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Er war tief geknickt. Da hatte er einmal eine Chance gehabt -- und sie dann prompt so richtig vermasselt.

„Maria, wie kann ich das denn wieder gutmachen? Was muss ich tun, damit sie doch als Haushälterin bei mir anfängt?"

„Jakob, Jakob -- das hättest Du Dir am Anfang des Gespräches überlegen sollen -- und sie vielleicht erst einmal fragen, was sie sich selber als Kleidung für diese Tätigkeit vorstellt. Jetzt kannst Du eigentlich nur auf ein Wunder hoffen, dass sie eine Entschuldigung von Dir annimmt, wenn Du Dir einige Tage damit Zeit lässt. Wenn Du sie heute um Entschuldigung bittest, dann wird sie immer noch wütend sein -- und Deine Entschuldigung rundweg ablehnen. Aber selbst nach einigen Tagen wird ihr Ärger immer noch groß genug sein, um auch dann Deine Entschuldigung wegzuwischen -- und so wie du sie geschildert hast, wird sie sicherlich auch andere Stellen in Aussicht haben. Es wird wohl besser sein, wenn Du eine andere Bewerberin ins Auge fasst -- und es dann besser machst."

Jakob wünschte sich, dass er klüger gewesen wäre. Er war nun wütend auf sich selbst -- und das gefiel ihm so ganz und gar nicht. Das Schlimmste war, dass Maria wohl Recht hatte mit der Annahme, dass er aktiv keinen sinnvollen Schritt unternehmen konnte.

Elisabeth sucht Alternativen

Dieser Idiot von Mann würde sie nicht als Haushälterin bekommen. Elisabeth dachte sofort an das Ehepaar um die fünfzig als eine geeignete Alternative für die Anstellung. Das erforderte allerdings auch Kochkünste, wo sie sich eben nicht sicher war. Sie ging in eine Telefonzelle und vereinbarte einen weiteren Termin mit den beiden für den nächsten Tag. Zurück in ihrem Zimmer fand sie zwei Briefe auf dem Boden vor, die offensichtlich unter der Tür durchgeschoben worden waren. Es war einmal eine Vorladung auf das Polizeirevier. Sie war anscheinend in Berlin von einer Cousine als vermisst gemeldet worden. Elisabeth wurde unruhig. Was sollte das bedeuten? Im Brief befand sich auch eine Kopie einer Zeugenaussage, die belegen sollte, dass diese Cousine eine offene Darlehensforderung an sie hatte. Den anderen Brief mochte sie noch nicht öffnen, da er aus Berlin kam.

Im nächsten Moment klopfte es an die Tür. Ein Polizist in blauer Uniform stand dort und blickte ernst drein. Elisabeth war irritiert, weil sie die feldgraue Uniform vermisste, die sie gewohnt war. Der Mann nahm sie zur Wache mit zwecks Feststellung der Personalien, da sie sich nicht ausweisen konnte und eine offizielle Ummeldung von Berlin nach Hamburg nicht vorgenommen hatte. Sie wurde gemahnt, ihren Personalausweis oder Pass eiligst zu beschaffen, nachdem sie noch einmal in der Handtasche gesucht hatte. Es sei ihr schon nach ihrem Unfall vor der Einlieferung in die Klinik gesagt worden. Eine Rückfrage nach der zuständigen Meldebehörde in Berlin war schon gestartet worden.

Sie kam zurück in das Zimmer. Zögernd öffnete sie den Brief. Darin befand sich ein Foto, das zwei ihr völlig unbekannte junge, zierliche Frauen zeigte mit der Bildunterschrift ‚Ich vermisse dich schon -- wann kannst du mich holen? Deine Sabine' Es war nicht schwer zu erraten, dass dieses Foto Maria und Sabine zeigte. Irgendetwas in dem Gesicht der einen kam ihr bekannt vor. Dann durchfuhr es sie wie ein Schlag. Sie hatte dieses Gesicht kurz vor ihrem Unfall für einen Sekundenbruchteil gesehen. Diese Erinnerung kam plötzlich in ihr hoch.

Sie war allein in dem nicht gut befestigten Keller in Hamburg-Harburg während des Bombenangriffes gewesen. Es hatte durch eine nahe Bombenexplosion eine Öffnung in der Tür gegeben. Brennender Phosphor erschien dort im Niedergang zum Keller, der schon ein glutheißes Flammenmeer bildete. Dort war kein Durchkommen. Es würde nicht lange dauern, bis alle alten Möbel im Keller Feuer fingen. Sie saß in der Falle! In der Not versuchte sie sich an einem alten Hexenspruch zum Apparieren an einen sicheren Ort. Bis dato hatte sie bestenfalls eine Art Gedankenbeeinflussung per Hexenkunst erreicht. In ihrem Zirkel gab es zwar Bücher, aber keine der Frauen beherrschte dort höhere Künste als sie, wenn man von Margarete absah, die tatsächlich Gegenstände schweben lassen konnte. Der Hexenspruch musste irgendetwas bewirkt haben, denn für einen Sekundenbruchteil krallte sich eine Frau mit diesem Gesicht an ihren Händen fest, und packte sie so fest, als ob sie nie loslassen würde. Elisabeth riss sich los und nahm dabei deren Handtasche mit, während die Frau entsetzt aufkreischte. Dann hatte sie das Bewusstsein verloren... Sie schluckte trocken. Es gab keinen Zweifel. Die Handtasche gehörte der Frau. Die Polizei würde sich fragen, woher sie die Handtasche der vermissten Frau hatte. Sie wusste abrupt ohne jeden Zweifel, dass die verkohlten Reste an Knochen der Frau gehörten, deren Gesicht sie für Momente gesehen hatte. Es waren die verkohlten Knochen, deren Existenz in diesem Zeitungsbericht erwähnt worden waren. Sie war in dem Keller gewesen, aber irgendwie hatte sie den Platz mit ihr getauscht und musste dabei ihren Ehering verloren haben. Dieses Wissen würde sie belasten, denn sie konnte nur schlecht leugnen, dass sie die vermisste Frau gesehen hatte. Und offensichtlich war sie nicht nur die letzte Person, die diese Maria gesehen hatte -- nein, sie hatte auch deren Handtasche und hatte sich als Maria Elisabeth Krone ausgegeben. Im Krankenhaus hatte man auch ihre Kratzwunden an den Händen gesehen, die als Kampf interpretiert werden konnten. Das machte sie zur Hauptverdächtigen, daran hatte sie wenig Zweifel. Und in einem gewissen Sinn hatte das auch seine Berechtigung. Letzten Endes hatte sie durch ihren Hexenspruch die fremde Frau umgebracht, zwar nicht absichtlich, aber ursächlich war doch ihr Versuch in Hexerei, der die arme Frau im Keller hatte verbrennen lassen.

Sie musste eiligst weg aus Deutschland, bevor die Vernehmungen starteten. Sie konnte weder ihren Namen nennen noch irgendeine Erinnerung aus den Jahren 1945 bis 1961 aufführen oder gar nachweisen. Bei einer harten Vernehmung würde sie sich früher oder später verraten als eine Frau, die im Jahr 1911 geboren war - oder als eine, die sich erfolgreich in Hexerei versucht hatte. Schon mit einem Geständnis der Art würde sie garantiert in der Klatsche landen, wenn sie nicht ihre Unschuld am Verschwinden der Maria Krone beweisen konnte. Sie hatte eine Heidenangst davor, dass sie als gemeingefährliche Irre eingestuft werden würde. Jetzt war das freundliche Ehepaar nicht mehr die Alternative, sondern es gab nur noch den Weg ins Ausland, so schnell wie nur irgend möglich. Und da gab es als schnelle Möglichkeit eigentlich nur Chile über den Herrn Grafenrausen. Da musste sie wohl in den sauren Apfel beißen und dessen sehr eigenartige Neigungen tolerieren.

Natürlich durfte es nicht so aussehen, als würde sie komplett vor seiner Forderung einknicken noch durfte es so aussehen, dass sie unbedingt sofort abreisen musste. Nötigenfalls würde sie aber auch noch weitere Kompromisse machen müssen, da gab sie sich keinen Illusionen hin. Gerade seine schüchterne Natur, eigentlich sollte sie wohl eher verklemmte Natur sagen, ließ ihn wohl auf absurde Fantasien kommen. Der wollte wohl eine anziehbare Puppe haben... und wohl nicht nur das.

Ihr schauderte, als sie keine Auswege aus ihrer Notlage sah. Dann erinnerte sie sich vage an einen Zauberspruch aus dem Hexenkreis, der einer ihrer Schwestern aus dem Kreis gegenüber ihrem extrem geizigen und gleichzeitig sehr eifersüchtigen Ehemann helfen sollte. Es war ein Spruch, der ihm Vertrauen gegenüber seiner Ehefrau einflüstern sollte. Das konnte ihr helfen, das dringendst benötige Darlehen zu bekommen, um mit einer gefälschten Identität ausreisen zu können. Sie zögerte einen Moment, weil das Element der Eifersucht jetzt noch gar nicht gegeben sein konnte, aber sie hatte wenig andere Optionen. Sich darauf zu verlassen, dass er ihr schon einen Kredit geben würde, erschien ihr zu blauäugig.

Jakob wittert Morgenluft

Jakob war überrascht, als es an seiner Tür klingelte und Marie Elisabeth Krone vor ihm stand. Sie sah entschlossen und etwas grimmig aus. Im ersten Moment befürchtete er eine lautstarke Tirade von ihr, die alle Nachbarn aufschrecken würde. Aber es kam anders, als er dachte:

„Herr von Grafenrausen, vielleicht überlege ich mir meine totale Ablehnung noch einmal, wenn Sie mir bei der ‚Dienstkleidung' mehr Mitspruch zustehen und zusätzlich diese komplett unentgeltlich zur Verfügung stellen für die Dauer der Anstellung..." bei dem Wort ‚Dienstkleidung' schnaubte sie verächtlich, um ihm zu zeigen, was sie davon hielt „... sowie mir prompt Fahrkarten und einen Reisepass ins Ausland samt Visum beschaffen und finanzieren. Ich habe keine Lust, diese Art von Kleidung in Deutschland zu tragen und mich entsprechend zu verhalten, wo mich Bekannte erkennen könnten. Aber natürlich kann ich die andere Mentalität in Chile nicht ignorieren, die Sie mir ja geschildert haben. Und von daher würde ich die Stelle nur ab sofort im Ausland antreten, da mein Arbeitslosengeld -- bedingt durch meinen Unfall -- schon bald ausläuft."

Er holte erst einmal tief Luft. Jetzt durfte er nicht schon wieder alles verderben. Er begriff zwar noch nicht, was sie nach ihrem stürmischen Abgang dazu bewogen hatte, doch noch einmal zu ihm zu kommen für eine weitere Verhandlung, aber das konnte er später versuchen zu ergründen. Er verstand sehr wohl ihre Beweggründe für das Tragen der Kleidung seiner Fantasien nur im Ausland, denn eben gerade hatte er Befürchtungen über sein Ansehen bei den Nachbarn gehabt. Genauso gut verstand er die Finanzierung von Kleidung, Fahrkarten und Visa als eine Art von versteckter Gehaltserhöhung, was er nicht sehr mochte, da nach seiner Meinung sein angebotenes Gehalt schon sehr großzügig war. Reisepass war ebenfalls verständlich, da die Ausstellung eines solchen eine ansehnliche Gebühr mit sich brachte. Er würde zwar mit der Kleidung ganz, ganz vorsichtig operieren, und dabei mehr als kompromissbereit sein, da diese letztes Mal zu dem Eklat geführt hatte, aber in Punkto Kosten würde er vorsichtig sein.

„Wertes Fräulein, es freut mich, dass Sie vielleicht doch diese Anstellung in Betracht ziehen. Bezüglich des Kostenpunktes bin ich durchaus bereit, hier noch etwas für die Anschaffungen für die Reise draufzulegen, soweit unbedingt erforderlich. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass Erteilung von Visa und die Erstellung von Pässen nicht in wenigen Tagen möglich ist -- und auch der Kauf von Flugtickets ist nach Südamerika nicht in einem Tag erledigt. Ich bin aber gerne bereit, hier nach schnelleren Möglichkeiten zu suchen."

„Herr von Grafenrausen, ich bin auch durchaus mit einem viel günstigeren Schiffsticket anstelle des teureren Flugscheins zufrieden - und Visa können bei einer Schiffsreise nachgereicht werden. Ein Schiff nach Chile verlässt den Hamburger Hafen in zwei Tagen. Falls Sie mir einen großzügigen Vorschuss für Pass- und Visakosten ermöglichen, dann würde ich Ihnen auch die Auswahl der GESAMTEN ‚Dienstkleidung' für die Kategorien A und B ohne Einspruch meinerseits für die Dauer meiner Anstellung zugestehen, sofern Sie mir ein eigenes Zimmer mit meinen eigenen Zimmerschlüssel in der Hazienda garantieren."

Jakob fühlte sein Gesicht warm werden und er wusste, dass er ziemlich errötete. Meinte sie das wirklich, was er glaubte oder bildete er sich das nur ein? Die Auswahl auch ihrer Unterwäsche - denn was sollte sonst ihre ausdrückliche Betonung der GESAMTEN Dienstkleidung meinen - machte ihn ganz konfus. Aber es war besser, wenn er ein erneutes Missverständnis ausschloss. Aber wie sollte er das machen, ohne erneut in dieselbe Falle wie beim letzten Mal zu tappen? Er fühlte sein Gesicht heiß werden und suchte nach Worten, während ihm schmerzhaft bewusst war, dass er vermutlich knallrot angelaufen war:

„Fräulein Krone, verstehe ich Sie da richtig... ich meine... ähh..."

Ihr Gesicht verriet keine Emotionen, als sie ganz sachlich antwortete und ebenso ruhig dastand, ohne nervös zu wirken.

„Herr von Grafenrausen, Sie dürfen davon ausgehen, dass Sie komplett freie Hand bei der Auswahl haben ohne jedweden Einspruch meinerseits -- und dies während der ganzen Dienstzeit. Und GESAMT heißt ganz klar ausnahmslos alle Kleidungsstücke, die ich am Körper trage. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?"

Ihre Worte hatten ihn sofort reagieren lassen. Das war viel mehr als er nach ihrer ersten Reaktion erwarten konnte -- und er war sogar damit zufrieden, dass sie ein eigenes Zimmer verlangt hatte. Aus irgendeinem Grunde wollte er unbedingt, dass nur er sie in Unterwäsche sehen konnte. In genau diesem Moment hätte er ihr alles versprochen. Urplötzlich spielte Geld keine Rolle mehr. Unwillkürlich nickte er. „Wären 1800 D-Mark für die Schiffspassage und die Reisedokumente ein angemessener Betrag nach Ihrer Meinung, Herr von Grafenrausen?"

Ein Flugticket war weit über 2000 D-Mark wert -- wie konnte er da nein sagen? Aber dann kam ihm ein hässlicher Gedanke. Was wäre, wenn sie ihn betrügen würde? Was wäre, wenn sie einen anderen Mann auf dem Schiff traf? Er zögerte:

„Fräulein Krone, bei diesen Beträgen ist eine schriftliche Form zur Dokumentation sicherlich eine sinnvolle Idee, die nicht einfach ist. Was meinen Sie dazu?"

Es war, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Sie reagierte sofort, auch wenn sich ihre Stirn leicht umwölkte, als sie seinen Widerstand spürte.

„Selbstverständlich habe ich einen Vertragsentwurf vorbereitet, der einen Vorschuss an eine Mindestdauer des Vertrages von einer zu vereinbarenden Anzahl von Monaten bindet. Vorschusshöhe und Mindestvertragsdauer können direkt eingesetzt werden genauso wie die Anforderungen an die Dienstkleidung. Weiterhin werde ich Ihnen alle meine Maße nach einem Besuch beim Schneider zuschicken, damit Sie auch die Dienstkleidung für Kategorie C auswählen und bestellen können, sobald ich an Bord bin."

Sofort kamen Gedanken in ihm hoch, die ihn in ihrer Kabine sahen, während sie ihm seine von ihm ausgesuchte Unterwäsche vorführte. Spätestens in diesem Moment brannten bei ihm sämtliche Sicherungen durch. Er überreichte ihr keine halbe Minute später einen Scheck über 3000 D-Mark, nachdem er die Mindestvertragsdauer auf 36 Monate festgesetzt und unterschrieben hatte sowie er zufrieden konstatiert hatte, wie sie alle seine Anforderungen schriftlich korrekt fixierte ohne ihn ein einziges Mal zu befragen. Auf weniger Zeit wollte er sich einfach nicht einlassen. Sie sollte ihm gehören!

Elisabeth fühlt sich befreit

Elisabeth hatte einerseits Schuldgefühle, da sie sich bewusst war, dass sie ihren zukünftigen Arbeitgeber durch den Zauberspruch manipuliert hatte. Gleichzeitig war sie jedoch ein hohes Risiko eingegangen -- sie hatte gepokert und sie hatte gewonnen. Sie hatte keine Absichten den Herrn von Grafenrausen zu täuschen. Sie würde ihre Seite des Handels wie vereinbart akzeptieren, selbst wenn das ziemlich peinlich sein würde. Wenn er sie als Anziehpuppe haben wollte, dann war das eben der Preis, aber eben nur als Anziehpuppe und nicht mehr -- jedenfalls hoffte sie das durch ihr eigenes abschließbares Zimmer erreicht zu haben. Insgesamt war es besser verlaufen als erwartet, bis auf die sehr lange Vertragsdauer. Aber da hatte er sich nicht erweichen lassen, wobei sie das so gar nicht verstand.

Ihr erster Gang war zu einem hafennahen Reisebüro. Das Publikum dort war nicht gerade erste Klasse, aber gerade deswegen ging sie dorthin. Diskret umschrieb sie den Bedarf an einem schnellen Reisepass. Der Agent zog die Augenbrauen hoch, schob ihr aber eine Adresse über den Tresen zu. Das Büro zu dieser Adresse befand sich in einem winzigen Hinterzimmer. Der pockennarbige Mann hinter dem Schreibtisch hörte ihr nur kurz zu, dann verlangte er eine Anzahlung von einhundert D-Mark. Als sie ohne Zögern ihr Portemonnaie öffnete, nickte er zufrieden und begann ausführlichere Fragen zu stellen.

Am nächsten Tag hatte sie nicht nur einen exzellent gefälschten Pass auf den Namen Elisabeth Maria Krone, sondern auch auf diesen Namen eine günstige Schiffspassage auf der Südstern nach Southhampton und dann von dort mit der Eisenstein nach Chile via Lissabon in der erschwinglichsten Innenkabine, die auf beiden Schiffen zu haben war. Damit hatte sie noch einen Kapitalstock von rund eintausend D-Mark. Wenn sie ihr Gehalt so gut wie möglich sparen würde, dann hätte sie in drei Jahren mehr als fünfzehntausend D-Mark als Startkapital für eine eigene Existenz.

Sie rief beherzt noch einmal auf der Polizeiwache an und erklärte, dass sie es wohl morgen schaffen würde, ihre Papiere aus Berlin zu erhalten und dann dort zu zeigen. Sie ging fest davon aus, dass die Beamten erst in zwei Tagen nervös werden würden --und dann war sie schon längst auf der Nordsee oder sogar schon im offenen Atlantik.

Am darauf folgenden Vormittag ging sie an Bord, nicht ohne vorher Herrn von Grafenrausen darüber informiert zu haben. Der versprach ihr sie frühestens in Southhampton oder spätestens in Lissabon zu treffen und dann für ihre Dienstkleidung gesorgt zu haben. Letzteres empfand sie eher als eine Drohung denn als etwas, dem sie mit Freude entgegensah. Aber wie es auch in Hamburg immer hieß -- Verträge werden eingehalten, selbst wenn es nur per Handschlag vereinbart wird. Er hatte ihr die schnelle Ausreise möglich gemacht, nun musste sie ihren Teil der Vereinbarung einhalten.

Ihr Pass wurde anstandslos akzeptiert, als sie an der Überseebrücke zum Linienschiff ging -- und es fiel ihr ein Stein vom Herzen. Der nächste fiel ihr vom Herzen, als der große Pott am späten Nachmittag losmachte. Am nächsten Morgen würde sie weit außerhalb der Hoheitsgewässer von Deutschland sein -- und in Sicherheit vor Nachfragen und Vernehmungen der Polizei.

Endlich hatte sie Zeit, um ihre diffusen Erinnerungen langsam zu ordnen und in den richtigen Zusammenhang zu stellen. Sie begriff, dass ihre Schuldgefühle etwas mit ihrer Amnesie zu tun gehabt hatten. Sie hatte sich unbewusst nicht ihrer Mitwirkung am Tod von Maria Krone stellen wollen. Jetzt wo sie sich daran erinnert hatte, lösten sich die Schleier vor ihrer Erinnerung Stück für Stück mehr auf. Auf einmal war ihr Name wieder da - Elisabeth von Hettlingen hieß sie. So war es doch richtig, dass der Name von Maria Elisabeth Krone ein richtiges Element enthalten hatte.

Mit dem Namen kam auch die Erinnerung an ihren damals knapp sechzehnjährigen und bedingt durch die knappen Rationen zierlichen Sohn Jakob, der nun ein erwachsener Mann sein müsste, wenn er das Bombardement in Hamburg-Harburg auch überlebt hätte. Es überkam sie plötzlich und hart - eine große Trauer, dass sie garantiert sein Heranwachsen zu einem gestandenen Mann verpasst hatte -- und was noch schlimmer war, dass sie nicht einmal wusste, ob er überhaupt am Leben war. Für ihn tat es ihr auch leid -- auf diese Art und Weise war er in gut einem Jahr von einer Halbwaise zu einer Vollwaise geworden, denn natürlich war sie nach der Zeitungsmeldung als im Bombenhagel umgekommen gemeldet worden. Warum musste sie diese ganzen Schicksalsschläge hinnehmen? In der nächsten Sekunde schämte sie sich, weil sie noch am Leben war, während Maria Krone im gleichen Lebensalter gestorben war -- und noch nicht einmal einen Sohn gehabt hatte.

Sie sah sein jugendliches Angesicht direkt vor sich, als die Erinnerungen klarer auftauchten. Vielleicht konnte sie ja eine Suchanzeige aufgeben, wenn sie erst einmal in Chile war. Sie hatte aber keine großen Hoffnungen -- es waren ja bald siebzehn Jahre, die vergangen waren. Ihr Sohn konnte inzwischen ausgewandert sein -- oder als Kriegsgefangener verschleppt sein oder einfach nicht mehr an seiner Vergangenheit interessiert sein, wenn er denn überhaupt überlebt hatte. Sie besaß ja noch nicht einmal ein Bild von ihm, das sie für eine Anzeige nutzen könnte.

An das verlorene Familienvermögen brauchte sie gar nicht erst zu denken. Sie hatte keinerlei Nachweis über ihre Identität -- und sie brauchte nicht zu überlegen, was ein Erbgericht sagen würde, wenn sie versuchen würde ihr Alter zu erklären. Es war sinnlos, sie musste von vorn anfangen.