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Die Spiele 01

Geschichte Info
Wie es begann.
4.5k Wörter
4.15
14.1k
4
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Da war eine Idee und das ist draus geworden. Sry, für die die etwas kurzes lieber haben.

Ja, es beginnt etwas düster. Irgendwie muss die Geschichte anfangen.

Aber ganz am Schluss habe ich eine Überraschung für euch. Beim letzten Teil.

________________________________________________________________

Also der Anfang ist gar kein Anfang.

Wenn, dann hat es angefangen, als der erste Mensch in meiner Familie geboren wurde.

Aber das führt wohl etwas zu weit. Deshalb nehmen wir meine Eltern. Mama und Papa.

Ja, die Beiden sind maßgeblich daran beteiligt, dass ich geboren wurde und letztendlich deswegen daran, dass die Geschichte sich so entwickelt hat, wie sie eben ist.

Aber meine Geburt selbst war nur das Ereignis meines Erscheinens. Es dauerte etwas mehr als 18 Jahre bis es richtig interessant wurde.

Nun ja, genau genommen, war es der Tod meines Vaters.

Ich war sechzehn, als ich, oder besser wir, die Nachricht erhielten, dass er bei einem Autounfall ums Leben kam. Dass ihm jemand die Vorfahrt genommen hatte, als er gerade in irgendeinem Land dieser Welt unterwegs war, ändert nichts am Resultat.

Drei Monate nach meinem sechzehnten Geburtstag war ich Halbwaise.

Das erste Jahr war schlimm. Im Nachhinein war meine Mutter sehr rücksichtsvoll. Sie bemühte sich immer, mir genügend Zeit zum Trauern zu lassen aber auch, mich genügen anzuspornen, nicht aufzugeben und etwas zu machen aus meinem Leben, wie man so schön sagt.

Aber Hallo, ich war 16. Mitten oder vielleicht auch erst am Anfang meiner Pubertät. 50 % der wichtigsten Menschen im meinem Leben waren einfach so weg. Auch wenn es ungerecht erscheint, war meiner Mutter daran Schuld. Ich meine, man betrachte, dass sie so gar nichts damit zu tun hatte, aber wo sollte ich hin mit meiner Wut, meiner Angst oder einfach mit allem, was in mir weh tat?

Keine Schwester, die ich hassen konnte, und meine Großeltern, was konnten die denn schon dafür? Freunde waren auch nicht in der Nähe. Aber Mama hätte sagen können, mir passt es nicht, dass du jetzt so weit weg bist, bleib hier!"

Hat sie aber nicht, und deswegen ist er jetzt tot.

Einfach oder?

Sie war immer da, hat sich um alles gekümmert aber niemand für ihre eigene Trauer.

Sie gab sich selbst die Schuld, dass sie eben erwähnte Dinge nicht energisch genug gesagt hat. Ich habe sie auch laut genug dafür angeschrien.

Es dauerte circa ein Jahr bis ich mich beruhigte. Es muss eine sehr schwere Zeit für meine Mutter gewesen sein.

Da mein Vater so kurz nach meinem Geburtstag ums Leben kam, beschloss ich diesen Tag nicht mehr zu feiern. Vielleicht aus Angst, dass er sich wieder einmal als schlechter Tag erweisen konnte, vielleicht auch wegen etwas anderem.

Aber dann kam Mama genau an meinem 17ten Geburtstag und hielt ein Stück Geburtstagstorte in der Hand. Darauf brannte eine Kerze.

Sie holte schon Luft und wollte mir wohl alles Gute wünschen, aber ich war sofort auf 180.

„RAUS!!", schrie ich.

„Aber es is...", wollte sie anheben.

Ja, ich wusste was für ein Tag war, ich war ja nicht dumm. Dennoch hatte sie hier nichts zu suchen.

„Ist mir scheißegal!", brüllte ich weiter. „RAUS HIER!"

Ich hörte sie beim Rausgehen schluchzen. Es war mir aber wirklich egal. Sie war schuld, dass mein Vater nicht mehr nach Hause kam. Also brauchte sie auch nicht mehr in mein Zimmer zu kommen.

Die nächsten Tage sah sie mich nicht mehr an. Ging mir praktisch schon aus dem Weg. Mehr als sonst. Ich bemerkte es, ignorierte sie aber.

Auf den Tag genau einen Monat später hatte sie die gleiche Idee.

Wieder stand sie mit einem Kuchen in meinem Zimmer und wollte mir ihre Wünsche mitteilen.

„Ich habe letztes Mal schon gesagt, dass du verschwinden sollst. Meinst du da ändert sich was?", sagte ich erneut in einer Lautstärke, dass es sicher die Nachbarn mitbekommen mussten.

„Lass mich einfach in Ruhe.", fügte ich hinzu, bevor sie den Mund aufmachen konnte.

Um meine Aussage zu unterstreichen, stand ich auf und schob sie zur Tür hinaus, welche ich im gleichen Moment schloss.

Wieder weinte sie. Und wieder war es mir egal. Hätte sie mehr getan, dann wäre mein Vater vielleicht noch am Leben.

Dieses vielleicht in meinem Satz, den ich nur dachte, hallte noch einige Zeit nach. Obwohl ich es nicht wollte.

Und ihr glaubt es nicht, einen Monat später stand sie wieder in meinem Zimmer.

Sie glaubte es einfach nicht. Wie lange wollte sie das durchziehen? Bis zur Rente?

Dieses Mal schmiss ich sie nicht raus, sondern ging einfach an ihr vorbei und verließ die Wohnung.

Durch mein Zurückziehen hatte ich die meisten meiner Freunde bereits verloren. Vielleicht waren es auch gar keine Freunde, sonst hätten sie meine Lage verstanden. Andererseits hörten die die noch da waren immer die gleichen Sätze von mir. Heute verstehe ich deren Abwanderung, aber damals war es schwer.

Vater weg, Freunde weg und auch das ganze Leben war scheiße. So lief ich ziellos durch die Gegend, kam an einer Kneipe vorbei und kehrte ein. Dort ließ sich mich volllaufen und wurde halt bei völlig Fremden meine Geschichte los. Die hörten anfangs auch noch zu. Irgendwann meinte einer, dass meine Mutter da sicher nichts dafür könnte.

Er war ähnlich betrunken wir ich. In mir stieg gleich die Wut nach oben. Was konnte dieser Sack denn schon wissen? Ich versuchte es ihm zu erklären, aber er verstand nichts. Ich wurde immer wütender. Diesem Sack musste man es wohl mit dem Zaunpfahl klar machen. Ihr versteht was ich meine?

Wäre ich nüchtern gewesen, hätte ich gesehen, dass er zwar älter als ich war, aber bestimmt doppelt so breit. Auch einen Kopf größer als ich. Aber es war mir egal, er brauchte jetzt eine Abreibung.

Meinem ersten Schlag wich er mit Leichtigkeit aus. Ich hatte soviel Energie da rein gesetzt, dass ich ins Stolpern kam und auf den Boden flog. Die anderen lachten, er nicht. Er sah mich nur an und meinte ich solle das lassen. So konnte er nicht mit mir reden. Ich rappelte mich wieder auf und holte zu einem zweiten Schlag aus. Der traf auch. Naja, also meiner traf nicht, aber seiner. Genau in meinem Magen.

Fast sofort wurde mir schlecht. Und dann erst spürte ich den Schmerz. Er schwoll mit einer Stärke an, die ich absolut nicht erwartet hatte. Mir wurde schwarz vor Augen und ich konnte mich gerade noch so halten.

„Reicht es?", fragte der Typ.

Aber er tat es mit einer Freundlichkeit, die mir unverständlich war.

Die Gradzahl war sicher nicht mehr messbar, in der sich meine Wut jetzt bewegte. Dieser Sack durfte nicht ungeschoren davon kommen.

Leise hörte ich noch, dass jemand meinte ich sollte wirklich aufhören.

Aber nein, ich ließ nicht locker. Ich nahm meine gesamte Kraft und warf meine Faust in sein Gesicht. Es patschte zwar, aber zu meiner Verwunderung hatte ich ihn nicht getroffen. Meine Faust war einfach in der Luft stehen geblieben. In seiner Hand. Er hatte sie einfach aufgefangen, ohne irgendwelche Mühe. Aber ich begriff schnell und holte halt mit der Linken aus. Was soll ich sagen? Er wich einfach auch und weil er meine Rechte noch in seiner Hand hielt, führte er sie über meinen Kopf. Ich konnte gar nicht anders, als mich einmal im Kreis zu drehen, als würde ich mit ihm tanzen und ich wäre dabei die Frau.

Als wir wieder voreinander standen, wollte ich mit dem Fuß zu schlagen. Als würde er jede meiner Aktionen vorher sehen, hob er nur seinen Fuß kurz an und ich traf seine Sohle genau mit meinem Schienbein.

Wieder wurde mir schwarz vor Augen.

„Bitte!", sagte der Typ überhaupt nicht aufgeregt. Es schien ihn gar nicht zu interessieren, dass ich ihm die Fresse polieren wollte. „Lass es gut sein. Ich will dir nicht weh tun."

Jemand hinter mir lachte.

„Und du willst nicht, dass er dir weh tut, glaub mir.", sagte der mit krächzender Stimme.

Alle lachten.

Ich versuchte noch meine Hand weg zu reißen, aber er hielt mich so fest, dass ich es nicht schaffte. Dann öffnete er die Hand und ließ mich los.

Da ich ja doch ein Schnellmerker war und begriff, dass ich nichts gegen ihn ausrichten konnte, zumindest solange ich besoffen war, und ob das stimmte stand auch auf einem anderen Blatt Papier, hörte ich auf.

Darauf hin gab er mir sogar ein Bier aus. Und einen Schnaps.

Kurz darauf musste ich dann doch mal auf die Toilette. Ich hatte echt Mühe gerade zu laufen, geschweige denn zu sehen, welches der beiden Pissoirs vor mir zu treffen sei. Da trat der mit der Krächzstimme neben mich.

Er sah mich an und ich dachte schon er würde mich jetzt anmachen. Aber es kam anders.

„Echt, mein Junge..", fing er an.

„Ich bin nicht dein Junge!", unterbrach ich ihn.

„Egal.", meinte der dann und sprach einfach weiter. „Gut, dass du es gelassen hast. Er würde dich nicht schlagen, aber wenn dann bist du nicht nur in der Notaufnahme sondern auf der Inteniv, verstehst du?"

Fast hätte mich der Kerl vollgepinkelt, so wackelte er herum. Oder pinkelte ich in seine Richtung? War unklar.

Als ich dann fertig war, ging ich wieder hinaus und ließ den Krächzer allein.

Der Große war noch da, aber die meisten Anderen waren bereits weg.

„Sperrstunde.", meinte der Wirt.

Der Große bestellt noch zwei Pils zum Mitnehmen und meinte zu mir es wäre Zeit für uns.

Ich packte meine Jacke vom Barhocker und machte mich Richtung Ausgang.

Der Typ gab mir dann das Pils und wir liefen zu mir.

Den genauen Wortlaut unseres Gesprächs kann ich nicht mehr wieder geben, aber er meinte ich solle meiner Mutter verzeihen. Sie wäre bestimmt ebenso traurig wie ich. Es täte ihm Leid, dass das passiert ist aber ihr die Schuld zu geben, wäre einfach unfair.

Dann stolperte ich und wäre beinah gefallen. Er fing mich mühelos mir einem Arm auf und wankte dabei nicht einmal. Kurz bevor ich dann vor meiner Haustür war, wollte er dass ich ihm verspreche, dass ich darüber nachdenken würde. Wenn nicht, er wüsste ja jetzt wo ich wohne. Zum ersten Mal heute Abend sah ich ihn lächeln.

Mein Kopf wackelte nach oben ich ich sah ihn an.

Ich begriff nicht, und er meinte es sei nur Spaß.

Wir stießen ein letztes Mal an und dann war er weg. Ich hielt mich am Zaun fest, sonst wäre ich sicher umgefallen, während ich ihm nach sah.

Eine Weile stand ich noch da und dachte nach. Viel war nicht zu erreichen mit meinem versoffenen Hirn, aber ein paar Murmeln rollten noch.

Dann sperrte ich die Tür auf und ging hin den Hausgang. Weiter nach oben und nachdem ich durch die Wohnungstür war, direkt ins Badezimmer. Ich kotzte nicht, aber ich brauchte kaltes Wasser ins Gesicht. Mit den Armen auf den Beckenrand gestützt stand ich da und blickte mein Spiegelbild an. Es verschwamm immer wieder. Dann bemerkte ich meine Mutter hinter mir, wie sie ihren Bademantel verschloss. Ich hatte nichts gesehen, außer der Haut auf ihrer Brust.

Sie sah mich an. Ihre Augen waren noch etwas geschwollen. Entweder war sie verschlafen oder verheult.

Ich war nicht in der Lage etwas anderes zu sagen, außer: „Entschuldigung." und ließ völlig offen für was.

Sie sah mich an, als ich mich an ihr vorbei drückte. Ich wollte kurz lächeln, ließ es aber. Es wäre vielleicht noch zu erwähnen, dass wir, als wir alle noch zusammen lebten einen eher lockeren Umgang mit dem Thema Nacktheit hatten. Es machte nichts, wenn man jemand schnell aus dem Bad in sein Zimmer flitzte. Als Kind war ich sowieso immer bei Mama, wenn wir beispielsweise ins Schwimmbad gingen und uns umzogen. Ich war immer der Meinung, dass es mit dem Tod meines Vater aufhörte. Warum wusste ich nicht und machte mir auch kaum Gedanken darüber.

Der nächste Morgen war schrecklich. Ich überlegte, ob ich gestern, ohne es zu wollen, mit mir völlig Fremden, meinen Geburtstag gefeiert hatte oder nicht.

Meine Bewegungen waren langsam. Genau wie meine Gedanken. Aber das was der Große zu mir auf unserem Heimweg sagte, blieb mir im Kopf, auch noch Wochen danach.

Tja, und dann kam wieder der Tag, genau vier Monate nach meinem Geburtstag.

Mein Verhalten hatte sich kaum geändert.

Sie stand in der Tür und hielt die Torte in der Hand mit einer Kerze darauf. Sie brannte. Dann passierte etwas, womit ich nie im Leben gerechnet hätte.

Trotz ihrer, sagen wir, unguten Sangeskünste, sang sie ein Geburtstagslied für mich. Es war schüchtern, leise und vor allem ängstlich.

Aber sie zog es durch. Obwohl es auf den Tag genau vier Monate später gewesen war, als ich normal Geburtstag gehabt hätte.

Am eigentlichen Tag war ich zu aggressiv. Ich habe sie sogar aus dem Zimmer geschmissen, als sie mit ihrer albernen Torte plötzlich da stand. Jeden Monat das Gleiche.

Aber ihre Hartnäckigkeit war wie ein Schlüssel, der etwas in mir öffnete, wie auch das Gespräch mit dem Typen.

An diesem Tag begann ich begreifen, dass niemand etwas wirklich dafür konnte. Selbst der Fahrer, der die Vorfahrt genommen hatte, tat dies nicht mit der Absicht meinen Vater zu töten.

Er hätte damit rechnen können. Aber Dinge passieren leider, egal wie gut man im Mathematik ist. Zumindest begann ich es zu verstehen.

Aber genug von dem traurigen Scheiß

An dem Geburtstag, den ich heute meinen zweiten Geburtstag nenne, stand sie mit meiner Torte im Zimmer und sang ihr Lied. Sie blieb und sang zu Ende.

Sie war entschlossen das heute durchzufechten.

Geholfen hat sicherlich, dass ich an diesem Tag nichts gesagt hatte. Ich habe sie nicht hinaus geworfen. Ich hatte sie nicht beschimpft, wie gewöhnlich. Ich hatte sie einfach singen lassen.

Und das hat wohl dazu geführt, dass sie sich auf meinen Bürostuhl vor dem Rechner hin gesetzt hat, und einfach nur da saß und wartete.

Normalerweise weinte ich. An diesem Tag aber nicht. Ich war dabei ihr vergeben, wofür sie nichts konnte, war aber immer noch sauer. Dann aber auf egal wen.

Sie musste dort eine Stunde oder so gesessen haben, bis ich reagierte. Zwischenzeitlich hörte ich, wie sie die Kerze ausgeblasen hatte. Ich hörte auch, wie sie den Teller mit dem Kuchen auf meinem Schreibtisch abstellte.

Sie wollte gerade etwas sagen, zumindest hörte ich das an ihrem Luftholen, als ich mich umdrehte und sie ansah.

Nach einer Weile setzte ich mich auf, und wir beide blickten uns an. Das taten wir sehr lange, ohne dass einer dem anderen auswich. Blinzeln war drin. Aber keiner sah zur Seite.

Was ihr in dieser Zeit durch den Kopf ging, kann ich nur ahnen.

Ich dachte zuerst, dass sie damit aufhören sollte. Sie hätte verschwinden können, wie die Zeit vorher auch, wenn ich sie anschrie.

Dieses Mal blieb sie aber und wich mir nicht aus.

Ich weiß ehrlich nicht, wie lange das gedauert hat.

Dennoch war sie es, die, kurz bevor ich Luft holen konnte, anfing zu reden.

„Ich weiß du meinst, ich wäre Schuld am Tod deines Vater. Ich bin es nicht! Ich hatte ihn wirklich gefragt, ob er meint, das Richtige zu tun."

Sie sah mich an und wartete. Ich sagte noch immer nichts. Ich war gar nicht in der Lage. Ich wollte weiter hören, was sie zu sagen hatte.

„Vielleicht hätte ich mehr tun sollen und können,", sprach sie weiter, vor allem auf das ‚Können' betont, „aber ich habe es nicht. Mich macht das genauso traurig wie dich. Trotz allem lies er sich nicht davon abbringen. Meine letzten Worte waren: „Wir warten hier auf dich.""

Es folgte eine weitere Pause. Ich sah auch, wie sich das Wasser in ihren Augen vermehrte. Ihre Stimme wurde brüchig.

„Ich warte bis heute. Und das obwohl ich am Flughafen war, als der Sarg mit deinem Vater ankam. Obwohl ich den Empfang mit meiner Unterschrift quittierte und, vor allem, als ich am Grab stand und gesehen habe, wie sie den Sarg abgesenkt haben."

In diesem Moment gewann das Wasser überhand und floss ihre Wangen herunter.

Ich war zwar voll des Mitleides, konnte sie aber nur anstarren. Nicht so hart wie sonst. Ich wusste nicht, ob sie es bemerkte.

Sie nahm sich ein Taschentuch aus der Box auf meinem Tisch. Die nahm ich eigentlich, wenn ich die Sauerei aufwischte, nachdem ich mich mit mir selbst vergnügt hatte. Die Dreckigen landeten im Mülleimer, die Anderen warteten auf dem Tisch in ihrer Box.

„Ich habe mir etwas überlegt.", sagte sie, nachdem sie sich geschnäuzt hatte. „Wenn du es möchtest können wir das Spiel, das du und dein Vater immer gespielt habt, gerne weiter spielen."

‚Ja, das Spiel', dachte ich mir.

Mein Vater hatte irgendwann angefangen, Behauptungen aufzustellen. Ich musste reagieren. Waren sie falsch oder wahr?

Damals hatte er dann das Richtige gesagt, als ich falsch lag, was ziemlich häufig der Fall war. Erst im Laufe der Zeit, etwa als ich vierzehn war, wusste ich manches besser wie er. Dann begann es auch, dass ich die Fragen stellte und er antworten musste. Und irgendwann, zu meiner Verwunderung, hatte er hier und da keine Antworten. Das heißt, manchmal wusste er die richtige Antwort nicht.

Ich war dann so stolz, dass man mich kaum ertragen konnte. Ich hatte gegen meinen Vater gewonnen. Haha!

Also wurden seine Fragen schwieriger. Das Ding war, er wusste einfach zuviel. Allerdings hatte ich bald einen unschlagbaren Vorteil. Ich bekam mit fünfzehn mein erstes Smartphone und somit auch Internet. So konnte ich alles überprüfen, was er sagte und auch nachforschen, ob es stimmte.

Ich gewann öfter und kam mir ziemlich cool vor.

Ja, und dann war er weg. Habe ich bereits erzählt.

Sie wollte also das Spiel weiter spielen. Ich fragte mich zuerst warum. Aber es wurde mir bald klar.

Sie wollte nicht die Erinnerung an ihn zerstören. Sie wollte sie erhalten und sich mit einbringen. Sie war immer noch meine Mutter.

Während ich so überlegte, hörte ich sie tief Luft holen.

„Aber wir werden andere Regeln aufstellen."

Andere Regeln? Wollte sie doch alles kaputt machen? Ich war trotz meiner Verärgerung bereit, ihr zu zu hören.

Fakt war, dass Papa und ich keine Regeln hatten. Behauptung, Antwort. Falsch, richtig.

Mutter wollte es interessanter machen.

Also, wenn jemand eine Behauptung aufstellte, dann musste der jeweils andere sagen, ob er sie für wahr oder falsch hielt. Keine Recherche.

Wenn die Behauptung wahr war, und der andere meinte sie sei es, passierte nichts, denn beide hatten ja recht gehabt.

War sie aber falsch, dann kam Stufe zwei.

Hier wurde es interessant.

Der Fragende durfte sich etwas aussuchen, was der andere tun musste.

Es konnte auch sein, dass die Behauptung falsch war, und man gleich wusste, dass sie falsch ist.

So und jetzt wird es langsam kompliziert. Aber nur solange bis man es verstanden hat.

Also die Lüge war durchschaut und erkannt, dann bekam der Fragende eine Aufgabe vom Befragten.

War die Behauptung aber falsch und der Andere meinte sie sei richtig, lag er ja falsch und musste eine Aufgabe erledigen.

Verstanden?

Also nochmal.

Richtige Behauptung. Wahr oder falsch?

Wahr: keine Konsequenzen.

Falsch: Aufgabe für den Befragten.

Falsche Behauptung. Wieder wahr oder Falsch?

Eine falsche Behauptung kann nicht wahr sein, also wenn man das gleich erkannt hat, dann bekommt der Fragende eine Aufgabe.

Ist der Befragte reingefallen, und hat gesagt die falsche Behauptung sei wahr, bekommt er eine Aufgabe.

Und nun kurz zur Überprüfung des Wahrheitsgehaltes. Das Internet weiß ja praktisch alles.

Meine Mutter musste mir die Regeln drei Mal erklären. Und selbst dann hatte ich noch Zweifel, ob ich richtig verstanden hatte.

„Also, wenn ICH sage Rudolf Diesel hätte den Eiffelturm erbaut, und du sagst, das stimmt nicht, habe ICH etwas falsches gesagt, und du hast es erkannt.", versuchte ich eine Erklärung. „Dann bekomme ICH die Aufgabe."

Mutter sagte nichts, sondern nickte nur.

„Wenn DU aber sagst, das wäre richtig, müsstest DU etwas tun, weil DU falsch lagst."

Wieder nickte sie. Sie freute sich, dass ich verstanden hatte und wollte schon etwas sagen.

Ich hielt sie dennoch mit erhobener Handfläche zurück.

„Einen Moment noch, bitte. Wenn ich aber sage, Gustave Eiffel hat den Eiffelturm gebaut, und du sagst, das stimmt nicht. Dann darf ich dir eine Aufgabe geben, die du zu tun hast?"

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