtig. An gut eingerichteten Arbeitsplätzen arbeitete man effektiver, produktiver und man verringerte Ausfallzeiten wegen Krankheit um bis zu 20%. Das hatte er alles gelernt!

Er überlegte, wie es sein mochte, ein Studio für eine Domina einzurichten. Vielleicht konnte er ihr ja einige Tipps geben. Vielleicht konnten sie irgendeine Vereinbarung zur beiderseitigen Zufriedenheit schmieden. Er konnte sich das vorstellen.

Ihre Webseite war voller Rechtschreibfehler, aber gerade das Dilettantische daran zog ihn an und verleitete ihn dazu, ihr eine Mail zu schreiben.

„Sehr geehrte Frau Mistress Jasmin", so hatte er begonnen. „Von ihrer Webseite habe ich erfahren, dass Sie eine strenge Domina sind. Gerne würde ich Ihre Dienste in Anspruch nehmen und mich von Ihnen dominieren lassen..."

Es war ihm nicht klar, wie man solch eine Nachricht am besten verfasste, und so dachte er sich, dass ein formelles, respektvolles Auftreten angemessen wäre. Er entschied sich für die Förmlichkeit und Distanz eines Bewerbungsschreibens.

Sie hatte noch am gleichen Nachmittag geantwortet und einen Termin vorgeschlagen. Auch ihre Mail war voller Rechtschreibfehler, und die Komma-Taste an ihrer Tastatur, sowie die Hochstelltaste mussten kaputt sein, denn in ihrem kurzen Text fanden sich keine Satzzeichen und keine Großbuchstaben. Nein, das stimmte nicht ganz. Ihr Abschluss war komplett in Großbuchstaben (Allcaps, wie der Fachmann sagt) und mit zu vielen Ausrufezeichen versehen:

„UNTERWERF DICH MIR!!!!!"

Es hätte natürlich „unterwirf" heißen müssen, aber er gestand ein, dass Imperative schwer zu handhaben waren. Der Gedanke, sich von einer Frau dominieren zu lassen, die ihm intellektuell unterlegen war, reizte ihn sogar noch mehr. Während er vor seinem Rechner saß, malte er sich aus, wie eine unvorteilhaft in Leggins mit Leopardenmuster gekleidete junge Frau, die so eben ihren Hauptschulabschluss gemacht hatte, mit zu viel Makeup in ihren unbequem hochhackigen Schuhen ihn zurechtwies und vor ihr knien ließe. Es erregte ihn, das konnte er nicht bestreiten. Er stellte sich vor, wie sie sich in ihrem geschmacklos eingerichteten Wohnzimmer über ihn lustig machte und ihn übel beschimpfte. Der Gedanke, dass jemand, der offensichtlich so weit unter ihm stand, die Kontrolle über ihn hatte, ihm sagte, was er zu tun hatte, machte ihn nun doch so geil, dass es angenehm unangenehm eng in seiner Hose wurde. Es bestätigte den Termin gleich, und achtete darauf, seinerseits ein paar Rechtschreibfehler in seine Mail einzubauen. Quasi als Test, ob es ihr auffiele und sie dies als Respektlosigkeit auffasste. Aber sie antwortete nicht mehr. Vielleicht war es ihr nicht aufgefallen, vielleicht war es ihr egal. Vermutlich hatte er zu viel von ihr erwartet.

Michael fuhr am nächsten Tag rechtzeitig los. Seinen Termin hatte er um 15:30 Uhr. Er fragte, sich, der wievielte Freier er an diesem Tag wohl sein würde. Doch die Antwort auf diese Frage erschien ihm umso unangenehmer, je länger er darüber nachdachte. Er wollte nicht wie am Fließband von einer kalten und anteilslosen Frau dominiert werden. Er wollte, dass sie ihn trotz allem, was sie mit ihm anstellte, irgendwie mochte und respektierte- auch wenn er das gerade von einer Prostituierten nicht erwarten konnte und es widersprüchlich schien Respekt zu wollen, wenn es eigentlich darum ging, diesen versagt zu bekommen.

Das Navi führte ihn über die Landstraße in eine heruntergekommene Ecke der Stadt zu einem Wohnblock mit vierstöckigen Mietskasernen. Es war kein schöner Ort.

Er stellte seinen SLK ab, der zwischen all den Rostlauben deplatziert wirkte, und steuerte auf die Hausnummer 8 zu. Mistress Jasmin hieß eigentlich Jasmin Schröder, wie er der Klingel entnahm. Was immer geschah, würde wohl in ihrer Wohnung stattfinden. Er klingelte, stellte sich über die Sprechanlage vor und glaubte, im Hintergrund das Geschrei eines Babys zu hören. Aber er konnte sich auch irren. Vielleicht war es das Radio oder das Fernsehen. Eine weibliche Stimme sagte ihm, er solle einen Moment warten, und er fragte sich, ob das schon Teil des Spiels wäre: Dass er dumm vor der Tür zu warten hatte. Da sie ihn recht lange warten ließ, beschloss er, es als Beginn ihrer Session aufzufassen. Mit dieser Entscheidung bemerkte er augenblicklich, wie es sich in seinem Schritt regte. Das also war der Beginn! Die Vorfreude bahnte sich ihren Raum in seiner Hose.

Doch als es länger und länger dauerte, seine Uhr dokumentierte fünf Minuten des Wartens, legte sich die Freude wieder. Er sah sich um. In einiger Entfernung standen drei Jugendliche in Jogginganzügen. Sie hatten Bierdosen in der Hand und sahen immer wieder zu ihm und dann zu seinem Wagen herüber. Michael wurde etwas mulmig, und als sie anfingen laut zu lachen, empfand er Peinlichkeit. Wussten sie, zu wem er wollte? War einer von diesen Typen vielleicht sogar Mistress Jasmins Zuhälter? Er hätte kein so großes Problem gehabt, wenn diese Männer geglaubt hätten, er würde zu einer normalen Prostituierten gehen. Aber eine Domina? Das war ihm peinlich, weil es als unmännlich galt. Seine ganze Neigung war ihm zutiefst peinlich. Es war einfach nicht männlich. Aber was konnte er tun? Starke Frauen machten ihn nun einmal an. Sie hatten es vielleicht schon immer getan, auch wenn es ihm erst kürzlich so richtig bewusst geworden war.

Er wusste auch nicht, wo das herkam. Irgendwo hatte er etwas davon gelesen, dass das etwas mit einer dominanten Mutter zu tun haben musste, aber Michael fand sich in dieser Theorie nicht wieder. Seine Mutter war alles andere als dominant gewesen. Sie war sogar ganz das Gegenteil gewesen. Zurückhaltend, vor allem im Vergleich zu seinem Vater, der immerzu unglaublich ambitioniert und ehrgeizig war, eine Charaktereigenschaft, die er selbst nicht geerbt hatte, und darüber war er auch ganz froh, denn sein Vater und auch sein Großvater waren für seine Begriffe zerfressen von Ehrgeiz und dem Streben nach Macht. Er selbst genoss lieber. Interessanter fand er in diesem Zusammenhang die Theorie, dass vor allem außerordentlich erfolgreiche Managertypen sich häufig von Frauen dominieren lassen wollten. Weil sie im Beruf so viel zu entscheiden hatten, mochten sie es, in ihrer Freizeit die Zügel aus der Hand zu geben. Aber wenn Michael ehrlich war, dann passte auch diese Theorie nicht so richtig auf ihn. Er musste zugeben, dass sein Job ihn nicht so sehr forderte, obwohl er natürlich ein Manager war. Ein Manager der Inneneinrichtung!

Er vermittelte ihm nicht den Wunsch, die Zügel aus der Hand zu geben. Küchenpsychologie half ihm nicht weiter, und eigentlich akzeptierte er seine Neigung ja auch. So lange eben niemand sonst davon wusste. Schon gar keine Jugendlichen in Ballonseide mit Bierdosen, die in ihrer Bewerbung unter Hobbys auch das Ableisten von Sozialstunden aufführen konnten.

Michael wartete also. Nachdem zehn Minuten verstrichen waren, kam er sich allmählich dumm vor. War das ein Test? Erwartete sie etwas von ihm? Sollte er noch einmal klingeln? Hatte sie ihn gar vergessen? War sie noch mit einem weiteren Klienten beschäftigt? Würden die beiden sich begegnen, wenn der aus der Wohnung kam und er hineinginge? Das war genau das, worauf er keinen Bock hatte. Als die ersten Gedanken in ihm hinaufkrochen, das ganze abzublasen, zurück in seine Wohnung zu fahren, eine Pornoseite im Internet zu öffnen und es sich vor dem Rechner bequem zu machen, da ertönte die weibliche Stimme in der Gegensprechanlage wieder:

„Komm rauf!"

Der Summer wurde betätigt und Michael stieg durch das Treppenhaus, hinauf in den zweiten Stock. Schon bevor er die Wohnung erreichte, überdeckte der Gestank kalten Zigarettenrauchs den Mief des Treppenhauses.

„Mach schneller!", blaffte die Stimme der Frau ihn an, bevor er sie überhaupt sehen konnte, und er beeilte sich, ihrem Befehl nachzukommen.

Schließlich stand er vor der Frau, die wie Ende zwanzig aussah. Sie lehnte im Türrahmen und schaute ihn abweisend an. Sie war relativ klein mit einer unvorteilhaften Lockenfrisur in Straßenköterblond. Sie trug eine schwarze Korsage, die ihre nicht sehr großen Brüste ein wenig anhoben. Ein kurzer Rock aus Kunstleder und eine schwarze Strumpfhose rundeten das Bild ab. Ihre Füße steckten in schwarzen Stiefeln, die bei weitem nicht so gefährlich aussahen wie die im Internet. Sie war sicherlich nicht seine Traumfrau, aber sie war auch nicht abstoßend anzusehen. Michael hatte sich schon auf ein billiges Erlebnis eingestellt, und er wurde offensichtlich nicht enttäuscht. Eine Prekariatsdomina. Der Begriff fiel ihm spontan ein, und ihm war auch bewusst, dass der nicht gerade politisch korrekt war. Aber er passte irgendwie.

„Komm rein, du perverse Sau!", raunzte sie ihn an.

Sie machte ihm Platz, und er betrat den Flur der kleinen Wohnung, die penetrant nach kaltem Zigarettenrauch stank. Aber je abstoßender die Szenerie war, die vergilbte Tapete, der fleckige Teppich, die Nippesfiguren aus Pressglas auf der Kommode, desto mehr erregte es ihn auch. Er sollte sich dieser Frau unterwerfen? Er sollte sich von ihr sagen lassen, was er zu tun hatte? Er sollte sich ihr ausliefern? Der Gedanke beflügelte seine Phantasie. In seinem Kopf spielten sich großartige Szenarien ab.

„100 Vorkasse!"

Michael holte sein Portemonnaie heraus und gab ihr zwei Fünfziger, die sie sich wie in einem schlechten Western ins Dekolletee steckte. Das Klischee dieser Geste machte ihn nur noch schärfer. Es war alles so billig und stillos, so unter seinem Niveau, wenn das auch arrogant klingen mochte. Es machte ihn geil. Dass er, der Feinsinnige und Gebildete sich dieser billigen Frau auslieferte.

„Komm mit!" Sie und ging vor, und er folgte ihr durch den engen und dunklen Flur.

Alle Türen waren verschlossen, sodass er nicht in die restlichen Zimmer schauen konnte. Aber es bestand kein Zweifel, dass er in einer Wohnung war. Als er hinter ihr herging, vermeinte er den ranzigen Geruch trockenen Schweißes zu riechen. Er stellte sich vor, wie sie sein Gesicht in ihre Achselhöhle pressen würde und er von diesem bitteren Geruch gepeinigt würde, der aber doch so erregend wäre, weil er ihre geronnenen Hormone verteilte.

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