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Die Witwe

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nach sechs toten Ehemännern findet sie ihr Glück.
3.7k Wörter
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© 2020 by Andrew Schlagweizen

Heinrich Hartkamp sah die Frau im Verhörzimmer nicht zum ersten Mal. Und wie bei den anderen fünf Malen war sie auch diesmal am Boden zerstört und voller Trauer. Einmal den Ehemann verlieren, das war Pech. Zweimal konnte passieren. Beim dritten Mal schaute man schon mal genauer hin und wenn man nichts fand, dann schloss sich die Akte wieder. Bei vierten Mal drehte man alles auf den Kopf und nahm sie ins Verhör, nur um sich der todunglücklichen Frau zu stellen. Aber das verhinderte nicht den fünften Tod in ihrer Umgebung. Aber selbst der Lügendetektor offenbarte nicht ihr Geheimnis. Entweder trug sie Schuld an all diesen Toten oder diese schöne Frau hatte einfach nur unglaubliches Pech.

Aber Heinrich Hartkamp wollte es jetzt wissen. Frei nach dem Motto: „Wenn man alles Unmögliche ausschließt, dann ist das, was übrigbleibt, die Wahrheit -- so unwahrscheinlich sie auch klingt", wollte er der Sache auf den Grund gehen.

Frau Wengerter trug wie immer, wenn er sie sah, schwarz. Unter dem dunklen Schleier ragten schwarze Haare hervor. Ihre akkurat gefeilten Fingernägel leuchteten in tiefem Schwarz an ihren sehr weißen Händen. Sie trug eine schwarze Sonnenbrille, damit man ihre verheulten Augen und das verschwommene Make-Up nicht so sah. Er stellte ihr und sich je eine Tasse Kaffee auf den Tisch, die sie mit einem Nicken dankend nahm und sich dann daran mit zitternden Händen festhielt, als ob ihr Leben davon abhing. Er setzte sich mit der ziemlich dicken Akte ihr gegenüber an den Tisch.

„Herzliches Beileid, Frau Wengerter. Es tut mir leid, dass wir uns erneut unter so schrecklichen Umständen treffen."

„Bitte nennen Sie mich Angela, ich kann es kaum ertragen, weiter mit dem Namen meines nun sechsten Ehemanns angesprochen zu werden. Ich werde nie wieder jemanden in mein Leben lassen. Ich bringe allen nur Unglück."

Herzzerreißend heulte Frau Angela Wengerter in ihre Hände. Wenn das alles nur gespielt war, dann war diese Frau die Königin des Broadways.

„Okay, Angela. Dann sollte sie mich auch Heinrich nennen", sagte Kommissar Hartmann. „Möchten Sie mir erzählen, was passiert ist? Wie haben sie ihren sechsten Mann kennen gelernt?"

Die Frau schniefte und nahm ihre Brille ab. Durch den Schleier hindurch schaute sie Heinrich aus wundervoll grünen Augen an, die ihn sofort fesselten. Das war bisher immer passiert und er dachte, es eigentlich überwunden zu haben, aber diese Augen waren magisch. Jetzt erinnerte er sich auch wieder daran, dass ihre Haare eine andere Farbe gehabt hatten. War sie nicht brünett gewesen, oder blond? Er lenkte sich ab, indem er die Akte aufschlug und zu Oberst waren ihre bisher sechs Fotos vom Erkennungsdienst. Sechsmal sah er ihr trauriges Gesicht eingerahmt von sechs unterschiedlichen Haarfarben. Alle mehr oder weniger ein Jahr auseinander. Das erste als blauer Punk mit etwa zwanzig. Ihre Kleidung war immer schwarz gewesen und er fragte sich gerade, wie sie wohl in anderen Kleidern aussah.

Sie brauchte ein wenig, bis sie sich gefangen und die Erinnerungen sortiert hatte.

„Ich glaube, es war vor einem halben Jahr im Urlaub. Ich hatte mich monatelang nach dem Unfall von Johannes in meiner Wohnung verbarrikadiert. Wenn mich meine Freundin Pia nicht da rausgezogen hätte, wäre ich heute noch drin."

Der Kommissar schaute in seinen Akten nach, wovon Angela eigentlich lebte und entdeckte ihre Angabe, dass sie von zu Hause aus Aktienhandel betrieb. Dank dem Geld von mittlerweile fünf Ehemännern musste da ein stattliches Vermögen aufgekommen sein. Doch dann stutze er. Es schien, als hätte sie jedes einzelne Erbe zugunsten der restlichen Familienmitglieder abgelehnt. Sie war immer wieder zurück in eine kleine Stadtwohnung gezogen, die sie von ihrer Familie geerbt hatte. Dieses waren fast alle bei einem Autounfall vor vierzehn Jahren gestorben. Sie hatte den Unfall damals überlebt, ihr Vater und ihr Bruder nicht.

Es war fast so, als ob ihr der Tod seit damals folgen würde. Er sah am Rand einen Vermerk auf eine Jugendakte, den er scheinbar bisher übersehen hatte.

„Erzähl bitte weiter, Angela."

Sie nahm einen Schluck aus dem Kaffeebecher.

„Pia und ich sind nach Italien gefahren. Ligurische Küste. Wandern und leckeres Essen, hat sie gesagt. Ein einsames Haus an der Steilküste, wo dich keiner kennt, hat sie gesagt und ich folgte ihrem Angebot. Sie hatte recht, es tat mir gut und nach drei Monaten der Trauer und der Einsamkeit fühlte ich mich an ihrer Seite nicht mehr wie eine von der Welt Ausgestoßene. Und nach drei Wochen Faulenzen auf der Terrasse war ich wieder bereit, unter Menschen zu gehen. Sie brachte mich zu einer Stranddisko. Wir hatten unglaublich viel Spaß. Diese Bewegungen zur Musik, die warme Luft, die vom Meer mit einer Briese leicht erfrischt wurde. Sie machte aus mir einen neuen Menschen. Ich war wieder glücklich an diesem Abend. Und da bin ich Anton aufgefallen. Er hat versucht, mich anzusprechen, aber ich habe ihn ignoriert. Ich wollte eigentlich keinen Mann mehr in meinem Leben. Acht verlorene Lieben sollten für ein Leben reichen, dachte ich damals."

Wieder vergrub sie ihr Gesicht heulend in den Händen.

Heinrich fragte sich gerade, wer die anderen drei gewesen waren und dachte wieder an die gesperrte Jugendakte. Fast beiläufig fragte er, wer denn die ersten der acht gewesen waren.

„Mein Vater, mein kleiner Bruder und mein erster Freund, der einen Herzinfarkt bei einer Party erlitt", schluchzte sie. „Damals waren wir auf einer Party und da muss etwas in der Bowle gewesen sein, ich habe mir damals nichts aus Alkohol gemacht und nichts davon getrunken. Ich war der einzige, der damals nichts hatte. Da habe ich danach das erste Mal in so einem Zimmer gesessen. Alle dachten, dass ich da was reingemischt hätte. Das war eine wirklich schwere Zeit für mich. Ab da wollte niemand mehr etwas mit mir zu tun haben. ‚Teufelsweib' haben sie mich genannt."

Wieder vergrub sie ihr Gesicht in den Händen.

„Färben sie sich deshalb die Haare? Damit keiner ihre eigentlich roten Haare sieht?"

Er wusste nicht, wie er darauf kam, dass ihre Naturfarbe eigentlich rot war. Er stellte sich gerade vor, wie sie in dieser Farbe aussehen müsste und er fühlte sich sofort von diesem Bild angezogen.

„Hatten Sie Ihre natürliche Haarfarbe, als sie Anton kennen gelernt haben?"

Sie sah ihn an und schüttelte dann den Kopf: „Ich habe seit der Schule meine Haare gefärbt. Ich wollte nie wieder als Teufelsweib bezeichnet werden."

„Schade", sagte Heinrich und sah zum ersten Mal ein angedeutetes Lächeln, das aber schnell wieder von Trauer überdeckt wurde. Dieses kurze Lächeln hatte gereicht, dass Heinrich sich der Anziehung der Frau kaum noch erwehren konnte. Er musste sich regelrecht ermahnen. „Das ist eine verdächtige Serienmörderin." - „Oder eine Unschuldige, vom Pech verfolgte, schöne und attraktive Frau", sagte ein anderer Teil in seinem Kopf.

„Angela, erzählen Sie bitte weiter. Sie haben also Anton Wengerter abblitzen lassen. Wie wurde aus Ihnen trotzdem ein Paar?"

„Er hat sich an dem Abend in mich verliebt, sagte er. Und er hat dann nicht mehr lockergelassen. Er brauchte drei Tage, um unser Haus zu finden. Und dann stand er morgens mit einem Strauß voller Rosen auf unserer Terrasse. Pia hat mir gesagt, ich soll ihn mir klar machen, und hat ihm gesagt, dass ich eine unglückliche Witwe sei, die noch immer um meinen verflossenen Ehemann trauere."

„Sie haben ihm von ihrem Ex-Mann erzählt?"

„Ich habe ihm von all seinen Vorgänger erzählt. Er wollte jeden einzelnen Tod wissen, die er dann für sich ausschloss."

„Wie konnte er den Tod ihrer Familie ausschließen?"

„Er fuhr kein Auto, immer nur Motorrad oder mit Bus und Zug. Er war sehr ökologisch eingestellt. Sogar sein Motorrad fuhr mit Strom. Wegen ihm habe ich mein ganzes Portfolio auf Umweltfirmen umgestellt. Er war da sehr überzeugend."

Sie seufzte.

„Ich vermisse ihn so. Ich dachte, mit ihm hätte ich mein Glück gefunden. Warum passiert immer mir so etwas? Habe ich nicht schon genug gelitten?"

Sie schaute ihn mit Tränen in den Augen an. Heinrich tat sie leid. Wie schon die letzten Male glaubte er ihre Trauer. Aber auch ein Mörder konnte um sein Opfer trauern und um sich selbst, weil er erwischt wurde. Das hatte er selber schon in diesem Raum gesehen. War Angela so jemand?

Aber was sollte ihr Motiv gewesen sein? Die Lust am Moment des Todes? Oder war bei allen etwas vorgefallen, was diese Morde auslöste? Ein falscher Satz? Eine unbedachte Berührung? Beim Sex zu früh gekommen?

„Wie war der Sex mit Anton?" fragte er sie und sich im selben Moment, warum er das jetzt fragte.

„Toll", heulte sie. „Er war so liebevoll und ein richtiger Gentleman. Er hat mich immer aufgefangen und getragen. Ich werde nie wieder jemanden wie ihn haben."

Heinrich strich Sex von der Liste der Gründe. Eigentlich war sie nie sehr lang gewesen. Die Männer ihres Lebens waren so unterschiedlich wie ihre Frisuren gewesen. Vom reichen Unternehmer zum fast mittellosen Punkmusiker war alles dabei.

Sie hatte noch keinen Polizisten, sagte eine Stimme in seinem Hinterkopf und Heinrich versuchte, sie zu ignorieren. Er wollte nicht auf der Liste ihrer Verblichenen landen. Auch wenn er sie begehrenswert fand und er Single war, war sie noch immer eine Verdächtige und er der Ermittler. Es klopfte an der Tür und der Forensiker trat mit dem Bericht herein. Er schüttelte den Kopf. Das bedeutete: natürliche Ursache. So natürlich der Unfall mit einem Motorrad auf einer Landstraße sein konnte. In einer Kurve konnte ein Stein darüber entscheiden, ob man weiterfuhr oder ob man sich mit seinem Motorrad vor einem Baum wiederfand. Anton hatte die Begegnung mit dem Baum nicht überlebt. Es war ein Unfall, der wohl auf eine Unachtsamkeit von ihm gefolgt war. Bei dem Gedanken stutze er. Wieder blätterte er durch die Akte. Alle Männer ihres Lebens waren durch eine Art Unfall gestorben. Alle bis auf ihren ersten Freund durch mehr oder weniger eigenes Verschulden.

Alle Tode konnte man als eine Art Unachtsamkeit deklarieren, wie beispielweise der dritte Ehemann, der seinen Fallschirm erst 10 Meter über dem Boden aufgemacht hatte. Viel zu spät, als dass er ihn noch ausreichend hätte bremsen können. Aber mit was sollte sie bei Männern Unachtsamkeit auslösen können? Und wie sollte sie dies aus der Entfernung bewirken können? Das konnte keiner. Nicht in dieser Welt. In einer Welt der Magie vielleicht. Da könnte man einen Menschen verfluchen. Aber sowas gab es in Wirklichkeit nicht.

„Es tut mir leid, Angela, dass ich ihnen solche Unannehmlichkeiten bereiten musste. Ich danke trotzdem, dass sie hier waren und wünsche Ihnen, dass sie nicht solange trauern werden. Sie können gehen."

„Danke, Heinrich", sagte sie und stand auf. Als sie an ihm vorbei ging, sagte sie noch unendlich traurig wirkend: „Das werde ich nicht."

Heinrich schaute ihr lange hinterher. War es das gewesen? Das Geständnis, dass sie bei allem trotzdem das vermutete mörderische Wesen war, das nach einer kurzen Zeit der Trauer sich auf die Suche nach einem neuen Opfer machte? Und er hatte sie wieder nicht überführen können und sie erneut auf die Welt losgelassen?

„Kann sie trotz allem am Tod all dieser Männer schuld sein?", fragte Heinrich mehr als beiläufig, als der Forensiker erneut zu ihm trat.

„Solang du nicht an etwas Übernatürliches denkst, gibt es keinen rationalen Zusammenhang zwischen dem Tod ihrer Männer und ihr."

****

Heinrich ging Angelas letzter Satz lange nicht aus dem Kopf. Was konnte er bedeuten? Bis tief in die Nacht grübelte er. Er musste an den Vater aller Ermittler denken: Wenn man alles Mögliche ausgeschlossen hatte, war das, was übrig blieb, so unmöglich es auch schien, die Wahrheit.

Wenn er also annahm, dass sie an dem Tod ihrer Männer in irgendeiner Form die Schuld trug, aber sie auf keine reale und natürliche Art dies bewerkstelligen konnte, dann blieb nur noch das Übernatürliche übrig. Sie hatte all ihre Männer verflucht.

Nein, dachte Heinrich. Das konnte nicht sein. Er war immer stolz auf seine Menschenkenntnis gewesen. Angela litt. Das war nicht gespielt, das war echt. Aber was bedeutete dann der letzte Satz? Sie wird doch nicht?

Heinrich rannte ohne Jacke und Waffe mit der Akte in der Hand nach draußen vors Präsidium. Gerade kamen Kollegen, die ihn zum Glück kannten, mit einem Dienstwagen an. Er nahm einem von ihnen die Schlüssel ab und brauste los. Mit Blaulicht und der Akte auf dem Schoß hetzte er durch den auf Seite springenden Verkehr. Keine zehn Minuten später stand er vor ihrer Tür und klingelte Sturm, doch niemand öffnete. Er legte ein Ohr an diese und hörte im Inneren das Plätschern von Wasser. Nein, dachte er, bitte nicht. Ein Klingeln bei den Nachbarn ergab, dass eine ältere Frau im Parterre wohl einen Schlüssel für ihre Wohnung hatte. Durch seine sorgenvolle Miene aufgeschreckt und durch seinen Ausweis beruhigt überließ sie ihm die Schlüssel.

In der Wohnung folgte er dem Geräusch des laufenden Wassers. Im Bad war der ganze Boden voll ihrer schwarzen Haare. Das Wasser in der Dusche war an. Der Vorhang zugezogen. Er riss ihn bei Seite und sah sie nackt in ihrem Blut sitzen, den Kopf zur Seite geneigt.

****

Angela wusste erst nicht, wo sie war. Sie lag auf etwas Weichem unter einer Decke. Sie roch den Geruch eines männlichen Parfüms, dass sie entfernt an Jemanden erinnerte. Sie war noch immer nackt und er war es offensichtlich auch. Aber warum sollte er hier sein? Ein Bild formte sich in ihrem Geist. Der Kommissar, der sie verhört hatte. Er war der Letzte, den sie beim Aufwachen erwartet hätte. Und eigentlich hatte sie nicht mehr aufwachen wollen. Trotzdem war seine Wärme angenehm an ihrer Seite. Sie fühlte sich selber kalt und fast wie gelähmt.

„Bist du wieder wach?", hörte sie seine Stimme.

„Ja", flüsterte sie. „Warum bist du hier? Warum bin ich hier?"

Sie war in ihrem Schlafzimmer in ihrem Bett.

„Ich habe dich noch rechtzeitig gefunden und habe dich verbunden. Ich habe dich zu Bett gebracht und bin bei dir geblieben, um auf dich aufzupassen."

„Und deine Kleider...?"

„Ich bin nass geworden, als ich dich aus der Dusche zog. Meine Sachen sind jetzt in deinem Trockner. Und ohne Kleidung ist es in deiner Wohnung ziemlich kühl."

„Hatten wir..."

„Sex? Nein. Du warst nicht bei Bewusstsein. Du bist die wirklich schönste Frau, die ich je in meinem Leben sah. Vor allem mit den roten Stoppeln auf dem Kopf bist noch mal einen ticken begehrenswerter. Ich würde es dir trotzdem nicht antun. Wer weiß, was mir dann passiert."

„Ich tue niemanden was."

„Ich glaube, dass du es doch tust. Aber ich weiß noch nicht, wie es dazu kommt. Ich glaube, du bist dir dessen nicht bewusst. Entweder ist es ein Fluch oder du bist es selber, etwas in dir, das du nicht kontrollierst, weil du es nicht weißt."

„Das ist doch verrückt."

„Aber wenn ich recht habe, wäre es die Rettung für deine Liebe. Du könntest lieben und geliebt werden, ohne dass du Angst davor haben müsstest, dass du sie wieder verlierst."

„Das wäre schön", sagte sie. „Aber diese Hoffnung habe ich verloren."

„Und deshalb glaube ich nicht mehr, dass du es willentlich herbei führst. Allerdings frage ich mich, ob du mit jedem deiner Opfer intim warst."

„Also sind es doch noch meine Opfer?"

„So war das nicht gemeint, Angela."

„Okay, ich hatte mit jedem von ihnen Sex."

„Auch mit deinem Vater und deinem Bruder?"

„Neeeiiin. Was denkst du nur von mir? Das war meine Familie."

Heinrich machte eine Pause.

„Haben du oder dein Bruder damals jemanden geärgert, der irgendwie merkwürdig war?"

„Was meinst du?"

„Eine alte Frau oder einen merkwürdigen Mann?"

„Du glaubst doch nicht etwa an Hexen und sowas?!"

„Was ich glaube und was theoretisch möglich ist sind zwei Dinge. Ich glaube einfach nicht an so viel gehäuftes Pech wie bei dir."

„Du glaubst, jemand hat mich verflucht und der Fluch bringt nun die Menschen, die ich liebe, um. Die Theorie hat einen Haken. Ich liebe meine Mutter und meine Oma und die leben beide noch. Und auch alle meine Freundinnen rühmen sich bester Gesundheit. Warum erwischt der Fluch nur Männer?"

„Warst du je mit einer Frau intim?"

„Ja mit Pia, meiner Freundin. Wir sind es immer mal wieder, wenn ich keinen Mann an meiner Seite habe."

Sie machte eine Pause, in der sie auch seinen Gedanken folgte.

„Nein, so darfst du nicht denken. Sie ist die Schwester meines zweiten Mannes. Sie hätte ihm nie etwas getan. Sein Tod hat uns beide aus der Bahn geworfen."

Wieder lagen sie nur da. Heinrich bemerkte langsam die Veränderung an sich. Angela war schon immer für ihn eine Art Magnet gewesen. Die Ausstrahlung dieser Frau, ihre grünen Augen. Ihre leuchtende, weiße Haut, die im Sommer leicht rotbraun wurde und nun diese kurzen roten Haarstoppeln. Dieser Frau konnte man verfallen und er hatte kein Problem damit, dass ihm das jetzt passierte. Er küsste sie und zog sie auf sich drauf. Als sein Stab fast wie selbstverständlich ihre Scham berührte, formte sich eine letzte Idee, die aber von der nun aufkommenden Ekstase weggespült wurde. Ihre Leidenschaft war wie ein Strudel, der ihn aufsaugte und er war nur zu bereit, ihr alles von sich zu geben.

****

Heinrich saß verträumt in seinem Büro, als sein Kollege von der Forensik hinein kam.

„Heinrich."

Keine Antwort.

„Heeeiiiinriiiich."

„Was?"

„Ah. Du bist wieder auf unserem Planeten. Du hast mich doch geben in den Unterlagen nach einer Gemeinsamkeit aller Todesfälle der schwarzen Witwe zu suchen."

„Nenn Angela nicht so.

Der Forensiker zog eine Augenbraue hoch, fuhr aber dann fort.

„Also, alle Opfer hatten kurz bevor es zu dem Unfall kam Sex mit Frau Wengerter. Und alle wiesen einen für ihr Alter sehr geringen Testosteronspiegel auf. Zumindest bei den letzten dreien konnten wir das noch untersuchen."

„Was kann das denn verursachen? Und welche Folgen kann das haben?"

„Was das verursacht, kann ich bei den Betroffenen nicht sagen. Die normalen Anzeichen wie kaputte Nieren oder das Fehlen von Hoden war nicht zu finden. Als Folge ergibt sich jedoch ein Nachlassen von kognitiven Fähigkeiten."

„Männer werden dumm?"

„Nein, aber sie reagieren langsamer."

„So langsam, dass sie zu spät die Reißleine eines Fallschirm ziehen oder einem auf der Straße liegenden Ziegelstein ausweichen, der plötzlich in ihrem Weg auftaucht? Etwas was sie vorher problemlos hinbekommen haben?"

Der Forensiker schaute ihn nachdenklich an und nickte.

„Okay, wie kann man ein Hormon aus dem Körper entfernen?", wollte Heinrich wissen.

„Gar nicht. Nicht so wie in dem Befund. Man müsste das Blut komplett aus dem Körper holen. Anschließend nur dieses eine Hormon heraussynthetisieren, was fast unmöglich ist, und anschließend alles wieder reinpumpen. Und das innerhalb von drei Stunden vor der Tat, bevor der Körper reagiert und Botenstoffe in hohen Mengen ausstößt, um die Produktion wieder zu steigern. In einer realen Welt ist das unmöglich."

„Und wenn die reale Welt nicht so real wäre?" fragte Heinrich.

Der Forensiker überlegte.

„Sie müsste ein Sukkubus sein."

„Was ist das?"

„Ein Geistwesen, das Männern der Legende nach, den sexuellen Odem stiehlt, um sich davon zu nähren. Aber sie töten ihre Opfer nicht. Es ist sogar ausgesprochen treu, wenn es einmal das für sie richtige Wesen gefunden hat."

„Und woher weiß ein Forensiker das?"

„Weil der Forensiker ein Semester alte Kulte an der historischen Fakultät hatte. Nur weil die Anfänge heute nicht mehr modern sind und in unserer technisierten Welt alles überdeckt ist, heißt es ja nicht, dass Jahrhunderte alte Überlieferungen wertlos sind. Und auch moderne Hexen können mal Opfer einer Tat werden. Dann möchte sie nicht, dass ihr Lecken an einem Fliegenpilz vorschnell zu einer Unfalltotdiagnose führt, nur weil der Forensiker keine Ahnung hat."

Heinrich nickte. Er tippte Sukkubus bei Google ein und erhielt Bilder mit Flügeln und Hörnern an bildhübschen Frauen. Er dachte an Angela und die Nacht. Sie war auch unglaublich schön. Aber nicht mehr. Keine Hörner und weit und breit auch keine Flügel hatte er gesehen.

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