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Urlaub mit Mama

Geschichte Info
Friesische Übungen.
14.8k Wörter
4.06
139k
3
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Zur Übersicht für die geneigte Leserin und den geneigten Leser -- es gibt ja deren einige, denen meine Geschichten gefallen -- hier eine chronologische Übersicht meiner bisherigen Geschichten:

[Der Unterschied]

[Die Grundbegriffe]

Das Obligatorische

[Über einen starken Typ]

[Ferienspaß I]

PennälerInnenfeten

Lernen fürs Abitur

[Ferienspaß II]

Erstes Eheleben

Auf Schlingerkurs in den Hafen (mit Ferienspaß III)

Der weltberühmte Pianist hat heute nicht seinen besten Tag

Auf der Durchreise

Der Wanderclub

Die Ernennung

[Hinter unverschlossenen Türen]

Vetternwirtschaft

Vom anderen Ufer

An der Ostsee hellem Strande ...

Wenn der Herr außer Haus ist, tanzt das Mäuslein im Bette

Die Rettung aus der Gosse

Die Tröstung

Gartenarbeit

Das Cembalo

Urlaub mit Mama

Die mit [] markierten Texte sind nicht in Literotica zu finden, denn sie handeln von Jugenderlebnissen, bei denen einige der handelnden Personen noch keine achtzehn Jahre alt sind, oder sie sind kürzer als 750 Wörter. Wer auch diese Texte lesen möchte, melde ich bei mir, möglichst per E-Mail.

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Über diesen Aufregungen -- Scheidung, Wohnungssuche, Wohnungseinrichtung, Cembalokauf -- waren die Sommerferien und die ersten Wochen des neuen Schuljahrs vergangen, und meine Mutter meinte, in den dreiwöchigen Herbstferien könnte ich jetzt mal wieder mit ihr einen Nordseeurlaub machen, ich sei ja jetzt allein. Seit dem Tod meines Vaters war sie nicht mehr in Urlaub gefahren, und jetzt war wieder die Gelegenheit einer Reisebegleitung, die ihr die Koffer trug und sich sonst um sie kümmerte. Auch ich hatte nach diesen aufregenden Wochen Lust auf einen Urlaub in anderer Umgebung, und so sagte ich gerne zu.

Wie es so ist zwischen Eltern und Kindern, besonders wenn sie schon erwachsen sind: Es gibt immer wieder Auseinandersetzungen und Spannungen. Es begann mit der Bestellung der Zimmer. Meine Mutter wollte aus Sparsamkeitsgründen für uns beide ein Doppelzimmer buchen.

"Aber Mama", sagte ich verzweifelt, "du bist es schon eine ganze Zeit nicht mehr gewohnt, mit einem Zimmergenossen zu schlafen, und mit mir zusammen hast du noch nie geschlafen seit meiner Babyzeit, und ich bin doch eine noch größere Nachteule als du, und beim Fernsehen haben wir auch verschiedene Geschmäcker -- also nehmen wir doch zwei Einzelzimmer, wir können es uns doch leisten!"

"Aber wir nehmen doch auch nicht viele Sachen mit, ein Kleiderschrank reicht doch auch für uns beide."

"Mama, es geht doch nicht um den Kleiderschrank, es geht darum, daß wir uns nicht gegenseitig immer auf die Füße treten, auf die Nerven gehen und uns was vorschnarchen."

Meine Mutter brachte noch eine Reihe anderer Gründe vor, wobei sie das heikle Thema von Männerbesuchen peinlich vermied, aber schließlich willigte sie doch ein, zwei Einzelzimmer zu nehmen, allerdings unter der Bedingung, daß sie nebeneinander lägen.

In dieser Nachsaison hatte das Hotel unserer Wahl solche Zimmerpaare anzubieten, und ich wählte zwei Zimmer mit Blick auf die Nordsee.

Die Ferien nahten, ich kaufte mir einige neue Bikinis, sexy, aber doch meinem gesetzteren Alter und meiner etwas fülliger gewordenen Figur Rechnung tragend -- Tangas, das mußte nicht mehr sein, aber ich war wild entschlossen, trotz den zu erwartenden Protesten meiner Mutter am Strand und auf der Promenade im Bikini zu gehen.

Um die ganzen Ferien auszunutzen, fuhren wir schon am ersten Tag los, erreichten rechtzeitig unsere Fähre, setzten zur Insel über, fuhren zum Hotel, bezogen unsere Zimmer, aßen abends im Restaurant eine Scholle und gingen früh schlafen. Am nächsten Tag die übliche Norsee-Urlaubs-Prozedur: Mieten eines Strandkorbs, uns schwachen Frauen brachte ihn uns der Strandwärter zu einer leeren Strandburg, Strandkleider ausgezogen --

"Melanie, wieder so ein knapper Bikini!"

"Mama, ich hab mir extra weniger knappe gekauft! Man sieht doch nichts Unanständiges: keine Pofalte, kein Härchen vorn --"

"Das wäre ja noch schöner", sagte Mama entrüstet.

"-- und vom Busen sieht man weniger als in jeder Sommerbluse."

Ich ließ mich auf keine weiteren Diskussionen ein, wir setzten uns zum Sonnen in den Strandkorb, Mama in einem ihrer Einteiler, die sie schon seit zwanzig Jahren trug -- ihre Figur hatte sich kaum verändert, das mußte ich ihr lassen -- nur ab und zu zeigte ich Mama wortlos andere Damen, die, obwohl deutlich älter und auch fülliger als ich, noch knappere Bikinis trugen.

Das nächste besondere Vorkommnis ereignete sich beim Frühstück des übernächsten Tages. Eine Hotelangestellte gab Mama ein Päckchen -- "das ist gerade mit der Post für Sie gekommen" -- es war von Tante Klara, und als Mama es auspackte, wurde sie über und über rot, denn es war ein Badeanzug, nicht knapp geschnitten, aber deutlich zweiteilig. Im Päckchen lag auch illegalerweise ein lieb geschriebener Brief an Mama des Inhalts -- Mama gab ihn mir zum Lesen --, daß sie doch sicher dieses Stück anziehen könne, und außerdem solle sie nicht zu sehr die Glucke ihrer doch immerhin erwachsenen Tochter spielen, sondern derselben die angemessene Freiheit lassen.

Mama packte die Sachen schnell wieder zusammen, und wir gingen in unsere Zimmer, um unsere Strandkleider anzuziehen. Und am Strand -- was hatte Mama angezogen? Den neuen Zweiteiler. Sie sah sehr elegant und um zwanzig Jahre jünger aus -- zehn Jahre gab sie selbst lachend zu. Es war das erste Mal, daß ich Mama im Zweiteiler sah.

Am Abend des nächsten Tages war im Kurhaus ein Vortrag über die friesische Sprache angesagt, den ich unbedingt hören wollte und zu dem wir beide gingen. Den Vortrag hielt ein Studienrat des örtlichen Gymnasiums. Er hieß Ingwer Mommsen, ein Name, wie er friesischer nicht sein konnte. Als ich nach dem Vortrag zu ihm ging und noch viele interessierte Fragen stellte, lud er Mama und mich zum Abendessen in ein Restaurant ein, wo wir uns noch stundenlang über das nord- und das ost- und das niederländische und das saterländische und noch andere Varianten des Frisischen unterhielten, und weil wir immer noch Gesprächsstoff hatten, lud er mich am nächsten Nachmittag -- "oder am Abend, wenn Sie die Sonne am Strand genießen wollen" -- zu sich in die Wohnung ein, wo ich dann auch wissenschaftliche Werke über das Friesische würde konsultieren können.

Ich begab mich also am nächsten Nachmittag um halb sechs, als es am Strand anfing, kühl zu werden, zu Herrn Mommsen, und er zeigte mir seine umfangreiche Bibliothek zur Erforschung des Friesischen. Beim friesischen Tee fragte ich ihn:

"Was unterrichtest du eigentlich?"

Herr Mommsen zuckte etwas zusammen, und ich ergänzte:

"Duzen wir uns doch! Das ist doch unter Lehrern heute so üblich, und wir sind doch wohl ungefähr gleichaltrig."

"Gern! Aber wie heißt du denn -- ich kenn nur deinen Nachnamen."

"Ach ja, natürlich! Ich heiße Melanie. Deinen Namen weiß ich ja, der stand ja auf dem Plakat."

"Ja, natürlich. Also: Ich unterreichte Deutsch und Englisch."

"Das hätte ich mir ja denken können, du als Urfriese."

"Gar nicht so Urfriese -- aufgewachsen bin ich in Lübeck --"

"-- aber deine Familie stammt doch von hier --"

"Ja, aber mein Vater war Studienrat in Lübeck, und ich mußte das Friesische auch erst auf der Uni lernen."

"Wo kann man denn das? In Hamburg kommt das Frisische bei der Germanistik praktisch nicht vor."

"In Kiel gibt es eine Professur dafür."

"Und dann hast du dich hierher ans Gymnasium beworben."

"So ist es! Die meisten jungen Lehrer wollen ja nach Kiel oder Lübeck oder Hamburg, und hier hab ich gleich eine Stelle bekommen."

"Aber eine Frau gefunden hast du nicht?"

"Nein, das ist der Nachteil hier. Die meisten Mädchen wollen ja natürlich auch weg. Im Winter ist es hier schon sehr einsam."

"Aber darüber hilft dann ja die Arbeit in der Schule."

"Bis zu einem gewissen Grad schon."

Und nach einer kleinen Pause fragte er:

"Du bist geschieden -- das hat deine Mutter angedeutet."

"Ja, das bin ich."

"Und seit wann, wenn ich fragen darf?"

"Seit drei Monaten."

"Oh, das tut mir leid", sagte Ingwer und legte seine Hand auf meine.

"Das muß dir nicht leid tun", antwortete ich und legte meine zweite Hand darauf.

"Das tut mir aber leid", sagte Ingwer und nahm meine beiden Hände in seine, "so eine Trennung tut doch immer weh."

"Woher willst du das wissen -- hattest du schon solche Erfahrungen? Bei uns war der Trennungsschmerz nicht so doll."

"Ich war vor vier Jahren schon mal verlobt --"

"Das tut mir nun wieder leid um dich", sagte ich und nahm meinerseits seine Hände in meine.

"Mir hat meine Braut jemand nach München entführt -- da kann unser Städtchen nicht mithalten."

Wir vertieften dieses Thema an diesem Abend nicht weiter, denn ein Blick auf die Uhr sagte mir, daß es höchste Zeit sei, in unser Hotel zum Abendessen zu gehen, wie ich es mit Mama verabredet hatte. Da wir mit Ingwer noch längst nicht alle sprachwissenschaftlichen Fragen durchgesprochen hatten, verabredeten wir uns für den nächsten Tag um dieselbe Zeit.

Zu meiner Überraschung war Mama über meine Verspätung überhaupt nicht ungehalten, sondern fragte interessiert, wie es bei Herrn Mommsen -- "ein sehr sympathischer junger Mann" -- gewesen sei, und ich erzählte ihr von unseren friesischen Forschungen und daß wir uns als Berufskollegen geduzt hatten, aber nicht von unseren intimeren Gesprächen.

"Das ist schön, mein Spatz", sagte Mama, "daß du den Herrn Mommsen getroffen hast. Du hast dich ja schon immer für Sprachvergleiche interessiert. Ihr wollt euch doch sicher wieder treffen?"

"Ja, morgen nachmittag zur selben Zeit."

Mama wollte mich also verkuppeln. Natürlich brauchte ihrer Meinung nach eine erwachsene Frau einen männlichen Partner -- darin hatte sie ja nicht völlig Unrecht --, in unseren bürgerlichen Kreisen natürlich einen angeheirateten.

Wie so oft in solchen Lebenslagen nahm ich ein langes Bad in der Wanne und überlegte, ob ich mir Ingwer als Ehemann vorstellen könnte -- ja, das könnte ich --, und dann wäre eine längere Kennenlern-Zeit angemessen -- oder doch "nur" als Ferienflirt, wenn zwar auch mit wissenschaftlichem Hintergrund -- dies "zweitere" doch schon eher, und dann wäre eine schnellere Gangart angebracht, denn die erste Ferienwoche war ja schon fast vorbei. Vielleicht wäre ja Ingwer ein guter Ehemann, nach dem ersten Eindruck sah es ganz so aus, aber die zwar milden, aber langen Wintermonate auf der einsamen Insel -- das lockte mich überhaupt nicht. Aber auf einen auch intimen Ferienflirt wollte ich es ankommen lassen. Die ersten Schritte waren ja schon unternommen.

Aber soviele Liebhaber ich auch schon gehabt hatte -- es machte mir doch jede neue Beziehung noch Herzklopfen. Wie würde es sich weiter entwickeln? Wäre ich sehr enttäuscht, wenn Ingwer auf so was nicht anbisse? Wie würde sich Mama dazu stellen, wenn wir uns zwar als Mann und Frau gäben, dann aber doch nicht heirateten? Das könnte die ganze Urlaubsstimmung verderben. Andererseits lag ja aber auch Tante Klaras Brief immer noch auf dem Tisch in Mamas Zimmer -- sie las ihn abends wohl noch manchmal.

Am nächsten Tag war ich am Strand entsprechend nervös, und aus dieser Nervosität erlöste mich kein andere als Ingwer. Er kam am frühen Nachmittag in einem khakifarbenen Tropendress den Strand entlanggeschlendert, ging auf unsere Strandburg zu, begrüßte mich und vor allem auch Mama mit ausgesuchter Höflichkeit, hielt nicht gerade um meine Hand an, aber überreichte uns als Geschenk ein kleines friesisches Wörterbuch für Touristen, an dem er als Autor mitgewirkt hatte. Diese Geste nahm Mama so für Ingwer ein, daß sie mich den ganzen Rest des Nachmittags drängte, nur ja nicht zu spät zu "dem netten Herrn Mommsen" zu gehen.

Nachdem Herr Ingwer mich -- und meine Mutter -- bei dieser Gelegenheit in Bikinis hatte bewundern können, zog ich an dem warmen Spätsommernachmittag nicht wieder ein Kleid an, sondern besuchte ihn in viertellangen Shorts und einem nicht zu knappen Top. Ingwer fütterte mich mit friesischem Tee und herrlichem Kuchen und schlug vor, bei unseren Studien gleich in medias res zu gehen und uns nicht mehr in Laut- und Formenlehre zu vergraben, sondern gleich mit der Lektüre von Texten zu beginnen. Nun gibt es im älteren Friesisch keine Belletristik oder Lyrik, aber es gibt die mittelalterlichen Aufzeichnungen der Stadtrechte der friesischen Städte, und so entzifferte ich mit Ingwers Hilfe das berühmte Stadtrecht von Gevere (gesprochen natürlich Jévere, heute Jever).

Als wir genügend Paragraphen durchgeackert hatten und es für mich Zeit zum Nachhausegehen war, fing Ingwer noch einmal an:

"Warum hast du dich denn müssen scheiden lassen -- oder willst du nicht darüber sprechen?"

"Schön, diese altväterliche Konstruktion -- man sollte öfter so reden oder jedenfalls schreiben -- nein, du kannst mich gern danach fragen. Wir haben uns einfach auseinandergelebt, und als Dieter beruflich nach Leipzig versetzt wurde, wollte ich nicht mitgehen, auch um meine Stelle nicht zu verlieren, und da haben wir uns getrennt, wie man so sagt, in aller Freundschaft."

"Hat er dich betrogen?"

"Das auch."

"Du ärmste!"

"Halb so wild: Ich hab ihn auch betrogen."

"Du hast --"

"Ja, ich hab --. Als ich gemerkt hab, daß Dieter eine Freundin hat, hab ich mir meinen ersten Liebhaber verführt."

"Deinen ersten --"

"Ja; in den letzten sechs--sieben Jahren meiner Ehe hab ich eigentlich immer auch einen Freund gehabt."

"-- immer auch einen Freund -- das heißt --"

"Das heißt, daß ich kein Kind der Traurigkeit bin und manchen Jung' in mein Liebesgärtchen eingelassen hab -- manche haben das nicht verdient, aber manche durchaus, und wir hatten wunderschöne Stunden -- mit Dieter übrigens bis zum Schluß auch immer mal wieder -- so ist das nicht --"

"-- und jetzt?"

"Absolut nichts."

"Seit der Scheidung?"

"Nicht ganz. Als ich mich in meiner neuen kleinen Wohnung eingerichtet hatte, hab ich mir ein Cembalo gekauft --"

"Oh, das find ich super!"

"Das freut mich. Wenn du willst, kannst du mich ja mal in Hamburg besuchen und es hören oder auch spielen. Kannst du spielen?"

"Ja. Ich hab auch ein Klavier."

"Und warum hast du mir das nicht gezeigt?"

Ingwer wurde rot und sagte leise:

"Weil das im Schlafzimmer steht, und das steht da, weil hier im Wohnzimmer zuviele Bücher sind. Es hat ja nirgends mehr Platz an der Wand."

"Na los, dann zeig mir mal dein Klavier!"

"Aber --"

"Aber das Schlafzimmer ist nicht aufgeräumt. So was hab ich schon gesehen, aber wenn es dir lieber ist, dann räum schnell etwas auf."

"Nicht nötig -- es ist ja eigentlich aufgeräumt."

"Na, dann, worauf wartest du dann noch?"

Im Schlafzimmer herrschte tatsächlich eine perfekte Ordnung. Es war von einem Doppelbett, einem großen Kleiderschrank und Tisch und Stuhl "bevölkert", Blickfang aber war ein altmodisches Pianino, wie Ingwer sagte, von seinem Großvater geerbt, das Hochzeitsgeschenk seines Großvaters an seine Großmutter. Es war aufgeschlagen, und auf dem Pult stand eine Ausgabe von Schuberts Impromptus.

"Spielst du gerade Schubert?, fragte ich.

"Ja, ich lieb ihn heiß."

"Ich eigentlich auch. -- Spielst du mir was?"

"Wartet nicht deine Mutter?"

"Ja, schon -- aber die kann noch etwas warten, ich bin ja schon erwachsen."

"Ich bring dich dann nachher schnell mit dem Auto zum Hotel."

"Nicht nötig -- das Auto aus der Garage zu holen dauert ja länger als der Weg zu Fuß."

"Dann begleit ich dich nachher."

"Da sag ich nicht ,Nein`."

Ingwer spielte eines der späten Impromptus in f-Moll, die eigentlich die vier Sätze einer Sonate sind, und mir kamen, wie immer bei guter Musik, die Tränen. Ingwer bemerkte dies und drückte mir sanft die Hand.

Ich hatte schon gehofft, Ingwer hätte vergessen, auf welchen Umwegen wir zu seinem Klavierspiel gekommen waren, aber als wir wieder im Wohnzimmer waren, fragte er doch:

"Wir waren bei deinem Cembalokauf stehengeblieben -- du wolltest mir da noch was sagen --"

"Wollte ich das?"

"Ich hatte den Eindruck."

"Also -- na gut -- dabei hat mir ein junger Mann geholfen, der sich selbst kurz zuvor ein Spinett gekauft hatte -- und als das Cembalo bei mir stand, sind wir schwach geworden."

"Aber das macht doch nichts --"

"Na ja, wie man's nimmt."

"Aber du bist doch schon großjährig und warst nicht mehr verheiratet --"

"Aber Tadziu war und ist katholischer Priester."

"Sag bloß!"

"Ich wollte das ja nicht unbedingt erzählen, aber du hast mich so gedrängt --"

"Ich wollte dir doch nicht zu nahe --"

"Schon gut, Ingwer, es tut immer gut, seine Missetaten zu erzählen. -- Komm, gehen wir zum Hotel."

Ingwer warf sich eine Jacke gegen die Abendkühle über, und wir zogen los.

"Ist dir nicht kalt?"

"Ach, es geht. Du kannst mich ja etwas wärmen."

Das tat Ingwer, indem er mich unterhakte und ganz fest an sich drückte. Als wir uns nach wenigen Minuten vor meinem Hotel verabschiedeten, fragte er schüchtern:

"Kommst du morgen nachmittag wieder, und lesen wir weiter?"

"Ich denke schon! Und danke für den Schubert!"

Bei diesen Worten gab ich ihm ein Küßchen auf die Stirn, und er umfaßte mich in Höhe meiner unbedeckten Taille.

Mama sah die Sache wieder einmal dialektisch: Einerseits war es ja gut, daß mich Herr Mommsen nach Haus gebracht hatte, andererseits aber: Warum mußte ich doch wieder so lange wegbleiben?

"Mama, ich bin ja gerade noch und extra vor deiner gewöhnlichen Abendbrotszeit gekommen, und außerdem hat mir Ingwer --"

"Ingwer?"

"Ja, wir haben uns geduzt -- daß ist unter uns jungen Lehrern jetzt so üblich, das hab ich dir ja aber gestern schon gesagt, daß wir uns geduzt haben -- also, Ingwer hat mir noch ein Schubert-Impromptu vorgespielt, und darum ist es etwas später geworden -- und außerdem hast du dich ja gestern überhaupt nicht aufgeregt, und da bin ich auch nicht viel früher gekommen. Ich hab Ingwer übrigens eingeladen, uns in Hamburg mal zu besuchen."

"Spielt er denn gut?"

"Ich würde sagen: sehr gut, fast konzertreif -- na ja, hauskonzertreif."

"Dann paßt ihr ja auch in der Beziehung gut zusammen."

"Mama, du wirst mich doch nicht Knall auf Fall wieder unter die Haube bringen wollen?!"

"Aber als Frau so allein zu leben -- das gibt doch immer nur Gerede."

"Soll es doch -- deswegen heirate ich doch nicht übermorgen schon wieder -- ich müßte doch Ingwer doch schon besser kennenlernen."

"Das hast du doch vielleicht schon -- wie ich dich kenne."

"Ach, Mama, nein so hab ich ihn noch nicht kennengelernt, wie du es wieder meinst, aber gönn mir doch auch bitte mein etwas freieres Leben, als du es hattest."

"Ja, ja, du und Klara, ihr steckt wieder gegen mich unter einer Decke."

"Das tun wir nicht -- und gegen dich schon gar nicht, Mama!"

Beim Abendessen aber hörte meine Mutter interessiert zu, wie ich von unseren Friesisch-Studien und von Ingwers Klavierspiel erzählte, und sie zeigte so viel Interesse, daß ich aufstand, Ingwer anrief und ihn fragte, ob er was dagegen hätte, wenn ich auch meine Mutter zum Zuhören mitbrächte.

"Nein, überhaupt nicht, bring sie doch schon morgen mit, wenn es euch paßt."

Und so begaben wir uns nach einem mir jetzt schon recht langweiligen Tag am Strand zum five-o-cklock tea zu Ingwer, ich diesmal etwas züchtiger in einem dreiviertellangen glockigen Sommerkleid. Ingwer war es gelungen, in seiner Wohnung eine noch perfektere Ordnung herzustellen. Er bewirtete uns wieder mit friesischen Herrlichkeiten, "ehrlicherweise gesagt: nicht selbst gebacken, sondern ,nur` gekauft", und aus Rücksicht auf meine Mutter setzten wir diesmal unsere friesische Lektüre nicht fort, sondern schritten gleich nach dem Tee zur musikalischen Darbietung.

Mama tat etwas konsterniert, als sie in ein Junggesellen-Schlafzimmer, dazu noch in eines mit einem französischen Bett, geführt wurde, und ließ sich nur schwer von Ingwers Erklärung des mangelndes Platzes im Wohnzimmer beruhigen. Als aber die ersten Töne von Brahms' Haydnvariationen erklangen, war sie sozusagen hin und weg, schloß die Augen und genoß die wirklich hervorragende Interpretation. Als Ingwer fertig war, lobte sie sein Spiel enthusiastisch und fragte dann: