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Wenn die Nachtigall erwacht 11

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»Ah, du brauchst noch ein paar Minuten«, raunte Greg, dann hörte er Schritte. Miriam kam zu ihm gelaufen, reichte ihm einen Teller mit warmem Eintopf, einen Löffel, und stellte eine Flasche Bier neben ihn auf den Boden. Sie hatte ihre menschliche Gestalt angenommen und trug Jeans, einen eng anliegenden Rollkragenpullover und kniehohe Stiefel. Mit einem milden Lächeln wünschte sie Greg einen guten Appetit.

»Du Miststück!«, zischte Greg und tauchte den Löffel in den Eintopf. Miriam stemmte eine Hand in die Hüfte und wippte mit der Schuhspitze, dann zählte sie mit den Fingern der anderen Hand auf: »einmal oral, einmal vaginal, zweimal anal, einen warmen Eintopf und ein kühles Bier. Was von alldem gibt es zu beanstanden?«

Greg blieb bei seiner Aussage: »Miststück!«

»Eintopf«, sagte Sven. Er grinste dabei, wie ein Kind, das ein neues Wort gelernt hatte, und zeigte auf Gregs Teller. Miriam brachte auch Sven einen Teller und einen Löffel. Für ihn gab es aber kein Bier.

»Du musst noch fahren«, sagte sie zu Sven und küsste ihn.

»Wie hast du so schnell einen Eintopf kochen können?«, fragte Sven verwundert. Gleichzeitig war er froh, wieder ganze Sätze sagen zu können.

»Hat sie nicht«, sagte Greg missmutig.

»Stimmt«, bestätigte Miriam, »Greg hat Vorräte gehortet, um zwei Atomkriege zu überleben. Vielleicht könnte er sie mit seinem Waffenarsenal sogar gewinnen. Ich musste die Dose nur aus seinem Lager holen und erwärmen.«

»Und selbst das hätte meine Großmutter besser hinbekommen«, warf Greg ein, aber Miriam sah mit einem Lächeln darüber hinweg.

»Warum hast du nicht gefragt? Wir hätten dich auch bei vollem Verstand gefickt«, sagte Greg, um endlich auf den wahren Grund seiner schlechten Laune zu kommen. Miriam ging vor Greg in die Hocke, sodass sie mit ihm auf Augenhöhe war, dann erklärte sie es ihm: »Ich wollte es schnell, ich wollte viel und ich wollte nicht lange diskutieren. Glaub mir, du hattest eine Menge Spaß, auch wenn du dich nicht mehr an alles erinnerst.«

Sven hatte einen Bärenhunger und schaufelte den Eintopf in sich rein, während er den beiden zuhörte. Er kannte diese Fähigkeit von Miriam in Ansätzen, aber so willenlos geil hatte sie ihn bisher noch nicht gemacht.

»Ich habe damit kein Problem. Es muss nicht immer so laufen, aber manchmal muss es eben schnell gehen - ich kenne das«, sagte Sven schließlich.

»Einen Scheiß kennst du!«, sagte Greg, dann stand er auf, zog seine Hose an und schaute auf die Uhr. Es war zehn Uhr abends - Zeit für noch ein Bier.

Nachdem Sven einen zweiten Teller Eintopf gegessen hatte, zog er ebenfalls seine Hose an. Dabei kreuzte sich sein Blick mit dem von Miriam. Sie grinste verlegen, er grinste zurück.

»Wir müssen los, bis wir zu Hause sind, ist es Mitternacht«, sagte Sven.

»Bist du fit? Kannst du Auto fahren?«, fragte Miriam und Sven nickte. Miriam wollte sich von Greg verabschieden, sie fand ihn neben dem Motorrad, auf dem sie vorhin gelegen hatte.

Greg versuchte, die feuchten Spuren vom Leder des Sattels zu wischen, als ihn Miriam von hinten umarmte und ihren Kopf auf seine Schulter legte.

»Bis bald du Griesgram.«

»Die Flecken bekomme ich nie mehr raus.«

»Und sie werden dich jedes Mal an diesen wunderbaren Abend erinnern.«

»Miststück«, raunte er zu wiederholtem Mal, musste dabei aber lächeln.

***

Während Sven und Miriam in dem rostigen Polo über die kurvige Landstraße nach Hause fuhren, fragte Sven: »Hast du mit V'nyx über einen Internetzugang gesprochen?«

»Ja, auch. Aber vorerst möchte ich ihn nicht auf das Internet loslassen.«

Sven schaute sie fragend an und brachte sein Unverständnis in diesem Blick zum Ausdruck.

»V'nyx ist naiv!«, sagte Miriam, »er probiert alles aus, wie ein kleines Kind, und dabei ist er erschreckend intelligent. Was, wenn er in dieser digitalen Welt Scheiße baut, ohne es zu wissen?«

»Ich würde ihn natürlich nicht alleine lassen«, setze Sven an, aber Miriam ließ ihn nicht ausreden.

»Du kannst V'nyx nicht überwachen, er macht hundert Sachen parallel, er kann gar nicht anders.«

»Es ist selbst ein Netzwerk, das nach Input verlangt«, sagte Sven und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Wenn alle Menschen Zugang zur Anderswelt hätten, würde sich keiner mehr mit diesen fummeligen sozialen Netzwerken im Internet abgeben. Stelle dir mal vor, du musst nur den Kopf in diese Welt stecken und siehst alles in klareren Farben, als sie die Realität bieten kann. Du kannst andere Besucher anfassen und riechen, mit ihnen reden und Gefühle austauschen, als wärst du mit ihnen in einem Raum.«

Miriam schaute ihn genervt an: »Warum erzählst du mir das? Ich kenne diese Welt besser als du?«

»Kann die Anderswelt auch Informationen speichern?«, fragte Sven, ohne sich von Miriams gereizter Stimmung anstecken zu lassen.

Miriam schaute nervös in den Rückspiegel und nickte dann: »Ja natürlich, wir können unser ganzes Leben in der Anderswelt speichern.«

Sven wusste, dass Miriam mit dem "wir" nicht ihn gemeint hatte, sie bezog es auf alle, die ihrer Art angehörten.

»Was ist mit dir?«, fragte er dann doch, Miriam schaute ihn gequält an und wirkte gleichzeitig dankbar, dass er endlich gefragt hatte.

»Der dunkle Wald ist von einer undurchdringlichen Dornenkuppel umhüllt«, sagte Miriam. Diese Tatsache machte ihr nun doch mehr Sorgen als vorhin.

»Seit wann?«

Miriam zuckte mit den Schultern und schaute wieder in den Rückspiegel.

»V'nyx hat es heute erst festgestellt, weil er die letzten Tage nur auf den blöden Computer fixiert war. Vielleicht ist das schon seit ein paar Tagen so, vielleicht auch erst seit heute Mittag.«

»Fuck! Kannst du jetzt noch mit T'rion in Kontakt treten?«

»Nein, und ich weiß auch nicht, was ich jetzt machen soll«, gestand Miriam und sie wirkte plötzlich sehr erschöpft, »erzähl mir einfach was Schönes, damit ich auf andere Gedanken komme, heute ändern wir daran sowieso nichts mehr.«

Sven plapperte wie ein Wasserfall, um Miriam auf andere Gedanken zu bringen. Er kam auf die Wohnungseinrichtung zu sprechen und zählte von jedem Raum einzeln auf, welche Möbel sie behalten könnten, und welche möglichst bald ersetzt werden sollten. Miriam hörte mit einem Ohr zu und rutschte nach einigen Minuten tief in ihren Sitz, um einen Blickwinkel einzunehmen, mit dem sie dauerhaft durch den beifahrerseitigen Rückspiegel nach hinten schauen konnte.

»Fährt der dunkle BMW schon die ganze Zeit hinter uns her?«, fragte Miriam und brachte Sven mit dieser Frage komplett aus dem Konzept.

»Keine Ahnung? Hast du mir überhaupt zugehört?«, fragte Sven und sah, dass Miriam fast in den Fußraum gerutscht war, um durch den Rückspiegel nach hinten schauen zu können.

»Geht das schon wieder los?«, raunte Sven, Miriam würde ihre Verfolgungswahn wohl nicht los werden. Als sich die Landstraße durch eine Ortschaft schlängelte, befahl Miriam: »Nach der Kurve biegst du, ohne vorher zu blinken, in die Seitenstraße ab und schaltest die Beleuchtung aus.«

Sven rollte mit den Augen, aber er hörte an ihrer Stimme, dass es kein guter Moment für eine Diskussion war. Er bog ohne zu blinken ab, schaltete alle Scheinwerfer aus und fuhr im spärlichen Licht der Straßenlampen durch die enge Seitenstraße.

»Halte an!«, befahl Miriam ungeduldig. Kaum standen die Räder still, sprang sie aus dem Auto und schlug die Tür zu.

»So schlimm war es schon lange nicht mehr«, seufzte Sven, als er alleine in seinem Auto saß. Wahrscheinlich war der dunkle BMW weitergefahren, weil darin ganz normale Leute saßen, die einfach nach Hause wollten. Aber manchmal glaubte Miriam, dass sie verfolgt wurde. Obwohl sich diese Verdachtsfälle noch nie bestätigt hatten, musste sich Miriam erst davon überzeugen, dass es wirklich keinen Grund zur Sorge gab. Svens Versuche, ihr diesen Tick auszureden, führten immer wieder zu hitzigen Diskussionen, die sich Sven heute ersparen wollte. Es konnte ein paar Minuten dauern, bis sich Miriam versichert hatte, dass sie nicht verfolgt wurden. Sven wollte gerade das Radio einschalten, um die Zeit bis zu Miriams Rückkehr zu überbrücken, als es an seiner Scheibe klopfte.

Sven kurbelte das Fenster zu Hälfte herunter und sah einen Mann in einer dunklen Jacke. Ihm wurde ein Dienstausweis vor die Augen gehalten.

»Ich bin vom BKA. Würden sie bitte den Zündschlüssel abziehen und mir geben?«

Es gibt Menschen, die können einen um etwas bitten und man kann es ihnen nicht abschlagen. Sven schluckte schwer, aber er ließ den Schlüssel in die offene Hand des Mannes fallen. Als der Mann den Schlüssel in seine Jackentasche stecken wollte, schien er sich spontan dafür zu entscheiden, seinen Arm auf den Rücken zu drehen. Er verzog das Gesicht vor Schmerz und schlug seinen Kopf dann mit beachtlicher Wucht auf den Türrahmen.

Erst als der Beamte bewusstlos zusammensackte, sah Sven, dass Miriam hinter dem Mann gestanden hatte. Sie zog den bewusstlosen BKA-Beamten um das Auto herum, damit er nicht auf der Straße lag. Gleichzeit befahl sie Sven, dass er endlich aussteigen solle. Mit weichen Knien und trockenem Hals öffnete Sven die Autotür und stellte den Fuß auf den Boden. Er wurde von Miriam am Arm gepackt und unsanft aus dem Auto gezogen, es ging ihr offenbar nicht schnell genug. Sven schaffte es gerade so, sich auf den Beinen zu halten und mit Miriams Lauftempo mitzuhalten.

Sie rannte zu dem dunklen BMW, der noch auf der Hauptstraße stand.

An einer Hauswand saß ein weiterer Mann mit dunkler Jacke, und schien zu schlafen.

»Beeile dich!«, sagte Miriam und schubste Sven in die offene Beifahrertür des BMW. Bis er seine Beine sortiert hatte und so auf dem Sitz saß, wie das von den Konstrukteuren gedacht war, startete Miriam bereits den Motor und fuhr los.

»Du kannst Auto fahren?«, fragte Sven, als wäre das gerade seine größte Sorge. Miriam wendete mit quietschenden Reifen und fuhr in die Richtung, die sie zurück zu Gregs Bauernhof führte.

»Wenn du aussteigen willst, lasse ich dich im nächsten Waldstück raus«, sagte Miriam und beschleunigte das leistungsstarke Auto, bis die zulässige Geschwindigkeit dieses Straßenabschnitts um das Doppelte überschritten war.

»Wir fahren in eine Falle!«, schrie Miriam in der Hoffnung, dass Sven endlich realisierte, was hier passiert.

»Warum?«

»Sie stürmen Gregs Anwesen, ich bekam gerade einen Hilferuf von V'nyx«, sagte Miriam und schaute zu Sven.

»Schau auf die Straße«, bat er, obwohl es bei der Geschwindigkeit im Zusammenhang mit den Straßenverhältnissen ziemlich egal war, wo der Fahrer hinschaute. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie an einem Baumstamm zerschellen würden.

»Warum fahren wir da hin, wenn es eine Falle ist?«, fragte Sven. Ihm schlug das Herz bis zum Hals.

»Weil ich V'nyx versprochen habe, ihn mit meinem Leben zu verteidigen und Greg gerade meine Scheiße ausbaden muss«, sagte Miriam und schaute Sven mit angespannten Gesichtszügen an, ehe es aus ihr herausplatzte: »Soll ich etwa nach Hause fahren und mich ins Bett legen!?«

Sven schwieg und versuchte, nicht auf die Straße zu sehen.

»Ich lasse dich da vorne an dem Parkplatz raus. Sie werden dich finden und für drei Monate in Quarantäne stecken, aber du bist sauber und sie können dir nichts anhängen, wenn du kooperativ bist.«

»Und was ist mit dir?«, fragte Sven erschrocken. Miriam zuckte mit den Schultern und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Als der Parkplatz in Sichtweite kam und sie den Fuß vom Gas nahm, wurde Sven klar, dass er nie wieder neben Miriam aufwachen würde, wenn er jetzt aus diesem Auto stieg.

»Fahr weiter, ich bleibe bei dir!«

»Aber ...«

»Klappe halten und weiterfahren!«, befahl Sven. Sein Adrenalinspiegel hatte die maximale Konzentration erreicht und er war überzeugt, dass dies auch seine Schlacht war.

***

Einige Hundert Meter vor der Einfahrt zu Gregs Bauernhof ließ Miriam den BMW mit ausgeschalteten Scheinwerfern in einen Waldweg rollen und stieg aus. Während sie ihre Stiefel auszog, sagte sie in beängstigend ruhigem Ton: »Ich habe den Kontakt zu V'nyx verloren.«

Sven nahm am Rande wahr, dass sich Miriam vollständig auszog, aber sein Hauptinteresse galt dem hellen Licht, das durch den Wald zu ihnen drang. Vor Gregs Scheune musste eine komplette Flutlichtanlage installiert worden sein.

»Was machen wir denn jetzt?«, fragte Sven und drehte den Kopf zu Miriam. Er war nicht überrascht, als neben ihm ein tiefschwarzes Wesen stand. Aber er hatte sie noch nie mit der Körperpanzerung und dem insektenhaften Kopfschutz gesehen. Selbst ihre langen blonden Haare waren unter diesem anatomischen Helm verschwunden.

»Wir folgen dem Ruf der Taube«, sagte Miriam und zeigte in eine Richtung, die nicht direkt zu Gregs Hof führte. Sven hatte Mühe, ihr durch das Unterholz und über ein abgeerntetes Feld zu folgen, aber langsam glaubte er auch, das Gurren einer Taube zu hören.

*

Miriam führte Sven in einem weiten Bogen um Gregs Anwesen, bis sie eine kleine Anhöhe erreichten auf der wieder Bäume wuchsen.

»Willst du den Jungen verheizen?«

Das war Gregs Stimme. Sven riss den Kopf nach oben und sah Greg in der Astgabel eines Baumes sitzen.

»Er wollte mit«, sagte Miriam. Sven kam sich wieder wie ein Außenseiter vor und zum ersten Mal seit seiner Entscheidung im Auto fragte er sich, was er überhaupt tun konnte. Er hatte noch nie eine Waffe in der Hand und mit einem USB-Stick würde er heute nicht weit kommen.

Greg kletterte nahezu lautlos vom Baum und ging neben Miriam hinter einem Busch in die Hocke, um die Lage zu besprechen.

»Sie haben einen zivilen Kleinbus als Truppentransporter, einen Van als Kommandofahrzeug und den großen Truck mit einem hydraulischen Greifer. Ich schätze, es sind insgesamt fünfzehn Personen, wovon vielleicht zehn bewaffnet sind. Sie lassen sich Zeit, ich glaube, sie wollen das Gemüse in einem Stück ernten, sonst hätte es schon längst geknallt.«

Sven kam es vor, als würde Greg die Situation auf eine perverse Art genießen. Seine Körperhaltung, die Sprache und die Gesten wirkten professionell und routiniert. Miriam hatte sich die Lage ruhig erklären lassen, dann gab sie ihre Einschätzung ab.

»Wenn sie V'nyx lebend haben wollen, müssen wir nur warten, bis er auf dem Truck verladen ist. Dann schalten wir die anderen Fahrzeuge aus und entführen den Truck.«

Greg nickte mit einem schmalen Lächeln und zeigte auf Miriam.

»Du mischt den Laden ein bisschen auf und legst so viele wie möglich schlafen. Wenn alle durcheinanderlaufen, schalte ich das Licht aus und zerschieße ein paar Reifen.«

Dann schaute Greg zu Sven.

»Du wartest, bis das Licht aus ist, und schleichst dich an den Truck. Deine einzige Aufgabe ist es, mit dem Zündschlüssel hinter dem Lenkrad zu sitzen, wenn Miriam und ich fertig sind.«

Sven wusste nicht, wie er das schaffen sollte. Er empfand, dass jede der drei Aufgaben unlösbar war. Scheinbar sollte es so sein, dass jeder etwas Unmögliches schaffen musste, damit der Plan gelang, und ihm blieb nichts anderes übrig, als mit dem Kopf zu nicken. Greg honorierte Svens Zustimmung mit einem Zwinkern und sprach weiter: »Miriam läuft zuerst los und wartet, bis das Gemüse verladen ist, bevor sie den Laden aufmischt. Wenn das Chaos ausbricht, schleiche ich mich an. Sven läuft erst los, wenn das Licht aus ist.«

»Und was machen wir dann? Wir können doch nicht mit einem so großen Truck unbemerkt entkommen?«, warf Sven ein.

»Wer im Krieg an Morgen denkt, stirbt heute«, sagte Greg, ohne eine Miene zu verziehen, und es kam Sven wie ein Schlag in den Magen vor.

»Wir müssen jetzt in kleinen Schritten agieren«, sagte Miriam in einer verständnisvolleren Tonlage und legte ihre Hand auf Svens Schulter, »du kannst immer noch aussteigen und es wird dir niemand übel nehmen. Aber wenn du jetzt dabeibleibst, musst du ohne zu zögern funktionieren, schaffst du das?«

Sven war zum Heulen zu Mute. So entschlussfest und rational hatte er Miriam noch nie erlebt.

»Und wenn etwas schief geht?«, fragte Sven dann doch, und Greg zeigte in die entgegengesetzte Richtung seines Hofes.

»Dann rennen alle in diese Richtung. Dort ist eine kleine Hütte im Wald. Dort habe ich Waffen und einen vollgetankten Wagen mit weiterer Ausrüstung.«

Sven nickte, »O.K., ich bin dabei.«

*

Miriam hatte sich im Schattenwurf der Gebäude vorgepirscht und war dann auf das Flachdach eines kleinen Schuppens geklettert, um sich einen Überblick zu verschaffen. Der Platz vor der Scheune war taghell erleuchtet, sie sah fünf Männer in Kampfanzügen und mit Atemschutzgeräten, die das komplette Gesichtsfeld abdeckten. Sie hielten ihre Maschinengewehre vor die Brust, waren aber nicht besonders wachsam. An dem hydraulischen Greifarm des Trucks hing ein unförmiger Ballen, der mit mehreren Lagen Plastikfolie umwickelt war. Erst nach näherer Betrachtung erkannte Miriam durch die Folie einzelne Tentakel und ein engmaschiges Metallgewebe.

Sie hatten V'nyx den IV. in ein Drahtgewebe gewickelt, das der Kraft seiner Tentakel widerstand. Die Folie diente demnach nur als Schutz vor den Pheromonen, die ein Cerebrat in großen Mengen absondern konnte. Es war offensichtlich, dass sie es hier mit Profis zu tun hatten, die genau wussten, was sie taten und dies von langer Hand geplant hatten. Ein weiterer Mann kam aus dem Verschlag, aus dem sie V'nyx den IV. gezerrt hatten, und setzte seine Atemschutzmaske ab. Dann klopfte er gegen die Scheibe des Kommandowagens und die hintere Tür öffnete sich.

Miriams Magen verkrampfte sich, als sie Ellen Keens aussteigen sah. Inmitten der Spezialkräfte stöckelte eine rothaarige Frau in einem Businessdress und auf Pumps zum hinteren Ende des Trucks. Sie verschränkte die Arme zufrieden und begutachtete die letzte Phase des Verladevorgangs. Der Ballen, in dem der Cerebrat eingeschlossen war, senkte sich in einen Metallcontainer, der gerade noch groß genug war, um die Ladung aufzunehmen.

»Der Kontakt zum sekundären Ziel ist leider abgebrochen, wir lassen die Route zu ihrem Haus gerade in beide Richtungen abfahren«, berichtete der Mann, der Ms. Keens am Auto abgeholt hatte, auf Englisch.

Ms. Keens machte eine abfällige Handbewegung und antwortete ebenfalls auf Englisch: »Die Königin wird früher oder später irgendwo auftauchen. Ich habe sowieso keine Verwendung für sie.«

Dann zeigte Ms. Keens auf den Container und fügte hinzu: »Dass sie dieses steinalte Ei für mich ausgebrütet hat, war der letzte Dienst, den mir die blinde Königin erweisen konnte.«

Der Mann hielt eine luftdicht verschlossene Kunststoffbox vor Ms. Keens Augen und erklärte: »Dieser Laptop war quasi mit dem Cerebrat verwachsen, wir mussten den Tentakel abschneiden, um die beiden zu trennen.«

Ms. Keens nickte und sagte: »Nehmen sie das mit, wir untersuchen es in aller Ruhe im Labor.«

Miriam hatte genug gehört, sie musste sich beherrschen, um nicht sofort loszuschlagen. Sie ließ ihre Armklingen auf volle Länge anwachsen und machte sich bereit. Der hydraulische Greifer öffnete sich und ließ seine Ladung in den Container fallen. Zum Bedauern von Miriam war Ms. Keens wieder zurück zum Kommandofahrzeug geschlendert und hatte auf der Rückbank Platz genommen. Miriam wartete, bis der Container geschlossen war, dann sprang sie vom Dach. Mit den Armklingen hatte sie einen Schlagradius von fast zwei Metern pro Körperseite. Leichtfüßig wie eine Ballerina wirbelte sie über den freien Platz und fegte die fünf wachhabenden Soldaten von den Füßen, ehe sie den Angriff wahrnahmen.

Sie holte aus dem Drehimpuls neuen Schwung und sprang zu dem Mann, der Ms. Keens Bericht erstattet hatte. Ihr Ellenbogen traf ihn wie ein Hammerschlag im Nacken. Sie wirbelte um den Truck herum und hörte die ersten Feuersalven, die neben ihr in einer Wand einschlugen. In einem unfairen Zweikampf setzte sie den Mechaniker außer Gefecht, der den Greifarm des Trucks bedient hatte. Ansonsten war diese Seite des Trucks frei von Gegnern - Sven würde sich gefahrlos an das Führerhaus des Trucks anschleichen können. Die Scheinwerfer des mobilen Lichtmastes zerbarsten, und im gleichen Moment war es stockdunkel - Greg arbeitete seine Liste ab. Im Schutz der Dunkelheit wagte sich Miriam wieder auf den freien Platz, suchte weitere Soldaten und brachte sie zu Fall.