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Das Refugium Teil 2 - Kapitel 18

Geschichte Info
Der Bote.
4.1k Wörter
4.67
3k
2
Geschichte hat keine Tags

Teil 19 der 20 teiligen Serie

Aktualisiert 01/04/2024
Erstellt 11/16/2022
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Kapitel 18: Der Bote

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Manfred betrat die Kantine, in der sich bereits die anderen Bewohner des Refugiums versammelt hatten. Jeder hatte einen Rucksack griffbereit neben sich stehen, bepackt mit Überlebensausrüstung, wie sie damals Marianne von Manfred bekommen hatte. Für den Fall, dass Radomir sein Wort nicht hielt und Nikolai wirklich vor dem Tor auftauchte, wollen alle bereit sein, notfalls durch die geheimen Tunnels und über die Berge zu flüchten.

"Entspannt euch," begrüßte Manfred die Gruppe, die ihn erwartungsvoll anblickte, "ich denke, Radomir hat geliefert."

Er projizierte eine Nachricht, die er von der Stationsüberwachung bekommen hatte. Die Seismografen der Station hatten eine heftige Explosion, gefolgt von lang andauernden Erschütterungen, aufgezeichnet. Es schien sich, sagte jedenfalls die Computerauswertung, um eine unterirdische Explosion zu handeln, gefolgt von einem gewaltigen Bergsturz.

"Ich denke, das galt der Straße," fasste Manfred zusammen. "Wenn ich Recht habe, können wir aufatmen, zumindest für den Moment ist es unwahrscheinlich, dass sie ihre schweren Waffen heranfahren können. Mit dem Rest werden wir spielend fertig."

Die Erleichterung im Raum war fast körperlich zu spüren.

"Radomir Gruschin ins Spiel zu bringen war ein genialer Schachzug, gratuliere." Walter klopfte Manfred anerkennend auf die Schulter. Hans war etwas zurückhaltender. Er hatte einige Stunden zuvor durchaus bemerkt, wie Marianne von Manfred zurückgekommen war. Er kannte sie nun aus vielen Nächten, und er kannte ihren zufriedenen Gesichtsausdruck, wenn sie beim Sex auf ihre Kosten gekommen war. Jetzt hatte sie diesen Ausdruck, und strahlte eine Mischung aus körperlicher Mattigkeit und verträumter Gedankenlosigkeit aus.

"Seid ihr euch einig geworden?", hatte er Marianne gefragt. "Ja, wir haben uns ausgesprochen, ich habe mich entschuldigt und er hat es akzeptiert. Ich denke, damit ist alles geklärt zwischen uns, und ich kann hier bei Dir bleiben. Er hat außerdem eine Idee, wie ich mich nützlich machen könnte."

Hans spürte kurz den Stachel der Eifersucht, aber als Marianne ihn in den Arm nahm, ihn zärtlich auf dem Mund küsste, und sich an ihn schmiegte, beschloss er, auch nicht genauer wissen zu wollen, wie diese Versöhnung vor sich gegangen war. Sie hatte auch nie nach den Details seiner Nacht mit Eva und Walter gefragt.

Jetzt, da die akute Gefahr gebannt schien, entspannten sich alle, und bald erfüllten angeregte Unterhaltungen die Kantine. Manfred erläuterte jedem noch einmal seine zukünftigen Aufgaben in der Station, und man diskutierte ausgiebig die bevorstehende Kontaktaufnahme mit den anderen Regierungen der Welt. Schließlich verzogen sich, zu vorgerückter Stunde, die Pärchen als erste in ihre Quartiere, Walter mit Eva, und Hans mit Marianne.

Manfred blieb mit Sandy und Lisa zurück, und er blickte mit schelmischem Lächeln zwischen den beiden hin und her.

Lisa nahm seine Gedanken vorweg, und grinste breit: "Vergiss es. Ich bin noch in der Rekonvaleszenz. Ein flotter Dreier ist nicht drinnen."

Und zu Sandy gewandt sagte Lisa: "Ich spüre immer noch die Nachwirkungen meiner Verletzung, ich überlasse ihn Dir. Für den Moment."

"Na, dann gute Nacht, Sis", lächelte Sandy zuckersüß, hakte Manfred unter, und zog ihn mit sich aus der Türe in Richtung der Wohntrakte.

Lisa blieb allein zurück, und ließ sich vom Automaten einen ihrer geliebten Alcopops servieren. Dann fläzte sie sich in einen der Sessel der Kantine, legte ihre schlanken Beine samt der Bergstiefel auf den Tisch, und lud sich eine ihrer alten Serien auf die gegenüberliegende Wand. Genüsslich nuckelte sie an dem süßen Getränk, und ließ sich von der relativ platten Handlung berieseln. Gerade spiele eine Liebesszene, und für einen Augenblick stellte sich Lisa vor, wie sich Sandy, von Manfreds Schwanz durchdrungen, gerade in Extase unter seinem Gewicht wand.

"Eifersüchtig?" fragte sie sich selbst, und spürte in sich hinein. "Nein," gab sie sich die Antwort gleich selber, "aber eventuell etwas neidisch." Es war jetzt schon einige Zeit her, da sie ihn zuletzt heiß zwischen ihren Schenkeln und in sich gespürt hatte, es wurde langsam Zeit, fand sie, dass sie ganz in die Welt der Lebenden zurückkehrte und die Freuden der körperlichen Liebe wieder genoss. Kurz erwog Lisa, sich von einem der Automaten der Station verwöhnen zu lassen, aber sie hatte Angst, dass ihre kaum verheilten Muskeln noch nicht für einen Orgasmus bereit waren. Also zuckte sie die Schultern, beendete den Film, und trollte sich müde und unbefriedigt in ihr Bett.

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Zwei volle Tage vergingen, ohne dass es auffällige Ereignisse gab. Sandy stellte eine neue Drohne fertig. Ein Erkundungsflug bestätigte, was Manfred schon vermutet hatte: die Russen wie auch die Marauder hatten jede Bautätigkeit eingestellt, und waren in ihre Lager zurückgekehrt. Und an der Stelle, wo der längste Tunnel der Bergstraße einst gewesen war, zeugte eine frische Narbe in der Bergflanke von einem gewaltigen Bergsturz, der über dem Tunnel niedergegangen war, und der ihn vermutlich eingedrückt und völlig zugeschüttet hatte.

Mit den Maraudern, vor allem mit Ritchie, wollte sich Manfred ein anderes Mal beschäftigen, also legte er sein Hauptaugenmerk auf die Russen. Offenbar waren sie unschlüssig, was sie nun tun sollten, und das ließ vermuten, dass sie ohne Führung waren. Auch der offensichtliche Schlendrian, mit dem die vorher so disziplinierte Truppe jetzt agierte, sprach dafür, dass sie im Moment weitgehend sich selbst überlassen agierten. Und ein frisches, namenloses Grab nicht weit vom Sanitätszelt war ebenfalls ein Indiz, dass Nikolai wohl das Zeitliche gesegnet hatte.

Die neuen Mitglieder der Stationsbesatzung arbeiteten sich in ihren Abteilungen in ihre Aufgaben ein. Auf für Marianne war eine angemessene Aufgabe gefunden worden. Sie würde als "General Manager" für die Unterbringung der zu erwartenden Staatsgäste zuständig sein, und dazu den VIP-Bereich der Station wieder in Schwung bringen. Das vermutlich wichtigste Hotel, das die Menschheit in den nächsten Jahren haben würde, zu leiten, wo die Mächtigen und Schönen ein und aus gehen würden, das war eine Aufgabe nach Mariannes Geschmack, und sie stürzte sich mit Feuereifer hinein, nicht ohne Manfred einen dicken Kuss als Dankeschön auf die Lippen zu drücken. Manfred genoss das Kribbeln, das Mariannes Nähe in ihm auslöste, und Walter trug es mit Fassung.

Mitten in einem betriebsamen Nachmittag erschien plötzlich in allen Abteilungen Manfreds Gesicht auf den Wandschirmen.

"Wir haben einen Flugalarm," teilte er den anderen mit, "da ist etwas im Anflug. Es ist ein Hubschrauber. Aus dem Fehlen von Heckrotor-Geräuschen zu schließen, könnte es sich um einen Hubschrauber mit Doppelrotor handeln, eine Kamow KA-27, vermutlich. Eine russische Militärmaschine."

"Werden wir angegriffen?" Sandy schaute besorgt.

"Ich glaube, eher nicht", antwortete Manfred beruhigend. "Voll bewaffnet würde seine Reichweite nicht ausreichen, um vom nächstgelegenen russischen Luftwaffenstützpunkt hier her zu fliegen. Sie mussten ihn vermutlich völlig ausräumen, und in einen fliegenden Kerosintank verwandeln. Und der Heli sendet schon die ganze Zeit wie verrückt auf allen Frequenzen und versucht, Kontakt mit uns aufzunehmen. Auf Russisch, und hin und wieder probiert er auch Englisch, und ich meine auch sowas wie einige Brocken Deutsch gehört zu haben."

"Was er wohl von uns will?"

"Radomir hat uns einen Boten angekündigt. Ich vermute, er kommt gerade angeflogen."

"Und was machst Du jetzt?"

"Ich denke, ich antworte, und frage, was seine Absichten sind."

Manfred schaltete den Simultanübersetzer ein, öffnete einen Kommunikationskanal, und forderte den Helikopter auf, sich zu identifizieren. Wenn der Pilot erstaunt war, akzentfrei in seiner Muttersprache angesprochen zu werden, ließ er es sich nicht anmerken.

"Hier spricht der Pilot der Ka-27, ich fliege im Auftrag der russischen Regierung, auf der Suche nach der Station mit den Codenamen SG-17. An Bord befinden sich zwei Personen, ich selbst, und mit mir fliegt Kalina Karajeva, in der Rolle einer persönlichen Botschafterin von Präsident Radomir Gruschin. Wir sind unbewaffnet, kommen in friedlicher Absicht, und ersuchen um Navigations- und Landeanweisungen."

Manfred bestätigte die Landeerlaubnis, und sandte einen Leitstrahl, dem der Helikopter nur folgen musste. Als er wenig später über dem Talkessel, in dem sich der Eingang zum Refugium befand, einschwebte, deaktivierte Manfred die Stationsgeschütze, und alle sahen auf ihren Bildschirmen zu, wie der Helikopter, Wolken von trockenem Staub aufwirbelnd, auf der Ebene vor der Station landete.

Die heulenden Turbinen wurden heruntergefahren, und als die beiden Rotoren aufgehört hatten, sich zu drehen, öffnete sich seitlich eine Schiebetür, eine schlanke Frauengestalt in teuer aussehender Kleidung sprang heraus und landete sicher auf dem Boden. Manfred bemerkte sofort die Ähnlichkeit mit Marianne in ihren Bewegungen. Das musste die Ex-Olympiasiegerin und Weltmeisterin Kalina Karajeva sein. Suchend sah sie sich um. Manfred ließ das Zugangstor zur Station auffahren, und sie lief zielstrebig los, während der Pilot bei seinem Fluggerät zurückblieb. Natürlich schickte Manfred ihr gastfreundlich einen TransportBot entgegen, und als dieser neben Kalina anhielt, musterte sie das futuristische Gefährt einen Augenblick, und sprang dann mit einer fließenden Bewegung in den Sitz.

Einige Minuten später fuhr die Plattform Kalina durch das große Tor in die Station. Direkt hinter dem Eingang, der sich langsam wieder schloss, blieb der Transporter automatisch stehen. Vor ihm befand sich ein Metallrahmen, der schwach in diffusem blauem Licht erstrahlte.

"Bitte entschuldigen Sie die Umstände, Frau Botschafterin," kam Manfreds Stimme über die Sprechanlage, "bei dem Gerät vor Ihnen handelt es sich um einen Körperscanner. Wir werden Sie kurz durchleuchten. Das ist reine Routine, und Teil unseres Sicherheitskonzepts. Jeder, der von draußen hereinkommt, auch ich selbst, muss sich scannen lassen. Das Gerät ist bewährt und erwiesenermaßen völlig harmlos. Bitte stimmen Sie der Untersuchung zu."

"Und was, wenn ich mich weigere?"

"Das Flugwetter ist ausgezeichnet, Sie werden einen angenehmen Rückflug haben."

Kalina zuckte resigniert die Schultern, und machte eine zustimmende Handbewegung. Manfred ließ den Transporter langsam durch den Scanner gleiten. Die Körperscanner stammten technisch von den MediBots ab, und erfassten Kalinas Körper in allen Details. Obwohl Manfred die Konturen nur schemenhaft erkennen konnte, kam er nicht umhin, die Ähnlichkeit zwischen Kalinas und Mariannes Körperbau zu bemerken, und im Stillen beglückwünschte er Radomir zu seiner Wahl. Routiniert checkte er die verschiedenen Anzeigen, die um Kalinas Körperbild herum eingeblendet wurden, und er fand keinerlei Hinweise auf Waffen oder andere verdächtige Mitbringsel.

Fast schon wollte er Kalina weiterfahren lassen, da fiel ihm ein Hinweis auf, der am Rand eingeblendet wurde. Er stutze, und nahm einige Einstellungsänderungen vor.

"Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten,", sagte er ruhig, "wir hatten eine kleine technische Störung, bitte erlauben Sie uns, den Vorgang zu wiederholen."

Kalina tat ihm den Gefallen, und nickte geduldig in die Richtung, wo Manfreds Stimme herkam, und wo sie eine Kamera vermutete. Manfred ließ den Transporter rückwärtsfahren, und dann noch einmal vorwärts. Sicherheitshalber machte er bei jeder Durchfahrt des Scanners eine Aufnahme. Manfred schluckte trocken bei dem unerwarteten Anblick, der sich ihm bot. Er schaltete das Scannerbild auf Walters Wandbildschirm.

"Was hältst Du davon?", fragte er. Walter musste nicht lange nachdenken, er hatte solche Bilder früher oft gesehen.

"Krebs, Endstadium. Sie hat noch ein paar Wochen, unter Umständen vielleicht auch Monate, aber sie muss so schnell als möglich stationär aufgenommen werden, wenn sie noch eine Chance haben soll."

"Haben wir noch Zeit für eine angemessene Begrüßung?"

"Ich schätze schon, es kommt auf ein paar Tage mehr oder weniger nicht an, und wenn sich ihr Zustand verschlechtert, können wir sie innerhalb einiger Minuten auffangen und stabilisieren."

"Dann wollen wir sie willkommen heißen. Ich lassen sie am besten in das VIP Apartment bringen, da kann sie sich frisch machen nach der Reise. Marianne soll sie in Empfang nehmen. Es wird sicher ein großartiges Wiedersehen für die beiden. Das wollen wir ihnen gönnen, bevor wir ihnen die unangenehme Nachricht überbringen."

Er öffnete einen Kanal zu Marianne, und bat sie, den ersten Staatsgast der Station würdig in Empfang zu nehmen.

"Okay Boss", kam es mit spöttischem Unterton von Marianne zurück, und sie machte sich auf den Weg. Irgendwie kam ihr Manfred seltsam vor, als ob er ihr etwas Wichtiges verschweigen würde, aber sie beschloss, nicht zu fragen. Wenn Manfred es für notwendig hielt, würde er sie ins Vertrauen ziehen.

Als Kalina einige Minuten später auf ihrem Transporter durch die große Türe in das Luxusapartment fuhr, in dem Marianne, Lisa und Manfred ihre erste gemeinsame Nacht verbracht hatten, musterten sich Kalina und Marianne einen Augenblick verdutzt, und jede zählte die Spuren des Alterns im Gesicht der anderen. Dann brach sich ihre alte Verbindung die Bahn, alle Etikette außer Acht lassend breiteten sie die Arme aus und fielen sich lachend und weinend zugleich um den Hals.

Bereits nach einigen Minuten war die alte Vertrautheit zwischen den beiden Frauen wieder hergestellt, und sie wurden nicht müde, sich über alte und neue Erlebnisse auszutauschen. Nach und nach fanden sich auch die anderen Bewohner der Station ein, um Kalina kennen zu lernen. Mit ihrem Charme und ihrem offenen Wesen gewann sie schnell die Herzen aller, und bald war eine muntere Plauderei im Gange, bis schließlich Manfred und Walter als Letzte den Raum betraten.

Angesichts ihrer ernsten Mienen verstummte die zwanglose Unterhaltung nach und nach, und Manfred und Walter zogen alle Blicke auf sich.

"Warum hat Radomir gerade Sie geschickt?", fragte Manfred nach einer kurzen, förmlichen Grußfloskel.

"Ich habe selbst darum gebeten, ich wollte Marianne wiedersehen," antwortete Kalina. "Und bitte duzen Sie mich, ich heiße Kalina."

"Gerne, ich bin Manfred, und das neben mir ist Walter, unser Chefarzt. Und sonst wollten Sie, ich meine, wolltest Du hier nichts erledigen?" Manfred ließ nicht locker.

"Ich soll ein gewisses Paket entgegennehmen und zu Radomir bringen. Mehr hat mir Radomir nicht aufgetragen."

"Wann werden Sie, äh, wirst Du, zurückerwartet?"

"Es gibt keine genaue Vorgabe, ich denke, Radomir rechnet mit einigen Tagen."

"Wenn Sie leben wollen," schaltete sich Walter ein, "werden es einige mehr werden. Frau Botschafterin, Kalina, es tut mir aufrichtig leid, aber ich habe schlechte Nachrichten für Sie."

================

Kalina saß kreidebleich und zusammengesunken, aber gefasst, auf dem breiten Bett, Marianne hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt.

"Ich habe also Krebs?" fragte sie. "Das würde die Symptome erklären. Ich war in letzter Zeit oft müde und hatte undefinierbare Schmerzen. Die Ärzte meines Mannes haben eine harmlose Infektion vermutet, und mir schwache Antibiotika verschrieben."

"Kann ich die mal sehen?", fragte Walter, und Kalina kramte eine reich verzierte Pillendose aus ihrer Manteltasche, und gab sie ihm. Walter entnahm eine Kapsel, und diktierte ihre winzige Aufschrift in den Stationscomputer. Sekunden später erhielt er alle Informationen zu diesem Medikament auf dem Bildschirm.

"Dachte ich es mir doch," sagte er, und ließ Kalina den Text lesen.

"Es ist eine Art Aufputsch- und Schmerzmittel, man gibt es im Endstadium, um den Patienten noch einige erträgliche Wochen zu schenken. Das Medikament reichert sich an, irgendwann fallen die Patienten in ein Koma, und versterben schließlich friedlich, ohne nochmals das Bewusstsein zu erlangen."

"Es ist also eine Euthanasie-Droge?" Kalina war entsetzt.

"Ja," sagte Walter, "man mag darüber denken, wie man will, aber mir scheint es in einer ausweglosen Situation ein gangbarer Weg, einem Menschen zuletzt noch Zeit zu verschaffen, und ihn dann in Würde gehen zu lassen. Dazu wird es allerdings in Deinem Fall nicht kommen, ich versichere Dir, wir können Dich heilen."

"Hat Radomir davon gewusst? Natürlich hat er es gewusst. Und er hat nichts gesagt." Auf Kalinas Stirne erschien eine Zornesfalte. Radomir war sicher einer der mächtigsten Männer der Welt, aber in solchen Augenblicken hätte er sich vermutlich ziemlich viel ziemlich wenig Erfreuliches anhören müssen.

"Was hätte er sagen sollen? Kalina, mach Dich bereit zu sterben? Er wollte, dass Du bis zuletzt ein gutes, unbeschwertes Leben hast."

Kalina dachte einen Moment darüber nach, und war nicht einverstanden. "Ich bin schon groß, und gewohnt, meine eigenen Entscheidungen zu fällen. Er hätte es mir sagen müssen." befand sie schließlich. "Kann ich ihn sprechen?"

"Ich übernehme das," antwortete Manfred bestimmt.

"Du willst einen Deal mit ihm machen? Meine Heilung gegen was?", fragte Kalina. Sie hatte tatsächlich ein helles Köpfchen.

"Keine Angst, wir behandeln Dich auf jeden Fall, aber das muss Radomir fürs Erste nicht wissen. Er hat mich bei den Verhandlungen wegen Nikolai ganz schön unter Druck gesetzt und ich möchte ihm mit gleicher Münze heimzahlen. Er soll uns als gleichberechtigte Partner akzeptieren lernen."

"Einverstanden," antwortete Kalina, "aber wenn ich jemals gefragt werde, ich wusste nichts davon. Und jetzt brauche ich etwas Starkes. Wo ist hier die Mini-Bar, hoffentlich hat sie Wodka."

Marianne nahm sich Kalinas wieder an, und Manfred verabschiedete sich mit einem knappen, aber von einem freundlichen Lächeln unterstützten Kopfnicken. Sandy bat er mitzukommen, er wollte sofort eine Verbindung zu Radomir Gluschin.

Sandy brauchte nur wenige Minuten ihn zu finden, er hatte das Handy, das sie zur ersten Kontaktaufnahme genützt hatten, nach wie vor in Betrieb. Es klingelte eine Weile, dann erschien Radomir Gluschins Gesicht, wie immer mit ausdrucksloser Mine.

"Ist mein Bote gut angekommen?", eröffnete er das Gespräch.

"Ja, Herr Präsident, aber das wissen Sie bereits, der Pilot Ihres Hubschraubers hat es gemeldet, wir haben seine Sendung mitgehört. Wir haben übrigens auch das kleine Waffenarsenal in der Kamow entdeckt, aber es scheint uns, so lange er nur draußen parkt, nicht weiter bedrohlich, also haben wir ihn trotzdem landen lassen."

"Und weswegen rufen Sie mich an? Wollen Sie sich beschweren? Die Sicherheit meiner Gattin auf unkontrolliertem Terrain machte es notwendig."

"Nein, Herr Präsident, ich denke, wir sollten offen reden. Wir wissen um den kritischen Gesundheitszustand Ihrer Frau."

Radomir Gluschin schien das erwartet zu haben, er verzog keine Miene.

"Werden Sie ihr helfen?"

"Warum sollten wir? Unser Deal betrifft nur Ihre Person. Ihre Familie ist nicht eingeschlossen."

"Zeigen Sie Menschlichkeit, das ist doch etwas, was der Westen immer so betont hat. Wir Russen waren stets die gefühlskalten Bösen, und Sie waren stets die barmherzigen Guten."

"Menschlichkeit. Großzügigkeit. Mitleid. Das ist doch nur etwas für die Schwachen. Das haben Sie selbst oft genug gesagt. Sie und ich, wir sind aus demselben Holz, auch ich mache keine Geschenke ohne Gegenleistung."

"Ich werde nicht betteln. Und Russland ist voll von schönen Frauen, ich bekomme jede die ich will."

"Sie ist die Mutter Ihrer Kinder, und sie war Ihnen viele Jahre eine treue und ich wette auch sehr inspirierende Gefährtin. Wenn Sie einen Funken Ehre im Leib haben, machen Sie mir jetzt ein Angebot."

"Und wenn nicht? Ich wette, Sie werden sie trotzdem behandeln. Schon allein wegen ihrer und Mariannes Verbindung."

"Da haben Sie vermutlich Recht, aber ich garantiere Ihnen, wenn Sie ihr nicht helfen, wird sie nie wieder zu Ihnen zurückkehren, und wenn doch, wird ihre Beziehung nicht mehr sein wie vorher. Wenn Sie aber Ihren Stolz überwinden, und einen Beitrag zu ihrer Rettung leisten, wird sie Ihnen ewig dankbar sein."

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