Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Die Galamex-Saga - Teil 07

ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

***

Ich schreckte hoch. Der Schmerz war kurz, aber von einer nie dagewesenen Heftigkeit. Das böse Wesen hatte einen einzelnen Schlag auf den Amboss ausgeführt, aber dieser hatte es in sich. Vor meinen geschlossenen Augen sah ich Lichter flimmern. Funken, die vom Amboss gesprungen waren und nun als Sterne am Firmament meiner inneren Sicht strahlten. Die Pein war schier unerträglich. Ich rang nach Atem und bekam irgendwie gerade noch mit, wie jemand, vermutlich ein Krankenpfleger, einen Alarm auslöste. Dann verblasste der Schmerz und zog sich wieder in den Hintergrund meines Bewusstseins zurück, wo er inzwischen zu meinem ständigen Begleiter geworden war.

Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, nachdem auch die Sterne von der Leinwand meiner geschlossenen Lider verschwunden waren, stand Marius neben meinem Bett, einen tragbaren Neuroscanner in der Hand. Er hatte ihn wohl soeben von meinem Kopf zurückgezogen.

"Sternverflucht!", hörte ich ihn, zum allerersten Mal seit ich ihn kannte, wettern. "Nichts! Nicht der geringste Hinweis auf die Ursache für diesen Anfall. Das ist zum Verrücktwerden!"

"Es ist ja schon wieder weg, Marius. Kein Grund zur Panik", versuchte ich ihn zu beruhigen. Aber vielleicht versuchte ich auch nur, mich selbst zu beruhigen, weil mir ein aufgebrachter Marius Feinbaum ganz und gar nicht behagte. Er runzelte die Stirn und blickte mich ernst an - was bei Marius immer so wirkte, als wolle er gleich einen Witz erzählen.

"Cygnus", begann er. "Ich weiss alles über Kopfschmerzen, was es zu wissen gibt. Migräne, Spannungs- und Clusterkopfschmerzen, ich könnte dir stundenlange Vorträge über jede einzelne Art halten. Selbiges gilt für Hustenkopfschmerzen, Eispickelkopfschmerzen, Donnerschlagkopfschmerzen oder Münzkopfschmerzen. Über den Sexualkopfschmerz habe ich sogar eigene Studien betrieben und eine Facharbeit veröffentlicht. Aber das hier-" Er zeigte auf meinen Kopf. "-ergibt einfach keinen Sinn. So etwas treibt mich in den Wahnsinn!"

"Das ... verstehe ich", antwortete ich lächelnd. "Ich kann es auch nicht ausstehen, wenn ich mir bei meiner Arbeit etwas nicht erklären kann. Der Fluch eines jeden Perfektionisten."

Er erwiderte mein Lächeln und entspannte sich etwas.

"Und wie gehst du damit um, wenn das passiert? Wenn du dir etwas nicht erklären kannst?"

"Nun, manchmal hilft nur noch der pragmatische Ansatz. Kann ich die Ursache nicht ausfindig machen, konzentriere ich mich auf die Folgen."

Marius nickte zustimmend und umrundete mein Bett.

"Du sagst also, der Schmerz ist nun weg."

"Ja", bestätigte ich. "Zwar nicht ganz, aber die meiste Zeit ist er so schwach, dass ich ihn ignorieren kann."

"Du hast nun fast vier Stunden geschlafen. Dabei hat dich der Schmerz nie geweckt?"

"Nein."

"Na schön. Wenn er bis morgen früh nicht nochmals diese Intensität erreicht, lasse ich dich gehen. Ich werde in der Zwischenzeit dafür sorgen, dass du die Medikamente, die ich dir gesprizt habe, in Pillenform erhältst. Damit du sie mitnehmen kannst. Ausserdem wirst du einen Neuromonitor tragen - für alle Fälle."

"Danke, Herr Doktor." Ich hatte zwar überhaupt keine Lust, unter ständiger medizinischer Überwachung zu stehen. Aber wenn ich dadurch endlich das Krankenhaus verlassen konnte, war mir das mehr als recht. Inzwischen fühlte ich mich irgendwie rastlos. Ausserdem war ich mir sicher, dass Henry und Alina meine Hilfe benötigen konnten. "Übrigens, ist Ornella schon zurück?"

"Edmund Forrester hat angerufen und mir mitgeteilt, dass sie sich in seinem Büro hingelegt hat", antwortete Marius. "Ich habe ihm empfohlen, sie schlafen zu lassen. Sie hat Schlaf bitter nötig. Soll ich Edmund anrufen und sie wecken lassen?"

Ich schüttelte den Kopf.

"Nein. Lass sie schlafen."

*** Kapitel 8 - Ornella ***

Jemand stupste mich an der Schulter und holte mich in eine Welt zurück, in der zwei meiner besten Freunde nicht mehr waren, in der eine meiner besten Freundinnen ihr Baby verloren hatte. In der vielleicht eine meiner besten Freundinnen mich für den Rest ihres Lebens hassen würde.

Ich drehte mich murrend um und versuchte, in die wohltuende Dunkelheit des Vergessens zurückzukehren, doch der Stupser liess nicht nach, sondern fügte seine Stimme hinzu.

"Commander Rossi?", rief mich eine wenig vertraute Stimme, die mein Flottenhirn augenblicklich einem Gesicht zuordnen wollte. Jung, so tief, dass man sie beim ersten Hinhören für männlich halten konnte, mit skandinavischem Einschlag. Ah, ja, Agneta Jorgensen, Lieutenant, das neuste Mitglied meines Vertreter-Stabes und Verbindungsoffizier zum Admiralsbüro.

Ich drehte mich zurück und öffnete die Augen.

"Wie oft habe ich ihnen schon gesagt, sie sollen mich ausserhalb des Dienstes Ornella nennen, Agneta?"

"Oft", erwiderte sie prompt. "Aber ich bin dienstlich hier. Im Auftrag von Admiral Forrester."

Ich setzte mich auf und rieb mir die Augen. Der Admiral, ja. Dies hier war sein Sofa, und ich konnte nach wie vor sein Rasierwasser riechen. Die hochgeschossene Blondine mit den kurzen Haaren schaute mich ernst, schon beinahe besorgt an.

"Wie lautet denn ihr Auftrag, Lieutenant Jorgensen?"

"Sie zu wecken, Commander. Der Admiral benötigt ihre Unterstützung."

Ich streckte mich gähnend. Die Mütze Schlaf hatte Wunder gewirkt. Ich fühlte mich wieder voller Energie.

"Wobei?"

"Das hat er nicht gesagt, Ma'am. Er sagte nur, sie sollten so bald wie möglich im Cyco-Konferenzraum zu ihm stossen. Sobald sie geduscht und eine frische Uniform angezogen haben."

Ich bemerkte jetzt, dass sie eine solche in den Armen hielt.

"Wie spät ist es denn?", fragte ich und stand auf. Agneta überragte mich um einen Kopf. Sie sah wie immer makellos aus.

"Acht Uhr Dreissig, Commander."

Kein Wunder fühlte ich mich erfrischt! Edmund hatte mich elf Stunden schlafen lassen! Ich blickte zum Fenster. Die Vorhänge waren zwar zugezogen, aber ich konnte dahinter tatsächlich Tageslicht sehen.

"Sind sie sicher, dass es schon so spät ist? Ist es dafür draussen nicht zu hell?" Agneta feixte.

"Ich sagte Acht, Ma'am. Nicht Zwanzig." Ich eilte zum Fenster und zog den Vorhang zurück. Tatsächlich. Der Lichteinfall entsprach den frühen Morgenstunden. Edmund hatte mich nicht elf, sondern dreiundzwanzig Stunden schlafen lassen! Die Skandinavierin, wie immer aufmerksam, bemerkte meine zunehmende Verärgerung. "Der Admiral hat mir befohlen, sie so lange schlafen zu lassen, bis sie von selbst aufwachen, oder, wie geschehen, wenn er seinen Befehl widerruft. Ihr Verlobter wurde darüber informiert und war damit einverstanden. Er wurde heute Morgen aus dem Krankenhaus entlassen und wird ebenfalls im Konferenzraum anwesend sein."

"Dieser Schuft", murmelte ich, während ich die frische Uniform entgegennahm, um mich ins Bad von Edmunds Büro zu begeben. Agneta schmunzelte.

"Wen meinen sie, Ornella? Den Admiral oder ihren Verlobten?"

***

Sakura trug an diesem Tag ein weisses Kleid, die in Japan übliche Trauerfarbe. Sie stand auf, nahm mich kurz in die Arme und drückte mich, als ich um den runden Tisch herum an ihr vorbeilief, um Cygnus zu erreichen. Dieser stand ebenfalls auf und schloss mich in eine innige Umarmung.

"Wie geht es dir?", fragte ich ihn, als ich mich von ihm löste. Er lächelte müde, als hätte er im Gegensatz zu mir nicht allzu viel geschlafen.

"Es geht mir-" Er zögerte. "Es geht mir gut, wenn man die Umstände bedenkt. Und es geht mir besser, jetzt wo ich dich sehe."

"Dito", antwortete ich und holte mir einen sanften Kuss von seinen Lippen.

"Du solltest dich heute zu deinen Kollegen setzen, Liebste. Das wird scheinbar so ein 'Flotte versus CyCo Ding'."

Ich schaute ihn fragend an, doch er hatte sich bereits abgewandt und neben Alina hingesetzt. Ein Stuhl weiter sass Henry. Ich begrüsste die beiden mit einem Nicken, den sie freundlich erwiderten. Die Mitglieder des 'Triumvirats' waren, abgesehen von der wie immer Protokoll führenden Sakura, die einzigen Vertreter von CyCo. Auf der anderen Seite der Tafelrunde sassen Gerard und Edmund. Sie wirkten ziemlich besorgt.

Während ich den Tisch weiter umrundete, nahm ich meinen Verlobten und seine beiden Kollegen nochmals in Augenschein. Alle drei wirkten äusserst ernst. Insbesondere in Alinas Gesicht zeigte sich jene entschlossene Härte, die ihr immer dann zu eigen war, wenn sie unbedingt etwas wollte. Ich begrüsste auch meine beiden Vorgesetzten mit einem Nicken und setzte mich zwischen sie.

"Zum Glück sind sie da", sagte Gerard, mein ehemaliger Professor, leise zu mir. "Vielleicht gelingt es ja ihnen, ihre Freunde von diesem Wahnsinn abzubringen."

Bevor ich eine entsprechende Frage stellen konnte, meldete sich Alina resolut zu Wort.

"Ich kann sie laut und deutlich hören, Gerard."

"Es ist kein Wahnsinn, die eigenen Interessen schützen zu wollen!", doppelte Henry nach. Er zeigte deutlich mehr Verärgerung als Alina. Dies aber auch nur, weil sich letztere aufgrund jahrelanger Übung besser unter Kontrolle hatte. Wut loderte in ihren Augen, für jeden sichtbar, der sie so gut kannte wie ich. "Es ist kein Wahnsinn, Menschenleben schützen zu wollen!"

Edmund seufzte.

"Ornella, würden sie die Güte haben, der CyCo-Geschäftsleitung zu erklären, warum die Aussenbewaffnung einer Raumstation purer Wahnsinn ist?"

"Waffen?", fragte ich überrascht. Der seit der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts geltende "Weltraumvertrag" war diesbezüglich nie gebrochen worden. Aussenwaffen bei Raumfahrzeugen waren strikt verboten. Aber andererseits hatte bisher auch noch niemand ein ganzes Schiff als Waffe verwendet.

"Marschflugkörper. Raketen, um genau zu sein", ergänzte Gerard, seinem Missfallen Luft machend. "Mit einem klitzekleinen Antimaterie-Sprengkopf. Werte CyCo-Geschäftsleitung, das IST Wahnsinn!"

Henry schnaubte, doch es war nun Cygnus, der das Wort ergriff.

"Also sollen wir einfach, was? Die andere Wange hinhalten? Hoffen, dass noch andere unserer Freunde zugegen sind, bereit ihr Leben zu geben, wenn der nächste Brander versucht, unsere Station zu zerstören?"

"Brander?", fragte ich stirnrunzelnd.

"Ein Wasserschiff, welches früher auf der Erde bei Seekonflikten in Brand gesetzt und in die gegnerische Flotte oder den gegnerischen Hafen gelenkt wurde, um Schaden anzurichten", antwortete mein Verlobter. Edmund lehnte sich zu mir.

"Sie müssen unbedingt einiges über irdische Seefahrt lernen, Ornella, wenn sie Admiral werden wollen", flüsterte er. Ich verkniff mir die bissige Bemerkung, dass ich ja etwas darüber hätte lernen können, wenn er mich früher geweckt hätte und widmete meine Aufmerksamkeit Gerard.

"Noch ist nicht zweifelsfrei erwiesen, dass es sich um einen böswilligen Angriff gehandelt hat", sagte er, klang aber dabei nicht sehr überzeugend. Als schenke er seinen eigenen Worten nicht wirklich Glauben. Henry schnaubte erneut, während Alina die Augen verdrehte.

"Ach, kommen sie, Gerard", antwortete sie sanft. "So gutgläubig können sie nicht sein."

"Und selbst wenn es ein Angriff war", fuhr dieser gereizt fort. "Die Station mit Aussenwaffen zu versehen ist die falsche Antwort! Sie beenden damit rund vierhundert Jahre Waffenruhe im Weltall!"

Alina explodierte.

Sie stand auf, bückte sich nach vorne und pflanzte ihre geballten Fäuste auf den Tisch vor ihr. Die Augen der blonden Schönheit schleuderten Blitze, als sei sie Zeus höchstpersönlich.

"Die wurde längst beendet, Gerard!!" So laut war Alina in meiner Anwesenheit noch nie geworden. Selbst betrunken nicht. "Zwei unserer besten Freunde sind tot!! Meine Frau-" Alina versuchte sich selbst zu beruhigen. Tatsächlich waren ihre nächsten Worte leiser, doch dafür erfüllt von zornigem Gift und finsterer Verzweiflung. "Alejandra hat die Frucht unserer Liebe verloren. Über siebentausend ihrer eigenen Leute wurden ins Vakuum geschleudert!! Und sie ... sie faseln etwas von falscher Antwort!?!" Sie machte eine bedeutungsschwere Pause und schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war der Sturm wieder unter Kontrolle. "Ich bin mit Leib und Seele Anwältin, Gerard. Aber in diesem Moment scheisse ich auf die juristische Spitzfindigkeit, dass ein Raumschiff AN SICH keine Waffe und ein Antimaterie-Reaktor AN SICH keine Bombe sind. Das war ein Angriff. Mit einer Waffe. Mit einer Bombe. Es ist unser STERNVERFICKTES RECHT, uns zu verteidigen!"

"Da bin ich ganz Alinas Meinung", sagte ich unter Gerards entsetztem Blick.

"Ornella-", begann Edmund, ebenfalls fassungslos über meine Antwort. Doch ich unterbrach ihn.

"Allerdings finde ich Raketen mit Antimaterie-Sprengkopf etwas ... grobschlächtig. Wie wäre es stattdessen mit Hochleistungslasern, um Haupt- und Steuertriebwerke anfliegender Schiffe auszuschalten? Solche Laser werden beispielsweise in den Ringen von Halakem 3 verwendet, um Eis abzubauen und gelten daher AN SICH nicht als Waffen - sofern sie nicht auf Faltungs-fähigen Raumfahrzeugen montiert sind."

Alina deutete auf mich.

"Sehen sie, Gerard? Jemand der um die Ecke denkt! Warum sind die beiden dienstältesten Offiziere hier im Raum nicht auf eine solche Idee gekommen? Eingerostet?"

"Alina-", versuchte ich sie zu beschwichtigen, doch Cygnus fiel mir ins Wort.

"Die Idee ist nicht schlecht, aber sie hat einige Mängel. Zum einen dürfte es schwierig sein, von der Station aus den Hauptantrieb eines anfliegenden Schiffes zu treffen - oder auch nur die gewünschten Steuertriebwerke. Zum anderen: Wenn ein Schiff bereits auf Kollisionskurs ist, nützt ein Laser nichts mehr."

"Korrekt, aber wenn man sie, wie bei den Eisringen von Halakem 3, auf Satelliten anbringt, ist das erste genannte Problem gelöst: Eine 'Wolke' solcher Satelliten müsste die Station umgeben, damit sie die Antriebe jedes Schiffes ins Visier nehmen können, unabhängig vom Anflugvektor. Wenn dann die Triebwerke ausgeschaltet sind, kämen, wie bei den Eisbrocken von Halakem 3, sogenannte Schlepperschiffe zum Zug, die nicht einmal Hafenmanöverbuchten auf den entsprechenden Schiffen benötigen. Diese sind leistungsfähiger als jede Corvette, müssten dann aber für einen raschen Eingriff im Dauereinsatz sein. Und falls alle Stricke reissen, könnte der Antimaterie-Reaktor eines der Satelliten oder der Schlepper kontrolliert zur Sprengung gebracht werden, obschon es AN SICH keine Bombe ist, um das Schiff bestenfalls abzulenken, schlimmstenfalls in sicherer Distanz zu zerstören."

Cygnus lächelte mich anerkennend an.

"Clever."

Ich spürte dabei ein vertrautes Ziehen in den Lenden, welches sich seit Tagen nicht mehr gemeldet hatte. Aber Cygnus kurzes Lächeln verschwand ebenso schnell, wie es aufgetaucht war, ersetzt von dieser fortwährenden Grundtraurigkeit, die all unsere Freunde, ebenso wie mich, immer wieder einzuholen wusste.

"Da hat sich aber jemand eine Menge Gedanken gemacht", meinte Henry nickend.

"Ich hatte eine Menge Zeit zum Nachdenken", antwortete ich prompt. Tatsächlich hatte ich die meiste Zeit an Cygnus' Bett genau damit verbracht: Eine Möglichkeit ersinnen, wie ... der Brander - ja, die Bezeichnung passte - hätte aufgehalten werden können. Und mich von den schrecklichen Tatsachen dieses Angriffes abzulenken. Alina hob die Hände in die Luft.

"Worüber streiten wir uns dann noch?! Oder habt ihr beiden alten Hasen auch bei dieser Variante etwas einzuwenden?"

Henry hob einen Finger.

"Moment, Ali. Ich bin noch nicht ganz überzeugt. Was ist, wenn so ein Schiff in nächster Nähe der Station aus der Falte in den einsteinschen Raum zurückfällt? Dann wären allfällige Satelliten zu weit weg, um noch wirksam zur Explosion gebracht zu werden und Schlepperschiffe zu spät dran, um das Schiff wirksam vom Kollisionskurs zu schieben."

Interessanterweise war es ausgerechnet Cygnus, der auf Henrys Einwand einging.

"Das ist nicht möglich, Hen. Simpel ausgedrückt: Um durch den gefalteten Raum zu reisen, dürfen keine grösseren Gravitationstrichter, wie zum Beispiel ein Planet, ein Mond, oder auch nur eine Raumstation, auf die künstlich erzeugte Falte soweit einwirken, dass diese verzerrt wird und kollabiert. Ein solcher unkontrollierter Kollaps hat immer Auswirkungen auf das Schiff: Im besten Fall führt er dazu, dass der Faltengenerator beschädigt wird und keine weiteren interstellaren Flüge mit dem Schiff möglich sind. Im schlimmsten Fall wird das Schiff komplett zerstört. Deswegen muss jedes interstellare Schiff, abhängig vom angeflogenen Massekörper, den kontrollierten Kollaps rechtzeitig einleiten. Je grösser die Masse, desto grösser der einzuhaltende Sicherheitsabstand." Ich schaute ihn etwas verblüfft an. Cygnus bemerkte meinen Blick. "Was?! Ich habe die interstellare Pilotenlizenz erworben. Ich MUSS sowas wissen!" Die Wärme in meinen Unterleib nahm wieder zu. Ich biss mir ganz kurz auf die Unterlippe und konzentrierte mich wieder auf Cygnus nächsten Worte. "Also, wie gesagt: Kein Schiff kann einfach neben der Station in den einsteinschen Raum ploppen. Für eine Standard-Station, wie die alte, liegt der Sicherheits-Abstand bei 10'000 Kilometer, bei der grossen dürften es wesentlich mehr sein. Hinzu kommt der Planet, Galamex 2, selbst: Je enger der Orbit, desto grösser der zusätzlich benötigte Abstand."

Henry nickte erneut und lehnte sich zurück.

***

"Wie geht es dir?", fragte ich Alina, während wir vor dem Konferenzraum Kaffee und Croissants serviert bekamen. Alina hatte, nachdem Gerard und Edmund ihren Widerstand gegen Verteidigungsmassnahmen, sofern verdeckt, aufgegeben hatten, die Sitzung nicht beendet, sondern lediglich eine Pause angeordnet. Offenbar gab es noch mehr zu besprechen.

"Schlecht, aber danke der Nachfrage!", gab sie schroff zurück und bereute es sogleich. "Bitte entschuldige, Ornella! Ich bin nur permanent, so, so, wütend! Als wäre ich ein brodelnder Vulkan. Und zwischendurch trifft ein glühender Brocken die falsche Person. Es tut mir leid."

Ich schloss sie in die Arme und drückte sie.

"Du musst dich nicht entschuldigen, Ali. Wut ist nun Mal deine Art, mit dem Schmerz umzugehen."

Wir hatten uns seit dem Brander einige Male ganz kurz gesehen, aber nie lange genug, um uns vernünftig zu unterhalten. Oder auch nur, um eine tröstende Umarmung auszutauschen. Abgesehen davon dass Alina, genau wie während der Sitzung als ihr kurz die Fassung abhandengekommen war, meistens wie eine zum Leben erwachte Furie gewirkt hatte.

"Wie gehst eigentlich du damit um, Nella? Mit dem Schmerz?"

Ich spürte, wie sich in mir drin alles verkrampfte. Ich löste mich von ihr und blickte sie reumütig, fast schuldbewusst an.

"Ich verdränge ihn. Den Schmerz. Und die schrecklichen Tatsachen."

"Das ist nicht gut, Ornella", erwiderte Alina mitfühlend. "Irgendwann wirst du dich den Tatsachen stellen müssen."

"Ich weiss!", antwortete ich, heftiger als beabsichtigt, fuhr dann aber sanfter fort. "Ich weiss. Aber im Augenblick ... kann ich das einfach nicht. Weswegen-"

"Du deine Gedanken auf die Austüftelung eines astropolitisch wasserdichten Verteidigungsplan lenkst", unterbrach mich meine blonde Freundin verständnisvoll. "Schiebe es bloss nicht zu lange vor dich hin, Ornella."

Ich nickte. Dann versuchte ich, das Thema auf Anderes, weniger Gefühlsbehaftetes, zu lenken.

"Was willst du eigentlich noch mit uns besprechen, Ali?"

"Yegor hat für mich eine vorläufige, aber doch ziemlich detaillierte Analyse des Angriffes zusammengestellt. Er wird sie uns vortragen, sobald er hier ist - zusammen mit einem ausserordentlichen Gast."

"Wer-" Ich wollte Alina gerade nach dem Gast fragen, als Yegor durch die Tür des Vorraumes trat. Gefolgt von Ashley Simmons.

***

"Ich hoffe, du hast mich nicht wieder zu dir gebeten, um eine Leiche zu identifizieren", meinte die blonde Schönheit, die in ihren Manierismen so sehr an Alina erinnerte. Sie würdigte keinen der anderen Anwesenden auch nur eines Blickes. Alina feixte.