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Die Agentur 03

Geschichte Info
Die Ankunft - und die Verführung.
4.5k Wörter
4.71
10.4k
6

Teil 3 der 5 teiligen Serie

Aktualisiert 06/13/2023
Erstellt 01/16/2023
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Die Nacht verschlief Marie, und als der Morgen kam und mit ihm ihr Handywecker erklang, gähnte sie herzhaft und schlug die Decke beiseite. Die blonden Haare fielen ihr strähnig ins hübsche Gesicht und durch einen Spalt in der Abdeckung des Zugfensters schien die Sonne ins Abteil.

Ins Abteil? Wo ... dann fiel ihr wieder ein, wo sie war. Sofort wurde sie von Aufregung erfasst. Sie war im Zug! Unterwegs nach Luzern! Nein ... erst Basel. Umsteigen. Genau. Neugierig warf sie einen Blick auf den kleinen Bildschirm in ihrem Abteil, der die aktuelle Uhrzeit und den nächsten Halt verriet. Die Fahrt schien nach Plan verlaufen zu sein, in einer Stunde würde der Zug in den Bahnhof einfahren.

Eine halbe Stunde später saß Marie auf ihrem Bett im Schlafwagen, einen Pappbecher mit einem Cappuccino in den Händen. Sie hatte sich einen einfachen Rock und eine Bluse angezogen und den einzigen Blazer, den sie besaß, darüber geworfen. Die langen Haare hatte sie in einen einfachen Pferdeschwanz gebunden. Der Tag konnte beginnen!

Die Einfahrt in den Bahnhof in Basel wie auch ihr Umstieg verliefen ereignislos. Als sie ihre Koffer selber tragen musste, wurde ihr James' Abwesenheit noch einmal schmerzlich bewusst, und als sie endlich in dem Zug der Schweizer Bahn nach Luzern saß und ihr Gepäck mühsam teils in dem hohen Wandfach, teils unter ihrem Sitz verstaut hatte, schwitzte sie.

Die Anstrengung hatte sie anfangs abgelenkt, aber nun, da sie wieder saß und nichts zu tun hatte als das Panorama der nahen Voralpenlandschaft zu bewundern, kam die Unsicherheit zurück. Nervös knabberte Marie an einem Fingernagel. Sie befand sich wortwörtlich auf einer Reise ins Unbekannte. Sie sprang ins kalte Wasser, ohne zu wissen, wie kalt oder tief es tatsächlich sein würde. Glücklicherweise, beruhigte sie sich, gab es Rettungsringe, die sie greifen konnte. Dann konnte sie zwar auch nicht mehr schwimmen und planschen, aber sie würde nicht ertrinken. Diese und andere Analogien halfen ihr, die drängende Unruhe zu bezwingen, die sie erfasst hatte, und endlich gelang es ihr, sich einfach der Fahrt zu überlassen.

Nach einer ganzen ereignislosen Weile ließ eine Durchsage sie aufhorchen. Das Schweizerdeutsch verstand sie nicht so recht und lächelte unwillkürlich amüsiert über die Sprache, die in ihren Ohren so drollig klang. Sie erkannte wenige Worte - aber das Wort "Lozärn" elektrisierte sie. Sie mussten bald da sein! Tatsächlich wich die Natur vor den Fenstern bald hohen, alten, schlicht schönen Häusern und dann - dann sah sie den Vierwaldstättersee. Das tiefblaue, ruhig daliegende Wasser glitzerte im Sonnenschein und spiegelte die wenigen weißen Wolkentupfer, die das Blau des Himmels akzentuierten, wunderschön wider.

Was für ein schöner Anblick, dachte Marie. Unwillkürlich musste sie an die Urlaubsreisen denken, die sie mit ihrem Exmann unternommen hatte. Meist war es in die Karibik gegangen, weil das Thomas' Präferenz gewesen war. Sie selbst hatte gern Berge sehen wollen. Ausgiebige Wanderungen in kristallklarer Bergluft, vielleicht sogar in das eiskalte Wasser eines Bergsees eintauchen und die prickelnde Kühle auf nackter Haut spüren. Oder sich dem Schwung einer Skiabfahrt hingeben und abends einen deftigen Eintopf mampfen, um sich dann warm eingemummelt und erschöpft einer sternenklaren Nacht auf einem Berghof an zu empfehlen.

Ein lakonisches "Tja" fuhr ihr durch den Kopf. Ihr Ex hatte die Karibik bevorzugt, also war sie ihm gefolgt. Wenn sie völlig ehrlich zu sich selbst war, hatte es ihr auch durchaus gefallen. Strand, Sonne, Cocktails, scharfe, oberkörperfreie Surfer - so schlimm war's nun wirklich nicht gewesen. Wie auch immer. Sie ließ ihre Gedanken ihre Gedanken sein. Die Sicht auf den See war nun wieder von Häusern versperrt und die anderen Passagiere um sie herum standen langsam, aber sicher auf. Auch Marie machte sich bereit.

Als der Zug in den Bahnhof einfuhr und endlich zum Stehen kam, zögerte Marie ein allerletztes Mal. Einige lange Sekunden verstrichen, in denen Sie noch einmal tief in sich hinein horchte. Wenn sie diesen Zug jetzt und hier verlassen würde, dann würde sie wirklich und wahrhaftig zur Prostituierten werden. Die symbolische Türe war längst offen, aber sie musste noch hindurch gehen. Marie holte tief Luft. Dann trat sie durch die tatsächliche Türe auf den Bahnsteig hinaus.

Die Sonne schien unerwartet direkt in ihr Gesicht und ließ sie blinzeln. Nachdem sie ihre Koffer aus dem Zug gewuchtet hatte, beschirmte sie ihre Augen mit einer Hand und sah sich um. Eine Frau schritt direkt auf sie zu und winkte freundlich. Marie winkte zurück - und die Frau ging an ihr vorbei und schloss eine andere Passagierin direkt hinter Marie herzlich in die Arme. Marie hörte ein beschwingtes "Grüetzi", gefolgt von munterem, hellen Plappern. Peinlich berührt hoffte sie, dass ihr blödes Winken nicht aufgefallen war.

"Entschuldigen Sie - Marie?"

Hastig fuhr die Angesprochene herum und erblickte eine Frau, die definitiv zur Agentur gehören musste. Die Dame trug eine Art Business-Kostüm, welches der Kleidung, die das Fräulein Schmidt getragen hatte, sehr ähnlich sah. Auch ihre Haare waren in einem Dutt zurückgebunden. Dezentes Make-up betonte die Grübchen in den Wangen und der unaufdringliche, aber vorhandene Lippenstift verlieh der Unbekannten einen Hauch von Verruchtheit, der erst auf dem zweiten Blick offenbar wurde.

"Ich bin Lisa. Freut mich sehr, dich kennenzulernen. James hat dich bestimmt schon informiert?"

Die Freundlichkeit in Lisas Stimme war echt und herzlich. Keine Spur von James' Förmlichkeit war zu entdecken. Marie empfand sofort Sympathie und lächelte erleichtert.

"Hi Lisa, ähm - du weißt ja schon, wie ich heiße. Also, ich weiß, dass du quasi meine Chauffeurin bist und mich fährst. Ich weiß nur nicht, wohin."

"Na, dann ist das Wichtigste ja schonmal klar. Typisch James, tut immer geheimnisvoll."

Während Lisa sprach, griff sie ohne Maries Erlaubnis oder etwaige Einwände abzuwarten nach Maries großem Koffer. Marie akzeptierte das einfach und nahm instinktiv den kleineren an sich.

"Wollen wir? Ich steh im Parkhaus unten."

Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt Lisa los. Während die beiden durch den Luzerner Bahnhof schritten, entspann sich eine ungezwungene Unterhaltung. Lisa fragte nach der Reise, Marie antwortete. Marie fragte nach der Agentur, Lisa hielt sich bedeckt. Marie verstand rasch, dass Lisa sich gerne mit ihr unterhielt, aber zumindest, bis sie das Auto erreicht hatten, blockte Lisa alles, was die Agentur betraf, geschickt ab.

Marie empfand widerwillig Bewunderung: Sie hielt sich selbst für eine Person, die durchaus parlieren konnte und in einem Wortgefecht mit Säbel, Entermesser und Kanone umgehen konnte, aber ihre Breitseiten prallten an Lisas Bordwand ab wie ein Tennisball an einer Betonwand. Erst, als sie beide im Auto saßen und die Fahrt begonnen hatte, sagte Lisa entschuldigend:

"Nun können wir offen sprechen, Marie. In Zeiten von Smartphones und allgegenwärtigen Mikrofonen und Kameras besteht die Agentur darauf, in der Öffentlichkeit möglichst wenig zum Gesprächsthema zu werden. Das ist ein Verhalten, was auch du dir zu eigen machen musst. Eher früher als später."

Geschickt lenkte sie den Wagen durch den Luzerner Verkehr und ließ Marie nun Raum, ihrerseits Fragen zu stellen.

"Wohin fahren wir denn nun?" Das brannte Marie mittlerweile ziemlich unter den Nägeln.

"Auf den Kirschhof. Das ist ein Gebäudekomplex, der allein der Agentur gehört. Der Kirschhof liegt auf einem der Berghänge am See."

"Ähm ... wie weit ist es dahin?"

Lisa schmunzelte, was Marie nicht verborgen blieb.

"Vielleicht eine Stunde mit dem Auto. Hast du's eilig?"

Die kleine Spitze verfehlte völlig ihr Ziel und Marie schwieg unbeeindruckt.

"Der Kirschhof liegt ziemlich abgelegen.", fuhr Lisa schließlich fort. "Da große Teile des Berges Privatgelände der Agentur sind, sind wir dort auch vor Touristen sicher. Wir haben unsere Ruhe und vor allem die Privatsphäre, die wir für unsere Arbeit und unsere Klienten benötigen. Warte nur, bis wir erstmal da sind. Ich hab mich sofort in diesen Ort verliebt."

"Hm", machte Marie. Nun, da sie die Antwort auf ihre dringendste Frage kannte, wusste sie nicht so recht, was sie damit anfangen sollte.

"Hm?", machte Lisa sie belustigt nach. "Mir wurde gesagt, du wärst eine eloquente Lady."

Der Scherz sollte die Stimmung auflockern, aber Lisa bemerkte rasch, dass auch dieser Spruch sein Ziel verfehlte.

"Nichts für ungut, Liebes. Du bist sicher erschöpft von der Reise und fragst dich, was das alles bedeutet. Den meisten Neuen geht es so."

Nachdem sie Luzern verlassen hatten, öffnete sich die Landschaft vor ihnen und die Sonne präsentierte den See erneut mit all seinen Vorzügen. Die Fahrt ging erst am Ufer entlang, dann stetig bergauf, und dann kam der Mercedes zum Stehen. Marie erkannte einen Zaun, mit Stacheldraht oben bewehrt, und eine Schranke, die heruntergelassen war. "Privatgelände" stand in dicken schwarzen Buchstaben auf einem großen Schild, und aus einem kleinen Häuschen nahe der Schranke trat ein großer Mann hervor, der eine Kombination aus olivgrüner Cargohose und dunklem, langärmeligen Hemd trug. Ein kleines Schild auf seiner Brust wies ihn als "Sicherheitsberater" einer Security-Firma aus. Lisa wechselte einige Worte außerhalb des Wagens mit ihm, dann bat sie Marie, auszusteigen.

"Du musst dein Handy abgeben, fürchte ich", erklärte Lisa.

"Oh - weshalb?"

"Du erhältst ein eigenes, wenn du erstmal drin bist. Aber private elektronische Geräte sind auf dem Gelände grundsätzlich nicht erlaubt."

"Was ist denn mit dir?"

Lisa lachte kurz auf. "Ich hab schon seit Jahren keins mehr, ehrlich gesagt."

"Wie lang arbeitest du denn schon für diese Leute?"

Lisa legte die Stirn in Falten und schien ernsthaft nachzudenken.

"Ich glaube, bald sind es sechs Jahre. Johnny, wie lange kennen wir uns schon?"

"Seit ich hier angefangen habe, M'am", sagte der Sicherheitsmann in einem angenehmen Bariton. "Das müssten fünf Jahre sein."

Lisa nickte nachdenklich.

"Johnny hier hat bei uns angefangen, als ich vielleicht ein halbes Jahr da war. Also ... ja, ich denke, bald müssten es sechs Jahre sein."

Sie streckte die Hand aus. "Nun? Dein Handy bitte, Marie."

Nach einem letzten prüfenden Blick in Lisas Gesicht zog Marie ihr Smartphone hervor und reichte es Lisa, die es sofort an diesen Johnny weiterreichte. Der wiederum verstaute es in einem kleinen schwarzen Kasten. Dann nickte er Lisa zu und kehrte in sein Häuschen zurück. Wenige Sekunden später öffnete die Schranke und ließ die beiden Frauen passieren. Die Fahrt ging weiter die Bergflanke hinauf, und dann öffnete sich die Landschaft und gab den Blick auf ein malerisches Motiv frei.

Der Kirschhof lag inmitten von saftigen, grünen Wiesen auf der Bergflanke, die zu einem Arm des Sees hinablief. Marie erkannte mehrere Gebäude und erblickte schöne Balkonterrassen, geschwungene Dächer und etwas, das aussah wie eine Glaswand um eine Poolbecken herum. Die Bauten waren schön - dieser typische Stil einer Almhütte; viel Holz, schwere Balken, aber die wahre Pracht waren die Kirschbäume, die diesem Hof den Namen gaben. In dem Maiwind, der hier oben durchaus frisch wehte, stoben die rosafarbenen und weißen Blüten umher und tanzten umeinander durch die Luft. Völlig von dem Anblick gefangen klebte Maries Blick an dem Naturspektakel.

"Du hast wirklich Glück, Liebes. Du fängst genau zur richtigen Zeit an. Kirschbäume blühen nur über zwei oder drei Wochen."

Lisas Stimme klang belegt. Marie erkannte, dass dieser Anblick auch die erfahrene Dame nicht kalt ließ, obwohl sie ihn schon mehrfach erlebt haben musste. Das war zu schön, um wahr zu sein. Marie gratulierte sich: Ihr Gespür hatte sich als richtig erwiesen und sie war stolz darauf, dass sie ihre Unsicherheit überwunden und den Sprung gewagt hatte. Das hier war kein schmutziges Bordell, das hier war kein miefiges Etablissement, und niemand tat ihr Gewalt an, wie ein kleiner Teil von ihr bis zuletzt befürchtet hatte. Das hier war genau das, was Fräulein Schmidt ihr versprochen hatte: Ein neues, ein zweites Leben.

Als der Wagen auf dem Kies zwischen den drei großen Gebäuden zum Stehen kam, stieg Marie beschwingt aus. Auf ihren Lippen lag ein Lächeln und sie konnte es nun gar nicht mehr erwarten, diesen Ort zu ihrem Zuhause zu machen - zumindest, wie ihr siedend heiß einfiel, für drei Monate. Die Probezeit. Lisa ging wieder voran und Marie folgte ihr, nicht ohne sich immer wieder neugierig umzusehen. Ihr Weg führte in das größte der drei Häuser, durch eine Art Empfangshalle, dann eine Treppe hinauf und in ein geräumiges Zimmer mit holzverkleideten Wänden. Marie erblickte ein großes Bett, einen deckenhohen Kleiderschrank und einen Schreibtisch, auf dem ein Laptop, ein Tablet und ein Smartphone bereit lag. An das Zimmer grenzte ein kleines, aber feines Bad mit Wanne und Bidet zur Linken sowie eine Kammer, deren Wände ausschließlich mit Regalen voller Bücher zugestellt waren.

"Das hier ist dein Zimmer, Liebes", erklärte Lisa der staunenden Marie.

"Das ist wirklich schön", erwiderte Marie. "Das ist fast schon zu schade, um hier, naja..."

"Um was zu tun? Was meinst du?"

"Naja, also ... Kunden."

"Um hier Sex mit deinen Klienten zu haben? Teil einer Szene zu sein? Sprich es ruhig genau so aus, Liebes. Es ist nichts Verwerfliches daran. Du bist eine Prostituierte, genau wie - ich."

"Warte, du bist auch eine ... Prostituierte?", fragte Marie erstaunt nach.

"Ja, natürlich. James übrigens auch, im besten Sinne."

"Und der Security-Typ?"

"Johnny? Nee, der nicht", lachte Lisa. "Nicht jeder hier ist käuflich."

"Weder du noch James habt auch nur ansatzweise käuflich ausgesehen. Ihr habt wie Angestellte gewirkt."

"Naja, das sind wir ja auch. Ich bin eine Dame der Agentur. Darum hat Johnny mich auch 'M'am' genannt, das ist hier so Brauch. Ich bin schmutzig, versaut und kann die geilsten Träume eines Kerls erfüllen. Gleichzeitig bin ich für die, die sich mich nicht leisten können und auch die, die ich nicht will, völlig unerreichbar - wie eine echte, edle Dame also."

Marie hörte sich diese Ausführungen neugierig an.

"Sie begehren dich", sagte die geschiedene Frau dann leise. "Sie wollen dich besitzen. Wollen dich mit ihrem Geld und ihrer Macht kaufen."

"Richtig."

"Und wenn sie dich gekauft haben ..."

"... dann gehöre ich ihnen, mit Haut und Haar", vollendete Lisa den Satz. "Das ist eine sehr, sehr wichtige Lektion, Marie. Hast du erst einmal zugestimmt, gibt es kein Zurück. Es gibt nur ein Vorwärts."

Ein unerwartet ernster Blick bohrte sich in Maries blaue Augen und eine unangenehme Stille entstand. Es war Lisa, die den Ernst so schnell verjagte, wie sie ihn heraufbeschworen hatte: "Du schaffst das schon, Liebes", sagte sie ermutigend. "Im Grunde weißt du schon vor deiner ersten Szene, ob das hier wirklich etwas für dich ist oder nicht. Mach dich jetzt erst mal frisch und zieh dich um, wenn du möchtest. Danach zeige ich dir den Hof, das Gelände und alles weitere. Wir treffen uns in fünfzehn Minuten vor deiner Türe - ich will selbst aus den förmlichen Sachen raus."

Und so geschah es auch. Vierzehn Minuten später kam Marie aus ihrem Zimmer und stellte sich vor die Türe. Neugierig sah sich sich im Flur um. Knarrender Holzboden, hier und da eine Kommode, ein wenig Dekoration darauf - alles machte einen schlichten, aber sauberen und aufgeräumten Eindruck. Hier und da hingen Bilder an den Wänden - Aktbilder. Marie erkannte eine kunstvoll gefesselte Frau, deren Oberkörper zurückgebogen war. Juteseile verbanden ihre schlanken Fußgelenke mit ihren weichen Oberschenkeln. Die auf den Rücken der Frau gebundenen Hände waren unnatürlich verdreht. Die Handflächen lagen aneinander und zeigten in Richtung des Nackens, wie ein umgekehrtes Gebet. Von den gefesselten Handgelenken gingen Stricke um den nackten Oberkörper herum und fassten die festen Brüste ein. Auf den steifen Nippeln saßen Klammern aus kalt glänzendem Metall. Der Anblick ließ Marie nicht kalt. Unwillkürlich näherte sie sich dem eingerahmten Foto und betrachtete die hilflose Frau in all ihren intimen Details. Sie fand das Motiv sehr schön. Das Model wirkte friedlich, ihre Augen waren geschlossen und sie schien ergeben zu erwarten, was nun mit ihr geschehen würde. Marie stellte sich selbst in dieser Situation vor, nur für eine Sekunde - und das Kribbeln, das sie erfüllte, war ihr höchst willkommen. Es war sehr, sehr lange her, dass sie diese Art gespannter Erregung empfunden hatte, diese prickelnde Neugierde, gepaart mit einer diffusen, nervösen Unsicherheit. Der Anblick löste Gefühle in der geschiedenen Frau aus, die sie verlockten, so etwas auch einmal zu erleben.

Als Marie Lisas herannahende Schritte hörte, machte sie unwillkürlich einen Schritt zurück.

"Oh, hab ich dich bei dem Begutachten der Vernissage gestört, Liebes?", grinste Lisa.

Maries Wangen glühten rot, aber sie schwieg. Sie hatte nicht nur die Fesselung bemerkt, sondern auch die Feuchtigkeit zwischen den angewinkelten Beinen des Modells. Gedankenversunken folgte sie Lisa die Treppe herunter.

Wie Lisa es angekündigt hatte, zeigte sie Marie in den nächsten Stunden den Kirschhof. Es gab, ganz wie Fräulein Sophie es versprochen hatte, so gut wie alles, was das Herz begehrte. Lisa präsentierte Marie einen Bade- und Saunabereich mit Sportbecken, Whirlpool und dem auf einer Terrasse liegenden Pool mit der Glaswand, den sie schon bei ihrer Ankunft erspäht hatte. Von dort ging es in einen Raum, der mehr einem modern eingerichteten Restaurant ähnelte. Hier traf man sich zum Essen. Die Speisekarte reichte von deftigem Fleisch über frisches Gemüse bis hin zu diversen internationalen Spezialitäten. Dann ging es eine breite, gut beleuchtete Treppe hinab in Räumlichkeiten, die schon unter der Erdoberfläche sein mussten; aber alles war schlicht und unaufdringlich elegant eingerichtet. Das Fitnessstudio war hier zu finden und auch eine Art Kinosaal mit einer Leinwand, die zwar nicht mit einem echten Kino mithalten konnte, die aber definitiv größer war als gängige Flachbildschirme.

"Und dort drüben", sagte Lisa und zeigte auf das dritte Gebäude, das sie bisher noch gar nicht betreten hatten, "findest du die medizinische Station, das Studio und im Keller ... Na, das zeige ich dir am besten direkt."

Lisa schritt voran. Marie fiel es mittlerweile schwer, ihrem Tempo zu folgen. Die dunkelhaarige Agenturdame schien unermüdlich zu sein, während Marie angesichts der vielen neuen Eindrücke und dem ständigen Herunter- und Hochgehen am Berghang durchaus aus der Puste war.

"Was", keuchte sie, "was für ein Studio ist denn das?"

"Wir nennen es auch gerne das Atelier", kam von vorne. "Niemand bucht gerne die Katze im Sack, wenn du verstehst, was ich meine. Es gibt diverse Hochglanzfotos und natürlich Vorstellungsvideos von allen Damen, die zur Verfügung stehen."

Natürlich, dachte Marie. Dass sie nicht von selbst darauf gekommen war. Sie schalt sich im Stillen ein naives Dummchen. So schön es hier war, sie war, und das sollte sie sich vielleicht endlich einmal einprägen, eine Nutte. Ob man nun Dame oder Prostituierte sagte, Marie betrachtete sich selbst als eine schmutzige Nutte. Sie fand, es machte keinen Sinn, diesen Umstand zu beschönigen. Am Ende würde es um Schwänze in Muschis gehen - mit gewissen Extras und Kinks, die ihre Vorstellung anregten.

Neugierig betrachte sie das kompliziert aussehende Equipment im Studio, aber Lisa beschränkte die Tour auf ein Minimum. Marie sah einige Strahler, Kameras und Standmikrofone, dann ging es auch schon weiter in den nächsten Trakt. Dort trafen die beiden Frauen auf ein in weiße Arztkittel gekleidetes Gespann.

"Hallo, Marie, ich bin Herr Doktor Huber", wurde die blonde Frau von einem recht kleinen Mann mit kugelrundem Bauch begrüßt, der ein freundliches Lächeln auf seinem Gesicht und ein freches Glitzern in den Augen trug.

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