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Die Pfandleihe

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Unsere Haushälterin hatte, wie immer, den Tisch üppig und sehr liebevoll gedeckt.

Katharina Franke war schon vor dem Tod meiner Mutter die gute Seele des Hauses.

Gleich nach der Trauerfeier versprach sie mir und meinem Vater, den Haushalt auch weiterhin führen zu wollen.

Dafür waren wir ihr mehr als dankbar. Mein Vater ganz besonders. Ich habe gelegentlich sehen können, dass er ihr einen 100 Mark-Schein zusteckte. Wofür auch immer. Katharina quittierte den Erhalt jeweils mit einem Kuss auf Vaters Wange und einem schmeichelhaften Lächeln.

Vaters zeitweilig aufkommende Großzügigkeit drängte mir eine Frage auf, die ich jetzt am Frühstückstisch klären wollte.

Langsam und bedächtig ließ ich eine Priese Zucker in meinen Kaffee rieseln.

„Papa, sag mir doch bitte, um welches Pfand ich mit Julia verhandelt habe?"

Mein Vater sah mich irritiert an, um dann in ein schallendes Gelächter auszubrechen.

Es brauchte einige Minuten, bis er sich wieder beruhigt hatte.

„Du bist wirklich der Sohn deines Vaters", lachte er. „Du lässt sogar beim bumsen das Geschäft nicht aus den Augen. Gut so, mein Sohn."

Der Alte nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse.

„Frau Schönwald, also Julia, hat kein Pfand von Wert. Es geht immer nur um eine billige Kette, die sie einst von ihrer inzwischen verstorbenen Großmutter geschenkt bekam. Sachwert vielleicht 20 DM. Der ideelle Wert für Julia weitaus höher. Vielleicht sogar unbezahlbar. Ich gebe ihr 200 Mark dafür. Pünktlich nach Ultimo löst sie das Pfand aus."

Vater biss in das Brötchen, kaute langsam und spülte mit einem Schluck Kaffee nach.

„Ah, ich verstehe langsam. Julia gleicht den Minderwert ihrer Kette mit ihrem Körper aus?"

Vater schmunzelte. „Ja, ich glaube, so könnte man es ausdrücken."

Ohne Julia abwerten zu wollen, warf ich dennoch ein, dass wir daran nichts verdienen würden.

Der Alte lachte spitzbübisch. „Wir verdienen natürlich kein Geld mit diesem Geschäftsmodell. Aber wir verlieren auch kein Geld. Die üblichen Zinsen und Gebühren bezahlt Frau Schönwald auf die vereinbarte Art. Der Beruf soll ja auch ein bisschen Spaß machen. Und dir hat er gestern offensichtlich sehr viel Spaß gemacht."

Ich sah Vater an und musste nun auch lachen. „Und wie. Es war einfach unglaublich!"

„Das dachte ich mir. In 2 Stunden lässt sich viel Erfahrung sammeln."

„Papa, grins nicht so süffisant!" forderte ich meinen alten Herrn lachend auf!

Wie immer waren wir 30 Minuten vor Geschäftsöffnung im Laden. Während ich die „Nachtdekoration" aus dem Schaufenster gegen die hochwertigen, verkäuflichen Pfänder aus dem Tresor tauschte, kochte mein Vater seinen Pfefferminztee.

„Welches Datum haben wir heute?" Vater goss etwas kochendes Wasser in sein Teeglas.

„Den 23. Juli 1958", antwortete ich mit einem kurzen Blick auf den Wandkalender.

Vater nahm einen Schluck des heißen Tees.

„So, so. Schon fast wieder Monatsende", murmelte er. „Den Leuten wird das Geld knapp. Wir werden heute viel zu tun haben." Er musste es wissen.

„Du hast gestern zum ersten Mal mit einer Frau Sex gehabt. Wie man jetzt so sagt".

Die Feststellung kam aus heiterem Himmel und hat mich etwas überrascht. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass das gestrige Geschehen ein Thema werden könnte.

„Ja, Papa. Habe ich." Was sollte ich auch anderes sagen? Mir lag nicht daran, mit ihm über mein erstes sexuelles Erlebnis zu sprechen.

Aber der Alte ließ nicht locker,

„Hat es dir Spaß gemacht?" Die Frage kam ganz ruhig nach einem weiteren Schluck Tee.

Ich sah in sein grinsendes Gesicht. Und musste plötzlich lachen.

„Natürlich hat es Spaß gemacht. Julia ist wirklich ein Prachtweib. Sie ist die erotischste Frau, die ich mir vorstellen kann. "

„Ja, das ist sie wohl", schmunzelte mein Vater nachdenklich. „Ich hoffe doch, dass du dich nicht in sie verliebt hast und ihr weiterhin mit der nötigen Distanz gegenüber treten kannst?"

Daher wehte also der Wind. Der Alte wollte sicher gehen, dass ich wegen einer Frau nicht den Laden in den Ruin treibe.

„Papa, da kannst du ganz sicher sein. Julias Körper ist nur ein Pfand."

Der Alte strahlte. „Du hast wirklich schnell die Feinheiten gelernt."

„Ich bin der Sohn meines Vaters. Deine Erziehung", lachte ich und ging zur Ladentür, um sie zu öffnen. Es standen schon 2 Kunden davor. Sie traten zögerlich ein. Den meisten Leuten war es peinlich, ein Leihhaus zu betreten.

„Papa, kommst du", rief ich in Richtung des Nebenraumes.

„Nein, Martin. Heute machst du das mal alleine", kam seine Order zurück, blieb bei seinem Teeglas sitzen und studierte die Tageszeitung. Der nächste Stoß ins kalte Wasser.

Der erste Kunde breitete zögerlich ein Samttuch auf dem Tresen aus. In ihm waren einige Ketten, Ringe und Broschen verpackt. Ich sah auf den ersten Blick, dass es sich ausschließlich um Silberschmuck handelte. Kein eingefassten Edelsteine oder Perlen. Nur einfaches Silber. Nicht besonders wertvoll für unser Geschäft. Aber wahrscheinlich das Wertvollste, was der Mann noch besaß?

Ich legte das Silber auf die Waage. 174 Gramm zeigte das Pendel an.

„Es tut mir leid. Ich kann ihnen für die Schmuckstücke leider nur den Silberpreis bezahlen Und der liegt nicht sehr hoch." Es tat mir wirklich leid.

„Es sind Andenken an meine Eltern und die Eltern meiner Frau", fügte der Mann mit weinerlicher Miene an.

„Genau das ist das Problem. Die Ringe sind signiert. An den Gravuren ist kein weiterer Käufer interessiert. Die Broschen haben Signaturen und die Ketten sind zu dünn. So etwas ist heutzutage bei einer Auktion nicht mehr zu versteigern."

Der Mann resignierte und gab sich mit dem Tagespreis für 174 Gramm Silber zufrieden. Er tat mir ein bisschen leid. Der Mann war sicher in großer Not, bevor er sich dazu entschloss, sein Tafelsilber zu verscherbeln. Ich hätte ihm gerne mehr gegeben. Aber ideelle Werte lassen sich nicht verkaufen.

Der nächste Kunde bot eine Zigarrenkiste voller Münzen und Orden aus der unrühmlichten Zeit unseres Landes an. Ich habe ihn sofort des Ladens verwiesen.

Bis zum Mittag hatte ich ungefähr 20 Kunden bedient. Mein Vater hat sich währenddessen nicht einmal im Laden blicken lassen. Erst als ich die Ladentür abschloss, kam er nach vorne.

Natürlich hatte er jede einzelne Aktion aus dem Hintergrund verfolgt und wusste genau, ob ich in seinem Sinn gearbeitet habe.

Mit einem leichten Schlag auf meine Schulter und einem „Das hast du sehr gut gemacht", wusste auch ich, dass ich die Reifeprüfung in der Pfandleihe bestanden hatte.

„Zur Feier des Tages gehen wir ins Wirtshaus zum Mittagessen", lud mich Papa ein. „Mach dir keine Gedanken. Katharina weis, dass sie heute nicht kochen muss."

Nun konnte ich mir nach all der Anspannung endlich ein befreiendes Lachen leisten. Der alte Fuchs wusste genau, dass ich mich heute in diesem Haifischbecken freischwimmen würde.

„Danke, Papa!"

„Ich habe heute morgen auch aus einem anderen Grund nach dem Datum gefragt", sagte mein Vater, bevor er sich ein kleines Stück Rinderbraten in den Mund schob.

„Aha. Und aus welchem?" Entgegen meiner Erziehung antwortete ich mit vollem Mund. Mein Vater nahm das ohne Tadel lediglich zur Kenntnis. Er zerkaute genüsslich das Fleischstück, schluckte es und sah mich dann an.

„Entweder heute oder morgen erwarte ich Herrn von Achtheim. Er ist, wie soll ich es sagen? Er ist ein sehr spezieller Kunde. Verarmter Landadel ohne jegliches Hab und Gut von Wert."

„Papa, das ist Julia, ich meine Frau Schönwald auch", entgegnete ich.

„Nun ja. Bei Herrn von Achtheim verhält sich das etwas anders." Mein Vater stocherte in seinem Wortschatz, um die richtige Worte zu finden.

„Er hat schon einen Pfand. Eine sehr schönes Pfand sogar", druckste er herum. Dabei zerdrückte er eine Kartoffel in der dunklen Soße.

„Kannst du deutlicher werden?"

„Martin, du weißt, dass Diskretion in unserem Geschäft die oberste Devise ist. Herr von Achtheim verlangt die doppelte Portion. Du musst mir versprechen, dass niemals jemand erfährt, welchen Pfand Herr von Achtheim uns überlässt!"

„Papa, das ich ein sehr pauschales Versprechen. Ich werde es trotzdem halten. Versprochen." Ich hatte keine Ahnung, worauf der Alte hinaus wollte. Und noch weniger Ahnung, worauf ich mich gerade einließ.

„Gut. So sei es." Damit war für meinen Vater dieses Thema bei Tisch erledigt.

Wir aßen die Teller leer und gingen in den Laden zurück.

Der Nachmittag verlief, wie erwartet, sehr hektisch. Vater und ich haben nebeneinander hinter dem Tresen gestanden. Wir haben Pfänder angenommen und andere gegen Bezahlung ausgehändigt. Wir haben Schmuck und Kunstgegenstände bewertet und Zertifikate erstellt. Ob diese Bewertungen und Zertifikate einer Prüfung durch einen vereidigten Sachverständigen stand gehalten hätten, wage ich zu bezweifeln. Auf dem Papier sah Vaters zweites Standbein jedenfalls immer sehr amtlich aus.

Eine halbe Stunde vor Ladenschluss fuhr ein hellblauer Borgward Isabella direkt vor unserem Geschäft vor.

Der Blutdruck meines Vaters schien sich augenblicklich zu erhöhen. Er starrte aus dem Schaufenster und griff dabei nach einem Tuch, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. So aufgeregt hatte ich schon lange nicht mehr gesehen.

„Herr von Achtheim kommt", flüsterte er heiser.

„Warum regt dich das so auf", fragte ich ebenso leise.

„Das wirst du gleich sehen", murmelte der Alte, ohne seinen Blick von dem Fahrzeug zu wenden.

Nun war auch ich gespannt.

Herr von Achtheim ging um das Auto herum und öffnete die Beifahrertür. Dem Wagen entstieg langsam, fast theatralisch, ein sehr junges Mädchen.

Es war bildhübsch. Falls es eine Steigerung von bildhübsch gibt, dann wäre auch diese zutreffend.

Die dichten, blond gelockten Haare reichten ihr bis zum Po. Sie hatten etwas mit der Engelsfigur gemein, die zu Weihnachten die Spitze unseres Baumes zierte.

Das Gesicht mit den großen Augen, der geraden Nase und den vollen Lippen; der schmale Körper und die langen, schlanken Beine vervollständigten den Eindruck, einen Engel vor mir zu sehen. Als wäre es so gewollt, passte auch ihr weißes Kleid in das Gesamtbild. Nur die Flügel fehlten noch.

„Papa, wer ist das?" flüsterte ich fast ehrfürchtig.

„Das ist Elisabeth, die Tochter und das Pfand des Herrn von Achtheim", antwortete mein Vater, ohne dabei eine Miene zu verziehen.

„Was? Das Mädchen ist sein Pfand", schüttelte ich ungläubig den Kopf. Mir fiel augenblicklich Julia und ihr Körper als Pfand ein.

„Papa, das Mädchen ist doch höchstens ...."

„Sohn, ich weis nicht, wie alt sie ist und will es auch nicht wissen", schnitt mein Vater mir harsch das Wort ab. „Und du solltest es auch so halten."

Bevor ich einen weiteren Einwand geben konnte, öffnete Herr von Achtheim die Ladentür. Er hielt sie weit auf und ließ seiner Tochter den Vortritt.

Elisabeth wirkte sehr schüchtern, als sie auf den hohen Stöckelschuhen in das Geschäft schritt. Sie wirkte noch schüchterner, fast peinlich berührt, als sie mich sah. Vielleicht, weil wir fast gleichaltrig waren?

Elisabeth stellte sich neben die mannshohe Glasvitrine, legte ihre Arme eng an ihren Körper und sah zu Boden. Während ich den Blick nicht von ihr lassen konnte.

Mein Vater übrigens auch nicht, während er auf Herrn von Achtheim zuging und ihn wie seinen besten Kunden begrüßte.

„Mein verehrter Herr von Achtheim. Wie schön, sie mal wieder hier begrüßen zu dürfen. Was kann ich heute für sie tun?" Mit der Frage reichte er ihm auch gleich die Hand hinterher.

„Lieber Herr Kramer, sie können bestimmt sehr viel für mich tun", antwortete der verarmte Adlige würdevoll. „Heute Abend hat Frau von Landberg zu einer kleinen Pokerrunde eingeladen. Eine weitere Dame und 2 Herren aus dem Stadtrat werden die Runde komplettieren. Die Einsätze sind limitiert. Also kein nennenswertes Risiko."

Herr von Achtheim legte eine kurze Pause ein. Um dann weniger würdevoll sein Anliegen vorzutragen. „Ich möchte natürlich unbedingt die Einladung der Frau von Landberg annehmen. Eine Ablehnung würde sie zutiefst beleidigen. Nur leider bin ich derzeit nicht liquide."

„Ich verstehe, Herr von Achtheim", ging mein alter Herr geflissentlich auf den finanziellen Notstand seines Kunden ein. „Ich denke schon, ihnen helfen zu können." Dabei warf er Elisabeth einen vielsagenden Blick zu. Mir wurde schlagartig klar, dass mein Vater mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit diesem Mädchen seinen sogenannten Spaß hatte. Und wieder haben wollte.

„Das freut mich, mein lieber Herr Kramer. Das freut mich wirklich. Ich wusste, dass ich mich wie immer auf sie verlassen kann. Wie ich sehe, haben sie einen neuen Mitarbeiter", fügte er mit einem hoheitsvollen, um nicht zu sagen, arroganten Blick an.

Der Mann war mir vom ersten Augenblick an höchst zuwider. Diesmal klärte ich den Sachverhalt auf.

„Ich bin kein neuer Mitarbeiter. Sondern der neue Inhaber, wenn mein Vater in den wohlverdienten Ruhestand geht", antwortete ich mit gleicher Arroganz. Er schien meine Missbilligung verstanden zu haben.

„Nun denn, Herr Kramer. Dann gratuliere ich ihnen zu ihrem Sohn. Er wird ihr Geschäft sicherlich in ihrem Interesse weiterführen. Ich hoffe natürlich, dass sie sich mit dem Ruhestand noch ein wenig Zeit lassen", lachte er und klopfte meinem Vater jovial auf die Schulter. "Immerhin stehen sie doch noch in Saft und Kraft. Wie mir meine Tochter Lisa bestätigt hat."

Mein Vater und ich sahen uns schweigend an. Ich war sprachlos und musste verdauen, was ich gerade gehört habe.

Lisa stand während der Unterhaltung regungslos neben der Vitrine und knetete unruhig ihre kleinen Hände. Ich glaube, meine Anwesenheit, vor allem aber meine Jugend, war ihr peinlich.

„Wenn es ihnen recht ist, lieber Herr Kramer, würde ich gerne zum geschäftlichen Teil kommen", lachte der Adlige gekünstelt. „Wie ich schon sagte, werde ich erwartet."

„Natürlich, Herr von Achtheim. Die gleiche Summe wie immer?"

„Nun ja", entgegnete Graf Pleitegeier mit einem Blick zu mir und meinem Vater. "Ich muss wohl davon ausgehen, dass meine Tochter heute 2 Herren Gesellschaft leisten soll? Das würde natürlich auch den Einsatz verdoppeln."

Ich hätte den Kerl erwürgen können. Er handelte mit seiner Tochter wie um ein Stück Vieh.

Mein Vater sah mich kurz an. Er sah mich an und schien kurz nachzudenken.

„Nein. Ich fahre gleich nach Hause. Lisa ist bei meinem Sohn gut aufgehoben."

Die Enttäuschung war in Achtheims Gesicht abzulesen. Er fing sich aber schnell wieder.

„Nun ja. Belassen wir es also bei der üblichen Summe."

Mein Vater ging in den Nebenraum und kam mit einem kleinen Geldbündel zurück. Ohne dass ich sehen konnte, um welche Summe es sich handelte, reichte er dem Kunden die Scheine.

„Dann wie immer, Herr von Achtheim. Ich wünsche ihnen für heute Abend viel Glück und Erfolg."

„Danke, mein lieber Herr Kramer. Ich werde Lisa morgen Mittag pünktlich wie immer abholen."

Er gab seiner Tochter einen schnellen Kuss auf die Stirn, tätschelte lächelnd ihre Wange und verschwand eilig durch die Tür.

Mein Vater ging wortlos in das Nebenzimmer und kam kurz darauf mit seinem Mantel unter dem Arm zurück.

„Martin, ich fahre jetzt heim. Dekorierst du bitte noch das Schaufenster für die Nacht? Du weist, wie wertvoll unsere Pfänder sind", sagte er mit einem Blick zu Lisa. Ohne meine Antwort abzuwarten, verließ er den Laden.

Mit dem Zuschlag der Ladentür erhöhte sich mein Pulsschlag. Nach all dem, was ich in den letzten Minuten gehört und gesehen habe, bildete sich langsam eine gewisse Distanz zu meinem Vater. Ich konnte einfach nicht glauben, was offensichtlich war.

Er hatte, dessen war ich mir nun absolut sicher, so einige >Leichen im Keller> liegen.

Julia war eine davon. Kathi Franke vielleicht die Zweite? Lisa ganz bestimmt die Dritte?

Lisa stand noch immer unbeweglich auf demselben Platz. Als die Ladentür ins Schloss fiel und von außen der Schlüssel gedreht wurde, hob Lisa endlich den Kopf und sah mich an.

„Soll ich schon nach nebenan gehen", fragte sie leise,

Ich starrte sie entsetzt an. Mir wurde plötzlich bewusst, dass Lisa eine Aufgabe zu erfüllen hatte, wenn ihr Vater sie hier oder anderswo als Pfand zurück ließ.

Ich dachte nur kurz nach.

„ Ja, das wäre nett von dir. Du kannst mir helfen, die Nachtdekoration im Schaufenster aufzubauen."

Ihr ungläubiger Blick endete in einem verhaltenen Lächeln. Immerhin die erste Regung in ihrem Gesicht, die ich seit ihrer Ankunft wahrnahm.

„Gerne. Was soll ich machen?"

„Geh bitte doch ins Nebenzimmer. Im Tresor steht eine kleine Holzkiste mit allem möglichen Krempel, den wir für die Nacht ins Schaufenster legen. Falls wirklich mal jemand auf die Idee kommt, die Scheibe einzuschlagen. Würdest du die bitte holen?"

„Ja, mach ich sofort", erwiderte Lisa und stöckelte auf den hohen Absätzen in den hinteren Raum. Ich sah ihr bewundernd hinterher. Sie schien daran gewöhnt zu sein, mit diesen hohen Schuhen zu gehen. Die dünnen Pfennigabsätze verliehen ihrem Gang einen ganz besonderen Reiz.

Nach sehr kurzer Zeit kam Lisa mit der Kiste in den Laden zurück.

„Magst du das Schaufenster gestalten?"

Meine Frage kam wohl völlig unerwartet. Lisa sah mich verblüfft an.

„Wenn ich darf", antwortete sie mit einem erwartungsvollen Lächeln.

Nach 10 Minuten war der Austausch erledigt. Ich ging kurz vor den Laden und sah mit die Auslage von außen an.

„Das hast du wirklich toll gemacht. Sogar der billige Kram sieht jetzt wertvoll aus. Mal gut dass überall Preisschilder dran sind", lobte ich das Mädchen.

Lisa strahlte mich an. „Danke. Es hat mir Spaß gemacht"

„Wollen wir jetzt nach hinten gehen?"

Lisas strahlendes Lächeln verwandelte sich augenblicklich in eine starre Maske.

„Ja, wenn du willst", antwortete sie leise und ging mir voraus.

Ich folgte ihr und ging an den Kühlschrank. „Magst du lieber Orangensaft oder Apfelsaft", fragte ich in den offenen Schrank hinein.

„Das ist egal", kam die leise Antwort. Ich zuckte mit den Schultern und nahm eine Flasche Orangensaft aus dem Schrank.

Als ich mich zu Lisa drehte, hätte ich die Saftflasche beinahe fallen lassen.

Lisa hatte inzwischen das Kleid ausgezogen und stand nur noch in ihrer seidenen Unterwäsche und den hohen Schuhen vor mir. Ihren Kopf hatte sie wieder gesenkt und vermied so den Blickkontakt.

„Lisa, was tust du da?" fragte ich, stellte die Flasche auf dem Kühlschrank ab und ging zu ihr. „Warum ziehst du dich aus?"

„Das mache ich doch immer, wenn ich hier bin", .antwortete Lisa mit einer Ruhe, als wäre es für sie das Selbstverständlichste auf der Welt, sich vor fremden Männern auszuziehen.

Die Verachtung für meinen Vater steigerte sich schlagartig.

„Zieh dich bitte wieder an", forderte ich Lisa auf. Ohne sie weiter zu beachten, füllte ich 2 Gläser mit Saft und setzte mich auf die Liege. „Magst du dich zu mir setzen?"

Lisa lächelte wieder. „Gerne. Wenn ich vielleicht die Schuhe ausziehen darf. Die sind sehr unbequem!"

„Das glaube ich. Machs dir bequem.

„Danke."

„Lisa, hör bitte auf, dich für alles Mögliche zu bedanken. Die Umstände, die dazu beigetragen haben, dass du heute hier bist, gefallen mir ganz und gar nicht. Und dafür werde ich meinen Vater zur Rede stellen." Ich trank einen Schluck von dem Saft. Bevor ich leise anfügte:„Aber dass du hier bist, freut mich wirklich." Dabei griff ich nach Lisas Hand.

Lisa ließ mir ihre Hand, die ich zärtlich streichelte, während wir schweigend nebeneinander saßen.

Ich hätte gerne eine Unterhaltung mit Lisa begonnen. Es war nur schwer, einen Anfang zu finden.

„Wollen wir einen kleinen Spaziergang durch den Park machen? Er ist nicht weit entfernt?" Etwas Besseres fiel mir nicht ein.

Lisa strahlte mich an.

„Ja gerne. Sehr gerne sogar." Das Mädchen war gleich Feuer und Flamme. „Macht es dir etwas aus, wenn ich barfuss gehe? Diese hohen Schuhe sind so unbequem. Ich ziehe sie nur an, weil mein Vater es so will."