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Doro 09: Das Gästezimmer

Geschichte Info
Doro kommt an einen Ort der Ruhe und des Friedens.
5.7k Wörter
4.56
4.5k
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Geschichte hat keine Tags

Teil 9 der 9 teiligen Serie

Aktualisiert 06/14/2023
Erstellt 08/27/2022
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Die schwere Haustür fiel hinter Doro ins Schloss und trennte sie von der sonnigen Außenwelt und der beeindruckenden Gestalt Madame Séverines. Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Zu oft waren in letzter Zeit Türen hinter ihr zugefallen, die sie nicht mehr öffnen konnte. Doch sie unterdrückte den Impuls, sich sofort umzudrehen und auszuprobieren, ob sie das Haus wieder verlassen konnte. Stattdessen sah sie sich in der beindruckend großen, über zwei Stockwerke reichenden Eingangshalle um. Obwohl das Haus umfassend modernisiert war, atmete der ausgedehnte Raum noch immer die Atmosphäre des Adelssitzes, der es einst gewesen war. Die hohe Decke war mit einem prächtigen Kronleuchter geschmückt, dessen Kristalle das Licht der elektrischen Kerzen tausendfach brachen und durch den Raum warfen. Ihr Schimmer spiegelte sich als warmes Glühen auf den polierten Steinböden. Der Geruch von frisch geschnittenen Blumen erfüllte die Luft und mischte sich mit einem leichten Hauch von Holz und Leder aus den antiken Möbeln, die die Halle schmückten.

Doro setzte eine optimistische Miene auf und wandte sich mit übertrieben fröhlichem Tonfall an die Zofe, die sie eingelassen hatte.

„Nun, da sind wir, nicht wahr? Das ist ein wahnsinnig beeindruckendes Haus, muss ich schon sagen. Es muss ganz schön cool sein, hier zu wohnen. Es wäre echt toll, wenn du mir mal eine Führung geben könntest. Aber lieber nicht jetzt sofort. Ich bin ziemlich fertig und müde und könnte wirklich mal eine Ruhepause gebrauchen. Die letzten Tage waren ein richtiger Höllentrip. Und die Zeit davor hatte es auch ganz schön in sich. Das willst du gar nicht wissen, was mir alles passiert ist. Und du zeigst mir jetzt ein Zimmer, wo ich mich ausruhen kann? Mann, da freue ich mich riesig. Oh, entschuldige, ist es in Ordnung, wenn ich dich duze? Ich bin da eigentlich recht locker drauf und denke nicht lange darüber nach, wenn ich jemanden in meinem Alter treffe. Ich heiße Doro. Aber ich glaube, das habe ich schon gesagt, oder? Wobei ich Dorothea gesagt habe. Das ist natürlich mein richtiger Name. Dorothea. Ich mag Doro aber lieber. Ist kürzer und klingt nicht so alt. Die meisten nennen mich auch so. Doro, meine ich. Und du bist Janine?"

Sie merkte, dass sie vor Aufregung und Unsicherheit gedankenlos plapperte und klappte den Mund zu. Betreten sah sie zu ihrem Gegenüber, während sie spürte, wie ihr vor Verlegenheit die Röte ins Gesicht stieg. Die Zofe behielt ihren neutralen Ausdruck bei und gab in keiner Weise preis, was sie über den Gast dachte.

„Ja, mein Name ist Janine. Und ja, Sie dürfen mich duzen. Wenn Sie es wünschen, kann ich ihnen jetzt das Gästezimmer zeigen, es sei denn, sie hätten zuvor noch andere Wünsche."

„Zimmer und Ausruhen, das ist genau, was ich jetzt brauche. Ja."

Das Mädchen wandte sich mit einer einladenden Geste um und stieg auf der imposanten Treppe, die in der Halle ins Obergeschoss führte, voran. Die kunstvoll gearbeiteten Geländer und die polierten Marmorstufen ließen die Treppe wie ein Kunstwerk wirken, das im Licht des Kronleuchters schimmerte. Die Absätze der Zofe unterstrichen jeden ihrer Schritte mit einem leisen Klacken, während Doros nackte Füße nur jeweils ein schwaches Tapsen erzeugten.

Doro folgte Janine die Treppe hinauf und ihr Blick folgte ihr dabei unwillkürlich. Dabei erzeugte die Kombination aus dem extrem kurzen Rock des Zofenkostüms und der Perspektive von Doros Blick von unten nach oben eine für sie eher peinliche Situation. Sie bemerkte, dass sie die knackigen runden Pobacken fixierte, die beim Treppensteigen eine beinahe hypnotische Bewegung vollführten. Schuldbewusst richtete sie ihre Augen nach unten direkt vor ihre eigenen Füße. Sie fragte sich, ob Janine sich absichtlich so provokant verhielt. Wenn schon sie als Frau davon beeinflusst wurde, welche Wirkung musste das provozierende Verhalten dann erst auf Männer ausüben?

Schon zuvor war ihr das klischeehafte, übersexualisierte Kleid aufgefallen, das einfach nicht in die gediegene, edle Umgebung des Herrenhauses passen wollte. Ihr erster Eindruck von dem Ort war durch das selbstbewusste Auftreten und den stringenten Stil von Madame Séverine geprägt worden, als diese sie begrüßt hatte. Sie wusste nicht recht, wie sie mit diesen widersprüchlichen Eindrücken umgehen sollte.

Wenn ein Arbeitgeber zuließ, dass seine Angestellten in einem solchen Outfit auftraten, sagte das vermutlich mehr über ihn aus, als über die von ihm abhängige Person, die es trug. Doch irgendetwas in Doro weigerte sich zu vermuten, dass nicht alle Bewohner so vornehm und gesittet waren, wie sie die Hausherrin einschätzte. Einerseits war sie neugierig, was Janine antworten würde, wenn sie sie darauf ansprach, weshalb sie das unpassende Kostüm trug. Andererseits fürchtete sie, dass die Antwort ihr nicht gefallen würde.

Ehe sie einen Entschluss fassen konnte, erreichten sie das obere Ende der Treppe. Doro fühlte eine gewisse Erleichterung, dass sie diese unangenehme Zwickmühle hinter sich gelassen hatte. Dennoch nagte der Widerspruch weiter an ihr und sie vermutete, dass sie diesen scheinbar zufälligen Auftritt auf der Treppe nicht vergessen würde und ihm später auf den Grund gehen müsste. Für den Augenblick beschloss sie, ihre Gedanken für sich zu behalten und Janine nicht weiter darauf anzusprechen.

Der Flur zum Gästezimmer erstreckte sich an der Außenseite des Hauses entlang und wurde von zahlreichen schmalen Fenstern erhellt, die einen Blick auf einen Park gewährten, der von der Vorderseite des Gebäudes aus nicht zu sehen gewesen war. Einige der Fenster waren gekippt, um frische Luft einzulassen, so dass ein Hauch des draußen blühenden Lavendels hereinwehte, der eine beruhigende Atmosphäre schuf. Die gegenüberliegende Wand wurde in regelmäßigen Abständen von Türen durchbrochen und dazwischen mit historischen Gemälden und Fotografien geschmückt, die vermutlich die Geschichte des Landhauses und seiner Bewohner erzählten.

Der Teppichboden war weich und dämpfte die Schritte der Besucher, so dass sie bis auf das schwache Rascheln der Kleider in beinahe völliger Stille voranschritten. Doros bloße Sohlen sanken in den dichten Flor ein, so dass sie meinte, über Wolken zu gehen. Die beruhigenden Sinneseindrücke verstärkten ihr Gefühl, wenn schon nicht Zuhause, so doch an einem Ort angekommen zu sein, wo sie Ruhe und Frieden finden konnte.

Vor einer der hölzernen Türen, die sich in Nichts von den anderen, die sie passiert hatten, unterschied, blieb das Zimmermädchen stehen, öffnete sie weit und hielt sie für Doro auf. Diese trat ein und fand sich in einem geräumigen und luxuriösen Raum wieder. Die Wände waren in einem sanften Cremeton gestrichen, der dem Zimmer eine helle und luftige Atmosphäre verlieh. Die Fenster waren mit schweren Vorhängen bedeckt, die das Sonnenlicht sanft filterten, was dem Raum eine angenehme, kühle Stimmung gab. Der vom Flur hereinziehende Lavendel wurde von dem Geruch alten geölten Holzes und einem sanften Rosenduft überlagert.

Antike Möbelstücke, ein prächtiger Schreibtisch, gepolsterte Sessel und ein dazu passendes Sofa sowie ein wunderschöner Schrank mit durch Schnitzereien verzierten Türen, verliehen dem Raum eine nostalgische Anmutung an frühere Zeiten. Auch die offen liegenden, schweren Holzbalken an der Zimmerdecke wiesen aus, dass das Haus eine lange Geschichte bewahrte.

Aber es war das große, bequeme Doppelbett mit frischer Bettwäsche, das die volle Aufmerksamkeit des Gastes auf sich zog. Es war mit einer kuscheligen Decke und flauschigen Kissen ausgestattet, die zu einem erholsamen Schlaf einluden. Auf Doro, die sich todmüde und erschöpft von den vorangegangenen Strapazen fühlte, nachdem die Anspannung von ihr abgefallen war, wirkte es eine geradezu magnetische Anziehungskraft aus.

„Ist das Zimmer für Sie in Ordnung?"

Doro nickte automatisch.

„Ja, danke. Es ist wundervoll."

„Kann ich noch etwas für Sie tun? Eine Erfrischung vielleicht?"

Die Frage erinnerte Doro daran, wie lange sie schon nichts mehr gegessen und getrunken hatte. Sie verspürte Hunger und ihr Magen gab ein deutlich hörbares Grummeln von sich. Peinlich berührt legte sie eine Hand auf ihren flachen Bauch.

„Das wäre fantastisch. Dankeschön."

Nachdem das Mädchen die Tür sorgfältig hinter sich geschlossen hatte, setzte sich Doro auf die Bettkante und probierte spielerisch die Federung der Matratze aus. Sie warf die Arme zur Seite und ließ sich wohlig seufzend nach hinten plumpsen.

*

Sie schreckte auf. Noch halb in einem Traum gefangen, der sich wie Dunst in der heißen Sonne verflüchtigte, sah sie verwirrt und desorientiert um sich. Ein zweites Klopfen wies darauf hin, was sie geweckt hatte, und holte sie weiter in die Wirklichkeit zurück.

„Herein!", rief sie noch immer schlaftrunken.

Sie erinnerte sich, wo sie war. Sie musste auf der Stelle eingenickt sein, sobald sie sich hingelegt hatte. Irgendwie hatte sie sich in der Mitte des Bettes zusammengerollt und hatte dort tief geschlafen.

Das Zimmermädchen trat ein. Sie balancierte auf einer Hand ein Tablett, auf dem sie einen Krug Wasser, ein Glas, eine Schale Obst und einen Teller Kekse transportierte.

„Entschuldigen Sie die Störung, Madame. Ich wollte sie nicht wecken."

„Ach was. Schon in Ordnung. Danke für das Essen."

Während Janine das Tablett zum Tisch trug, robbte Doro zur Bettkante und stand auf. Schuldbewusst registrierte sie, dass sie das schöne Bett zerwühlt und sich mit ihrem staubigen, fleckigen, verschwitzten Kleid und dreckigen Füßen auf den frischen Laken niedergelassen hatte.

"Oh, es tut mir so leid. Ich bin eingeschlafen und habe nicht daran gedacht, dass ich das Bett schmutzig mache."

"Kein Problem, Madame. Ich ziehe sofort frische Laken auf."

„Nein, nein", beeilte sich Doro, den Vorschlag abzulehnen, „das ist ganz bestimmt nicht notwendig."

Und noch etwas, das sie immer mehr störte, musste sie umgehend ändern.

„Es ist genauso wenig notwendig, dass du mich Madame nennst. Das bin ich nicht. Nenne mich bitte einfach Doro. Und ich würde mich wirklich freuen, wenn wir uns beide duzen."

„Wie Sie wü...", die Zofe stockte und lächelte verlegen, „wie du möchtest. Gerne. Doro." Ihr Lächeln wurde offener und auch ein wenig Anspannung fiel von ihr ab. Sie fragte: „Möchtest du vielleicht ein Bad nehmen?"

„Oh, ja! Das wäre himmlisch. Du ahnst nicht, wie schmutzig ich mich fühle."

„Dann schlage ich vor, du isst und trinkst etwas, während ich heißes Wasser einlasse."

Dankbar griff Doro nach der Obstschale und in kürzester Zeit hatte sie zudem den halben Krug geleert. Mit einem Pfirsich und einem Apfel in je einer Hand folgte sie Janine, die durch eine schmale Seitentür in ein Nebenzimmer verschwunden war.

Das Badezimmer war modern renoviert und bot allen Luxus und Komfort, den man sich wünschen konnte, jedoch ohne dabei den historischen Charakter des Gebäudes zu beeinträchtigen. Die Wände waren mit eleganten Fliesen in Beige und Ocker verkleidet, die perfekt zum historischen Ambiente des Hauses passten. Ein breiter Spiegel über dem Waschbecken vergrößerte den eigentlich schmalen Raum optisch.

Das große Fenster bot einen herrlichen Blick auf den weitläufigen Garten, den man beim Baden genießen konnte. Doro hätte erwartet, dass man im Bad mattes Glas oder eine Milchglasscheibe eingesetzt hätte, um Intimsphäre zu schaffen, aber da das Zimmer im Obergeschoss lag, hatte man dem schönen Ausblick wohl Vorrang eingeräumt.

Seifen, Parfumflakons und Duftkerzen erzeugten eine interessante und nicht unangenehme Mischung verschiedener Gerüche, unter denen Lavendel und Vanille dominierten.

Janine stand neben der geräumigen, freistehenden Badewanne, die mit Leichtigkeit zwei Personen Platz bieten konnte. Das einströmende heiße Wasser plätscherte angenehm und ließ dichte Dampfschwaden aufsteigen. Doro entdeckte sogar Luftdüsen am Boden und an den Wänden der Wanne, mit der man sie als Whirlpool nutzen konnte.

Das sprudelnde Wasser war so verlockend, dass Doro ohne weiteres Zögern ihr Kleid abstreifte und mit einem Bein über den Rand der Wanne stieg, um mit den Zehen die Temperatur zu testen.

In den langen Monaten im Gefängnis war Privatsphäre für sie zum Fremdwort geworden. Die Notwendigkeit, sich Gemeinschaftsduschen teilen zu müssen und sich davor, teils unter den Augen männlicher Wachen, ausziehen zu müssen, hatte sie die Scheu davor, sich anderen im Bad unbekleidet zu präsentieren, verlieren lassen. Erst als sie die aufgerissenen Augen und den schockierten Gesichtsausdruck der anderen Frau bemerkte, wurde ihr wieder bewusst, dass dies nicht für jede normal sein dürfte. Ihr entfuhr ein ersticktes Geräusch und sie sah sich suchend um. Janine verstand, was sie suchte und reichte ihr ein großes, flauschiges Badetuch. Als Doro dieses vor sich hielt, entspannte sich die Zofe sichtlich.

„Ähm, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Entschuldige."

Sie überlegte, ob sie zur Erklärung erzählen sollte, was sie durchgemacht hatte. Doch sie hatte die Befürchtung, dass sie Janine damit nur noch mehr verschrecken würde. Die eklatante Unstimmigkeit zwischen dem Äußeren und der Persönlichkeit der anderen Frau drängte sich ihr auf. Die aufreizende Kleidung und das auffällige Make-Up konnten keinen falscheren ersten Eindruck von ihr vermitteln. Zwar schien Janine ihr ein paar Lebensjahre voraus zu haben, aber Doro war offenkundig deutlich erfahrener und selbstsicherer. Das bedeutete bei ihrem eigenen ziemlich erschütterten Nervenkostüm eine ganze Menge. Der Kontrast war so krass, dass sie nicht mehr länger schweigen konnte.

„Sag mal, Janine, warum trägst du eigentlich dieses Kleid und schminkst dich wie ein Vamp mit dem dunklen Lidschatten und so?"

Verunsicherung legte sich wieder über die Miene der Angesprochenen wie eine dunkle Wolke über die Sonne.

„Das ist meine Arbeitskleidung. Ich trage sie im Dienst immer. Ist etwas nicht in Ordnung damit?"

Doro überlegte, dass diese Tatsache einiges über den Arbeitgeber aussagte, der seine Angestellten in eine derart sexistische Uniform zwang. Sie hoffte inständig, dass dieser Zwang nicht von ihrem frisch erkorenen Idol, Madame Séverine ausging. Dies wäre ein Tiefschlag, den sie in ihrem gegenwärtigen labilen Zustand nicht ertragen könnte. Aus Angst, etwas zu erfahren, das sie gar nicht hören wollte, schob sie das Thema zu Seite.

„Alles gut. Ich würde jetzt gerne baden."

Janine nickte. „Natürlich. Hier sind verschiedene Badezusätze, bediene dich bitte nach Belieben. Brauchst du noch etwas?"

„Nein, danke, im Moment nicht."

Die Erleichterung war Janine deutlich anzusehen, als sie aus dem Badezimmer geradezu floh.

Doro stieg in die Wanne und genoss das heiße Wasser, das sie umfing, und den Schaum, der sich um sie herum ausbreitete. Der kräftige Duft von Rosen und Vanille erfüllte den Raum und sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal so entspannt gewesen war. Die Anspannung und Erschöpfung des Tages schmolzen dahin. Sie lehnte ihren Kopf gegen das Kissen, das am Kopfende befestigt war, und schloss die Augen, lauschte dem sanften Plätschern des Wassers und atmete tief ein.

*

Als Doro aus ihrem Schlaf erwachte, bemerkte sie fröstelnd, dass das Wasser inzwischen kalt geworden war. Draußen vor dem Fenster dämmerte es.

Nach dem Abtrocknen ging sie zurück ins Gästezimmer und stellte fest, dass das Bett gemacht wurde. Auf dem blütenweißen Laken lag ein wunderschönes Nachthemd aus hellgelber Seide mit Stickereien am Ausschnitt. Ihr altes, schmutziges Kleid war verschwunden.

Sie schlüpfte in das frische Hemd, das ihr bis zu den Waden reichte, und erfreute sich daran, wie das zarte Gewebe ihre Haut umschmeichelte. Dann machte sie sich über den Teller Kekse her und füllte den Krug am Waschbecken wieder auf. Der kleine Imbiss hatte ihren Hunger aber eher geweckt als gestillt. Sie entschloss, nach einer Küche oder ähnlichem zu suchen.

Ihre Hoffnung, etwas anderes zum Anziehen zu finden, erfüllte sich nicht. Der Kleiderschrank war leer. Dafür entdeckte sie neben der Tür einen Klingelknopf, den sie drückte. Wenige Augenblicke später klopfte es.

Janine steckte ihren Kopf durch den Türspalt und wirkte beruhigt, als sie Doro angezogen vorfand.

„Brauchst du etwas?"

„Ich habe mich gefragt, ob ich etwas Herzhafteres zu essen bekommen kann."

„Natürlich. Du bist der einzige Gast im Haus und die Köchin hat heute frei. Aber ich kann dir etwas warm machen, wenn du magst. Eine Suppe?"

„Klingt gut. Und etwas anderes zum Anziehen wäre praktisch."

Janine nickte bestätigend.

„Stimmt, du hast ja kein Gepäck bei dir. Dein Kleid habe ich in die Wäsche getan, das wird morgen früh noch nicht trocken sein. Ich würde dir ja gerne etwas von meinen Sachen geben, aber die dürften dir nicht passen."

Als sie Doros Stirnrunzeln sah, beeilte sie sich zu erklären:

„Natürlich keine Dienstmädchenuniform. Ich habe schon gemerkt, dass du die nicht magst. In meinem Zimmer habe ich private Sachen. Aber ..."

Sie hielt ihre Hände zu halbrunden Schalen geformt vor ihre Brust. Doro verstand die eindeutige Geste sofort. Obwohl sie zu ihrem gelegentlichen Leid selbst nicht allzu üppig mit weiblichen Kurven gesegnet war, wirkte sie gegenüber dem Zimmermädchen geradezu ausladend. Janine hatte einen sehr jungenhaften Körper, war zudem eine Handspanne kleiner und sie besaß auch nicht die athletische Figur, die Doro ihrem regelmäßigen Sport verdankte.

„Könntest du Sachen für mich besorgen?"

„Ich frage gleich nach dem Aufstehen Madame Séverine, was wir da machen können."

„Sie schläft auch hier im Haus?"

Doro war plötzlich seltsam aufgeregt.

„Ja, aber ihre Zimmer liegen in einem anderen Flügel. Nachdem sie sich heute Abend schon zurückgezogen hat, möchte ich sie ungern stören."

„Das ist in Ordnung. Eine Suppe wäre mir im Moment tatsächlich auch viel wichtiger."

„Oh, entschuldige, ich kümmere mich sofort darum." Und sie eilte davon.

Während Doro wartete, sah sie sich noch einmal im Zimmer um. Ein schmales Bücherregal neben dem Schreibtisch erweckte ihre Aufmerksamkeit. Mit schräg gelegtem Kopf las sie die Titel auf den Buchrücken. Irritiert stellte sie fest, dass alle auf ein gewisses Genre hindeuteten. „Die dunkle Seite der Liebe", „Fesselnde Sinnlichkeit", „Peitschendes Verlangen", „Schmerzende Lust" und „Harte Hand -- weiches Herz". Unentschieden, was sie mit der Entdeckung anfangen sollte, griff sie sich das letzte der Reihe und las den Kladdentext.

"Julia hat alles im Griff - bis sie auf den erfolgreichen Unternehmer Mark trifft. Schnell gerät sie in seinen Bann und lässt sich auf seine geheimnisvolle Welt ein. Doch Mark ist kein einfacher Herr, sondern ein dominanter Mann mit einem dunklen Geheimnis, das ihre Beziehung auf eine harte Probe stellt. Wird Julia bereit sein, sich seiner harten Hand bedingungslos zu unterwerfen, um sein weiches Herz zu gewinnen?"

Doro schüttelte den Kopf. Das war kein Lesestoff, den sie in einem Gästezimmer erwartet hätte. Schon gar nicht in einem so vornehmen und edlen Haus. Ein weiteres Rätsel, das sich vor ihr auftat. Aber sie war so intellektuell ausgehungert, weil sie seit ewigen Zeiten kein Buch mehr in der Hand gehalten hatte, obwohl sie früher eine wahre Leseratte gewesen war, dass sie bereit war, alles zu verschlingen, was sich ihr anbot. Schulterzuckend nahm sie das Buch mit aufs Sofa, machte es sich bequem und begann zu lesen.

Bei ihrer Rückkehr hielt sich Janine nicht damit auf, zu klopfen und hereingebeten zu werden. Sie trug ein schweres Tablett mit beiden Händen und drückte die Tür deshalb einfach mit ihrer Kehrseite hinter sich zu. Doro sah eine Terrine, dunkles Bauernbrot, Teller und Besteck. Ein verführerischer Geruch nach Gemüse und Kräutern stieg ihr in die Nase und das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Rasch legte sie das Buch zur Seite.

Zu Doros Überraschung stand neben der Suppe eine Flasche Sekt. Sie zog fragend die Augenbrauen hoch. Janine grinste spitzbübisch.

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