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Die Bio-AG 02

Geschichte Info
Britta stellt sich als Versuchskaninchen zur Verfügung.
5.2k Wörter
4.44
13.9k
3

Teil 2 der 5 teiligen Serie

Aktualisiert 11/17/2023
Erstellt 03/22/2023
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Beschwingt stieg Britta die Stufen zum Portal des Roxelane Mädchengymnasiums hinauf. Sie hatte sich ihr Matrosenkleid angezogen und ihre langen Haare zurückgebunden, um den Temperaturen angepasst möglichst seriös zu wirken. Sie wollte sich selbst und andere überzeugen, dass man sie ernst nehmen musste. Das Gebäude war menschenleer, doch zum Glück traf sie den Hausmeister, der sie über den Hof in den naturwissenschaftlichen Flügel schickte. Wie die gesamte Schule war auch dieser Teil bestimmt schon mehr als 100 Jahre alt. Hier hatte man offensichtlich schon früh Wert auf Mädchenbildung gelegt.

Die Tür zum Biologieraum stand offen, dennoch klopfte Britta, um die Aufmerksamkeit der Lehrerin mit den kurzen dunklen Haaren und dem einfachen, schwarzen Trägerkleid zu gewinnen, die dabei war, eine Menge Gläser und Fläschchen in einen großen Karton zu räumen.

„Entschuldigen Sie, sind Sie Frau Hartmann?"

Die Angesprochene drehte sich um und sah Britta fragend an. Hinter ihrer runden Hornbrille verzog sie kritisch die Brauen, denn sie hatte die junge Frau, schlank, rotblond und gut einen Kopf größer als sie selbst, noch nie gesehen.

„Ich bin hier, weil ich... ich heiße Britta, wir kennen uns nicht... Die Bio-Ferien-AG, deshalb bin ich hier. Ich würde da gerne teilnehmen", geriet Britta unter der immer strenger werdenden Mine der Lehrerin zusehends ins Stottern.

„Woher wissen Sie von der AG", blaffte Frau Hartmann Britta an und musterte sie mit ihren dunkle Augen durchdringend.

Die AG von Frau Hartmann für die frischen Absolventinnen des Roxelane Mädchengymnasiums war die letzte Chance für Britta, in den Sommerferien nicht vollständig zu vereinsamen. Vor einer Woche hatte sie es noch spöttisch belächelt, dass ihr Freund Tim an dieser AG teilnehmen wollte. Er sagte zwar, dass er das nur aus Solidarität mit seinem Freund Bart tat, aber die Teilnehmerinnen vom Roxi waren sicher auch nicht ganz unschuldig daran.

Aber dann war ihr auch noch ihre beste Freundin Meike abhanden gekommen. Sie war seit letzter Woche mit Tim zusammen. Dass sie sich rar machte, verstand Britta. Allerdings drehte sie fast durch, dass sie nicht schon längst von Meike persönlich einen detaillierten Bericht der Ereignisse bekommen hatte. Über gewisse Dinge konnte man einfach am Telefon nicht vernünftig sprechen.

Der geeignete Anlass, den Bericht nachzuholen, wäre ihr gemeinsamer Kinoabend am Mittwoch gewesen. Doch dann hatte Meike angerufen und verkündet, dass sie jetzt auch zur Frau Hartmanns AG gehen werde. Da war Britta endgültig der Kragen geplatzt:

„Wieso gehst du zu einer Bio-AG? Das hast du doch schon vor Jahren abgewählt. Du musst wohl auf Tim aufpassen, damit keine der Schönheiten aus 1001 Nacht mit ihm auf dem Teppich davonfliegt?", stichelte sie.

Am anderen Ende war es einen Moment still. Dann antwortete Meike zögerlich: „Na ja, so ähnlich hab ich am Anfang auch gedacht. Fast hätten Tim und ich unseren ersten Streit wegen der AG gehabt. Aber dann hat mir Liliane, also Frau Hartmann, alles erklärt. Wenn wir zusammen mitmachen, habe ich auch was davon."

„So, so, Liliane... Vielleicht sollte ich auch an der AG teilnehmen, immerhin hatte ich Bio-Leistungskurs. Dann könnten wir mehr Zeit miteinander verbringen", erwiderte Britta schon etwas sanfter.

Wieder Stille am Telefon, dann begann Meike herumzudrucksen: „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ich glaube, das ist nichts für dich. Liliane will da auch so Gespräche mit uns führen, über Liebe und Partnerschaft, du weißt schon."

Britta wusste schon und war beleidigt. Sie hatte keinen Freund und konnte mit dem Balzverhalten, das sich unter ihren Schulkameraden in den letzten Jahren wie eine Seuche ausgebreitet hatte, wenig anfangen. Das war ein Thema, über das sie sich mit ihren Eltern ausnahmsweise nicht streiten musste. Die gingen wie selbstverständlich davon aus, dass ein anständiges und fleißiges Mädchen wie Britta sich von solchen Dingen fernhielt.

Britta hatte das Gespräch mit Meike schnell beendet und den Rest des Nachmittags mit schlechter Laune in ihrem Zimmer verbracht. Beim Versuch die Situation genau zu analysieren, hatte sie sich gefragt, ob sie eventuell eifersüchtig war. Aber nein, sie freute sich für ihre beste Freundin und sie war erleichtert, dass Tim zur Abwechslung einmal etwas mit einer netten und intelligenten Frau angefangen hatte.

Sie kam zu dem Schluss, dass sie Angst hatte, allein zurückgelassen zu werden und nahm sich vor, statt sich selbst zu bemitleiden, etwas zu unternehmen. Sie musste ihre Freunde zurückgewinnen, bevor sie sich nach dem Sommer wegen Studium, Praktikum oder Job in alle Winde zerstreuten. Grade wegen Meikes Unkenrufen würde sie die Herausforderung annehmen und versuchen, an Frau Hartmanns AG teilzunehmen.

So hob sie jetzt, wo sie vor der Biologielehrerin stand, zu einer umständlichen Erklärung an, die unter dem strengen Blick von Frau Hartmann immer umständlicher wurde.

„Also ich war am Kaiser Karl, hatte Leistungskurs Bio, und ich habe gehört, dass Sie eine AG für die Absolventinnen veranstalten, so als Vorbereitung aufs Studium. Ich habe mir gedacht, ich könnte vielleicht noch kurzfristig einsteigen. Meine Freundin Meike hat richtig von dem Programm geschwärmt. Ich..."

„Es tut mir leid", schnitt Frau Hartmann ihr das Wort ab. Sie guckte allerdings schon weniger streng, nachdem klar war, was Britta von ihr wollte. „Die AG ist für unsere Schülerinnen sozusagen als Abschiedsgeschenk nach der anstrengenden Abi-Phase gedacht, um ein bisschen zu entspannen. Für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis rekrutiere ich auch immer ein paar externe männliche Teilnehmer. Die Gruppe ist schon soweit zusammengewachsen, dass neue Mitglieder das ganze Konzept über den Haufen werfen würden."

„Aber meine beste Freundin Meike fängt doch auch erst heute zur zweiten Sitzung an", warf Britta schnell ein.

„Ja, das stimmt, ich musste sie im Nachhinein aufnehmen. Die Liebe hat mir da sozusagen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aus Erfahrung weiß ich, dass man da nichts machen kann und flexibel reagieren muss. Ich möchte ja nicht, dass es wegen der AG zu irgendwelchen emotionalen Unstimmigkeiten kommt. Und ich habe auch nur zugestimmt, weil Meike so ein Schatz ist und ich überzeugt bin, dass sie gut reinpasst."

Frau Hartmann strahlte jetzt über ihr ganzes rundes Gesicht und spielte an einem Lederband, das im tiefen Ausschnitt ihres Kleides verschwand.

„Wenn sie möchte, kann sie Ihnen ja nach Ende des Kurses einmal alles erzählen", fügte die Lehrerin schnell hinzu, wohl mit der Absicht, dass die enttäuscht dreinblickende Britta sich nicht ausgeschlossen fühlte.

„Im Moment habe ich alle Mitglieder allerdings zum Schweigen verpflichtet. Die AG soll allen einen geschützten Raum bieten, in dem wir offen agieren können. Ich kann also leider nichts für Sie tun. Zwei neue Teilnehmer zu integrieren, ist wirklich unmöglich."

Weil Brittas Enttäuschung jetzt totaler Verwirrung gewichen war, beeilte sich Frau Hartmann zu erklären: „Ihren Freund müssten Sie schon mitbringen. Geheimnisse führen sonst nur zu Verwicklungen."

Britta war enttäuscht, machte aber noch einen letzten halbherzigen Versuch. „Ich studiere nach den Ferien Bio auf Lehramt, da wäre die AG wirklich wichtig für mich."

„Da ist leider nichts zu machen", sagte die Lehrerin sanft aber bestimmt. Dann musterte sie Britta noch einmal von Kopf bis Fuß und schien kurz zu überlegen. „Aber wenn sie tatsächlich daran denken, mit der Biologie weiterzumachen, könnte ich Ihnen vielleicht helfen, ein Forschungspraktikum zu finden. Und damit Sie nicht mit total leeren Händen nach Hause gehen, habe ich ein Geschenk für Sie. Warten Sie mal."

Frau Hartmann kramte in der Kiste mit den Gläsern und Flaschen, die die Ergebnisse einer Unterrichtseinheit zu Naturkosmetik enthielten, wie sie erklärte. Sie zog ein kleines Flakon heraus und gab Britta eine Probe aufs Handgelenk. Es roch für Brittas Geschmack zu intensiv und irgendwie überwältigend, aber sie bedankte sich höflich und gab sich sogar selbst noch einen Spritzer auf den Hals. Dabei hörte sie sich selbst albern lachen und ärgerte sich, dass Frau Hartmann sie so einfach eingewickelt hatte.

Sie tauschten Nummern aus und vereinbarten, in den nächsten Tagen noch einmal zu telefonieren, bevor die Lehrerin Britta aus der Tür schob. Britta sah ein, dass ihr im Moment nicht viel mehr übrig blieb, als zu gehen. Sie würde versuchen, Meike in die Mangel zu nehmen. Vielleicht konnte sie Informationen aus Tims Vergangenheit gegen Eindrücke aus der AG tauschen.

Als Britta grade das Gebäude verlassen wollte, sah sie durch die verglaste Tür, wie sich von außen einen kleine Gruppe Schüler über den Hof näherte. Unter ihnen erkannte sie sofort Meike und Tim, die sich an den Händen hielten. Den beiden wollte sie hier auf keinen Fall begegnen. Sie machte kehrt und bog nach rechts in einen Gang ab und öffnete die erstbeste Tür. Ihr Plan war es, sich zu verstecken, bis die Gruppe nach oben in den Bioraum verschwunden war. Dann konnte sie ungesehen entkommen.

Britta fand sich in einem dunklen Abstellraum wieder, der vollgestopft war mit allerlei Sachen, die grade nicht oder nie mehr im Schulalltag gebraucht wurden. Neben allerhand Kartons und ausrangierten Schulmöbeln war darunter auch ein riesiger Röhrenfernseher mit einem kistengroßen Videorekorder aus dem vorigen Jahrtausend. Halb hinter einer Stellwand versteckt entdeckte Britta auf ihrer Reise in die Vergangenheit der Medientechnik sogar einen alten Filmprojektor. Auf ein hohes Gestell montiert zeigte er auf ein schmales waagerechtes Fenster in der Wand, das halb von einem schwarzen Vorhang verdeckt wurde. Der Abstellraum, den sich Britta als Versteck ausgesucht hatte, war ein alter Vorführraum.

Vom Flur hörte Britta das Klappen einer nahen Tür, dann undeutlich Stimmen, die aus dem Nebenraum zu kommen schienen. Sie streckte sich, schaute vorsichtig hinter den Vorhang des kleinen Fensters und musste einen Laut der Überraschung unterdrücken. Einige Personen betraten gerade den Nebenraum, unter denen sie Tim, Meike und Bart erkannte. Es waren die Mitglieder von Frau Hartmanns AG, die sie durch das Fenster beobachten konnte.

Der ehemalige Kinosaal, zu dem der Vorführraum gehörte, diente heute offensichtlich als Aufenthaltsraum. Nur an der gegenüberliegenden Stirnseite war ein breites Podest stehengeblieben, über dem sich einmal die Leinwand befunden haben musste. Die kleine Gruppe der AG-Mitglieder begrüßte sich lebhaft. Zusammen begannen sie, den Raum umzuräumen: Die Tische wurden nach hinten geschoben, die Sofas nach vorne geholt, so dass vor dem Podest Platz entstand, um Kissen auf dem Boden zu verteilen.

Grade hatte Britta den ersten Schreck überwunden und beobachtete neugierig das Treiben in Nachbarraum, da erstarrte sie erneut. Hinter ihr klapperte geräuschvoll die Türklinke. Sie hielt den Atem an, wagte nicht, sich umzudrehen, hoffte, dass sie hinter Stellwand und Projektor für denjenigen, der hereinkam, unsichtbar bleiben würde. Die Tür öffnete sich, Schritte waren zu vernehmen, ein Scharren am Boden, mehr Schritte, Tür wieder zu, puuuh. Grade noch mal gut gegangen.

Am besten blieb sie noch in ihrem Versteck, bis sich alles wieder beruhigt hatte. Außerdem war sie neugierig, was als nächstes im Nebenraum geschehen würde. Dort war jetzt auch Frau Hartmann aufgetaucht zusammen mit einem untersetzten Mann, wesentlich jünger als die Lehrerin aber offensichtlich auch kein Schüler mehr. Die schweren Vorhänge wurden zugezogen, nur hier und da sickerte noch die Abendsonne durch die Ritzen, sonst lag der Raum in einem angenehmen Halbdunkel. Zusätzlich hatte die Lehrerin zwei große Kerzen entzündet und ein paar pilzförmige, bunte LED-Lämpchen verteilt. Britta musste keine Angst mehr haben, hinter dem Fenster des Vorführraumes gesehen zu werden.

Frau Hartmann machte die Runde im Raum und sprach vertraulich mit jedem Einzelnen. Nach einer Weile sammelten sich drei Teilnehmer vorne im Raum am Podest. Es waren Tim, Bart und ein unbekannter Dritter, der durch sein elegantes Hemd und die helle Hose modisch unter den Jeans- und T-Shirt-Trägern hervorstach. Die vier Frauen, von denen Britta nur Meike kannte, nahmen auf den Sofas Platz. Sie saßen mit dem Rücken zum ihr und waren so ihrer Sicht vollständig entzogen. Der junge Mann, der mit Frau Hartmann gekommen war, war auch bei ihnen.

Britta war skeptisch, dass sie hier einen adäquaten Ersatz für den ausgefallenen Kinoabend finden würde. Ihre Sicht war beschränkt und die Show ließ auf sich warten. Wenn sie wenigsten Popcorn dabei hätte... Da erinnerte sie sich, dass in ihrem Rucksack noch etwas viel besseres sein musste, etwas, das sie später vielleicht noch gut gebrauchen konnte. Zumindest den Anfang der Vorstellung wollte sie sich angucken, und dann schnell verschwinden.

***

Als Britta am nächsten Vormittag schon um kurz vor elf wieder den Schulhof des Roxis überquerte, war sie froh, sich hinter ihrer Sonnenbrille verstecken zu können. Sie hatte fast nicht geschlafen und war früh geweckt worden. Grelles Sonnenlicht war jetzt das Letzte, was sie gebrauchen konnte.

Den ersten morgendlichen Anruf von Frau Hartmann hatte sie noch ignoriert. Beim zweiten, eine halbe Stunde später, hatte sie die Nerven verloren und war drangegangen. Wohl zu spät, denn es meldete sich niemand. Dafür bekam sie nach kurzer Zeit eine SMS von Frau Hartmann, die Britta unbedingt noch einmal wegen des gestrigen Besuchs sprechen wollte: „Heute um elf!"

Britta wollte Frau Hartmann nicht sehen, wollte nicht an die wirren Träume der vergangenen Nacht erinnert werden. Schon ihr eine Antwort zu schreiben, um den Termin zu verschieben, kostete sie große Überwindung und war letztlich erfolglos: „Es muss heute sein!"

Blieb ihr eine andere Wahl, als der Vorladung zu folgen? Nicht, dass Frau Hartmann Verdacht schöpfte, dass Britta heimlich die gestrige AG-Sitzung beobachtet hatte. Oder hatte sie bereits Verdacht geschöpft? Das galt es herausfinden.

„Britta, ich habe noch einmal über gestern nachgedacht", eröffnete die Lehrerin das Gespräch. „Mein Gewissen hat sich gemeldet. Es tut mir jetzt Leid, dass ich Sie gleich so kategorisch von der AG ausgeschlossen habe. Dabei war klar, wie gerne Sie dabei gewesen wären. Deshalb möchte ich Ihnen anbieten, doch noch einzusteigen. Mit ein bisschen Engagement von ihrer Seite integrieren Sie sich im Nu."

Frau Hartmann lächelte ihren Gast von ihrem Schreibtisch in dem kleinen, behelfsmäßigen Büro, wohin sie Britta bestellt hatte, auffordernd an. Brittas entgeisterte Mine schien sie nicht wahrzunehmen oder sie ignorierte sie einfach.

„Also ich... nein... nein...", begann Britta zu stottern, die mit allem aber nicht mit diesem Angebot gerechnet hatte. „Ich möchte mich da wirklich nicht reindrängen. Sie haben schon recht, die Gruppe ist bestimmt schon so eng zusammengewachsen, da würde ich nur stören. Wissen Sie, ich bin nicht so gut in solchen Gruppengeschichten."

„Ach was, Ihre Freundin Meike soll sie an die Hand nehmen. Und Tim kennen Sie wahrscheinlich auch. Die beiden werden Sie sicher gerne mit allem vertraut machen, was Sie in den ersten zwei Sitzungen verpasst haben."

„Auf keinen Fall", japste Britta und versuchte ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. Sie war froh, dass sie noch die Sonnenbrille trug und Frau Hartmann ihren panischen Blick nicht erkennen konnte. „Ich meine, auf keinen Fall möchte ich das von Meike und Tim verlangen. Die haben bestimmt Besseres vor, als für mich den Babysitter zu spielen."

Und etwas leiser fügte Britta hinzu: „Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn sie den beiden nichts davon erzählen würden. Vielleicht denken sie sonst, ich will ihnen hinterherspionieren. Es ist einfach das Beste, wir vergessen die ganze Sache."

„Wie Sie meinen", willigte Frau Hartmann immer noch lächelnd ein. „Ich hätte gedacht, dass Sie neugieriger sind. Aber so ist es auch gut. Dann habe ich einen anderen Vorschlag, wie ich Sie fördern und noch ein wenig in meiner Nähe behalten kann."

Britta war so erleichtert, dass sie Frau Hartmanns Angebot, ein kleines Forschungsprojekt mit ihr durchzuführen, nur stumm zur Kenntnis nahm. Es sollte darum gehen, ein Körperöl zu testen, das die Lehrerin selbst hergestellt hatte. Dass Frau Hartmann sich für Naturkosmetik interessierte, wusste Britta ja bereits von ihrem gestrigen Besuch. Britta sollte einen Selbstversuch machen und dabei regelmäßig Protokoll führen.

„Ich würde Sie natürlich nicht als Versuchskaninchen verpflichten, wenn ich nicht absolut sicher wäre, dass das alles vollkommen ungefährlich ist", schloss Frau Hartmann ihre Erklärung.

„Der Auszug enthält nur pflanzliche Bestandteile. Manche davon findet man auch in anderen Pflegeprodukten, andere sind eher ungewöhnlich. Ich habe das Öl selbst schon probiert aber eben nie systematisch."

Wie zum Beweis hob Frau Hartmann ihr T-Shirt in die Höhe, so dass erst ihr nackter Bauch und dann ihre großen Brüste verpackt in einen einfachen, schwarzen BH zum Vorschein kamen. Sie habe das Öl grade heute morgen in ihrem Dekolleté getestet.

Britta, deren Aufmerksamkeit jetzt wieder erwacht war, wagte einen kurzen Blick über den Rand ihrer Sonnenbrille. Aber es war eigentlich nichts zu sehen außer ein paar Leberflecke und Frau Hartmanns beachtlicher Oberweite. Hastig schob sie die Brille wieder zurück, bevor ungute Erinnerungen in ihr hochkommen konnten.

Britta verwies zögerlich auf ihre empfindliche Haut, weshalb Frau Hartmann noch einmal unterstrich, wie wichtig das Protokoll sei. Am besten würde sie zusätzlich Fotos machen. Bei irgendwelchen allergischen Reaktionen, die man ja leider nie ganz ausschließen könne, sei der Versuch natürlich sofort abzubrechen.

Dann fischte sie mit einem Anflug von Stolz ein Glasfläschchen aus dem Regal neben sich.

„Hier ist es: das Jungfrauenöl. Das Rezept ist aus dem Haus- und Zauberbüchlein, einem alten Medizinbuch, das ich hier in der Schulbibliothek entdeckt habe. Das Buch ist voll von interessanten Schönheits- und Gesundheitstipps und einigen sehr obskuren Zaubersprüchen. Die hat eine Gruppe kluger Frauen aus unserer Stadt vor dreihundert Jahren gesammelt."

„Magisches Öl?", murmelte Britta ungläubig.

„Die Beschwörungsformeln, die bei der Anwendung zu sprechen sind, lassen wir weg und vierzig Tage Zeit haben wir für unsere Testreihe leider auch nicht. Deshalb könnte es sein, dass sich einige Versprechen, die das Rezept macht, nicht verwirklichen: die strahlende Schönheit des Antlitzes, das Entfachen des Leibesfeuers der Jungfrau und das unbändige Liebesverlangen des Bräutigams."

„Welcher Bräutigam?" Jetzt klang Britta wirklich entsetzt.

„Der erste Mann, der Ihnen nach der vierzigtägigen, korrekten Anwendung auf dem Weg zum Dorfbrunnen begegnet. Aber Spaß beiseite. Was mich interessiert, ist die kosmetische Wirkung des Öls. Den Hokuspokus können wir getrost vergessen, der dient eh nur zur psychologischen Verstärkung."

Immer noch skeptisch nahm Britta das Fläschchen mit dem bernsteinfarbenen Inhalt in die Hand. Sie hatte das dringende Bedürfnis, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen und an die frische Luft zu gelangen.

Also murmelte sie einige vage Versprechungen, dass sie es ja mal versuchen könne. Dann verstaute sie die Probe in der Außentasche des Rucksacks, damit das Fläschchen nicht ihrer Beobachtungskladde und dem Fernglas, zwei Dinge, die sie immer dabei hatte, in die Quere kam.

***

Frau Hartmann stellte sicher, Britta an ihre Verpflichtungen zu erinnern, indem sie ihr am Nachmittag eine lange Email schickte. Sie erläuterte noch einmal das Testdesign und fügte eine genaue Beschreibung des Präparats hinzu. Als Britta Frau Hartmanns Nachricht in ihrem Postfach sah, war ihr wieder mulmig geworden. Ihre Wunschvorstellung, das Gespräch vom Vormittag einfach ignorieren zu können, war dahin. Der Inhalt der Email selbst beruhigte sie dann wieder etwas. Durch Frau Hartmanns strukturierte und professionelle Vorgehensweise bekam der Wahnsinn immerhin Methode.

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