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Der Maler und ich

Geschichte Info
Claudia lernt den Maler Lennart Harmsen kennen.
6.1k Wörter
4.58
10.1k
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Teil 2 der 2 teiligen Serie

Aktualisiert 06/11/2023
Erstellt 09/20/2022
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Ergänzung aus Claudias Perspektive zur Geschichte „Der Maler"

Hinweis: Diese Geschichte enthält „nur" zwei Sexszenen. Ich hoffe, dass die Geschichte dennoch unterhaltsam, interessant und auf andere Art erotisch ist.

Das alte im Jugendstil erbaute Haus hat ein helles und freundliches Entrée dessen Verzierungen verspielt und dennoch unaufdringlich sind. So als wollte es den Eintretenden eine unbeschwerte Atmosphäre vermitteln. Vom Entrée aus werden auf vier Etagen acht Wohnungen - im Erdgeschoss drei, im 1. und 2. OG zwei und im Dachgeschoss eine - erschlossen in denen 16 Menschen, drei Katzen und zwei Hunde leben. Luna und ich sind zwei von den insgesamt 21 Bewohnerinnen und Bewohnern.

Vor zehn Minuten bin ich mit Luna nach Hause gekommen und habe sie als erstes versorgt. Frisches Wasser und eine große Portion Hundefutter sind nach einem langen Tag in der Kanzlei hochwillkommen. Jetzt muss ich aber noch mal ins Erdgeschoß um einer unangenehmen Pflicht nachzukommen. Frau Herrmann hatte mich heute Morgen abgefangen, um mir zu sagen, dass ihr Nachbar schon zweimal das Treppenhaus nicht geputzt hätte als er an der Reihe gewesen war. Mir hatte auf der Zunge gelegen zu fragen warum sie es Herrn Harmsen nicht selbst sagt. Er ist ihr direkter Nachbar und bisher in keiner Weise unangenehm aufgefallen. Aber ich werde jetzt tun, was von mir als Vermieterin offenbar erwartet wird. Ich klingele an Herrn Harmsens Wohnungstür, die er nach einer Weile öffnet, schildere kurz den Sachverhalt und erwarte eher Ausflüchte oder Beteuerungen dass so etwas nicht wieder vorkommen werde als das, was ich als Reaktion von Herrn Harmsen bekomme. Mein Gegenüber guckt mich mit seinen blaugrauen Augen an. Im rötlichbraunen Vollbart leuchten einzelne Barthaare goldfarben auf, die sich bewegen als Herr Harmsen spricht. Er sagt ziemlich abwesend so etwas wie „Treppenhausreinigung..." und dann „Ich würde gerne mal einen Akt von Ihnen malen."

Man kann das als eine mehr oder weniger subtile sexistische Äußerung verstehen. In dem Sinn „Ich würde Sie gerne mal nackt sehen." Der Gedanke an Sexismus kommt mir allerdings nicht als ich Herrn Harmsen gegenüber stehe. Er wird rot und es ist ihm offensichtlich peinlich. Mit einer Entschuldigung schließt er die Tür vor meiner Nase. Ich glaube, er hat einfach nur ausgesprochen, was er gedacht hat. Als Maler und als Mann. Eine Kränkung war nicht seine Absicht gewesen.

Am nächsten Morgen passt mich wieder Frau Herrmann ab.

„Der junge Mann hat die Treppe geputzt. Alles tip top!"

„Das freut mich." antworte ich in der Hektik und wünsche ihr noch einen schönen Tag.

Die Sache mit dem Aktmalen geht mir in den nächsten Tagen immer wieder durch den Kopf. Wie fühlt es sich an vollkommen nackt zu posieren und sich von einem Mann malen zu lassen, der nicht der eigene Partner oder Ehemann ist? Er ist mir fremd und doch habe ich eine wenn auch relativ distanzierte Beziehung zu ihm. Er ist mein Nachbar und Mieter. Ich würde ihm immer wieder begegnen in dem Wissen, dass ich etwas Intimes mit ihm geteilt habe.

Einige Tage danach erhalte ich ein Päckchen. Es ist von Herrn Harmsen und enthält ein Gemälde - etwas kleiner als DIN A4 - das mein Haus zeigt. Es ist ein richtiges Portrait. Nur dass die dargestellte Person aus Steinen, Mörtel und Holz besteht.

Eine Karte, einen Brief oder Zettel hat Herr Harmsen nicht in das Päckchen gelegt. Aber das braucht es vielleicht auch gar nicht. Das Gemälde als ein Geschenk an mich ist eine freundliche und sehr persönliche Geste mit der Herr Harmsen sehr viel sagt. Wobei ich nicht sicher bin ob ich seine Mitteilung in seiner ganzen Komplexität verstehe. Aber definitv angekommen ist die Wärme, die diese besondere Gabe ausstrahlt.

Am nächsten Abend bedanke ich mich bei Herrn Harmsen. Ich hoffe, er merkt wieviel mir sein Geschenk bedeutet. Als ich vor seiner Tür stehe und seine blauen Augen mich mit einer eigenartigen Mischung aus Skepsis und Hoffung ansehen, nehme ich nach kurzem Zögern meinen Mut zusammen, um zu fragen ob er tatsächlich Akte im Auftrag malt. Er bejaht es. Verwirrt über meine Kühnheit bedanke ich mich noch mal bei Herrn Harmsen und verabschiede mich.

Etwa zweieinhalb Wochen später sitze ich Herrn Harmsen gegenüber. Eigentlich liege ich eher als das ich sitze und zwar auf seinem Sofa. Ich trage einen schwarzen Spitzen-BH und ein dazu passendes Höschen, ebenfalls mit Spitze. Herr Harmsen zeichnet mich, um später einen Akt von mir zu malen. Ich habe mich ehrlich gesagt nicht getraut mich ganz auszuziehen. Der Grund dafür ist, dass er mir nicht gleichgültig ist. Ich fühle mich dadurch verletzlicher. Seine Augen tasten jeden Quadratzentimer meiner Haut ab. Sie sehen die Rundungen meiner Brüste, die Nippel, die sich durch den Hauch von einem Stoff drücken, meinen malträtierten Bauch, der einer Narbenkorrektur-OP bedurfte, um wieder vorzeigbar zu sein. Sie sehen nahezu jedes einzelne Detail meines Körpers. Das empfinde ich als beinahe peinigend und sehr erregend zugleich. Zweimal unterdrücke ich den Impuls aufzustehen und mich ganz auszuziehen.

Am nächsten Tag erzähle ich Katharina, dass ich ein Aktgemälde von mir machen lassen möchte. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, Katharinas Reaktion jedenfalls nicht. Sie hätte nicht empörter und wütender reagieren können, wenn ich verkündet hätte als Callgirl arbeiten zu wollen. Für Katharina ist die Zurschaustellung meines nackten Körpers anscheinend so schwerwiegend, dass sie die nächsten Tage kaum mit mir spricht, obwohl wir uns täglich bei der Arbeit sehen. Ich kenne meine Schwester ganz genau und weiß, dass sie sich wieder beruhigen wird. Ihr Große-Schwester-Instinkt ist sehr stark ausgeprägt. Daran wird auch mein in einem halben Jahr stattfindender 40. Geburtstag nichts ändern. Letzten Endes habe ich mir die Idee mit dem Aktgemälde von Katharina ausreden lassen.

Fünf Wochen sind seit dem Aktzeichnen vergangen als eine Freundin von mir versucht mich zu verkuppeln. Ein Mann aus ihrem Bekannten- und Freundeskreis sucht nach einer gut aussehenden und gebildeten Frau, die nicht älter als 40 ist. Er selbst ist 50 Jahre alt. Ich bin nicht begeistert, was aber nicht daran liegt, dass der Mann ungefähr zehn Jahre älter ist als ich. Eine Beziehung mit einem 16 Jahre älteren Mann hatte ich auch schon gehabt.

Julius - der Bekannte meiner Freundin - ist ein eloquenter, attraktiver Mann, der es gewohnt ist Aufmerksamkeit zu bekommen und sie auch einfordert. Er hat deshalb viel gemeinsam mit den Männern mit denen ich eine Beziehung oder wie in einem Fall eine Affäre hatte. Wir hatten uns bereits zweimal getroffen. Das erste Mal sind wir ins Theater gegangen und beim zweiten Mal haben wir ein Festival für klassische Musik besucht. Der Fokus des Festvals war dieses Mal klassische Musik aus dem Baltikum. Beide Male hat Julius mich nach Hause gebracht. Ich habe ihn allerdings nicht eingeladen in meine Wohnung zu kommen. Dieses Mal ist er deutlich geworden. Nach dem Opernbesuch hat er gefragt, ob ich ihn denn nicht in meine Wohnung bitten wolle. Es war keine Frage gewesen.

Etwas verändert sich als Julius und ich im Wohnzimmer meiner Wohnung sitzen. Er will mit mir ins Bett gehen. Das ist offensichtlich und an sich ist es das normalste der Welt, aber ich kann es mir nicht vorstellen. Ich möchte mich ihm nicht nackt zeigen. Vor allem möchte ich nicht mit ihm intim werden. Ich weiß nicht woher auf einmal der Widerwille kommt, aber es ist eindeutig. Ich will nicht, dass er mit mir schläft.

„Claudia, Du suchst einen Mann und ich suche eine Frau. Dreimal bist Du mit mir Abends ausgegangen. Was hast Du denn geglaubt wo das hinführen würde?"

„Es tut mir leid, Julius. Ich weiß nicht warum es so ist, aber ich möchte nicht. Das war mir bis eben nicht klar. Ich glaube wir passen nicht zueinander"

„Ganz im Gegenteil! Wir passen hervorragend zusammen!" Julius kommt mir immer näher und steht jetzt so dicht vor mir, dass ich nervös werde.

„Bitte, Julius! Ich wollte Dich niemals kränken. Das war nie meine Absicht. Es hat sich einfach so entwickelt."

„Du weißt bloß nicht, was Du willst und Du weißt auch nicht, was Dir entgehen würde!"

Julius geht jetzt in den Flur Richtung Wohnungstür. Ich bin erleichtert, dass er mich nicht weiter bedrängt und offenbar meine Wohnung verlassen will. Ich gehe hinter ihm her, um ihn zur Tür zu begleiten und mich von ihm zu verabschieden.

Er dreht sich an der vorletzten Tür im Korridor um, wartet bis ich vor ihm stehe, öffnet die Tür, packt mich und zieht mich in das Zimmer. Es ist mein Schlafzimmer.

„So, jetzt keine Kleines-Mädchen-Zickerei mehr! Du hast gewußt worauf Du Dich einlässt! Hattest Du ernsthaft erwartet, dass ich Dir erst ein halbes Jahr den Hof mache, um dann mal ran zu dürfen?!" Julius versucht mich auszuziehen, aber ich wehre mich dagegen. Ich schreie mir die Seele aus dem Leib. Er versucht mir den Mund zuzuhalten, aber die Angst verleiht mir Kräfte und ich halte mir Julius so gut es geht vom Leib. Luna bellt wie eine Wilde und springt vom Flur aus immer wieder gegen die geschlossene Schlafzimmertür. Plötzlich geht die Tür auf, Luna stürzt herein und attakiert Julius, der von mir ablässt und aus dem Zimmer stürmt.

Die Knie werden mir weich und ich lege mich mit letzter Kraft auf das Bett. Ich merke noch wie sich Luna an mich schmiegt um mich zu wärmen und zu beschützen. Dann wird mir schwarz vor Augen.

Es ist noch jemand im Zimmer.

„Frau Mayer? Es kommt gleich ein Notarzt und ein Krankenwagen. Die helfen Ihnen. Machen Sie sich keine Sorgen, die kümmern sich um Sie."

Es ist die Stimme meines Nachbarn. Es beruhigt mich, dass er da ist. Dann verliere ich wieder das Bewusstsein. Als ich das nächste Mal etwas höre, ist es eine Frau die zu mir spricht.

„Frau Mayer können Sie mich hören?

Ich öffne die Augen und sehe die Notärztin und Rettungssanitäter. Sie untersucht mich und stellt immer wieder Fragen, die ich versuche zu beantworten, deren Sinn ich aber kaum verstehe.

Hände hieven mich auf die Krankentrage als die Polizei kommt. Zwei Polizistinnen fragen die Ärztin und mich was vorgefallen ist. Ich höre zwar, dass gesprochen wird, begreife aber kaum um was es geht.

Als ich langsam wieder klarer meine Umgebung wahrnehme, sehe ich meine Mutter neben meinem Bett sitzen und spüre beruhigend ihre Hand auf meinem Arm.

„Hallo mein Schatz. Wie geht es Dir?"

„Hallo Mama. Ich weiß nicht. Ich bin noch sehr müde. Bin ich im Krankenhaus?"

„Ja, Du bist im Krankenhaus. Es ist das Krankenhaus in dem Du schon mal warst."

„Wie lange bin ich schon hier?" frage ich schläfrig.

„Du bist heute Nacht eingeliefert worden. Dein Nachbar hatte Notarzt und Polizei gerufen." Meine Mutter zögert und fragt dann „Möchtest Du erzählen, was in der Nacht passiert ist?"

„Ich kann es versuchen, aber zuerst muss ich wissen was mit Luna ist."

„Die Polizei hat uns mitgeteilt, dass ein Nachbar - er heißt Harmsen - sich um Luna kümmert. Sie ist bei ihm. Peter war vorhin bei Herrn Harmsen und hat ihm Lunas Hundebett, Bürste und Geld für das Futter gegeben. Es geht Luna gut, aber sie wird Dich natürlich vermissen."

Es sieht meinem Vater nicht ähnlich sich um so banale Angelegenheiten wie die Unterbringung und Versorgung eines Tieres zu kümmern.

Meine Mutter scheint meine Gedanken erraten zu haben, denn sie sagt: „Du kennst doch Deinen Vater. Immer das kleinere Übel wählen. Sich um den Hund der eigenen Tochter zu kümmern ist dann doch erträglicher als sie im Krankenhaus zu besuchen."

Dann erzähle ich meiner Mutter von Julius und was letzte Nacht vorgefallen ist.

„Es ist mir erst bewusst geworden, dass ich nicht nur nicht in Julius verliebt bin, sondern dass er mir auch nicht sympathisch ist als er zu mir in die Wohnung gekommen ist und von der Höflichkeit und seinem Charme nicht mehr viel übriggeblieben war. Wenn er mir sympathisch gewesen wäre, hätte ich mich wahrscheinlich trotzdem auf ihn eingelassen. Ich bin alt genug um zu wissen, dass die große Liebe nicht für jeden Menschen erreichbar ist. Eine Partnerschaft kann sich auch mit der Zeit entwickeln ohne mit einem Feuerwerk der Gefühle zu beginnen."

Meine Mutter ist blaß geworden. „Dann hat Luna Dich vor Schlimmerem bewahrt."

„Ja, das hat sie."

Nach einer Weile nehme ich den Faden wieder auf. „Ich hätte niemals gedacht, dass mir mal so etwas passieren würde. Wie oft habe ich Mandantinnen vertreten, die Opfer solcher Straftaten geworden sind? Ich kann sie gar nicht mehr zählen so viele wie es sind."

Es stellte sich in den nächsten Tagen heraus, dass ich nicht nur einen Schock erlitten hatte, sondern auch einen Multiple-Sklerose-Schub. Den bisher schwersten. Ich konnte kaum mehr gehen und war auf den Rollstuhl angewiesen. Die Ärzte nahmen an, das der Schub durch den Schock ausgelöst worden war. Deshalb bin ich in eine Reha-Klinik verlegt worden, die auf alle Krankheiten aus dem neurologischen Bereich wie z.B. Schlaganfall, Morbus Parkinson und Multiple Sklerose spezialisiert ist. Die Therapie hat teilweise etwas gebracht. Den Rollstuhl benötige ich aber immer noch.

Nach vier Wochen Therapie geht es wieder nach Hause. Während der Taxifahrt denke ich an das, was vor einem Monat dort passiert ist. Ich habe gemischte Gefühle. Einerseits freue ich mich sehr Luna wiederzusehen, die ich so sehr vermisst habe, andererseits ist meine Wohnung, die eigentlich ein sicherer Ort sein sollte, eben nicht sicher genug gewesen. Wobei das nicht an der Wohnung selbst gelegen hat. Gedankenverloren schaue ich aus dem Fenster. Immerhin habe ich für den Fall, dass sich mein gesundheitlicher Zustand verschlechtert, vorgesorgt. Beim Bau des Nachbarhauses vor vier Jahren habe ich die Architektin gebeten eine technische Lösung zu finden wie der Aufzug des Neubaus für die Dachgeschoßwohnung des alten Hauses

in der ich wohne mitbenutzt werden kann. Der technische Aufwand war vertretbar und der Eingriff in die alte Bausubstanz mit dem Denkmalschutz vereinbar gewesen.

Das Taxi hält jetzt direkt vorm Haus. Der Fahrer ist freundlich, hilft mir in den Rollstuhl und stellt mein Gepäck auf den Fußweg. Auf einmal ohrenbetäubendes Hundegebell. Luna fliegt auf mich zu. Ihre Vorderpfoten landen auf meinen Oberschenkeln und ich werde sanft geküsst und im Gesicht geleckt. Mein Herz geht mir auf und ich umarme Luna, streichle ihre Rücken. Sie schmiegt sich an mich. Wir haben uns beide sehr vermisst.

Herr Harmsen begrüßt mich ebenfalls und er lächelt dabei. Ein Lächeln sieht man sonst bei ihm eher selten.

Wir fahren zu dritt mit dem Aufzug zu meiner Etage, gehen dann durch eine extra breite Brandschutztür, die Alt- und Neubau voneinander trennt und stehen nun vor meiner Wohnungstür. Herr Harmsen stellt die Reisetasche in den Flur und bietet mir an mit Luna Gassi zu gehen und mir Dinge vom Drogerie- oder Supermarkt, die sich ganz in der Nähe befinden, mitzubringen. Ich freue mich sehr über sein Angebot. Insbesondere das Gassi gehen wäre eine derzeit für mich kaum zu bewältigende Aufgabe.

Die erste Nacht in meinem Schlafzimmer ist eine große Herausforderung für mich. Lunas Bett liegt erhöht auf einem Podest an meiner Seite des Doppelbettes. Ich lasse ein schwaches kleines Licht eingeschaltet. Es ist hell genug um die Orientierung zu erleichtern und schwach genug um nicht beim Schlafen zu stören. Ich liege lange wach. Neben mir atmet Luna ruhig ein und aus. Manchmal bewegt sie sich ein bisschen oder gibt leise einen Laut von sich. Vielleicht träumt sie. Ich versuche nicht an den Abend mit Julius zu denken, aber die Bilder und Worte drängen sich mit Macht auf.

Um mich mit etwas angenehmen abzulenken und mein Gedankenkarussell zu stoppen, bemühe ich mich Lennart Harmsen vor meinem geistigen Auge zu sehen und es gelingt mir nach ein paar Sekunden tatsächlich. Er ist ein schlanker mittelgroßer Mann mit dunkelblonden kurzen Haaren und einer beginnenden Halbglatze. Die Farbe seines Bartes unterscheidet sich von der des Haupthaars. Das kommt häufiger vor. Gerade auch bei blonden Männern ist der Bart oft rötlich. Sein dichtes Brusthaar guckt aus dem Hemdkragen heraus. In kurzen Hosen und T-Shirt kommt seine starke rot-blonde Körperbehaarung zur Geltung. Mir ist es egal, ob ein Mann stark oder weniger stark behaart ist. Aber ich finde zu Lennart Harmsen passt es sehr gut und es sieht sehr maskulin aus. Sein Gesicht ist männlich-kantig mit schmalen Lippen und einer schönen Männernase. Blaue Augen unter einer hohen Stirn, die die Welt mit Skepsis und Klugheit mustern.

Ich beobachte meine Nachbarn nicht. Danach steht mir weder der Sinn noch hätte ich die Zeit dafür. Aber es bleibt nicht aus, dass man in einem Mehrfamilienhaus auch teilweise etwas voneinander mitbekommt. Die kleinen Söhne von Herrn Harmsen sind häufiger am Wochenende bei ihm. Von meinem Balkon aus kann ich den ganzen Innenhof mit dem Spielplatz überblicken und sehe ihn oft mit seinen Kindern im Sand spielen oder Schaukeln. Es ist ein entspanntes Miteinander. So einen Vater würde ich mir für meine Kinder auch wünschen. Aber Kinder werde ich wahrscheinlich nie bekommen, denn ich habe mich vor einigen Jahren stirilisieren lassen. Ich habe diese Entscheidung oft bereut. Damals habe ich es für einen Mann getan in den ich sehr verliebt war und der keine weiteren Kinder haben wollte.

Mittlerweile haben Luna und ich uns in unserer Wohnung eingelebt. Ich habe auch schon ohne zu Zögern wieder einen Mann zu mir in die Wohnung eingeladen. Allerdings nur tagsüber.

Als ich Herrn Harmsen das erste Mal zum Kaffee einlade, sitzt er mir stumm gegenüber. Ich kenne das von meinen Mandantinnen und Mandanten. In meinem persönlichen Umfeld sind Menschen, die sich in jedem gesellschaftlichen Rahmen und nahezu jeder Situation zurechtfinden und die Kunst des Small Talks perfekt beherrschen, in der Überzahl. In der realen Welt jenseits der Welt in die ich hineingeboren wurde ist die Fassade brüchiger und vielfältiger. Eloquentes Auftreten kommt vor, ist aber bei weitem nicht so häufig. Dazu kommt noch, dass ich es gerade in meinem Beruf als Anwältin immer mit Menschen zu tun habe, die aus einer Notwendigkeit heraus zu mir kommen. Üblicherweise geht es um für sie unangenehme Angelegenheiten, machmal auch um traumatische Erfahrungen wie z.B. bei Sexualstraftaten. Mein Spezialgebiet - sofern man das so nennen kann - ist die Vertretung von Nebenklägerinnen und Nebenklägern in Strafverfahren. Ein feinfühliges und unaufdringliches Gespräch in dem ich Vertrauen aufbaue, zuhöre und meinem Gegenüber Brücken baue ist das Wichtigste für meine Mandanten neben der fachkompetenten juristischen Beratung und Vertretung.

Herr Harmsen taut schnell auf als ich ihn frage wie es ihm mit Luna ergangen ist. Mein Klinikaufenthalt lag zu Beginn der Sommerferien weshalb Herr Harmsen weder in den beiden Schulen an denen er Kunst unterrichtet arbeiten musste, noch Malkurse gegeben hat. Er hat oft Ausflüge mit Luna gemacht. Mit Bus, U- und S-Bahn haben sie gemeinsam die Stadt erkundet, waren sogar in Naturschutzgebieten, die die Stadt umgeben.

„Luna und ich waren Abends meistens ziemlich groggy." Herr Harmsen lächelt. „Ich glaube es hat ihr gefallen. Dann haben wir es uns gemütlich gemacht und ich habe sie gemalt. Meine Tochter liebt Tiere und wünscht sich immer Tierbilder von mir."

„Ihre beiden Söhne sind ja öfter bei Ihnen zu Besuch. Dass Sie auch eine Tochter haben, war mir gar nicht bewusst."

„Leider sehe ich sie nur selten. Sie lebt mit ihrer Mutter rund 800 km entfernt."

Er erzählt von seiner Tochter, die er vermisst und deren Kindheit er größtenteils verpasst. Die Angst vor Entfremdung, davor sie zu verlieren ist für mich spürbar.

Drei Wochen später sitzen wir wieder in meinem Wohnzimmer und trinken Kaffee - wie wir es inzwischen öfter tun - und nach einem kurzen Schweigen, das nichts belastendes an sich hatte sondern einer inzwischen gewachsenen Vertrautheit entsprang, fragt Herr Harmsen, ob er damals beim Zeichnen für den Akt etwas unangenehmes getan hätte. Er sieht mich etwas besorgt an. Aber ich kann ihn beruhigen, denn es hatte nichts mit ihm dafür umso mehr mit meiner Schwester zu tun, die immer noch meint mich beschützen zu müssen, was meistens zu einer wenn auch liebevollen Bevormundung führt. Meine älteste Schwester hat diese Anwandlungen seltsamerweise gar nicht.

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