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Am Scheideweg

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David, ich will dich nie wieder sehen, noch mit der sprechen. Verschwinde aus meinem Leben, so wie du die letzten fünf Jahre verschwunden warst. Dieses Mal aber für immer. Ich liebe dich nicht. Ich hasse dich nicht. Du bist mir gleichgültig. Hast du das verstanden?"

„Karin, bis du von Sinnen? So wie du mich heute Abend geküsst hast, kann ich nicht glauben, dass du von dem, was du gerade gesagt hast, überzeugt bist. Du liebst mich, gestehe es dir ein. Hat dein Sinneswandel etwas mit deinem Ehemann zu tun? Ich wusste, dass du verheiratet bist, und du immer deinen Ehering, kurz bevor wir uns gesehen haben, abgenommen hast. Die Symbolkraft dieser Handlung ist doch eindeutig, und hat mich in meiner Einschätzung, dass du aus deiner Ehe mit diesem alten Mann raus willst, bestärkt. Will er um dich kämpfen? Ich werde es auf jeden Fall machen. Ich bin immer für dich da. Wir können unsere Beziehung wieder aufleben lassen. Ist das keine Perspektive für dich?"

Statt einer Antwort beendete Karin das Telefonat. David rief zurück, landete aber mit seinem Anruf nur auf ihrem Anrufbeantworter. Er hinterließ die Nachricht, dass er sie morgen Mittag von ihrer Arbeitsstätte abholen würde, damit sie beim Mittagessen miteinander sprechen könnten. Er drohte ihr damit, vor ihren Kollegen und Kolleginnen eine Szene zu machen, falls sie seiner Einladung nicht folgen würde. „Sei um Punkt halb eins im Foyer!", befahl er.

Jetzt war es mit ihrer Fassung vorbei. Tränen der Scham und der Angst liefen über ihr Gesicht. Der Mann, den sie liebte, und mit dem sie ihr Leben verbringen wollte, hatte Konsequenzen aus ihrem Verrat gezogen, und war gegangen. Sie war dazu verdammt, ihn davon zu überzeugen, sie wieder zurückzunehmen. Zuerst einmal musste sie aber David wieder loswerden. Oder konnte sie ihn als Freund behalten? Sie würde natürlich keinen Sex mit ihm haben, doch sie genoss seine Gegenwart und die Gespräche mit ihm. Walter konnte doch nichts dagegen haben, dass sie und David auf einer rein platonischen Ebene eine freundschaftliche Beziehung etablierten. Sie wäre natürlich weiterhin exklusiv für ihren Ehemann, und würde ihm auch nichts wegnehmen. Und Zeit würde sie mit David nur dann verbringen, wenn Walter arbeiten oder seinem Golfsport nachgehen würde. Wenn sie mit offenen Karten spielen würde, könnte er doch sicher sein, dass sie ihn nicht betrog, weder emotional noch körperlich sexuell. Aber waren das Argumente, ihn davon zu überzeugen, dass sie an dem Fortbestand ihrer Ehe interessiert ist? Eher nicht, gestand sie sich ein. Also musste David weg!

„Du bist mit unserer Ehe ins Risiko gegangen, und hast sie verspielt", hatte Walter ihr gesagt. Spiel, Risiko. Spielte sie wirklich mit ihrem Glück, oder stand sie mit ihrem Leben an einem „Scheideweg"? Links ging es zu David, rechts zu Walter. Es gab einen Weg, der geradeaus führte. Diesen Weg hätte sie allein gehen müssen, und das wollte sie nicht. Den Weg nach links zu gehen, war einfach. David wartete auf sie, und hatte ihr gesagt, dass er gewillt war, behutsam -- oder hatte er langsam gesagt -- ihre neue Beziehung aufzubauen. Egal, schließlich würde sie das Tempo in dieser Beziehung vorgehen. Davon war sie überzeugt. Nach rechts zu gehen war deutlich schwieriger, und der Erfolg war ungewisser, denn die Möglichkeit, auf diesem Weg zu gehen, hätte sie sich erst erarbeiten müssen.

Sie schaute in die Schwärze der Nacht, und rief leise noch einmal nach Walter. Wieder kam keine Antwort. Sie war allein in der ehelichen Wohnung. Ihr Mann hatte sie verlassen. Es war ihre Schuld gewesen, das war ihr bewusst. Karin fühlte sich einsam, und sie spürte fast körperlich die Angst, dass diese Einsamkeit nun ihr ständiger Begleiter sein würde. Sie trank den letzten Schluck Wein direkt aus der Flasche, und legte sich dann, bekleidet, wie sie war, in ihr Bett. Leise rief sie noch einmal vergeblich nach ihrem Mann. Sie kroch auf seine Bettseite, drückte seinen Schlafanzug an ihr Gesicht, und atmete tief durch die Nase ein. Karin meinte, seinen Körpergeruch zu riechen. Dann weinte sie sich in den Schlaf.

Der erste Tag der Ehe-Auszeit.

Am nächsten Morgen war sie gegen sechs Uhr wach. Sie erledigte ihre Toilette, frühstückte, schminkte sich anschließend dezent, und kleidete sich an. Trug sie am Arbeitsplatz, sie arbeitete im Kreditbereich mit Kundenkontakt, üblicherweise geschäftsmäßige Kleidung, wie ein körperbetonendes Kostüm, hautfarbene Strumpfhosen und Pumps beschloss sie, sich heute wie eine „langweilige Tante" zu kleiden: Weißer BH und weiße Pants, eine dunkelblaue Bluse, eine helle Stoffhose, weiße Baumwollstrümpfe und Ballerinas im Farbton der Bluse. Sie hatte nicht vor, sich für David sexy zu kleiden.

Karin war nervös, als sie kurz vor halb eins den Aufzug verließ, der sie in das Foyer der Bank gebracht hatte. Sie schaute sich um, und erblickte David, der freudestrahlend auf sie zukam. Als er sie zur Begrüßung auf den Mund küssen wollte, drehte sie ihren Kopf zur Seite, so dass seine Lippen nur ihre Wange berührten.

Auf dem Weg zu seinem Auto fragte sie ihn in einem kühlen Ton: „Wo gehen wir hin?" „Wir fahren natürlich zu ‚unserem' Restaurant", beantwortete er ihre Frage mit einem Lächeln. Als Karin fragend eine Augenbraue hob, schob er die Erklärung nach: „Wir gehen natürlich in das Restaurant, in das wir die letzten Wochen gegangen sind. Ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern, um deinem Mann glauben zu machen, dass wir etwas zu verbergen hätten. Glaubst du, er lässt dich von einem Detektiv beschatten?"

Die letzte Frage ließ Karin erschaudern. Was wäre, wenn dies den Tatsachen entsprach? Dann würde Walter erfahren, dass sie sich heute -- nur einen Tag nach seinem Auszug -- wieder mit David getroffen hatte. Wie würde sie dann dastehen? Wie sollte sie ihm das erklären?

Sie überlegte einen Moment, doch dann war sie sich sicher. „Nein, Walter lässt mich nicht beschatten", sagte sie voller Überzeugung. „Er hat mir gesagt, dass er mir und ihm einen Monat Auszeit von unserer Ehe gibt. Auszeit bedeutet, ich muss mich in diesem Zeitraum ihm gegenüber nicht rechtfertigen. Glaube ich zumindest, oder? Ich muss mir seine Nachricht noch einmal anhören, um sicher zu sein."

Der Rest der kurzen Fahrt verlief schweigend. Im Restaurant nahm David den Gedanken von der „Ehe-Auszeit" auf. Nachdem Karin ihm eine Zusammenfassung von Walters Nachricht gegeben hatte, kommentierte David das soeben Gehörte: „Das ist doch fantastisch. Er hat dir eine Auszeit von der Ehe gegeben. Er hat dir also einen Persilschein ausgestellt. Du bist in den nächsten vier Wochen frei zu tun, was du willst. Du bist ihm dafür keine Rechenschaft schuldig."

„Ja, vielleicht, ich weiß es nicht", giftete Karin ihn an, „aber ich werde trotzdem nicht mit dir vögeln. Und du kannst dir ganz schnell abgewöhnen, mir zu drohen. Du hast doch mehr zu verlieren als ich. Du bist doch jetzt Vorstandsvorsitzender der Schaumburg Privatbank. Was, glaubst du, wird dein Aufsichtsrat sagen, wenn ich mich bei ihm über dich wegen sexueller Übergriffe beschwere? Dann bist du deinen Posten ganz schnell wieder los. Oder liege ich da etwa falsch?"

Nach einer kurzen Zeit, in der David sich sammeln musste, erklärte er: „Ich merke, du bist knochenhart geworden. Na ja, als Abteilungsleiterin der Kreditabteilung einer Bank musst du bestimmt oft kompromisslos sein. Aber ja, ich habe verstanden, und entschuldige mich bei dir. Es kommt nicht wieder vor. Ganz nebenbei, ich könnte eine Führungskraft wie dich gebrauchen. Ich biete dir ein doppelt so hohes Gehalt, wie du es von deinem aktuellen Arbeitgeber bekommst, an, verbunden mit der Leitung des gesamten Kreditbereiches. Sei nicht blöd, nimm dieses Angebot an."

Jetzt war es an Karin, ihre Gedanken zu ordnen. „Warum bietest du mir den Job an?", wollte sie verwirrt wissen.

„Ich sehe, du bist interessiert", bestätigte David lächelnd. „Ich muss mich für meinen Betrug von vor fünf Jahren entschuldigen. Ich habe dich enttäuscht. Ich habe dich verraten. Es tut mir so leid, was ich dir angetan habe. Ich versuche, meine Schuld ein wenig abzutragen. Natürlich bekommst du, wenn du mein Angebot annehmen solltest, zusätzlich eine Arbeitsplatzgarantie für die Zeit meiner Amtsführung und für weitere drei Jahre darüber hinaus."

Karin fragte sofort: „Und an deinem Angebot sind keine Bedingungen geknüpft? Ich muss dich nicht vögeln oder dir anderweitig zu Diensten sein? Du bietest mir die Bereichsleiterstelle nur an, weil ich sie kompetent ausfüllen kann?"

David nickte als Teil seiner Antwort. „Natürlich bekommst du den Job nur, weil du es wert bist. Ich bin dem Unternehmen verantwortlich und würde keine Person einstellen, von der ich wüsste, dass sie den beruflichen Anforderungen nicht gewachsen ist. Mein einziger an dich gerichteter Wunsch ist es, dass wir wieder Freunde sein können."

„Lass mich darüber nachdenken, David", bat Karin. „Deine Offerte ist verlockend."

„Natürlich bekommst du Zeit, meinen Vorschlag zu überdenken", erwiderte David, „allerdings nur bis morgen, 14 Uhr. Dann läuft die Abgabefrist ab. Es liegen einige sehr gute Bewerbungen vor. Einen weiteren Kandidaten interviewen wir auch morgen -- nach dir -- gegen 15 Uhr. Du musst, wie jeder andere Bewerber auch, das ganz normale Bewerbungsverfahren der Bank durchlaufen. Aber ich bin mir sicher", und dabei lächelte er verschwörerisch, „dass deine Qualifikationen jeden in der Bank überzeugen werden. Komm um zwei in mein Büro, und bring die üblichen Bewerbungsunterlagen mit. Die Leiterin meiner Personalabteilung, Frau Hille wird zum Termin anwesend sein, und wir werden mit dir das übliche Bewerbungsgespräch führen. Bitte denk daran, mich im Termin nicht zu duzen. Es muss in der Bank zum aktuellen Zeitpunkt noch keiner wissen, wie gut wir uns kennen. In Ordnung?"

„David, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich habe dich offensichtlich total falsch eingeschätzt. Du verstehst aber bestimmt, dass ich dein Angebot mit meinem Mann besprechen muss. Ich werde ihn heute Abend anrufen, und ihn um seine Meinung bitten", erklärte Karin sachlich.

In einem genauso sachlichen Ton bestätigte David: „Ich hoffe, dass du es bist, die die finale Entscheidung treffen wird und nicht dein Ehemann. Ich wette, dass er es dir ausreden möchte, weil er nicht will, dass du mit mir zusammenarbeiten wirst. Er wird wollen, dass du in deinem, von ihm bewachten Käfig sitzen bleibst, weil sein männlicher Stolz es nicht zulassen will, dass du eine für dich äußerst positive Entscheidung über seinen Kopf hinweg triffst. Er hat Angst davor, dass du selbstständig wirst. Du hast diese Karriere verdient, glaube mir."

Nach einer kurzen Gedankenpause, in der keiner der beiden etwas sagte, fuhr er fort: „Und nun lass uns etwas essen. Ich habe Hunger."

Während des Mittagessens machte David keine Anzeichen, Karin Avancen zu machen. Sie unterhielten sich über Gott und die Welt -- und letztendlich auch über Karins Ehe. David hatte sie durch geschickte Fragen dazu gebracht, dass sie ein wenig über die Stärken, aber auch über die Schwächen ihres Ehemanns erzählte. Natürlich kommentierte er die Stärken positiv, und bewertete die Schwächen wohlwollend. Selbstverständlich verstand er es, seine Stärken in das Gespräch einfließen zu lassen, und natürlich stand er im Vergleich zu Karins Mann besser da. Aber dies zu bemerken, überließ er Karin. Dass sie ihm auf den Leim gegangen war, meinte er daran zu erkennen, dass Karin manchmal wissend mit dem Kopf nickte.

Eine dreiviertel Stunde später brachte David die Frau, die sich anschickte, wieder eine -- vielleicht seine -- Freundin zu werden, zurück zu ihrem Arbeitsplatz. Er hielt ein paar Hundert Meter von der Bank entfernt, beugte sich zu Karin rüber, und fragte sie: „Bekomme ich einen kleinen Kuss zu Abschied?" Karin lächelte ihn an, und sie fanden sich wenige Augenblicke später für etliche Sekunden in einem zärtlichen Kuss vereint.

Das erste Telefonat seit der Trennung.

Karin war nervös. Gleich würde sie das erste Mal, seitdem Walter sie verlassen hatte, mit ihm telefonieren. Je näher sich die Uhrzeit halb zehn näherte, desto mehr wurde ihr bewusst, dass sie ihren Ehemann schon wieder betrogen hatte. Wie sollte sie ihm erklären, dass sie sich erneut mit David getroffen hatte, und wie sollte sie ihn um seine Meinung zu Davids Jobangebot bitten? Was konnte sie ihm erzählen, dass für sie als seine Ehefrau sprach? Er hatte ihr untersagt, sich für die Lügen und den begangenen moralischen Verrat an ihm und an ihrer Ehe zu entschuldigen.

Punkt 21 Uhr 30 nahm sie ihr Smartphone zur Hand, und wählte seine Rufnummer. Sie hörte das Freizeichen vier-, fünfmal. Dann nahm er endlich das Gespräch entgegen und begrüßte sie. „Hallo Karin, ich freue mich, dass du anrufst. Wie geht es dir?"

Walter konnte ihre Nervosität durch das Telefon spüren. Nach einer gefühlten Ewigkeit von nur ein paar Momenten sprudelten die Worte aus Karin heraus. „Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, Walter", begann sie die Konversation. „Ich will keinen Neuanfang mit David. Als er mich vor einigen Wochen das erste Mal anrief, um sich mit mir auf einen Kaffee zu verabreden, war ich einfach nur neugierig zu erfahren, wie er sein Leben seit unserer Trennung gestaltet hatte. Wir haben nur geredet, uns unterhalten. Da war nichts Anstößiges dabei. Dass musst du mir glauben. Und dann kam es nach ein paar Wochen zu diesem einen Kuss, den du gesehen hast. Ich weiß nicht, warum ich ihn zugelassen habe. Es fühlte sich so verboten an, aber auch so vertraut. Kannst du das vielleicht ein bisschen verstehen?"

„Nein, das kann ich nicht!", erwiderte Walter bissig. „Du machst dir selbst etwas vor. Wenn eure Treffen nichts Besonderes waren, warum hast du mir davon nichts erzählt? Und warum hast du zu deinen Dates mit diesem Typen deinen Ehering versteckt?"

Traurig versuchte Karin ihr Fehlverhalten zu begründen: „Das waren keine Dates. Ich wollte nie, dass es so weit kommt. Ich war mir sicher, dass ich ihn auf Distanz halten kann. Den Ring habe ich abgenommen, weil ich mich nicht mit ihm über unsere Ehe oder über dich unterhalten wollte. Er sollte von uns nichts erfahren. Ich weiß, diese Begründung muss für dich ziemlich konstruiert klingen, aber ich habe keine Bessere. Mit dem Kuss hat er mich überrumpelt. Ich war einfach dumm. Je länger diese wirklich rein platonische Verbindung mit David andauerte, desto schwieriger wurde es für mich, mich dir anzuvertrauen.

Noch in der Nacht, in der ich dich durch meine Handlungen dazu getrieben hatte, mich zu verlassen, habe ich David sofort angerufen, und ihm gesagt, er solle mich nie wieder kontaktieren. Aber er hat mich genötigt, mich mit ihm noch einmal zu treffen, und mit ihm zu reden. Gleichwohl stellte sich dieses Meeting als ein ganz harmloses heraus. Es war fast so etwas wie ein Bewerbungsgespräch. Er hat mir eine Stelle in seiner Bank angeboten. Ich kann Leiterin des Kreditbereichs werden, und dadurch fast doppelt so viel verdienen wie bislang. Kannst du dir das vorstellen? Er hat mir hoch und heilig versprochen, dass an meiner Einstellung keine Bedingungen oder Erwartungen seinerseits geknüpft sind. Ich muss das ganz normale Bewerbungsverfahren durchlaufen. Dennoch, ich will das Angebot nicht ohne deine Zustimmung annehmen."

Nun war es an Walter eine ganze Weile zu schweigen. Nachdem er seine Gedanken geordnet hatte, sprach er in einem ruhigen und besonnenen Tonfall, „Ich hatte dir mitgeteilt, dass ich einen Monat Auszeit von unserer Ehe brauche, um dir und mir Gelegenheit zu geben, uns unserer Gefühle füreinander sicher zu sein, und, um zur Ehrlichkeit zurückzufinden. Wir beide sind in diesem Zeitraum frei, Entscheidungen allein zu treffen, ohne diese, wie es Eheleute üblicherweise tun würden, im Vorfeld mit dem Partner zu besprechen. Wir können tun und lassen, was wir wollen. Aber wir müssen natürlich daran denken, dass alles, was wir in unserer Ehe-Auszeit entscheiden, machen und sagen werden, Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Wenn du mich also bittest zuzustimmen, dass du zukünftig Tür an Tür mit deinem Ex-Verlobten acht, neun, zehn Stunden am Tag vertraulich zusammenarbeiten wirst, dass dein neuer Job es wahrscheinlich mit sich bringen wird, dass ihr gemeinsame Dienstreisen durchführen werdet, dann sage ich dir, dass du meine Genehmigung nicht brauchst, und, dass ich einen Teufel tun werde, sie dir zu geben. Du musst jetzt deine Entscheidungen selbst treffen und verantworten.

Wenn du mich allerdings als deinen Freund fragen würdest, was ich von diesem Job-Angebot halte, dann würde ich dir gestehen, dass ich deinen Ex fast ein wenig bewundere. Er ist wirklich ein Macher, wenn auch ein moralisch äußerst verwerflicher, da er sich an eine verheiratete Frau ranmacht. Er hat keine Zeit verschwendet, um dich anzubaggern, und versucht nun, dich von ihm abhängig zu machen. Wahrscheinlich hast du ihm von unserer Ehe-Auszeit erzählt, und er nutzt dieses Wissen, dich zu beeinflussen."

Walter ließ seine Aussage ein wenig wirken, und sprach dann weiter: „So, Karin, unsere halbe Stunde Gesprächszeit ist fast um. Ich habe leider nichts von dir gehört, warum wir weiter verheiratet sein sollten." Sarkastisch führte Walter fort: „Ich freue mich aber, dass du kein Geheimnis davon gemacht hast, dass du deinen Ex unverzüglich nach unserer Trennung wieder getroffen hast. Ich hätte gerne gewusst, wie ihr euch begrüßt, und wie ihr euch verabschiedet habt. Aber eigentlich geht mich das nichts an.

Wenn du es willst, sprechen wir uns morgen Abend wieder. Aber, wie gesagt, es ist kein Muss. Ich wünsche dir eine gute Nacht." Damit beendete er das Telefonat, und ließ eine immer verzweifelt werdende Karin mit sich allein.

Während Walters Zusammenfassung ihres Gespräches, dass es derzeit keinen Grund gäbe, verheiratet zu bleiben, in ihrem Kopf kreiste, setzte Karin sich fast mechanisch an ihren Laptop, und fing an, ihren Lebenslauf zu aktualisieren und ihre Bewerbungsunterlagen zusammenzustellen. Falls ihre Ehe mit Walter wirklich vorbei wäre, musste sie an ihre eigene Karriere und Zukunft denken. So versuchte sie ihr Tun logisch zu begründen.

Am nächsten Tag in Davids Büro.

Geschäftsmäßig mit einem schicken knielangen Kostüm, bestrumpften Beinen und Pumps mit fünf Zentimeter hohen Absätzen gekleidet, betrat sie Davids Vorzimmer, und meldete sich bei seiner Sekretärin an. Sie wurde sofort in sein Büro geführt, in dem neben David auch eine Frau auf sie wartete. David stellte sie als Frau Hille, die Leiterin der Personalabteilung vor.

Das Interview verlief geschäftlich. David überließ es Frau Hille, Karin zu befragen, und ihre Qualifikationen abzuklopfen. Über die Bezahlung wurde, wie in einer ersten Befragungsrunde üblich, noch nicht geredet, wohl aber über die sonstigen Sozialleistungen, ihre Kompetenzen und den Berichtsweg. Sie erfuhr, dass David im Vorstand für den Kreditbereich verantwortlich war, und sie direkt an ihn berichten würde. Nachdem auch ihre Fragen von den beiden Bankenvertretern beantwortet worden waren, stand David auf, und beendete formal das Bewerbungsgespräch mit Verweis darauf, dass Frau Hille sich in der kommenden Woche bei Karin melden wird, um das weitere Vorgehen abzustimmen, wie ein weiteres Kennenlerngespräch mit den zwei anderen Vorstandsmitgliedern. Karin bedankte sich ebenfalls für das Gespräch, und verließ dann das Gebäude.

Zwei Stunden später rief David sie an. „Du hast auf die Personalerin einen super Eindruck gemacht. Sie ist von deinem Fachwissen und deinen sozialen Kompetenzen überzeugt, und hat dich für die Finalrunde empfohlen. Ich wollte es dir nur schnell zurufen. Ich habe mit ihr auch schon die Bezahlung und die Jobgarantie besprochen. Bei letzterem musste sie ein wenig schlucken, ist dann allerdings darauf eingestiegen. Der nächste Termin ist der kommende Mittwoch zum Mittagessen in unserer Vorstandsküche um 12 Uhr 30 mit meinen beiden Vorstandskollegen und Frau Hille."