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Valyna 02: Der Zweikampf

Geschichte Info
Heinrich kehrt zurück, um die Prinzessin zu retten.
4.8k Wörter
7.8k
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Geschichte hat keine Tags

Teil 2 der 3 teiligen Serie

Aktualisiert 06/11/2023
Erstellt 05/02/2022
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Hier ist die Fortsetzung von „FLUCHT AUS DEM VERLIES". Ich empfehle, die vorangegangene Geschichte zuerst zu lesen, um die handelnden Personen und ihre Beziehung zueinander kennenzulernen.

„Nein, das glaube ich nicht!"

Laureanas Schrei hallte in dem weitläufigen Verlies wider.

„Prinz Heinrich würde das, was ihr behauptet, niemals tun. Er ist mir versprochen und seine Ehre ist untadelig. Sich mit euch zu Schandtaten hinreißen zu lassen, ist für ihn undenkbar."

„Und doch tat er es."

Der Satz troff vor Genugtuung und Häme. Valyna weidete sich an den Qualen ihrer Gefangenen, die sich der unausweichlichen Wahrheit zu verweigern suchte.

In jeder kleinen Einzelheit und jedem pikanten Detail hatte sie Laureana berichtet, was geschehen war, seit sie den Prinzen erstmals verführt und seinen Geist umwölkt hatte. Besondere Aufmerksamkeit widmete sie den Passagen, die außerhalb der bisherigen Erlebniswelt der unschuldigen jungen Frau lagen, um sicher zu gehen, dass diese verstand, was der Prinz und sie miteinander getrieben hatten. Die Hexe war nun sicher, dass Laureana trotz mangelnder einschlägiger Erfahrung sich jede Szene bildhaft vorstellen konnte und ihre Fantasie die fehlenden Mosaiksteine farbenfroh und lebendig ausschmückte.

„Ich werde dir niemals glauben, du lügnerische Ausgeburt der Hölle! Es sei denn, ich sähe es mit meinen eigenen Augen, dass mein Prinz solcherlei Ungeheuerlichkeiten mit dir vollzieht. Aber das wird niemals geschehen."

Mit einem dämonischen Lachen, das ebenso viel Amüsiertheit wie Hochmut ausdrückte, wandte sich Valyna von ihrem Opfer ab.

„Nun, wir werden sehen," murmelte sie kaum hörbar.

*

Prinz Heinrich stand im dichten Wald, dort wo die Zauberin sich vor seinen Augen in einen Vogel verwandelt hatte und davongeflogen war. Seit sie aus seiner Sicht verschwunden war, grübelte er darüber nach, was er als nächstes unternehmen könnte. Seine Optionen waren jedoch schmerzlich reduziert. Nackt, ohne Waffe, Ausrüstung oder Pferd stand er fernab aller Straßen in einem unbekannten Gehölz, weder wissend, wo exakt er sich befand, noch in welcher Richtung er auf schnellstem Wege Hilfe finden würde.

Verstand und Vorsicht geboten ihm, sich zurückzuziehen, neu zu bewaffnen und gestärkt und bereit ein weiteres Mal auf die verborgene Festung vorzurücken. Sein Herz aber riet ihm anderes. Die geliebte Laureana länger als nötig in den Fängen der bösen Fee zu lassen, nachdem er schon einmal bis zu ihrem Kerker vorgedrungen war, wollte er sich nicht vorstellen. Entschlossen machte er sich mit bloßen Füßen auf in die Richtung, wo der hohe, steinerne Turm bisweilen durch das grüne Blätterdach zu erahnen war.

Stunden wanderte er unter Baumriesen entlang und durch Dickichte, bis er sein Ziel erreichte. An der breiten Pforte der Umfriedung von Valynas Refugium angekommen, hämmerte er mit der Hand gegen das dicke, spröde Holz. Üppig sprießender Efeu umrankte das Tor und verlieh ihm den Anschein, als handele es sich um den Eingang zu einem Märchenreich. Heinrich aber wusste aus eigener Bekanntschaft, dass hinter den Torflügeln eher die Hölle, denn der Himmel lag.

Als sich das Portal knarrend öffnete, sprang er zurück und nahm eine defensive Kampfhaltung ein. Mit jeder Art von Bestie, die die Festung bewachte und verteidigte, hätte er gerechnet, doch was sich ihm wirklich offenbarte, überraschte ihn: Valyna selbst trat ihm entgegen in all ihrer gefährlichen Schönheit. Mit Interesse betrachtete sie den vor dem Tor stehenden Adam, nackt wie Gott ihn schuf. Sie machte sich nicht die Mühe zu verbergen, an welchen Stellen seiner Anatomie ihre Smaragdaugen besonders hängen blieben.

In nur einem Augenblick überwand der geübte Krieger seine Verblüffung. Doch wurde ihm das Fehlen jeglichen Plans für diese Situation peinlich bewusst. Nie hätte er damit gerechnet, so bald und mühelos erneut auf seine ärgste Feindin zu treffen.

Einem zähnefletschenden Ungeheuer wäre er lieber entgegengetreten, als dieser harmlos aussehenden Frau. Und obwohl er wusste, dass sie tödlicher war, als ein feuerspeiender Drache, konnte er sich dennoch nicht überwinden, die scheinbar unbewaffnete anzugreifen.

„Ja?"

Fragend schaute sie ihn an.

„Gib Laureana frei."

Er sprach die drei Worte ruhig und leise, ohne Betonung aus. Doch wer ihn kannte, wusste, dass gerade dies das sicherste Zeichen dafür war, dass er kurz davorstand, die Beherrschung zu verlieren. Sein Gegenüber wirkte in keiner Weise davon beeindruckt.

„Und was bekomme ich dafür?"

Heinrich schüttelte verwirrt den Kopf. Ihre Reaktion entsprach nicht dem, was er gedacht hätte.

„Nun, ernsthaft", fuhr sie fort, „die Prinzessin ist eine wertvolle Gefangene. Ich kann doch gewiss eine angemessene Gegenleistung für ihre Freilassung erwarten, oder?"

„Wenn du sie gehen lässt, lasse ich dich am Leben."

Noch während er die Worte aussprach, wurde ihm bewusst, wie hohl und sinnlos sie klangen. Und tatsächlich war ein abschätziges „Ts ts ts" die einzige Antwort, die er von ihr bekam.

„Da müsstest du mir schon etwas Besseres anbieten."

Der Prinz war ein stolzer Ritter und furchtloser Recke, aber in diesem Wettstreit der Worte fühlte er sich hoffnungslos überfordert und unterlegen. Verzweifelt suchte er nach Argumenten oder sonst irgendetwas, das er tun könnte, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Als er weiterhin schwieg, verlor Valyna das Interesse an dem Geplänkel mit ihm. Gelangweilt wandte sie ihren Blick gen Himmel.

„Es sieht aus, als würden wir bald ein Unwetter bekommen. Gehen wir doch hinein, um unser Gespräch an einem gemütlicheren Ort fortzusetzen, ehe wir nass werden."

Einladend streckte sie ihn einen Arm entgegen. Doch eingedenk seiner schlechten Erfahrung aus ihrer ersten Begegnung, wich er ihr aus. Immerhin hatte er damals ein scharfes Schwert zwischen ihr und ihm gehabt und war ihrer dunklen Magie dennoch hoffnungslos erlegen. Doch nun, völlig ohne Schutz und Waffen wollte er sich nicht so einfach überwältigen lassen. Mit einer Geste deutete er ihr an, voraus zu gehen.

Als hätte sie diese Zurückweisung erwartet, ließ sie ihren Arm sinken und nickte kaum merklich mit dem Kopf. In einer flüssigen Bewegung drehte sie sich um und schritt grazil in Richtung des in der Mitte der verfallenen Festung aufragenden Turms, dem Besucher ohne Argwohn ihren Rücken zukehrend.

Ihr langes, schwarzes, an der Seite geschlitztes Kleid lag hauteng an ihrem extrem femininen Körper und ließ der Einbildungskraft nur wenig Raum, selbst wenn man nicht wie Heinrich schon das Privileg gehabt hatte, sie unbekleidet in ihrer ganzen Wohlgestalt erblickt zu haben. Ihr langes, rabenschwarz glänzendes Haar pendelte mit jedem Schritt locker hin und her, während ihre Kehrseite hypnotisch schwingende Bewegungen vollführte, wie sie nur eine weibliche Figur zustande bringen konnte.

Heinrich kam sich wie ein dummer Tölpel vor, der von seiner Lehrerin zum Nachsitzen verdonnert worden war, weil er in seiner mündlichen Prüfung mit Pauken und Trompeten versagt hatte. Er riss sich zusammen, um aufrecht in die Höhle der Löwin zu schreiten und nicht mit hängendem Kopf wie ein gescholtener Lausbub hinter ihr her zu trödeln.

Sie stieg die steilen Treppen in dem wehrhaften Bauwerk hinauf. Er folgte ihr in gebührendem Abstand, stets ihr wogendes Hinterteil im Blick. Schließlich erreichte sei einen Absatz mit einer Tür, die zwar schwer aussah, doch auf ein sachtes Antippen mit ihrer Fingerspitze hin leicht und fast geräuschlos aufschwang. Dahinter eröffnete sich eine komfortable, opulent ausgestattete Zimmerflucht.

„Hier", seine Führerin wies auf ein kleines Nebenzimmer, „könnt ihr euch frisch machen. Ich erwarte euch dann im Salon."

Ohne eine Antwort abzuwarten, rauschte sie davon. Heinrich betrat das Ankleidezimmer, in dem auch eine Waschschüssel mit Seife auf einem Toilettentischchen bereitstand. Erstaunt fand er seine vollständige Kleidung, gewaschen, mit geflickten Löchern und Rissen und säuberlich zusammengefaltet auf einem Stuhl vor. Die größte Überraschung war jedoch, dass sogar das Schwert an seinem Gürtel über der Stuhllehne hing.

Nachdem er sauber, erfrischt und vollständig angezogen war, fühlte er sich bereit für den nächsten Zusammenstoß mit seiner Widersacherin.

Valyna hatte sich auf einem Diwan ausgestreckt und erwartete ihn mit einem Kelchglas voll perlender Flüssigkeit in der Hand, von dem sie gelegentlich nippte. Sie studierte sein neues Äußeres aufmerksam und offenbar war sie zufrieden mit dem, was sie sah. Das Schwert, das er an seiner Seite trug, ignorierte sie dabei völlig.

Auf einem Tisch mit mehreren bequem wirkenden Stühlen waren diverse Speisen und Getränke aufgetragen, deren verführerischer Duft Heinrich in die Nase stieg. Zwei Plätze waren mit Porzellan, Silberbesteck und Kristallgläsern eingedeckt. Sein Magen knurrte und erinnerte ihn daran, dass er seit mehr als vierundzwanzig Stunden schon nichts mehr gegessen hatte. Dennoch sah er die Tafel nur misstrauisch an.

„Was habt ihr?", fragte seine Gastgeberin amüsiert, „Glaubt ihr ernsthaft, ich wolle euch vergiften? Wenn ich euch schaden wollte, hätte ich wahrlich einfachere und sicherere Möglichkeiten zur Hand. Doch um euer Vertrauen zu gewinnen, biete ich an, von jedem Gericht zu kosten, das ihr auswählt, ehe ihr es zu euch nehmt."

„Nein, danke," winkte er ab, „ich vertraue darauf, dass ihr zumindest die Regeln der Gastfreundschaft wahrt, auch wenn ihr euer Handeln ansonsten nicht an den Maßstäben allgemeinen Anstands und menschlicher Moral ausrichtet."

Sie ließ diese Beleidung an sich abperlen, erhob sich und stellte sich neben den Platz, den sie auswählte, bis er ihr, sich seiner guten Tischmanieren erinnernd, den Stuhl zurechtrückte, ehe sie sich setzte. Dann wählte sie nur winzige Portionen verschiedener Speisen aus, während sie sich still daran erfreute, wie ihr Gast dem Essen großzügig zusprach. Heinrich gestand sich ein, dass er einen Bärenhunger hatte. Zudem waren die Lebensmittel delikat gewürzt und exquisit zubereitet. Auch der roséfarbene Wein, der dazu gereicht wurde, mundete ihm exzellent. Als er spürte, dass er satt wurde, verhalf er sich noch zu etwas Käse und Obst, das er von einem Liqueur begleiten ließ.

„Es freut mich, dass es euch zugesagt hat", nahm sie den Gesprächsfaden wieder auf, als er sich zufrieden zurücklehnte.

„Ja, vielen Dank. Ich kann das köstliche Essen und eure Freigiebigkeit nur in den höchsten Tönen loben. Glaubt aber bitte nicht, dass diese gemeinsame Mahlzeit irgendetwas daran ändert, dass wir Feinde sind und ich gekommen bin, um die Prinzessin Laureana aus euren Fängen zu befreien."

Er machte eine kurze Gedankenpause und fuhr etwas weniger aggressiv fort.

„Wohl aber muss ich eingestehen, dass es gegenwärtig außerhalb meiner Macht steht, euch für die Entführung und für die anderen Übeltaten, derer ihr beschuldigt werdet, einer gerechten Strafe zuzuführen. Aber ich bin zuversichtlich, dass das Schicksal letztlich euch wie jedem Menschen seinen angemessenen Lohn zuteilen wird. So will ich mich darauf beschränken, die Prinzessin aus ihrer Not zu erlösen und nach Hause zu ihren Eltern zu bringen. Als wir am Tor darüber sprachen, deutetet ihr an, dass ihr an einer Verhandlungslösung interessiert sein könntet."

Die dunkle Hetäre sah ihn über den Rand ihres Sektglases hinweg aufmerksam an.

„Ich erkenne euren Mut an und bewundere eure Forschheit, mit der ihr aus einer deutlich unterlegenen Position heraus versucht, ein für euch vorteilhaftes Ergebnis zu verhandeln. Dabei unterstelle ich, dass euer Bemühen nicht ganz selbstlos ist. Wie ich weiß, sind die Prinzessin Laureana und ihr verlobt. Da sie das einzige Kind ihrer Eltern ist, wird diese Ehe euch über Kurz oder Lang auf deren Thron bringen und damit ihres und euer Königreich vereinen. Das ist ein wahrlich kluger und langfristiger Plan."

„Das ist nicht, was ich will ...", versuchte Heinrich sich zu verteidigen, doch die Hausherrin schnitt ihm das Wort ab.

„Papperlapapp! Vermutlich verstehe ich eure Motive besser, als ihr selbst. Noch glaubt ihr, aus reiner Liebe zu handeln, doch es liegt in der menschlichen Natur, immer den eigenen Vorteil zu suchen. Und seid euch gewiss, dass ich selbst größtes Interesse daran habe, dass diese Ehe zustande kommt. Denn ich plane noch langfristiger als ihr.

Hier ist meine Forderung: Ihr bleibt die ganze Nacht bei mir aus freien Stücken. Bis die Sonne aufgeht tut ihr, was immer ich verlange, ihr lest mir jeden Wunsch von den Augen und Lippen ab und bemüht euch in allem, mich glücklich zu machen. Ich glaube, nach dem, was wir schon gemeinsam erlebt haben, wisst ihr, worauf ich hinauswill.

Sollte aus unserer Vereinigung ein Kind hervorgehen, so werde ich es aufziehen, doch verlange ich euer Wort als Ehrenmann und eine von euch gesiegelte Urkunde, dass ihr unser Kind mit Erreichen seiner Volljährigkeit als euer Erstgeborenes und rechtmäßigen Erben anerkennt."

„Das könnt ihr nicht verlangen!"

„Doch ich kann. Und es ist mein einziges Angebot. Nehmt es an oder ihr werdet die Prinzessin nie wiedersehen."

Valynas Stimme war kalt wie Eis.

Der Prinz starrte sie wütend an. In seinem Inneren brodelte es und er erwog ernsthaft, alles auf eine Karte zu setzen und sie anzugreifen. Nur mit Mühe gelang es ihm, seinen Impuls unter Kontrolle zu halten. Zwischen zusammengebissenen Zähnen spie er aus:

„Nun, gut. Ihr lasst mir keine Wahl. Ich akzeptiere euer Angebot, wenn ihr ebenfalls schwört, Prinzessin Laureana und mich unmittelbar nach Sonnenaufgang gehen zu lassen. Unversehrt und ohne Vorbehalte. Schwört es!"

„Ich schwöre es. Wenn ihr meine Bedingungen erfüllt habt, dürft ihr beide unbehelligt davonziehen und ich werde euch fürderhin kein Leid antun."

„Dann ist es abgemacht."

Die Burgherrin förderte ein vorbereitetes Dokument zutage, das Prinz Heinrich mit vollem Namen und Titel zeichnete und anschließend seinen Siegelring in das heiße rote Wachs drückte, das er darauf hatte tropfen lassen.

Sichtlich erfreut nahm ihn die Hexe an die Hand und führte ihn zu einer Tür, die vom Salon ins Schlafgemach führte.

„Das Schwert", meinte sie, „kannst du hierlassen, das wirst du heute nicht brauchen."

Heinrich gürtete die lange Klinge ab und ließ sich von seiner Gastgeberin ins nächste Zimmer führen, das von einem breiten Bett, das in seinem Zentrum stand, dominiert wurde. Neben einigen Kommoden, die aus Holz mit kunstvollen Intarsien gefertigt waren, war ein mannshoher Spiegel in die Wand eingelassen, in dem sich der gesamte Raum mit allem, was darin war, reflektierte.

„Ist das euer magischer Spiegel?", neckte Heinrich spaßhaft.

Die Angesprochene zuckte kaum merklich zusammen, dann ging sie weiter zum Bett, als sei nichts geschehen. Seine Frage ignorierend ließ sie sich auf die weiche Matratze fallen und zog ihn mit sich.

„Komm, küss mich!"

*

Laureana hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Sie wusste nicht, wie lange es her war, dass Prinz Heinrich sie gefunden hatte und kurz darauf die böse Zauberin ihn in ihren Bann geschlagen und vor den Augen der Gefesselten verführt hatte, um ihr jede Hoffnung auf Rettung zunichte zu machen. Manchmal zweifelte Laureana sogar, ob all das tatsächlich passiert war oder es sich ein weiteres Mal nur um ein falsches Trugbild ihrer Kerkermeisterin gehandelt hatte, um sie zu foltern.

Zumindest war sie aus der unbequemen Stellung in der gewölbten Kammer, hochgereckt an Ketten, so dass sie kaum auf Zehenspitzen balancieren konnte, befreit und in eine kleinere Zelle verbracht worden. Dafür hatte man ihr das letzte Kleidungsstück, das ihren zarten Leib noch einigermaßen bedeckt hatte, fortgenommen. Einen Sinn konnte sie in all diesen Schikanen nicht erkennen. Aber brauchte ein Wesen, das die Bosheit selbst zu sein schien, überhaupt einen Grund dafür, sein Opfer zu erniedrigen?

Es war dunkel in ihrem winzigen Gefängnis bis auf schwaches rötliches Licht, das durch einen Spalt am unteren Ende der massiven Tür fiel. Ihre Augen hatten sich so an das Halbdunkel gewöhnt, dass ihr sofort auffiel, als sich das Leuchten veränderte. Ein an- und abschwellender Schimmer wirkte, als trage jemand eine pendelnde Laterne. Kurz darauf hörte Laureana schwere Schritte näherkommen, die direkt vor ihrer Tür stoppten. Dann wurde ein Riegel knirschend zur Seite geschoben.

Nichts Gutes ahnend drückte sich die Prinzessin in die hinterste Ecke ihres Verlieses und starrte ängstlich auf den Ausgang. Als das hässliche Gesicht eines Ogers im breiter werdenden Türspalt auftauchte, schrie die Gefangene auf. Im Licht- und Schattenspiel der Lampe, die er auf dem schmutzigen Boden abgestellt hatte, erschienen seine grobschlächtigen Züge besonders monströs. Mächtige Muskeln spannten sich unter seiner dicht behaarten, ledrigen Haut. Einen fleckigen Lendenschurz trug er als einziges Kleidungsstück.

„Geh weg, du Ungeheuer. Lass mich in Frieden!"

Entweder wollte oder konnte er sie nicht verstehen. Ein langer Arm schon sich in die Zelle und eine schwielige Hand mit abgebrochenen Fingernägeln packte die kreischende Frau. Im Vergleich mit dem massigen Wärter wirkte sie beinahe wie eine Puppe. Ohne jede Anstrengung warf er sein zappelndes Bündel über eine Schulter und stapfte den Gang entlang und dann eine steile Treppe hinauf, die nicht enden wollte.

In ihrer unbequemen Lage hatte die Prinzessin den ungehinderten, aber vollkommen unerwünschten Anblick der Rückpartie ihres Entführers, über das muskulöse Gesäß bis zu den stämmigen Beinen. Ekelerregender Gestank, der aus den niederen Regionen des Ogers aufstieg, überschwemmte ihre Nase und ließ ihre Augen tränen.

Schließlich erreichte das seltsame Paar einen offenen Zugang zu einem kleinen, schmucklosen Raum. Der Riese warf sein Paket einfach hindurch. Dann zog er die Tür zu, deren Verschluss hörbar zuschnappte.

Der Aufprall auf den Boden hatte Laureana benommen gemacht. Im Bemühen, den Kopf wieder frei zu bekommen, blinzelte sie und atmete kräftig durch. Die Luft war trocken und staubig, doch nach der vorangegangenen Erfahrung glücklicherweise geruchslos. Als sie sich einigermaßen besser fühlte, rappelte sie sich auf, wankte zum Ausgang und rüttelte versuchsweise daran. Er war fest verriegelt.

Dann drangen Stimmen und andere Geräusche in ihr Bewusstsein. Neugierig sah sie sich nach deren Quelle um. Das Zimmerchen war winzig, kaum zwei Schritte durchmessend, und entbehrte jeder Einrichtung. Das einzige Merkmal war ein bodentiefes Fenster, das den Blick auf das Nachbarzimmer gewährte. Von dort drangen die Laute herein.

Das Fensterglas verzerrte die Sicht derart, dass man den gesamten Nebenraum überschauen konnte, obwohl dieser wesentlich größer war, als der Beobachtungsposten der Betrachterin. Laureana erkannte kostbare Möbelstücke, allen voran ein großes Bett, das ihre Aufmerksamkeit anzog. Darauf lagen zwei Personen in inniger Umarmung. Entsetzt erkannte sie Prinz Heinrich, der die Hexe Valyna liebkoste.

Selbstverständlich wandte sie sofort ihre Augen ab, doch konnte sie nicht umhin, der Unterhaltung der beiden zu lauschen, denn so wie das seltsame Fenster die Sicht auf den gesamten Raum öffnete, verstärkte es auch die Töne, damit man jedes geflüsterte Wort verstehen und das kleinste Geräusch hören konnte.

Sie hämmerte mit den Fäusten gegen das Glas und schrie Heinrichs Namen, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Doch er nahm keinerlei Notiz von ihr. Offenbar handelte es sich um ein magisches Fenster, das nur in eine Richtung durchlässig war.

Verzweifelt rutschte Laureana mit dem Rücken an der Wand herab, bis sie auf dem Boden saß. Tränen rannen ihre Wangen hinab. Ihrem Verlobten so nah zu sein und ihn doch nicht erreichen zu können, war die perfideste Qual, die sich die Hexe bislang ausgedacht hatte. Und noch dazu musste sie mit ansehen und anhören, dass er entweder völlig den Verstand verloren hatte oder willenlos unter einem bösen Bann stand. Wie sonst wäre zu erklären, was er tat?

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