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Das Erbe meiner Mutter Teil 05

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Und nach einer kurzen Pause fuhr sie erklärend fort: „Svenja war vor dem Beginn ihrer Ausbildung bei uns im Vliesstoffwerk zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, welche sie im Gefängnis absitzen musste. Sie hatte sich in fremde Accounts eingehackt und sich so ihren Lebensunterhalt verdient."

„Beim Geheimdienst hätte sie das straflos tun dürfen", unterbrach ich nun doch mit einer gewissen Dosis Galgenhumor.

„Ja", fuhr Elvira ebenfalls leicht amüsiert fort. „Aber die bezahlen nicht so gut wie wir. Schließlich ist Svenja bei uns im Werk auch noch für die Computer- und Netzsicherheit verantwortlich. Ich habe sie also beauftragt, die Tracking-App sowie den digitalen Zerwürfler bei dir zu installieren."

„Aha", rutschte mir heraus. „Und was soll ich jetzt zu all dem sagen? Erwartest du jetzt einfach eine Absolution von mir?"

„Nein, das erwarte ich in keinem Fall", erwiderte Elvira. „Aber ich erwarte Verständnis für dieses Vorgehen, auch wenn dir noch nicht alle Hintergründe bekannt sind. Es war immer nur zu deinem Besten gedacht."

Lange saßen wir beide uns wortlos gegenüber. Meine Gedanken überschlugen sich nahezu, ich hatte viel nachzudenken. Als Frank gerade aufstehen wollte um Kaffee zu kochen bat ich ihn: „Bringst du mir bitte mein Mobiltelefon? Nicht das neue. Bring mir mein altes, ich möchte es wieder in Betrieb nehmen."

Erstaunt blickte Frank mich an. „Ja", nickte ich ihm zu. „Ich kann akzeptieren warum Elvira so gehandelt hat. Und wenn das jetzt die Wahrheit ist, dann werde ich ihr wohl vertrauen müssen. Zumindest bis ich fünfundzwanzig Jahre alt bin."

Und zu Elvira gewandt: „Sollte auch nur ein Punkt von dem, was du mir eben erzählt hast, nicht der Wahrheit entsprechen - und sollte ich dies herausfinden - dann wünsche ich dir um deinetwillen, dass du weit weg von mir bist. Denn dann würde ich dich, Freundin hin oder Verbündete her, vernichten." Trocken und eisig sprach ich diese Worte. Elvira sollte wissen dass ich das ernst meinte.

„Und jetzt", wandte ich mich wieder an Frank, „trinkt ihr beide zusammen den Kaffee. Ich muss für eine halbe Stunde an die frische Luft. Und danach", ich wandt mich wieder an Elvira, „erzählst du mir von Dr. Müllers neuem Angebot."

--

Lange lief ich mit hoher Schrittgeschwindigkeit durch den Ort und zwischen den Feldern und Wiesen hindurch. Einen logischen Fehler in der Erzählung von Elvira Mars konnte ich nicht finden. Es schien soweit alles zusammen zu passen und stimmig zu sein. Also schien sie mich in dieser Richtung nicht angelogen zu haben.

Wichtiger waren jedoch die Punkte, die sie nicht angesprochen hatte. Weder hatte sie sich zum Tod von Michael oder meiner Mutter geäußert noch hatte sie etwas zu den ominösen Bargeldeinzahlungen und den jeweiligen zugehörigen Entsorgungsrechnungen gesagt. Ich musste wohl akzeptieren, dass dies Punkte waren, zu denen ich erst mit fünfundzwanzig Jahren Näheres erfahren würde.

Und dann machte ich mir Gedanken, in welchen Gewerken bzw. in welchem Gewerbe man nur schrittweise in anscheinende Geheimnisse eingeweiht wurde, in denen man anscheinend permanent überwacht wurde und in denen Sicherheit und Abschottung wichtig waren. Gewerbe, in denen falsche Identitäten an der Tagesordnung waren. Dabei musste ich an die dänischen Papiere denken, welche bei uns im Safe lagen.

Zu meinem Schrecken fielen mir - nachdem ich die katholische Kirche ausschließen konnte - nur zwei Gewerbe ein, in denen dies der Fall war: der Geheimdienst und Familienbetriebe der Mafia!

Und als ich unter diesem Gesichtspunkt alle meine Kontakte und Gespräche mit Elvira geistig vor meinem inneren Auge nochmals Revue passieren ließ, verfestigte sich in mir die Vermutung, dass es wohl kaum der Geheimdienst sein konnte, der sich unser Vliesstoffwerk als seriöse und tarnende Adresse zugelegt hatte.

Und als ich mir dann noch überlegte warum Elvira dafür sorgte, dass ich schwerpunktmäßig ganz bestimmte Vorlesungen erhielt, passte auch dies zusammen. Eine oder mehrere Familien schlossen sich anscheinend zusammen, um im großen Stil international Geld aus dubiosen Quellen rein zu waschen und im besten Falle auch noch weit an der Versteuerung vorbeizuführen. Und dafür benötigte man sehr gut ausgebildete Spezialisten.

Und auch der Tod Michaels gewann damit eine neue Dimension. Durch die Weitergabe seiner Aktienanteile an ein fremdes Unternehmen hätte jenes plötzlich die Möglichkeit auf Einblick in die Geschäftsunterlagen unseres Vliesstoffwerks gehabt. Aus Sicht der ‚Familie' grenzte dies nicht nur an Verrat, dies war Verrat. Und darauf stand in der Mafia - wollte man Mario Puzo glauben - nun einmal der Tod folgerte ich vollkommen emotionslos.

Aber wie passte der Tod meiner Mutter in dieses Schema? Hatte Sie ebenfalls etwas Negatives gegenüber der ‚Familie' getan? Und warum wurde ich dann - obwohl Mutter scheinbar in Ungnade gefallen war - trotzdem protegiert und für eine Aufgabe aufgebaut?

Alle meine Fragen konnte ich mit dieser meiner Theorie noch nicht einordnen und bewerten. Aber über ein paar Dinge wurde ich mir während dieser Wanderung durch die dänischen Felder und Wiesen doch bewusst.

Ich würde immer im Familienbetrieb bleiben müssen. Ein Ausstieg aus der Familie war mir verbaut oder würde auf jeden Fall meinen Tod zur Folgen haben. Vielleicht hätte ich die Chance auf den Ausstieg anlässlich der Erklärungen, die ich zu meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag erhalten sollte. Ich würde darauf dringen müssen, dass ich nichts erfahren wollte und lieber den Raum verlassen wollte. Vielleicht würde man mich zu diesem Zeitpunkt lebend gehen lassen.

Ähnlich wie meine Mutter würde ich nie mit Frank über Geschäftliches reden können oder dürfen. Würde ich - ähnlich wie meine Mutter - dann auch eine schlechte Mama werden? Hätte ich dann - genau wie sie auch - zu wenig Zeit für die eigene Familie und die Kinder die wir uns wünschten?

Wollte ich das? War das der Sinn meines Lebens? Durfte oder konnte ich überhaupt noch eigene Ziele definieren und anstreben? Hatte ich überhaupt noch eine Möglichkeit aus dieser ‚Karriereplanung' auszubrechen?

Ich beschloss, meine Gedanken erst einmal für mich zu behalten. Konnte ich denn wissen ob ich mit meinen Vermutungen nicht meilenweit daneben lag? Ich würde alles erst noch einmal in Ruhe sortieren und neu bewerten müssen. Und dann würde ich als erster Person mit Frank darüber sprechen, mit niemandem sonst. Und da konnte sich Frau Dr. Elvira Mars auf den Kopf stellen und mit den Ohren wackeln, sie würde dies trotzdem nicht verhindern können.

--

Als ich nach annähernd eineinhalb Stunden endlich wieder zuhause eintraf waren Frank und Elvira mittlerweile beim Bier angelangt. Angeregt unterhielten sie sich über Gott und die Welt. Ich holte mir ebenfalls eine Flasche, fläzte mich undamenhaft quer über den freien Wohnzimmersessel und forderte Elvira auf, mir über das neue Angebot von Dr. Müller zu berichten.

Als sie daraufhin mit dem Finger wage in Richtung von Frank deutete und wortlos aber fragend die Augenbrauen hochzog meinte ich nur lapidar: „Denkst du nicht, dass er vertrauenswürdig ist? Gehört er etwa nicht zur Familie?"

Während Frank mich seltsam anblickte zuckte Elvira nur mit den Schultern und begann. „Wie dir ja bekannt ist, waren wir am Freitag anlässlich der Testamentseröffnung von Michaels letztem Willen bei Dr. Müller in dessen Kanzlei. In diesem Zusammenhang habe ich ja auch - wie abgesprochen - Herrn Dr. Müller mitgeteilt, dass wir dieses in seiner Gesamtheit anfechten würden.

Daraufhin erhielt ich am Montagvormittag das Angebot von ihm, dass dieser gegen eine Zahlung von achtzig Prozent des Nennwertes der Aktien das Erbe ausschlagen würde. Ich muss offen zugeben, dass ich mit diesem Schachzug nicht gerechnet habe. Ich hielt ihn für so absurd, dass ich ihn in meinen Planungen nach kurzem Nachdenken verworfen hatte. Deshalb jetzt meine Frage, wie beurteilst du dieses Angebot?"

Ich musste diese Information erst einmal selbst verarbeiten und so sprach ich mehr oder minder halblaut vor mich hin: „Ein Erbe kann innerhalb von sechs Wochen nach Eröffnung des Testaments ausgeschlagen werden, insofern besteht momentan noch kein zeitlicher Zugzwang. Das Nachlassgericht müsste dann unter Berücksichtigung des Willens des Erblassers weitersuchen und einen neuen Erben finden. Dazu würde - so denn weitere Erben vorhanden sind - die gesetzliche Erbfolge greifen. Falls es keine Erben der gesetzlichen Erbfolge geben sollte, ist immer das Bundesland in dem der Erblasser zu seinem Todeszeitpunkt mit Wohnsitz gemeldet war der letzte Erbe."

Als ich gedanklich soweit gekommen war unterbrach mich Elvira lächelnd: „Genau dies war auch mein Gedankengang. Und Erben der gesetzlichen Erbfolge sind Simone, Thomas, Viktoria, dein Papa Frank und natürlich auch du."

„Also gut", fuhr ich fort: „Simone, Thomas und Viktoria fallen jedoch aus, da diese für das Aktienpaket gemäß dem Willen meines Stiefbruders nicht infrage kamen. Sonst hätte er es ja nicht jemandem anderen übertragen. Hier wird sich das Nachlassgericht an Michaels letzten Willen anlehnen."

„Genau", fuhr Elvira nahtlos fort. „Und jetzt hängt alles davon ab, ob Frank damals bei der Hochzeit mit deiner Mama Maria auch Michael adoptiert - und somit als eigenen und leiblichen Sohn angenommen - hat.

„Ja", fiel hier Frank ein. „Das habe ich, es war auch Marias Wunsch."

„Gut", fuhr hier Elvira wieder fort. „Damit bist du, Frank, der nächste gesetzliche Erbe und man würde dir das Aktienpaket vererben."

„Aber ich möchte das doch gar nicht", fiel dieser ein.

„Dann wirst du das Erbe eben trotzdem annehmen und nach einer bestimmten Warte- und Haltezeit als Schenkung an deine Tochter Eva weitergeben", widersprach hier Elvira resolut. „Insofern ist es auch besser, dass ihr zurzeit hier in Dänemark lebt und niemand in Bayern euren jetzigen Status als Mann und Frau mitbekommt." Elvira grinste uns beide so richtig spitzbübisch an.

„Also gut", unterbrach ich nachdenklich. „Dann könnte sich nur noch ein Problem ergeben."

Erschrocken blickte Elvira mich an. „Was habe ich nicht bedacht?" fragte sie aufgeschreckt.

„Was passiert, wenn das Nachlassgericht den biologischen Vater von Michael aus dem sprichwörtlichen Hut zaubert?" gab ich zu bedenken. „Oder jemanden, der sich für diesen ausgibt? Maria und Michael sind tot, und ich weiss von Frank, dass auch dieser den biologischen Vater von Michael nicht kennt."

An Stelle einer Antwort zückte Elvira ihr Mobiltelefon und rief Svenja an: „Hallo Schatz", meldete sie sich als Svenja das Gespräch annahm. „Stell jetzt bitte keine Fragen sondern sorge bitte dafür, dass vor der Einäscherung des Leichnams von Michael eine DNA- bzw. DNS-Sequenzierung unter gerichtlicher Aufsicht durchgeführt wird. Ja, richtig gehört, genau das. Bis morgen, mein Schatz, ich hab' dich auch lieb."

„Gibt es sonst noch ein Problem hinsichtlich des Angebots von Dr. Müller? Habe ich noch etwas nicht bedacht?" fuhr sie schließlich fort nachdem sie ihr Mobiltelefon wieder eingesteckt hatte.

„Ja", unterbrach zu meiner Überraschung Frank hier: „Welchen Betrag kostet das Vliesstoffwerk der Rückkauf dieses Aktienpakets? Ich meine, achtzig Prozent von fünfundzwanzig Prozent der Aktien - selbst wenn es sich auf den Nennwert bezieht - dürfte keine Kleinigkeit sein."

„Nun", Elvira lächelte leicht scheu. „Wir sprechen hier von einem mittleren einstelligen Millionenbetrag. Also zwar nicht aus der Portokasse zu berappen, aber auf jeden Fall eine Summe die im Möglichen und Zahlbaren liegt."

„Und einfach nur das Testament anfechten und den Rest durch das Nachlassgericht erledigen zu lassen wäre nicht billiger?" setzte Frank nach.

„Billiger schon", antwortete ich. „Aber es könnte im schlimmsten Falle sechs bis acht Jahre dauern. Und in dieser Zeit würden die auf diesen Aktienanteil entfallenden Gewinne auf ein Sperrkonto des Nachlassgerichts eingezahlt und nicht der Firma zur Verfügung stehen. Darüber hinaus gäbe es bei jeder Aktionärsversammlung noch jemanden der vom Gericht bestellt wird und der mit hören und mit entscheiden möchte. Was ist also für den Betrieb sinnvoller?"

Ich blickte nun zu Elvira. „Und außerdem hätte ich da noch eine Idee, wie wir die Kosten für den Rückkauf des Aktienpakets steuerlich optimiert anrechnen lassen könnten. Was hältst du davon, wenn wir das Aktienpaket von Michael in eine Stiftung überführen und daraus beispielsweise Jugendliche fördern, deren elterliches familiäres Einkommen einfach nicht ausreicht um sie ihrer Intelligenz und ihren Fähigkeiten entsprechend zu fördern? Oder wir fördern Mädchen, die in Männerberufen ausgebildet werden wollen? Stichwort Gendergerechtigkeit."

Bevor ich es kommen sah kniete plötzlich Elvira vor mir und drückte ihre Stirn auf meinen Handrücken. Dann stand sie vor mir und küsste mich auf meine Stirn. Mit Tränen in den Augen meinte sie nur: „Ich bin stolz auf dich. Ich bin so stolz auf dich." Dann setzte sie sich ehrfurchtsvoll wieder mir gegenüber auf das Sofa.

Verdutzt blickte ich sie an. Dann ging mir nur noch ein Gedanke durch meinen Kopf: ‚Also doch!' Ich hatte mit all meinen Vermutungen während des Spaziergangs heute Nachmittag Recht! Ich wurde von der Familie protegiert und ausgebildet. Und ich sollte - so wie es aussah - nicht nur irgendeine Spezialistin werden. Oh nein, ich sollte anscheinend wirklich die Patin werden! Zumindest wurde ich dafür vorbereitet. Mit allen Konsequenzen.

Scheu blickte ich zu Frank hinüber. Doch dieser blickte nur genauso verdutzt drein wie ich auch.

--

Am nächsten Vormittag war es still in unserem Auto als ich Elvira wieder nach Kopenhagen zum Flughafen fuhr. Frank blickte mich zwar seltsam an als ich ihn bat dies tun zu dürfen, widersprach jedoch nicht.

Irgendwie wollte anfangs kein Gespräch zwischen Elvira und mir aufkommen. Sie hielt sich anscheinend nach ihrem gestrigen Gefühlsausbruch absichtlich zurück und ich wollte keine Fragen stellen, auf die ich zur Antwort bekommen würde dass ich noch eineinhalb Jahre warten müsste um dies zu erfahren.

„Denkst du wirklich", begann ich dann doch, „dass Dr. Müller von den achtzig Prozent die er haben will, alles offiziell über MNM oder AWI abrechnet? Oder wird er niemandem etwas sagen und diese Summe als seine Altersversorgung sicher in der Schweiz oder in einem sonstigen Steuerparadies anlegen?" Ich blickte kurz zu Elvira hinüber und sah sie grinsen.

„Das weiss ich nicht", und sie zuckte mit den Schultern. „Aber wenn du möchtest können wir das herausfinden."

„Nun gut", ich grinste ebenfalls kurz zurück. „Mach ihm das Angebot er würde Zwei Drittel des Nennwerts des Aktienpakets bekommen. Und wenn er meckern will dann sag' ihm, dies wäre ein Angebot das er nicht ablehnen könnte. Und wenn er das nicht verstehen will, erinnere ihn an den Film ‚Der Pate'. Und wenn er dann noch nicht reagiert, dann beende einfach das Gespräch." Und ich blickte wie unbeteiligt durch die Windschutzscheibe auf den Verkehr hinaus. „Dann wird er das nächste Angebot direkt von mir bekommen. Und das wird nur noch die Hälfte des Nennwertes der Aktien betragen."

Lange war es still. Dann hörte ich Elviras Stimme: „So wird es geschehen." Dann wieder Stille.

Also doch! Unausgesprochen war dies das Eingeständnis Elviras, dass alle meine Vermutungen bezüglich meines zukünftigen Werdegangs nicht aus der Luft gegriffen waren. Ich konnte und durfte anscheinend inzwischen auch Befehle erteilen, welche diese Summen im sechsstelligen Bereich betrafen. Natürlich würde sich im Umkehrschluss ein Misserfolg auch negativ auf meinen weiteren Weg an die Spitze der Familie auswirken. Tief atmete ich durch, das alles würde ich heute Abend in Ruhe mit Frank noch einmal besprechen müssen. Schweigend fuhren wir weiter.

„Darf ich dir bitte noch eine Frage stellen?" bat ich schließlich doch noch.

„Klar", erwiderte Elvira. „Ich bin mir nur nicht sicher ob ich dir eine Antwort geben kann."

„Was ist mit meiner Mutter passiert?"

„Sei mir bitte nicht böse, wenn ich dir mit einem abgeschmackten Wortspiel antworte: sie war einfach ausgebrannt. Und frag' bitte nicht mehr nach deiner Mutter, ich werde dir keine anderen Antworten geben."

Als wir schließlich im Abfertigungsgebäude standen und Elvira bereits den Koffer aufgegeben hatte und ihre Boardingunterlagen in Händen hielt konnte ich es mir doch nicht verkneifen zu fragen wie echt die dänischen Ausweispapiere wären, die wir vorgefunden hatten. Lange blickte sie mich wortlos an. Als sie schon an der Abfertigung war drehte sie sich noch einmal um und meinte trocken „Sehr echt". Dann ging sie durch die Kontrolle und verschwand aus meinem Sichtfeld.

18

Gleichmäßig dröhnte es in meinen Ohren, diesmal waren es aber die Turbinen eines Airbus A 320. Ich saß entspannt in meinem Sitz neben Frank, hatte meine rechte Hand - auf der seine Hand lag - auf seinen Oberschenkel gelegt und blickte aus dem Fenster in Richtung der aufgehenden Sonne. Die von ihr angestrahlten Wolkenberge sahen wie ein futuristisches Kunstwerk aus. Langsam versuchte ich zu ordnen, was alles in den letzten drei Monaten meines zweiten Semesters passiert war.

Natürlich war da als erstes das Geschäft mit Dr. Müller bezüglich des Testaments meines Stiefbruders zu erwähnen. Zu meiner Überraschung nahm dieser das ‚Angebot' von Elvira Mars nach kurzem Zögern an. Und so war ich also im letzten Monat noch einmal für einige Tage im Vliesstoffwerk um die Stiftung zusammen mit Elvira Mars ins Leben zu rufen. Ab dem Folgejahr würden wir aus dem Stiftungsgewinn junge Mädchen, die sich in Männerberufen bzw. in männlich dominierten Studiengängen beweisen wollten, fördern.

Mit Frank hatte ich oft und lange diskutiert. Er wusste nun genau so viel wie ich was meine zukünftige ‚Arbeitswelt' betreffen würde. Und mit Bezug auf das Testament meiner Mutter gingen wir nun beide davon aus, dass wir zwar nicht mehr ewig in Nysted leben würden, aber eben auch nicht mehr längerfristig zurück in die Oberpfalz müssten. Voraussichtlich würde der Hauptsitz der Stiftung meiner Mutter - die Insel Jersey - unser neuer Lebensmittelpunkt werden. Aber auch das - so Frank - wäre kein Problem, er würde dann eben von Jersey via Paris nach Frankfurt fliegen um zum Verlag zu kommen. Wichtig war für ihn nur, dass ich in meinem Leben das tun würde, was ich auch wirklich tun wollte.

Und noch etwas Positives hatte sich im letzten Monat ereignet. Wir erhielten die Einladung zu einer Einzugsparty von Ulrike Tischbein. Sie und Maja Frederickson hatten sich unsterblich ineinander verliebt und gaben bekannt, dass Ulrike bei Maja einziehen würde. Ein Hochzeitstermin war zwar noch nicht geplant, aber Ulrike war inzwischen mental wieder so weit hergestellt, dass sie - sehr zum Gefallen des Verlags - wieder zu schreiben begonnen hatte. Und Frank konnte es nicht lassen zu lästern, dass ihr neues Buch dann wohl in Anlehnung an den uralten Schlager ‚Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben' heißen würde.

Aber all das wollte ich nun für die nächsten vier Wochen vergessen. Wir hatten uns entschieden unseren ersten gemeinsamen Urlaub als ‚Ehepaar' auf der Insel Kreta zu verbringen. Ich hatte mir das gewünscht, da ich über die Geschichte und Kultur Europas nicht nur etwas lernen wollte, sondern ich wollte es auch verstehen und begreifen. Und was konnte hier besser als Ausgangsort dienen als mit der ersten europäischen Hochkultur - der minoischen auf Kreta - zu beginnen.

Frank kümmerte sich rührend um die Planung, ich sollte mich einfach überraschen lassen. Und selbstverständlich würde nicht nur Kultur sondern auch Erholung auf dem Urlaubsprogramm stehen. Aber eben nicht in einer der touristischen Hochburgen an der Nordküste. Aber hier hielt sich Frank sehr bedeckt, ich erfuhr bis dato keine Einzelheiten.

Und noch etwas hatten wir beschlossen. Wir reisten mit unseren dänischen Papieren als Ehepaar Ole und Freya Pedersen.